Der kleine Trupp von Gnomen führte Shea bis zum Sonnenuntergang nach Norden. Der Talbewohner war erschöpft, als der Marsch begann, und als man endlich für die Nacht anhielt, brach er auf der Stelle zusammen und schlief, bevor die Gnome damit fertig waren, seine Füße zu fesseln. Der lange Marsch führte sie von den Ufern des unbekannten Flusses nach Norden in das Hügelland westlich des oberen Anar-Waldes an der Grenze zum Nordland. Das Fortkommen wurde immer schwieriger, als aus dem flachen Grasland der Rabb-Ebenen rauhe, steile Hügel wurden. Nach einiger Zeit mußte man mehr klettern als gehen, und einige allzu steile Anhöhen erforderten Umwege. Es war eine herrliche Landschaft, weite Wiesen, dazwischen kleine Wälder aus alten Bäumen mit breiten Kronen, deren Äste sich graziös im leichten Frühlingswind wiegten. Aber die Schönheit verschloß sich Shea, der sich nur darauf zu konzentrieren vermochte, einen Fuß vor den anderen zu setzen, angetrieben von seinen gnadenlosen Gegnern. Bei Einbruch der Nacht war die Gruppe tief im Hügelgebiet, und wenn Shea eine Landkarte hätte zu Rate ziehen können, wäre er dahintergekommen, daß sie genau östlich von Paranor ihr Lager aufschlugen. Aber der Schlaf übermannte ihn so schnell, daß er sich nur noch erinnern konnte, erschöpft ins Gras gesunken zu sein, bevor alles dunkel wurde.
Die Gnomen legten ihm Fesseln an und entzündeten dann ein Feuer für ihr bescheidenes Mahl. Ein Gnom mußte Wache halten, hauptsächlich nur aus Gewohnheit, da sie kaum glaubten, so tief in ihrer Heimat etwas befürchten zu müssen, und ein zweiter hatte auf den schlafenden Gefangenen zu achten. Der Gnomenanführer wußte immer noch nicht, wer Shea war, und auch die Bedeutung der Elfensteine entging ihm, wenngleich er intelligent genug war, zu dem Schluß zu kommen, daß sie von Wert sein mußten. Er hatte vor, den Gefangenen nach Paranor zu bringen und mit seinen Oberen über das Schicksal des jungen Mannes und der Steine zu sprechen. Vielleicht verstanden sie etwas von diesen Dingen.
Das Feuer brannte bald, und die Gnomen schlangen hastig Brot und gebratene Fleischstreifen hinunter. Dann versammelten sie sich um die wärmenden Flammen und betrachteten neugierig die drei kleinen Elfensteine, die der Anführer auf ihr Drängen hervorgeholt hatte. Die runzligen, gelben Gesichter beugten sich über die ausgestreckte Hand, wo die Steine im Feuerschein hell funkelten. Einer der Gnomen wollte sie berühren, aber eine schallende Ohrfeige, verabreicht von seinem Oberen, schleuderte ihn in die Schatten zurück. Der Gnomenanführer schob die Steine in seiner Handfläche hin und her, und die anderen starrten sie gebannt an. Nach einer Weile hatten sie genug von diesem Treiben, die Steine wurden in den kleinen Lederbeutel zurückgelegt und im Rock des Anführers verwahrt. Man ließ die Bierflaschen kreisen und trieb Spaße bis in die tiefe Nacht hinein. Selbst der Wächter kam dazu, weil er wußte, daß sein Dienst unnötig war. Schließlich legte man sich zum Schlafen nah ans Feuer. Der Wächter versäumte nicht, eine Decke über den Gefangenen zu breiten. Kurz danach war es still im Lager, und alle schliefen, bis auf den müden Wächter, der im Schatten außerhalb des verglimmenden Feuerscheins stand.
Shea schlief unruhig, immer wieder aufgeschreckt von Alpträumen über seine Flucht mit Flick und Menion nach Culhaven und die mühselige Wanderung nach Paranor. Immer wieder tauchten Szenen auf, die in ihrer Schrecklichkeit von den wirklichen Ereignissen kaum zu unterscheiden waren. Zuletzt durchlebte er noch einmal den Sturz in den reißenden Fluß, tauchte unter und glaubte zu ersticken.
Schlagartig war er wach und starrte in das erste Grau der aufkommenden Dämmerung, Hände und Füße waren ihm kalt und taub von den Lederfesseln. Er schaute sich betroffen um, sah die erlöschende Glut des Lagerfeuers und die zusammengerollten Gestalten der schlafenden Gnomen. Es war still im Halbdunkel, so still, daß Shea seine eigenen Atemzüge deutlich hören konnte.
Abseits stand die einsame Figur des Wächters, ein verschwommener Schatten am Rand der Lichtung vor dichtem Unterholz.
Shea ließ seinen Blick noch einmal in die Runde gehen, stützte sich auf einen Ellenbogen und wischte sich den Schlaf aus den Augen. Er versuchte, an den Lederschnüren zu zerren, die ihn fesselten, mußte den Gedanken an eine Flucht aber bald aufgeben.
Er besaß nicht die Kraft, die Fesseln zu zerreißen, und aufschnüren konnte er sie nicht. Er starrte hilflos auf den Boden, überzeugt davon, daß dies das Ende für ihn bedeutete, daß er in Paranor den Schädelträgern ausgeliefert und schnell getötet werden würde.
Dann hörte er etwas. Es war nur ein leises Rascheln, irgendwo in der Dunkelheit außerhalb der Lichtung, aber er hob aufmerksam den Kopf und lauschte. Seine Elfenaugen huschten über das Lager und die Gnomen, aber alles erschien unverändert. Er brauchte einige Sekunden, um den Wächter am Rand der Lichtung auszumachen; dieser hatte sich nicht von seinem Platz entfernt.
Plötzlich löste sich ein großer Schatten aus dem Dickicht, der Wächter wurde von ihm eingehüllt und verschwand. Shea blinzelte ungläubig, aber es gab keinen Zweifel. Dort, wo der Gnom gestanden hatte, war nichts mehr. Lange Augenblicke vergingen, während Shea auf weitere Ereignisse wartete. Die Sonne begann aufzugehen, die letzten Reste der Dunkelheit lösten sich auf, und über den Höhen der fernen östlichen Berge lugte die Sonnenscheibe hervor.
Auf der anderen Seite ertönte ein leises Geräusch, und Shea warf sich herum. Hinter einem kleinen Hain bot sich ihm einer der seltsamsten Anblicke, die der junge Mann jemals erlebt hatte.
Es war ein Mann, von Kopf bis Fuß scharlachrot gekleidet, dergleichen in Shady Vale noch keiner gesehen. Zuerst dachte Shea, es sei Menion, aber es zeigte sich schnell, daß der Fremde keine Ähnlichkeit mit ihm hatte. Größe, Haltung, Bewegungen, alles war anders als bei Menion. Seine Züge waren im diffusen Licht schwer zu erkennen. In der einen Hand trug er ein Jagdmesser, in der anderen einen seltsamen spitzen Gegenstand. Die scharlachrote Gestalt huschte lautlos auf ihn zu und trat hinter ihn, bevor er das Gesicht genau sehen konnte. Das Jagdmesser zertrennte die Fesseln, dann schob sich eine Hand vor Sheas Gesicht, der entsetzt die Augen aufriß, als er sah, daß die linke Hand des Mannes fehlte; an ihrer Stelle ragte ein gefährlich aussehender Eisenspieß aus dem Arm.
»Kein Wort«, tönte eine scharfe Stimme an seinem Ohr.
»Nicht umsehen, nicht nachdenken. Lauf nur nach links zu den Bäumen und warte dort auf mich. Los!
«Shea stellte keine Fragen, sondern gehorchte auf der Stelle.
Auch wenn er das Gesicht des Fremden nicht sah, die raue Stimme und der Eisenhaken ließen es ratsam erscheinen, nicht lange zu zögern. Er huschte lautlos davon und lief geduckt zu den Bäumen, hinter denen er Deckung fand. Er drehte sich um und sah zu seinem Erstaunen, daß die scharlachrote Gestalt von einem schlafenden Gnomen zum anderen huschte, offenbar auf der Suche nach irgend etwas. Die Sonne war im Osten nun ganz aufgegangen, und das Licht rahmte den Fremden ein, als er sich über den Gnomenanführer beugte. Eine behandschuhte Hand griff vorsichtig in den Rock des Gnomen und zog den Lederbeutel mit den kostbaren Elfensteinen heraus. In diesem Augenblick erwachte der Gnom und wollte mit der einen Hand den Fremden festhalten, während die andere das Kurzschwert schwang. Sheas Retter war jedoch zu schnell, um sich überraschen zu lassen. Der lange Eisenhaken wehrte den Hieb ab und zuckte dann über die Kehle des Gnomen. Als der Fremde aufstand und von dem leblosen Körper davonstürmte, wurde das ganze Lager wach. Die Gnomen sprangen auf, rissen ihre Schwerter heraus und hetzten dem Eindringling nach, bevor er ganz entkommen konnte. Der Scharlachrote mußte sich stellen und kämpfen, das kurze Messer in der einen Hand, einem Dutzend Angreifern gegenüber.
Shea war überzeugt davon, daß der Fremde ausgespielt hatte, und spannte die Muskeln an, um ihm beizuspringen. Der Mann wehrte jedoch den ersten Ansturm der Gnomen ab, als wären sie Mäuse, und streckte zwei von ihnen nieder. Dann stieß er einen lauten Schrei aus, als die zweite Angriffswelle heranbrandete, und aus den Schatten auf der anderen Seite des Lagers stürmte eine massive schwarze Gestalt mit erhobenem Knüppel. Sie stürzte sich auf die überrumpelten Gnomen und hieb sie mit ungeheurer Wut und Kraft nieder, als seien sie nur dürres Laub.
Nach weniger als einer Minute lagen alle Gnomen regungslos am Boden. Shea schaute erstaunt zu, als die riesige Gestalt sich Sheas Retter in der Art eines treuen Hundes näherte, der das Lob seines Herrn erbettelt. Der Fremde sprach kurz auf den Riesen ein, dann schlenderte er zu Shea, während sein Begleiter sich mit den Gnomen befaßte.
»Ich glaube, das wäre alles«, dröhnte die Stimme, als die scharlachrote Gestalt auf den Talbewohner zukam, den Lederbeutel mit der gesunden Hand schwingend.
Shea betrachtete das Gesicht des Mannes. Art und Haltung des Scharlachroten ließen erkennen, daß er ein arroganter Bursche war, dessen unerschütterliches Selbstvertrauen vermutlich auf seiner unbestreitbaren Tüchtigkeit als Kämpfer beruhte. Das gebräunte, wettergegerbte Gesicht war glattrasiert bis auf einen schmalen Schnurrbart. Er hatte eines jener Gesichter, die dem Alter trotzen; er sah weder alt noch jung aus, aber seine Haltung war jugendlich, und nur die gegerbte Haut und die tiefliegenden Augen verrieten, daß er älter als vierzig Jahre sein mußte. Das schwarze Haar schien hier und dort angegraut zu sein, wenngleich das im Morgenlicht schwer zu erkennen war. Das Gesicht war breit, mit markanten Zügen und großem, fröhlichem Mund.
Ein gutaussehendes, freundlich wirkendes Gesicht, aber Shea spürte instinktiv, daß es eine sorgfältig geformte Maske war, der eigentlichen Art des Mannes vorgebunden. Der Fremde stand lächelnd vor dem verlegenen Talbewohner.
»Ich möchte Euch danken«, stieß Shea hastig hervor. »Es wäre aus mit mir gewesen, wenn Ihr nicht...«
»Schon gut, schon gut. Eigentlich nicht unser Geschäft, Leute zu retten, aber diese Teufel machen sich einen Spaß daraus, dich in Stücke zu schneiden. Ich bin selbst aus dem Südland, weiß du. War schon geraume Zeit nicht mehr dort, aber es ist meine Heinat. Du kommst von dort, das sehe ich. Aus den Bergen ? Natürlich hast du auch Elfenblut in dir...« Er verstummte plötzlich, und Shea war sich gewiß, daß der Mann nicht nur wußte, wer er war, sondern auch, was er darstellte, und daß er vom Reen in die Traufe gelangt sein mochte. Ein schneller Blick auf die riesige Gestalt bei den Gnomen war nötig, um zu bestätigen, dass es mit keinem Schädelträger zu tun hatte.
»Wer bist du, Freund, und woher kommst du?« fragte der Fremde plötzlich.
Shea nannte seinen Namen und berichtete, daß er aus Shady Vale stamme. Er sagte, er sei mit seinem Boot auf einem Fluß im Süden unterwegs gewesen, gekentert, fortgespült worden und bewußtlos am Ufer gelegen, wo ihn die Gnomen gefunden hätten.
Shea war nicht bereit, einem Fremden die ganze Wahrheit anzuvertrauen, solange er nicht mehr über ihn und seinen Begleiter wußte. Der Mann sah ihn lange an und lächelte belustigt, während er mit dem Lederbeutel spielte.
»Nun, ich bezweifle, daß du mir alles erzählt hast«, sagte er und lachte. »Aber ich kann es dir nicht verdenken. An deiner Stelle würde ich es nicht anders halten. Für die Wahrheit ist später noch Zeit genug. Mein Name ist Panamon Creel.« Er streckte die breite Hand aus, die Shea ergriff und kräftig drückte. Der Fremde hatte einen eisernen Griff, und der Talbewohner zuckte unwillkürlich zusammen. Der Mann lächelte schwach, ließ Sheas Hand los und wies auf den schwarzen Riesen hinter sich.
»Keltset, mein Begleiter. Wir sind schon fast zwei Jahre zusammen, und ich habe nie einen besseren Freund gehabt, auch wenn er manchmal gesprächiger sein könnte. Keltset ist stumm.«
»Was ist er für ein Wesen?« fragte Shea neugierig.
»Du bist in dieser Gegend wahrlich fremd«, sagte der andere lachend. »Keltset ist ein Berg-Troll. Er war zu Hause im Charnal-Gebirge, bevor seine Leute ihn verstießen. Wir sind beide Außenseiter in dieser undankbaren Welt, aber das Leben teilt eben jedem etwas anderes zu. Wir haben nicht die Wahl dabei.«
»Ein Berg-Troll«, wiederholte Shea verwundert. »Ich habe noch nie einen gesehen. Ich dachte, das seien alles Wilde, beinahe wie Tiere. Wie konntet Ihr...?«
»Hüte deine Zunge, Freund«, sagte der Fremde scharf. »Keltset schätzt solches Gerede nicht, und er ist empfindlich genug, dir dafür auf die Zehen zu treten. Das Problem bei dir ist, dass du ein Ungeheuer in ihm siehst, eine mißgestaltete Kreatur ohne Ähnlichkeit mit dir oder mir, und dich fragst, ob er gefährlich sei. Dann sage ich dir, daß er ein Berg-Troll ist, und nun steht erst recht für dich fest, daß er mehr Tier als Mensch sein müsse. Du weißt eben nicht genug und hast zu wenig erlebt. Du hättest die letzten Jahre mit mir unterwegs sein sollen - ha, dann hättest du gelernt, daß selbst ein freundliches Lächeln die Zähne zeigt!«
Shea sah sich den riesigen Berg-Troll genauer an, als Keltset sich über die am Boden liegenden Gnomen beugte, um sich zu vergewissern, daß ihm bei seiner gründlichen Suche nichts entgangen war. Keltset war von menschlicher Gestalt, bekleidet mit Kniehose und Rock, um den eine grüne Kordel geschlungen war.
Um Hals und Handgelenke trug er Schutzmanschetten aus Metall.
Das eigentlich Andersartige an ihm war die fast rindenähnliche Haut, durch die der Körper wie gut gebratenes, gerade noch nicht verkohltes Fleisch aussah. Das dunkle Gesicht hatte kleine Züge, war stumpf und unauffällig, mit fliehender Stirn und tiefliegenden Augen. Die Gliedmaßen entsprachen denen eines Menschen, abgesehen von den Händen. Beide besaßen keinen Kleinfinger - nur einen Daumen und drei dicke, kräftige Finger, beinahe so groß wie die schmalen Handgelenke Sheas.
»Mir kommt er nicht gerade zahm vor«, sagte Shea leise.
»Siehst du! Das typische Beispiel für eine übereilte, völlig unbegründete Meinung. Nur weil Keltset nicht zivilisiert aussieht und auf Anhieb kein intelligentes Wesen zu sein scheint, bezeichnest du ihn als Tier. Shea, mein Junge, du darfst mir glauben, wenn ich sage, daß Keltset ein empfindsamer Mensch mit den gleichen Gefühlen ist, wie wir sie haben. Im Nordland ein Troll zu sein, ist etwas ebenso Normales, wie im Westen ein Elf, und so weiter! Du und ich, wir sind die Fremden in diesem Teil der Welt.«
Shea betrachtete das breite, Sicherheit ausstrahlende Gesicht, das so natürlich wirkende Lächeln, und mißtraute dem Mann unwillkürlich. Die beiden waren mehr als Wanderer, die zufällig vorbeigekommen waren, seine schwierige Lage erkannt und ihm juis Nächstenliebe geholfen hatten. So gefährlich der Berg-Troll aber auch erscheinen mochte, Shea war überzeugt davon, dass Panamon Creel ihn auf diesem Gebiet noch weit übertraf.
»Ihr seid gewiß besser beschlagen darin als ich«, gab Shea zu, keine Worte mit Bedacht wählend. »Da ich aus dem Südland stamme und bislang nur wenig über seine Grenzen hinausgekommen bin, ist mir das Leben in diesem Teil der Welt kaum vertraut. Ich schulde Euch beiden mein Leben, und mein Dank gilt auch Keltset.«
Der elegante Fremdling lächelte zufrieden.
»Dank ist überflüssig, das sagte ich schon«, gab er zurück.
Komm hierher und setz dich einen Augenblick zu mir, während Keltset seine Arbeit abschließt. Wir müssen noch ausführlicher darüber sprechen, was dich in diese Gegend geführt hat. Es ist sehr gefährlich hier, weißt du, vor allem, wenn man allein ist.«
Er ging voraus zum nächsten Baum, setzte sich müde, lehnte sich an den Stamm und atmete tief ein. Den Beutel mit den Elfensteinen hatte er immer noch in der Hand.
»Weshalb durchsucht Keltset alle Gnomen?« fragte Shea nach kurzem Schweigen.
»Nun, vielleicht findet sich ein Hinweis darauf, woher sie kommen und wohin sie wollten. Sie könnten auch Nahrung bei sich haben, die uns teuer wäre. Wer weiß, vielleicht besitzen sie sogar etwas von Wert... ?« Er verstummte und sah Shea fragend an, den Lederbeutel in der Hand wiegend. Shea schluckte und zögerte. Es war ihm plötzlich klargeworden, daß der Fremde von Anfang an in ihm den Besitzer der Steine vermutet hatte.
»Das gehört mir«, sagte er stockend. »Der Beutel mit den Steinen ist mein Eigentum.«
»So, wirklich?« Panamon grinste schief. »Ich sehe deinen Namen aber nicht auf dem Beutel. Wie bist du dazu gekommen?«
»Mein Vater hat sie mir gegeben«, sagte Shea schnell. »Ich besitze sie schon seit Jahren. Ich nehme sie immer mit - als eine Art Talisman. Die Gnomen durchsuchten mich und nahmen mir den Beutel ab, aber er und die Steine sind mein Eigentum.«
Der Scharlachrote lächelte schwach, öffnete den Beutel und schüttete die Steine auf seine Hand. Er hob sie ans Licht und bewunderte ihr blaues Leuchten. Dann wandte er sich Shea wieder zu und hob fragend die Brauen.
»Was du sagst, mag stimmen, aber es könnte auch sein, daß du sie gestohlen hast. Sie sehen für einen Talisman ziemlich wertvoll aus. Ich glaube, ich behalte sie, bis ich mich vergewissert habe, daß du der rechtmäßige Eigentümer bist.«
»Aber ich muß fort - ich muß zu meinen Freunden«, stieß Shea hervor. »Ich kann nicht bei Euch bleiben, bis Ihr Euch überzeugt habt, daß die Steine wirklich mir gehören.«
Panamon Creel stand langsam auf, steckte den Beutel samt Inhalt ein und lächelte.
»Das sollte kein Problem sein. Sag mir einfach, wo ich dich erreichen kann, und ich bringe dir die Steine, sobald ich deine Geschichte nachgeprüft habe. Ich bin in einigen Monaten wieder im Südland.«
Shea war außer sich vor Zorn und sprang auf.
»Ihr - Ihr seid nichts als ein Dieb, ein gemeiner Straßenräuber!« tobte er.
Panamon Creel brach plötzlich in schallendes Gelächter aus.
Es dauerte eine ganze Weile, bis er sich wieder beruhigte und ungläubig den Kopf schüttelte, während ihm die Lachtränen über das Gesicht liefen. Shea starrte ihn verblüfft an. Selbst der riesige Berg-Troll hatte innegehalten und sie mit ausdrucksloser Miene angestarrt.
»Shea, ich bewundere Leute, die offen reden«, rief der Fremde glucksend. »Niemand könnte dir vorwerfen, daß du nicht mit Scharfblick ausgestattet wärst.«
Shea wollte zornig etwas antworten, bezähmte sich aber und dachte nach. Was trieben diese beiden seltsamen Gestalten in diesem Teil des Nordlands eigentlich? Weshalb hatten sie sich die Mühe gemacht, ihn zu befreien? Woher hatten sie überhaupt gewußt, daß er Gefangener des Gnomentrupps gewesen war? Er kam schnell hinter die Wahrheit; sie war so naheliegend gewesen, daß er sie übersehen hatte.
»Panamon Creel, der gütige Retter!« spottete er bitter. »Kein Wunder, daß Euch meine Bemerkung so erheitert hat. Ihr und Euer Freund seid genau das, was ich Euch genannt habe. Ihr seid Diebe, Räuber, Straßenräuber! Es waren die Steine, auf die Ihr es abgesehen hattet. Wie niedrig kann man...«
»Sei vorsichtig, Jüngling!« Der Scharlachrote sprang vor ihn hin und schwang den Eisenhaken. Das breite Gesicht war plötzlich von Haß verzerrt, das Lächeln bösartig. »Was du von uns hältst, würde ich an deiner Stelle lieber verschweigen. Ich bin weit in der Welt herumgekommen, und noch keiner hat mir freiwillig etwas gegeben. Da dem so ist, lasse ich mir auch von keinem etwas nehmen!«
Shea wich zurück und duckte sich unwillkürlich. Der hochgewachsene Fremde starrte ihn finster an, dann atmete er tief ein, richtete sich auf und lächelte schwach.
»Weshalb sollten wir es bestreiten, Keltset und ich?« Er ging ein paar Schritte auf und ab und fuhr plötzlich herum. »Wir sind Glücksritter, er und ich. Männer, die von ihrem Verstand und ihrer Schlauheit leben - und wir unterscheiden uns von den anderen Menschen nur in unseren Methoden. Und vielleicht durch unseren Ekel vor Heuchelei. Alle Menschen sind Diebe auf die eine oder andere Art; wir gehören eben noch zur altmodischen Sorte, der ehrlichen, die sich dessen nicht schämt, was sie ist.«
»Wie seid Ihr auf dieses Lager gestoßen?« fragte Shea zögernd.
»Wir haben gestern abend bald nach Sonnenuntergang das Feuer entdeckt«, erwiderte der Fremde lässig. »Ich sah mir das Ganze vom Rand der Lichtung aus näher an und beobachtete, wie die kleinen Gelben mit den drei blauen Edelsteinen spielten.
Dich habe ich auch gesehen, gefesselt, verschnürt wie ein Paket.
Ich beschloß, Keltset herzuholen und zwei Fliegen mit einer Klappe zu treffen- du siehst, ich habe nicht gelogen, als ich sagte, ich sähe einen Landsmann nicht gern in den Klauen dieser Bösewichte!«
Shea nickte.
»Mach dir keine Sorgen, Freund«, sagte Panamon Creel unbekümmert. »Wir wollen dir nichts Böses. Nur die Steine interessieren uns - sie werden einen guten Preis bringen, und das Geld können wir gebrauchen. Du kannst wieder dahin gehen, wo du hergekommen bist. Keiner hält dich auf.« Er wandte sich ab und ging zum wartenden Keltset, der brav neben einem kleinen Haufen von Waffen, Kleidungsstücken und verschiedenen Wertgegenständen wartete, die er den toten Gnomen abgenommen hatte. Neben dem Troll wirkte der große Mann beinahe zwergenhaft; mit seiner dunklen, rindenartigen Haut erschien das Wesen wie ein knorriger Baum, der seinen Schatten auf den Scharlachroten warf. Die beiden sprachen kurz miteinander, Panamon mit leiser Stimme, während der Riese in der Zeichensprache und mit Nicken antwortete. Shea beobachtete ihn eine Weile und wußte nicht recht, was er tun sollte. Er hatte die Steine nicht mehr und war ohne sie in dieser Wildnis nahezu hilflos. Er hatte seine Begleiter im Gebirge verloren, die einzigen, die zu ihm hielten, die einzigen, die ihm helfen konnten, die Steine wieder in seinen Besitz zu bringen. Es war undenkbar für ihn, einfach umzukehren, nun, da er so weit gekommen war. Die anderen verließen sich auf ihn, und er gedachte Flick und Menion nicht im Stich zu lassen, so groß die Gefahren auch sein mochten.
Panamon Creel warf einen Blick über die Schulter, um zu sehen, ob der Talbewohner schon das Weite gesucht hatte, und reagierte ein wenig verwundert, als er ihn noch immer an seinem Platz stehen sah.
»Worauf wartest du?«
Shea schüttelte den Kopf, um anzuzeigen, daß er es nicht genau wußte. Der hochgewachsene Räuber sah ihn kurze Zeit an und winkte ihn dann lächelnd heran.
»Komm und iß eine Kleinigkeit, Shea. Füttern können wir dich auf jeden Fall, bevor du ins Südland zurückkehrst.«
Eine Viertelstunde später saßen die drei an einem kleinen Lagerfeuer und sahen Streifen von getrocknetem Rindfleisch in der rauchenden Hitze braten. Keltset saß neben dem kleinen Talbewohner, die tiefliegenden Augen auf das rauchende Fleisch gerichtet, die riesigen Hände kindlich gefaltet. Shea hätte am liebsten die Rindenhaut berührt. Die Züge des Trolls waren selbst aus der Nähe nichtssagend. Er regte sich nicht, solange das Fleisch kochte, sondern saß da wie ein Felsklotz. Panamon Creel warf einen Blick herüber und sah, daß Shea das riesige Wesen wachsam im Auge behielt. Creel grinste breit und schlug Shea auf die Schulter.
»Er beißt nicht - solange er zu essen bekommt! Ich erkläre dir das immer wieder, aber du hörst nicht zu. So ist die Jugend – wild und sorglos und kein Ohr für die alten Leute. Keltset ist genau wie du und ich, nur größer und stiller, und das gefällt mir an einem Partner in diesem Beruf. Er macht seine Arbeit besser als jeder andere, mit dem ich zusammengewesen bin, und das sind nicht wenige gewesen.«
»Er tut wohl, was Ihr ihm auftragt?« fragte Shea.
»Gewiß, gewiß«, sagte der Scharlachrote und beugte sich herüber.
»Aber versteh mich nicht falsch, mein Junge. Ich will damit nicht sagen, daß er einem Tier gleicht. Er kann selbst denken, wenn es nötig ist. Aber ich war sein Freund, als ihm andere nicht einmal einen Blick gönnten - nicht einer! Er ist das stärkste Wesen, das ich kenne. Er könnte mich zerquetschen, ohne sich auch nur anzustrengen. Aber weißt du was? Ich habe ihn besiegt, und nun folgt er mir!«
Shea starrte ihn ungläubig an. Der Scharlachrote lachte fröhlich und schlug sich auf die Schenkel.
»Ich habe ihn mit Freundschaft besiegt, nicht mit Stärke. Ich habe ihn als Mann geachtet, als Gleichgestellten behandelt, und für diesen kleinen Preis erhielt ich seine Treue. Ha, hereingelegt!« Er lachte in sich hinein, nahm die Fleischstreifen vom Feuer und hielt den Stock, auf den sie aufgespießt waren, dem stummen Troll hin, der ein paar herunterzog und hungrig zu kauen begann. Shea bediente sich langsam und entdeckte plötzlich, daß er halb verhungert war. Er konnte sich nicht einmal mehr erinnern, wann er zuletzt gegessen hatte, und nagte heißhungrig an dem schmackhaften Fleisch. Panamon Creel schüttelte belustigt den Kopf und bot dem Talbewohner ein zweites Stück an, bevor er sich selbst bediente. Die drei aßen schweigend einige Minuten lang, bevor Shea die nächste Frage stellte.
»Was hat Euch veranlaßt... Räuber zu werden?«
Panamon Creel warf ihm einen Blick zu und zog die Brauen hoch. »Was kümmern dich die Gründe? Willst du unsere Lebensgeschichte schreiben?« Er machte eine Pause und grinste plötzlich über seine eigene Reizbarkeit. »Es ist kein Geheimnis, Shea. Ich habe es nie sehr gut verstanden, auf ehrliche Weise durchs Leben zu kommen, ich hielt nicht viel von Arbeit. Ich war ein wilder Bursche, liebte das Abenteuer und die Natur - und ich haßte die Arbeit. Dann verlor ich durch einen Unfall die Hand, und es wurde noch schwerer, Arbeit zu finden, von der ich leben konnte. Ich war damals weit unten im Südland, in Talhan. Ich kam ein wenig in Schwierigkeiten, die dann größer wurden. Bis ich mich umsah, durchstreifte ich die vier Länder und raubte, was ich brauchte. Das Komische dabei war, daß mir das wirklich lag.
Ich konnte einfach nicht aufhören damit. Und es machte mir Spaß. Und hier bin ich, vielleicht nicht reich, aber glücklich in der Blüte meiner Jugend.«
»Denkt Ihr nie daran zurückzukehren?« fragte Shea. »Denkt Ihr nie an ein Heim und...?«
»Wir wollen doch nicht rührselig werden, mein Junge.« Der andere brüllte vor Lachen. »Wenn du so weitermachst, fange ich an zu weinen und bitte auf meinen müden, alten Knien um Vergebung.
« Er begann so heftig zu lachen, daß sogar der stumme Troll kurz herüberblickte. Shea ärgerte sich so, daß ihm das Blut ins Gesicht schoß, und er kaute das Fleisch grimmiger. Das Gelächter minderte sich schließlich zu einem Kichern, und der Räuber schüttelte belustigt den Kopf, während er weiteraß. Schließlich setzte er seinen Bericht mit leiserer Stimme fort. »Keltset hat eine andere Geschichte zu erzählen als ich, das möchte ich betonen.
Ich hatte keinen Anlaß, dieses Leben zu ergreifen, aber er jeden. Er war von Geburt an stumm, und die Trolle schätzen derlei Behinderungen nicht. Sie machten ihm das Leben schwer, stießen ihn herum und schlugen ihn, wenn sie sich über irgend etwas ärgerten, an dem sie nicht direkt ihren Zorn auslassen konnten. Er wurde zur Zielscheibe aller schlechten Scherze, wehrte sich aber nie, weil das die einzigen Wesen waren, die er hatte. Dann wurde er groß, so groß und stark, daß alle anderen Angst vor ihm bekamen. Eines Nachts versuchten ein paar von den jungen Leuten, ihn schwer zu mißhandeln, so schwer, daß er fortgehen sollte, vielleicht sogar sterben mochte. Sie trieben es zu weit, er wehrte sich und tötete drei von ihnen. Dafür wurde er aus dem Dorf vertrieben, und ein verstoßener Troll hat außerhalb seines eigenen Stammes kein Zuhause. Er streifte allein herum, bis ich ihn fand.« Der Scharlachrote lächelte schwach und blickte hinüber zu dem massiven, stillen Gesicht, das über die letzten Fleischstücke gebeugt war. »Er weiß aber, was wir tun, und ist sich wohl auch im klaren darüber, daß das keine ehrliche Arbeit ist. Er ist aber wie ein Kind, das so gemein behandelt wurde, daß es keine Achtung vor anderen hat, weil ihm nie jemand etwas Gutes zuteil werden ließ. Außerdem bleiben wir in diesem Gebiet, wo es nur Gnomen und Zwerge gibt - die natürlichen Feinde eines Trolls. Wir halten uns fern vom zentralen Nordland und stoßen auch nie sehr weit nach Süden vor. Wir kommen ganz gut zurecht.« Er kaute sein Fleisch und starrte in das erlöschende Feuer. Shea aß stumm zu Ende und fragte sich, was er tun konnte, um die Elfensteine wieder an sich zu bringen; wenn er nur gewußt hätte, wo seine Kameraden waren! Der Scharlachrote erhob sich und zertrat die Reste des Feuers. Der Berg-Troll stand ebenfalls auf und wartete geduldig auf die nächste Entscheidung seines Freundes. Auch Shea raffte sich endlich auf und sah, wie Panamon Creel ein paar Waffen und kleine Schmuckstücke in einen Sack warf, den er Keltset zum Tragen gab. Dann wandte er sich Shea zu und nickte kurz.
»Es war interessant, dich kennenzulernen, Shea, und ich wünsche dir viel Glück. Wenn ich an die kleinen Edelsteine in ihrem Beutel denke, werde ich mich an dich erinnern. Schade, daß du sie nicht hast behalten können, aber wenigstens hast du dein Leben gerettet - oder vielmehr ich habe es dir gerettet. Stell dir die Steine als Geschenk für geleistete Dienste vor. Dann erträgt sich der Verlust leichter. Und jetzt mach dich lieber auf den Weg, wenn du in den nächsten Tagen das sichere Südland erreichen willst. Die Stadt Varfleet erreichst du südwestlich von hier, und dort erhältst du Hilfe. Bleib nur im offenen Gelände.« Er wandte sich ab und winkte Keltset, ihm zu folgen. Nach ein paar Schritten schaute er sich noch einmal um. Shea hatte sich nicht gerührt, sondern sah den beiden wie in Trance nach. Panamon Creel schüttelte angewidert den Kopf, ging ein Stück weiter, blieb verärgert stehen und fuhr herum, weil er wußte, daß der andere sich noch immer nicht vom Fleck gerührt hatte.
»Was ist mit dir?« fragte er aufgebracht. »Erzähl mir nicht, dass du auf den dummen Gedanken gekommen bist, uns nachzugehen und zu versuchen, die Steine wieder an dich zu bringen. Das würde das gute Verhältnis zwischen uns sehr stören, weil ich dir dann die Ohren abschneiden müßte - wenn nichts Schlimmeres! Los jetzt, verschwinde!«
»Ihr versteht nicht, was diese Steine bedeuten!« schrie Shea verzweifelt.
»Ich glaube schon. Sie bedeuten, daß Keltset und ich für eine Weile mehr sein werden als armselige Räuber. Sie bedeuten, daß wir geraume Zeit nicht stehlen oder betteln müssen. Sie bedeuten Reichtum, Shea.«
Shea lief den Räubern unvermittelt nach, nichts anderes im Sinn, als die kostbaren Elfensteine zurückzuholen. Panamon Creel sah ihn verblüfft herankommen, überzeugt davon, daß der Junge den Verstand verloren hatte. Shea kam in zwei Metern Abstand zum Stehen, keuchend und außer sich, obwohl er dumpf begriff, daß er sich selbst das Todesurteil sprechen mochte, und stieß hervor:
»Ich habe Euch vorher nicht die Wahrheit gesagt. Ich konnte nicht... ich kenne sie selbst nicht ganz. Aber die Steine sind überaus wichtig - nicht nur für mich, sondern für jedermann, in allen Ländern. Sogar für Euch, Panamon.«
Der Scharlachrote sah ihn mit einer Mischung von Verwunderung und Mißtrauen an. Er blieb stumm und wartete.
»Ihr müßt mir glauben!« schrie Shea. »An der Sache hängt mehr, als Ihr ahnt!«
»Du scheinst das offenbar wirklich zu glauben«, gab der andere zurück. Er warf einen Blick auf Keltset, der ungerührt dabeistand, und zuckte die Achseln. Der Troll trat auf Shea zu, und der Talbewohner zuckte erschrocken zurück, aber Panamon Creel hielt seinen Begleiter mit einer Handbewegung zurück.
»Hört, tut mir wenigstens einen Gefallen«, flehte Shea verzweifelt, nach jedem Strohhalm greifend, um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen. »Nehmt mich mit nach Paranor.«
»Du mußt verrückt sein!« rief der Räuber entsetzt. »Was für einen Anlaß könntest du haben, dich in die schwarze Festung zu wagen? Das ist ein höchst unfreundliches Gebiet. Du würdest dort keine fünf Minuten überleben! Geh nach Hause, Junge. Geh zurück ins Südland und laß mich in Frieden.«
»Ich muß unbedingt nach Paranor«, sagte Shea gepreßt.
»Dorthin wollte ich, als die Gnomen mich überfielen. Ich habe Freunde dort - Freunde, die nach mir suchen. Ich muß sie in Paranor treffen!«
»Paranor ist ein böser Ort, ein Platz für Nordland-Wesen, denen zu begegnen sogar mir nicht angenehm wäre«, sagte Panamon hitzig. »Außerdem, wenn du dort Freunde hast, willst du Keltset und mich vermutlich in eine Falle locken, damit du dir die Steine wiederholen kannst. Das ist doch dein Plan, nicht wahr? Vergiß ihn. Hör auf meinen Rat und geh nach Süden, solange du noch kannst.«
»Ihr habt Angst, nicht wahr?« stieß Shea hervor. »Ihr habt Angst vor Paranor und meinen Freunden. Ihr habt nicht den Mut...« Er verstummte, als der Scharlachrote vom Zorn übermannt wurde. Panamon Creel stand einen Augenblick regungslos da und bebte vor Wut, während er den kleinen Talbewohner anfunkelte. Shea wich und wankte aber nicht, nachdem er alles auf diese letzte Karte gesetzt hatte.
»Wenn Ihr mich nicht mitnehmen wollt - nur bis Paranor - dann versuche ich es auf eigene Faust«, sagte er. »Ich verlange nur, bis zur Grenze von Paranor gebracht zu werden. Ich bestehe nicht darauf, daß Ihr sie überschreitet. Ich locke Euch nicht in eine Falle.«
Panamon Creel schüttelte wieder ungläubig den Kopf. Der Zorn in seinen Augen war plötzlich erloschen, und um seine zusammengepressten Lippen spielte ein schwaches Lächeln, als er den Blick auf den riesigen Berg-Troll richtete. Er zuckte die Achseln und nickte kurz.
»Warum sollten wir uns den Kopf zerbrechen?« meinte er spöttisch. »Es ist dein Hals. Komm mit, Shea.«