16

Als die letzten Worte des schwarzen Wesens in der von Flammen durchzuckten Luft verklangen, schien alles gleichzeitig zu geschehen.

Mit einer heftigen Armbewegung und einem so scharfen Befehl, daß sie alle auf der Stelle reagierten, schickte der riesige Druide seine Leute zur Wendeltreppe, die zur Haupthalle der Druidenfestung führte. Als die sechs Männer auf die Treppe zuhetzten, stürzte sich der Schädelträger auf Allanon. Der gewaltige Zusammenprall war hörbar sogar für die flüchtenden Männer, die schon die Treppe hinaufliefen - bis auf einen. Flick zögerte, einerseits von dem Wunsch getrieben, zu entkommen, andererseits aber gebannt von dem titanischen Kampf zwischen den beiden mächtigen Wesen, die nur Zentimeter von den hochfauchenden Flammen des Riesenofens entfernt ineinander verkrallt waren. Er stand unten an der Treppe und hörte die verklingenden Schritte seiner Begleiter, als sie nach oben rasten.

Augenblicke später erstarben die Schritte, und er war der einzige Zeuge des unfaßbaren Kampfes zwischen dem Druiden und dem Schädelträger.

Die schwarzen Gestalten standen regungslos am Rand des Feuerofens, Statuen, im Kampf erstarrt, die dunklen Gesichter nur Zentimeter voneinander entfernt. Die Arme des Druidenriesen hielten die Krallenglieder des tödlichen Geisterwesens fest.

Der Schädelträger versuchte, seine rasiermesserscharfen Klauen nahe genug an die ungeschützte Kehle des Zauberers heranzubringen, um sie zij zerfetzen und dem Kampf ein schnelles Ende zu bereiten. Die schwarzen Schwingen spannten sich vor Anstrengung, flatterten heftig, um dem Angriff Schwung zu verleihen, während der rasselnde Atem die heiße Luft mit verzweifelten Stößen durchschnitt. Dann schoß plötzlich ein Bein des Nordland-Wesens nach vorn und brachte den Druiden zu Fall, so daß er rückwärts auf den Steinboden stürzte. Der Angreifer warf sich sofort auf ihn, und eine Krallenhand zuckte hinab, um zu töten. Aber das Opfer war zu schnell, rollte sich geschickt von den tödlichen Klauen weg und befreite sich. Flick sah jedoch, daß der Hieb die Schulter traf; Stoff zerriß, und Blut rann aus einer Wunde. Flick ächzte erschrocken, aber einen Augenblick danach war der Druide auf den Beinen. Zwei Blitze, blau geflammt, zuckten aus den ausgestreckten Fingern seiner Hand und trafen den sich aufrichtenden Schädelträger mit gewaltiger Kraft, so daß das erboste Wesen an das Geländer geworfen wurde. Während die Zauberblitze jedoch den Drachen beim Kampf im Inneren des Gebirges sichtbar verwundet hatten, gelang es ihnen hier nur, das Wesen aus dem Nordland für einige Sekunden aufzuhalten.

Aufbrüllend vor Wut, griff es erneut an. Gleißende rote Blitze schössen aus seinen glühenden Augen. Allanon riß seinen Umhang hoch, und die Blitze schienen abgelenkt zu werden an die Steinwände der Kammer. Das Wesen zögerte für einen Augenblick, und die beiden Gegner umkreisten einander wachsam wie zwei Waldbestien in einem Kampf auf Leben und Tod, den nur einer überstehen konnte.

Zum ersten Mal bemerkte Flick, daß die Temperatur anstieg.

Mit dem Beginn der Dämmerung waren die Heizer an die Arbeit gegangen, um den Wärmebedarf der Burg zu decken. Ohne von dem Kampf etwas zu ahnen, der auf dem Lauf gang tobte, hatten sie die Blasebalgmaschinen unten an der Grube eingeschaltet und schürten das Feuer, um Warmluft in alle Räume der Druidenfestung zu leiten. Aus diesem Grund wurden die Flammen nun über dem Grubenrand sichtbar, und es wurde immer heißer.

Flick spürte, wie ihm der Schweiß über das Gesicht lief und seine warme Jagdkleidung tränkte. Aber trotzdem ging er nicht. Er spürte, daß sie alle verloren waren, wenn Allanon besiegt wurde, und er mußte deshalb den Ausgang des Kampfes unbedingt erfahren.

Das Schwert von Shannara würde jeden Sinn für sie verlieren, wenn der Mann, der sie hierhergeführt hatte, getötet wurde. Atemlos verfolgte Flick Ohmsford, was die Entscheidung über das Schicksal der Rassen und Länder sein mochte, ausgefochten von den beiden scheinbar unzerstörbaren Widersachern.

Allanon hatte erneut mit den zuckenden blauen Blitzen angegriffen, den Schädelträger mit kurzen, raschen Schlägen bombardiert, bemüht, ihn zu einer unüberlegten Handlung zu verleiten, damit er irgendeinen Fehler beging, der tödlich sein mochte.

Das Geisterwesen war kein Narr, sondern die Verkörperung des Bösen, gestählt in Hunderten von Kämpfen, in denen es Sieger geblieben war. Es duckte und drehte sich mit erschreckender Gewandtheit, duckte sich immer wieder und wartete auf den Augenblick, in dem es zuschlagen konnte. Dann breiteten sich unerwartet die schwarzen Schwingen aus, und es schwebte empor über die Flammen des Feuerofens, um sich mit heftigem Schwung auf die hochgewachsene Gestalt Allanons herabzustürzen.

Die Krallen schlugen zu, und Flick glaubte bereits alles verloren. Wie durch ein Wunder entkam der zu Boden gestoßene Druide aber den tödlichen Klauen und schleuderte mit einer mächtigen Bewegung den Schädelträger über sich hinweg. Das Wesen flog wild durch die Luft und prallte heftig an die Steinwand.

Es raffte sich sofort wieder auf, aber die Wucht des Anpralls hatte es erschüttert, es war nicht schnell genug, und bevor es zu entkommen vermochte, stürzte sich der riesige Druide auf es.

Die beiden schwarzen Gestalten rangen an der Felswand miteinander wie zusammengeschweißt, die Glieder ineinander verschlungen wie verkrümmte Äste. Als sie sich beide aufbäumten, konnte Flick sehen, daß Allanon hinter dem sich wehrenden Schädelträger stand, die kraftvollen Arme wie einen Schraubstock um den Schädel des Wesens gepreßt, während die angespannten Muskeln langsam das Leben herausdrückten. Die Schwingen peitschten wild die Luft, die gebogenen Arme des Wesens griffen vergeblich nach einer Stelle des Gegners, die es ihm erlaubt hätte, sich zu befreien. Die feuerroten Augen glühten mit der Wut des Feuers in der Grube selbst und schleuderten Flammenblitze hinaus, die in die Steinwände fauchten und klaffende, verkohlte Löcher hinterließen. Die Kämpf enden wankten von der Felswand davon und auf den gleißenden Feuerofen zu, bis sie an dem niedrigen Geländer standen. Einen Augenblick lang erschien es Flick, als müßten beide das Gleichgewicht verlieren und in die Flammenglut stürzen, aber Allanon richtete sich plötzlich mit einer ungeheuren Anstrengung auf und zerrte den Gegner fort vom Geländer. Es war diese plötzliche Bewegung, die das Wesen herumriß, so daß die haßerfüllten Augen sich unmittelbar auf den halb verborgenen Talbewohner richteten. Jede Gelegenheit ergreifend, den Druiden für den Bruchteil einer Sekunde abzulenken, um sich aus dem erstickenden Griff zu befreien, wandte sich der Schädelträger plötzlich gegen den unvorbereiteten Flick. Zwei Flammenblitze schössen aus den glühenden Augen und zerschmetterten die Steinblöcke der Treppe zu tödlichen Splittern, die wie Messer in alle Richtungen flogen. Flick handelte instinktiv. Er sprang von der Treppe hinaus auf den Laufgang. Hände und Gesicht waren von den Splittern zerschnitten, das Leben aber hatte er durch seine Schnelligkeit gerettet. Als er davonsprang, wankte der ganze Eingang plötzlich und brach in einer Lawine geborstener Steinblöcke, die den Weg nach oben versperrte, in sich zusammen. Der Staub quoll in dicken Wolken aus dem Schutt.

Im selben Augenblick, während Flick angstvoll und bis ins Mark erschüttert, doch bei Bewußtsein am Steinboden lag, während die Flammen aus der brausenden Grube emporstiegen zu den Staubwolken aus dem blockierten Durchgang, lockerte sich Allanons Griff eine Spur, und das Wesen konnte sich befreien. Es wirbelte mit einem Wutschrei herum und versetzte dem abgelenkten Druiden einen mächtigen Schlag an den Kopf, so daß der hochgewachsene Wanderer auf die Knie sank. Das Wesen setzte zum Todesstoß an, aber der schwarze Zauberer war plötzlich wieder auf den Beinen, und die blauen Blitze aus seinen Fingern trafen den ungeschützten Kopf des Angreifers. Mächtige Fäuste regneten Hiebe auf beide Seiten des Schädels herab und rissen das Wesen wieder herum, die Arme Allanons schlössen sich um seine Brust und preßten Schwingen und Klauenhände an den sich windenden Körper. Der Druide hielt das Wesen fest und biß die Zähne zusammen, während er wutentbrannt den Leib des Gegners zusammenpreßte. Flick, der immer noch am Boden lag, während die Kämpfenden wenige Meter von ihm entfernt hochragten, hörte ein entsetzliches Krachen und Knirschen, als im Schädelträger etwas brach. Dann wankten die beiden Gestalten wieder an das Geländer, die verzerrten Züge von den Flammen beleuchtet, und das Donnern der Flammengrube wurde vom qualvollen Geheul des zerquetschten Opfers übertönt, als der schwarze, gekrümmte Körper heftig aufzuckte. Aus einer tiefen Quelle von Kraft und Haß in sich holte der Schädelträger eine letzte, verzweifelte Anstrengung. Er warf sich über das Geländer, die Klauen in den schwarzgekleideten Angreifer gekrallt, zerrte den verhaßten Feind mit, beide Gestalten verloren sich im Glast der hungrigen Flammen.

Flick raffte sich betäubt auf, sein Gesicht verzerrte sich vor Entsetzen. Er wankte unsicher zum Rand der Grube, aber die Hitze war so stark, daß er zurückgetrieben wurde. Er versuchte es noch einmal, ohne Erfolg, während der Schweiß in Strömen von der Stirn in die Augen und den Mund lief und sich mit Tränen hilflosen Zorns vermischte. Die Flammen aus der Grube schlugen über das Geländer, züngelten gierig über das Gestein und knisterten, erfüllt von neuem Leben, wie um die Zufuhr neuen Brennstoffs in Gestalt der beiden Wesen zu bestätigen.

Hinter dem roten Glühen der Flammen und der unerträglichen Hitze war nichts mehr. Hoffnungslos schrie Flick immer wieder den Namen des Druiden hinaus, und seine Rufe hallten wider von den Steinwänden, um im Feuerofen zu ersterben. Der Talbewohner sah sich allein mit dem Brüllen der Flammen und wußte endlich, daß der Druide dahin war.

Er geriet in Panik. Verzweifelt hetzte er von der Grube davon und stand vor den Überresten der Treppe, bevor ihm einfiel, dass sie zerstört war. Er brach auf dem Geröll zusammen. Er schüttelte den Kopf, um klarer denken zu können, spürte die aufsteigende Hitze. Er wußte, daß er nur noch wenige Minuten zu leben hatte, wenn er sich nicht auf irgendeine Weise aus der Kammer befreien konnte. Er sprang hoch, lief zur nächsten Steintür und rüttelte daran, aber die Tür bewegte sich nicht, und er gab es auf, die Hände blutig. Er starrte auf die Wand und entdeckte eine zweite Tür, taumelte hin, fand auch sie verschlossen. Er spürte, wie seine Hoffnung schwand, verdrängt von der Gewißheit, daß er in der Falle saß. Er zwang sich mühsam, zur nächsten Tür zu gehen. Mit dem letzten Rest seiner nachlassenden Kraft berührte er, während er verzweifelt an der störrischen Barrikade rüttelte, irgend etwas Verborgenes im Gestein und löste den Mechanismus aus, der die Tür öffnete. Mit einem Aufschrei der Erleichterung stürzte Flick in den Tunnel dahinter und stieß mit dem Fuß die Steintür zu, blieb im Halbdunkel liegen, geschützt vor dem Hitzetod, der hinter der Mauer wartete.

Er blieb lange Minuten erschöpft im dunklen Korridor liegen, während sein Körper die Kühle des Steinbodens aufsaugte, während er die gute Luft in sich hineinpumpte. Er versuchte nicht zu denken, wollte sich nicht erinnern, wünschte nur, sich im Frieden und in der Stille des Felsentunnels zu verlieren. Nach langer Zeit endlich zwang er sich auf die Knie und schließlich auf die Beine. Er lehnte betäubt am kalten Gestein der Tunnelwand, während er darauf wartete, daß seine Kraft wiederkehrte. Erst jetzt sah er, daß seine Kleidung zerfetzt und verkohlt war, dass die Hitze Hände und Gesicht versengt und geschwärzt hatte. Er schaute sich langsam um und richtete sich auf. Die trüb flackernde Fackel vorne an der Wand zeigte die Richtung, in welcher der gewundene Gang verlief, und er stolperte nach vorn, bis er die Fackel erreichte. Er zog sie aus der Halterung und schlurfte weiter. Irgendwo vor sich hörte er Geschrei, und instinktiv zuckte seine freie Hand zum Griff des kurzen Jagdmessers. Er zog die Waffe heraus. Nach einigen Minuten schien sich der Lärm zu entfernen und schließlich zu verstummen, aber gesehen hatte Flick noch immer nichts. Der Korridor wand sich auf merkwürdige Weise durch den Fels und führte Flick an mehreren Türen vorbei, die alle geschlossen und verriegelt waren, aber der Weg ging nie nach oben und es gab auch keine Abzweigungen.

Immer wieder wurde die Dunkelheit vom schwachen Licht einer an der Wand befestigten Fackel erhellt, deren gelber Schein Flicks Schatten an die andere Wand warf wie den eines mißgestalteten Gespenstes, das in die Dunkelheit entfloh.

Dann wurde der Tunnel plötzlich breiter, und das Licht vor Flick wurde heller. Er zögerte einen Augenblick und umklammerte sein Messer fester, das Gesicht von Rauch und Schweiß verschmiert, aber grimmig entschlossen. Es war nichts zu hören, als er langsam weiterschlich. Er wußte, daß es irgendwo eine Treppe geben mußte, die zur Haupthalle der Druidenfestung führte. Die Suche nahm nun schon lange Zeit in Anspruch und war bisher nutzlos gewesen, und er spürte, daß seine Kraft nachließ.

Zu spät bedauerte er, zurückgeblieben zu sein und zugelassen zu haben, daß er von den anderen getrennt wurde. Nun saß er in den unergründlichen Korridoren inmitten Paranors in der Falle. Mit den anderen mochte inzwischen alles mögliche geschehen sein, dachte er bedrückt, und er fand sie vielleicht nie bei dieser Wanderung im Labyrinth. Er huschte weiter um eine Biegung, die Muskeln angespannt, und starrte vorsichtig ins Licht.

Zu seiner Überraschung sah er sich am Eingang zu einer runden Kammer, in die auch noch eine Reihe anderer Gänge führte. An der Wand brannte ein gutes Dutzend Fackeln. Er atmete erleichtert auf, als er sah, daß die Rotunda leer war. Dann begriff er, daß sich seine Lage nicht verbessert hatte. Die anderen Gänge sahen genau so aus wie jener, durch den er hierhergekommen war.

Es gab keine Türen, die in andere Räume hätten führen können, keine Treppen nach oben, keinen Hinweis darauf, welchen Weg er nun einschlagen sollte. Er schaute sich verwirrt um, verzweifelt bemüht, einen Gang vom anderen zu unterscheiden, aber seine Hoffnung schwand mit jedem Augenblick mehr. Schließlich schüttelte er bedrückt den Kopf. Er trat an die Wand, setzte sich müde und schloß die Augen, während er sich die bittere Wahrheit eingestand, daß er sich hoffnungslos verirrt hatte.

Auf Allanons Befehl hin waren die anderen zur Treppe gestürzt. Durin und Dayel waren ihr am nächsten gewesen, und da sie am schnellsten laufen konnten, waren sie schon auf halbem Weg die Stufen hinaufgestürmt, bevor die anderen mit dem Aufstieg auch nur begonnen hatten. Ihre biegsamen Elfenglieder trugen sie in schnellen, leichten Sprüngen hinauf. Höndel, Menion und Balinor hetzten ihnen nach, ein wenig behindert durch ihre schweren Waffen und ihr größeres Gewicht. Teilweise störten sie sich auch gegenseitig, als sie sich bemühten, auf der engen Wendeltreppe nicht übereinander zu stolpern. Es war ein wilder, ungehemmter Sturm nach oben, und in der allgemeinen Hast wurde Flick nicht einmal vermißt.

Durin stürmte als erster durch den Eingang und stolperte beinahe in die große Halle, gefolgt von seinem Bruder. Die Halle war überaus eindrucksvoll, ein riesiger, hoher Raum, die Wände ganz aus Holz, poliert, bis sie im gemischten gelben Licht lodernder Fackeln und dem rötlichen Schimmer der durch hohe, schräge Fenster hereindringenden Morgendämmerung prachtvoll glänzten. Die Täfelung war geschmückt mit Gemälden, mit gemeißelten und geschnitzten Figuren aus Stein und Holz auf Mosaikpodesten, mit langen, handgewebten Gobelins, die in Falten auf den schimmernden Marmorboden herabhingen. In verschiedenen Abständen gab es große Statuen aus Eisen und edlem Stein, Skulpturen aus einem anderen Zeitalter, über die langen Jahrhunderte hinweg in dieser zeitlosen Heimstatt bewahrt.

Sie schienen die schweren, geschnitzten Holztüren zu bewachen, die auf herrliche Weise mit Klinken aus kupferfarbenem Messing geschmückt waren. Ein paar davon standen offen, und in den Räumen dahinter konnte man dieselbe bewußt gestaltete Pracht sehen, strahlend beleuchtet, als hohe, offene Glasfenster den Sonnenschein in mächtigen Fluten hereinließen, frisch vom neuen Tag.

Die Elfenbrüder hatten wenig Zeit, die zeitlose Schönheit Paranors zu bewundern. Augenblicke nachdem sie die Treppe heraufgekommen waren, wurden sie von Gnomen-Wachen angegriffen, die von überallher zu kommen schienen, knorrige, gelbe Leiber, aus Verstecken hinter Türen, Statuen, den Wänden selbst schlüpfend. Durin begegnete dem Ansturm mit seinem langen Jagdmesser, und Dayel kam seinem Bruder zu Hilfe, schwang den großen Bogen als Waffe, rammte die Angreifer und stieß sie um, bis das kräftige Eschenholz mit einem Knall zerbrach. Einen Augenblick lang schien es, als sollten die beiden zerfetzt werden, bevor ihre kräftigeren Kameraden ihnen zu Hilfe eilen konnten.

Durin aber befreite sich und riß einer Ritterrüstung eine lange, gefährlich aussehende Pike weg, um die Gnome mit weit ausholenden Schlägen von seinem Bruder abzuwehren. Doch sie bekamen rasch Verstärkung und sammelten sich. Die Elfenbrüder waren an die Wand zurückgewichen, keuchend vor Anstrengung, bedeckt von Wunden und dem Blut ihrer Gegner. Die Gnome drängten sich zu einer Gruppe zusammen, die tödlichen Kurzschwerter erhoben, entschlossen, an Durins hin- und herfegender Pike vorbeizustürmen und die beiden Elfen in Stücke zu zerhacken. Mit einem wilden, gellenden Schrei stürmten sie los.

Zu ihrem Schaden hatten die Gnome vergessen, auf die Treppe zu achten, für den Fall, daß die Elfen nicht allein sein mochten.

In dem Augenblick, als sie auf Durin und Dayel einstürmten, brachen die drei anderen Männer herein und stürzten sich auf die unvorbereiteten Angreifer. Die Gnome hatten dergleichen noch nicht erlebt. In der Mitte kam der große Prinz von Callahorn, dessen glänzendes Schwert mit solcher Heftigkeit eine Bahn durch die Gnome brach, daß sie übereinanderstürzten und ihr Heil in der Flucht suchten. Auf der einen Seite liefen sie dem niedersausenden Streitkolben des kampferfahrenen Zwerges entgegen, auf der anderen der schnellen Klinge des gewandten Hochländers.

Sie verharrten einen Augenblick und kämpften gegen die fünf Wahnsinnigen, dann schwankten sie kurz, verloren endlich den Mut und ergriffen endgültig die Flucht. Wortlos stürmten die fünf Krieger durch die Prachthalle, über die Verwundeten und Toten springend. Die wenigen Gnome, die noch standhielten, wurden rasch überwältigt und blieben in regungslosen, stillen Haufen übereinander liegen. Nach allem, was sie erlitten und verloren hatten, ließen die fünf Männer, die von der Gruppe noch übriggeblieben waren, sich den Sieg, den sie so verzweifelt gesucht hatten, nicht mehr nehmen.

Am Ende der Halle, die jetzt übersät war mit toten und verwundeten Gnomen, in der die Gobelins und Gemälde zerfetzt und zerschlissen waren, drängte sich ein letzter verzweifelter Trupp von Wachen vor hohen, geschnitzten Holztüren zusammen, die geschlossen und verriegelt waren. Die kurzen Jagdschwerter wie eine Mauer von Spießen erhoben, bereiteten die entschlossenen Gnome sich auf einen letzten Kampf vor. Die Angreifer unternahmen einen Ansturm auf die tödliche Mauer und versuchten, hinter den langen Schwertern Balinors und Menions durchzubrechen, aber die kampfgestählten Gnome schlugen den Angriff nach einigen Minuten bitteren Ringens ab.

Die fünf zogen sich erschöpft zurück, keuchend und schwitzend vor Anstrengung, lädiert und blutend. Durin sank schwerfällig auf ein Knie; ein Arm und ein Bein waren von Gnomenschwertern übel zugerichtet. Menion war an der Schläfe von einer Pike getroffen worden, und das Blut rann in einem breiten Streifen aus der Wunde. Der Hochländer schien die Verletzung nicht wahrzunehmen. Wieder griffen die fünf Männer an, erneut wurden sie nach hartem Kampf Mann gegen Mann abgeschlagen. Die Zahl der Gnome hatte sich fast um die Hälfte vermindert, aber die Zeit für die Männer lief ab. Von Allanon war nichts zu sehen, und die Gnome würden Verstärkung auf den Weg geschickt haben, um das Schwert von Shannara zu schützen, wenn es wirklich in der Kammer lag, die mit solcher Verzweiflung verteidigt wurde.

Dann stürmte Balinor plötzlich zur anderen Seite der Halle und riß eine hohe Steinsäule um, auf der eine metallene Urne befestigt war. Säule und Urne stürzten unter ohrenbetäubendem Krachen zu Boden, und das Echo hallte durch das Bauwerk. Der Stein hätte zersplittern müssen, aber die Säule blieb ganz. Mit Höndels Hilfe rollte Balinor den runden Rammbock zum Kampfkeil der Gnome und den verschlossenen Türen der Kammer dahinter. Die schwere Säule wurde mit jeder Umdrehung schneller und donnerte auf die hilflosen Wachen zu. Einen Augenblick lang zögerten die drahtigen, gelben Gestalten, die kurzen Schwerter in Bereitschaft, während die tonnenschwere Säule auf sie zurollte. Dann stoben sie auseinander. Trotzdem waren manche nicht schnell genug. Sie wurden erfaßt von der riesigen Walze, die in einem Regen von Stein- und Holzsplittern an die verschlossenen Türen krachte. Die Türen wankten und bogen sich unter dem Anstoß, das Holz knirschte, die Eisenbänder platzten, aber auf irgendeine Weise hielten die Türen dem Anprall doch noch stand. Einen Augenblick später jedoch sprangen sie auf, als das schwere Gewicht Balinors dagegenprallte, und die fünf Männer stürmten in den Raum, um das Schwert von Shannara an sich zu reißen.

Zu ihrer Entgeisterung war der Raum leer. Es gab hohe Fenster und lange, fließende Vorhänge, meisterhafte Gemälde an den Wänden und sogar ein paar kleine, reichgeschmückte Möbelstücke.

Aber nirgends war eine Spur von dem begehrten Schwert zu sehen. Entsetzt und ungläubig blickten die fünf Männer sich um. Durin fiel erschöpft auf die Knie, geschwächt vom Blutverlust, einer Ohnmacht nahe. Dayel stürzte zu ihm und riß ein paar Stoffstreifen ab, um die offenen Wunden zu verbinden, dann half er seinem Bruder zu einem der Stühle, wo der Verwundete in sich zusammensank. Menion suchte die Wände nach einem anderen Ausgang ab. Balinor, der hin- und hergegangen war und den Marmorboden abgesucht hatte, stieß einen Laut aus. Ein Teil des Bodens, genau in der Mitte des Raumes, war verfärbt und zerschründet, trotz eines schwachen Versuches zu verbergen, daß dort viele Jahre lang etwas Großes, Quadratisches gestanden haben mußte.

»Der Block aus Tre-Stein!« rief Menion.

»Aber wenn er weggeschafft worden ist, muß das erst vor kurzer Zeit gewesen sein«, meinte Balinor. »Weshalb haben die Gnome dann versucht, uns fernzuhalten... ?«

»Vielleicht wußten sie nicht, daß er weggeschafft worden war«, sagte Menion.

»Vielleicht ein Ablenkungsmanöver?« sagte Höndel. »Aber warum damit Zeit verlieren, wenn nicht...?«

»Sie wollten uns hier beschäftigen, weil das Schwert noch in der Burg war und sie es noch nicht fortgeschafft hatten!« stieß Balinor erregt hervor. »Sie hatten keine Zeit gehabt, es wegzubringen, deshalb wollten sie uns hinhalten! Aber wo ist das Schwert jetzt - wer hat es?«

Die drei sahen einander bestürzt an. Hatte der Dämonen-Lord gewußt, daß die Männer im Anmarsch waren, wie der Schädelträger es am Feuerofen behauptet hatte? Wenn ihr Angriff überraschend gekommen war, was konnte aus dem Schwert geworden sein, seitdem Allanon es zuletzt in seiner Kammer gesehen hatte?

»Wartet!« sagte Durin mit schwacher Stimme und stand langsam auf. »Als ich die Treppe heraufkam, war an einer anderen Treppe zu hören, daß Leute heraufliefen.«

»Der Turm!« schrie Höndel und hetzte zur Tür. »Sie haben das Schwert im Turm eingeschlossen!«

Balinor und Menion stürmten dem Zwerg nach; die ganze Müdigkeit war vergessen. Das Schwert von Shannara lag noch immer in Reichweite. Durin und Dayel folgten ihnen langsamer, Durin noch immer geschwächt und gestützt auf seinen jüngeren Bruder, aber mit dem Glanz der Hoffnung im Blick. Nur Sekunden danach war die Kammer leer.

Flick raffte sich nach einigen Minuten Rast mühsam auf und entschied, daß ihm nichts anderes übrigblieb, als einfach einen der Tunnel auszuwählen und dort weiterzugehen, in der Hoffnung, er werde ihn zu einer Treppe führen, die den Zugang zur eigentlichen Festung erschloß. Er dachte kurz an die anderen, die irgendwo in den oberen Gängen waren, vielleicht das Schwert schon im Besitz hatten. Sie konnten nichts wissen von Allanons Sturz in den Feuerofen, nichts von seinem eigenen Schicksal. Er hoffte, daß sie nach ihm suchen würden, begriff aber auch, dass sie, wenn sie das Schwert wirklich fanden, keine Zeit vergeuden durften. Sie würden die Flucht ergreifen müssen, bevor der Dämonen-Lord die Schädelträger schicken konnte, um ihnen die begehrte Waffe wieder abzujagen. Er fragte sich, was aus Shea geworden sein mochte, ob man ihn lebend gefunden, ihn gerettet hatte. Er wußte, daß Shea Paranor nicht verlassen würde, solange Flick am Leben war, aber sein Bruder konnte nicht wissen, dass er im Feuerofen nicht umgekommen war. Flick mußte deshalb zugeben, daß seine Lage völlig hoffnungslos zu sein schien.

In diesem Augenblick erhob sich in einem der Tunnels lauter Lärm, Stiefel knallten, Leute stürmten direkt auf die Rotunda zu.

Flick huschte durch den Raum und verbarg sich in einem anderen Gang, im Schatten an die Felswand gepreßt, das Jagdmesser in der Hand. Sekunden später stürmte ein Schwärm flüchtender Gnome in den Raum und verschwand ohne Aufenthalt in einem anderen Korridor. Die Geräusche ihrer Flucht verloren sich bald in den Biegungen und Windungen des Felstunnels. Flick hatte keine Ahnung, wovor sie flohen oder wohin sie wollten, aber dort, wo sie gewesen waren, wollte er sein. Vieles sprach dafür, daß sie aus den oberen Räumen der Druidenfestung gekommen waren, und genau dorthin mußte Flick gelangen. Er trat vorsichtig hinaus in die beleuchtete Kammer und ging zu dem Tunnel, aus dem die Gnome gestürzt waren. Er hielt das Messer vor sich und tastete sich durch die Dunkelheit bis zur ersten Fackel, die er an sich nahm, bevor er tiefer in den Tunnel eindrang, mit dem Blick die Wände nach einer Tür oder offenen Treppe absuchend.

Er war kaum hundert Meter weit gekommen, als ohne Vorwarnung eine Steinplatte fast direkt neben ihm zur Seite glitt und ein einzelner Gnom heraustrat.

Es war eine Frage, welcher von den beiden vom Auftauchen des anderen überraschter war. Der Gnom war ein Nachzügler der Gruppe, die der Kampfstätte in der Halle entkommen war, und der Anblick eines weiteren Eindringlings hier in den Gängen verblüffte ihn. Er war zwar kleiner als Flick, aber drahtig und bewaffnet mit einem Kurzschwert. Nach kurzer Besinnung griff er an. Flick wich instinktiv aus, das Schwert verfehlte ihn, und der Talbewohner stürzte sich auf den Gnomen, bevor dieser sich fangen konnte, riß ihn zu Boden, versuchte aber vergeblich, seinem gewandten Gegner das Schwert zu entreißen. Sein Messer hatte er verloren. Flick war im Kampf von Mann gegen Mann nicht erfahren, aber der Gnom war das, und das verlieh dem kleinengelben Burschen einen Vorteil. Er hatte früher schon getötet und würde es ohne Bedenken erneut tun, während Flick nur bemüht war, den Gegner zu entwaffnen und das Weite zu suchen.

Sie rollten lange Minuten hin und her über den Boden, bevor der Gnom sich befreien konnte und wild auf seinen Gegner einhieb, ihn nur knapp verfehlend. Flick warf sich nach hinten und suchte verzweifelt nach seinem Messer. Der kleine Wächter stürzte sich auf Flick, gerade als dessen tastende Finger sich um das schwere Holz der Fackel schlössen, die er beim ersten Ansturm hatte fallen lassen. Das Kurzschwert sauste herunter, glitt von Flicks Schulter ab und schnitt schmerzhaft in die nackte Haut seines Arms. Im selben Augenblick riß Flick die Fackel hoch und hieb sie dem Gnomen mit aller Kraft auf den Schädel. Der Wächter sank zusammen und regte sich nicht mehr. Flick stand schwerfällig auf und holte sich sein Messer, das er nach kurzem Suchen fand. Sein Arm pulsierte qualvoll, und das Blut war in seinen Jagdrock gedrungen, lief den Arm und die Hand hinunter. Da er befürchtete zu verbluten, riß er Stoffstreifen von der Kleidung des Gnomen und verband sich den verletzten Arm, bis die Blutung aufhörte. Er hob das Schwert seines Gegners auf und trat an den halb geöffneten Steinblock, um zu sehen, wohin der Weg führte.

Zu seiner Erleichterung entdeckte er eine Wendeltreppe, die nach oben führte. Er schlüpfte durch die Öffnung und zog die Steinplatte mit dem gesunden Arm hinter sich zu. Die Treppe wurde vom Licht der Fackel schwach erhellt, und erstieglangsam und vorsichtig hinauf. Alles war still im Schacht, während er wachsam hinaufkletterte. Er gelangte an eine geschlossene Tür, blieb stehen und lauschte, das Ohr am Spalt zwischen den Eisenbeschlägen. Stille. Er drückte die Tür vorsichtig auf und starrte hinaus in die alten Hallen Paranors. Er hatte sein Ziel erreicht. Er öffnete die Tür weiter und trat hinaus.

Dann packte eine schmale, dunkle Hand seinen Schwertarm und riß ihn ins Freie.

Höndel blieb unten an der Treppe, die zum Turm der Druidenfestung führte, zögernd stehen und starrte hinauf in die Düsternis.

Die anderen standen stumm hinter ihm und folgten seinem Blick. Die Treppe bestand aus wenig mehr als einer Reihe offener Steinstufen, die sich schmal und gefährlich in einer Spirale an der Innenwand des Turms hinaufzogen. Der ganze Turm war erfüllt von düsterer Dunkelheit. Es gab hier keine Fackeln oder Öffnungen im schwarzen Gestein. Die Männer konnten kaum über die ersten Windungen der Treppe hinaussehen. Der offene Treppenschacht fiel von der Stelle aus, wo sie standen, in die Tiefe ab.

Menion trat an den Rand des Absatzes und starrte hinunter, wohl beachtend, daß es hier kein Geländer gab, so wenig wie oben an der Treppe. Er warf einen kleinen Kieselstein in den Schlund und wartete. Er hörte kein Geräusch. Wieder blickte er nach oben, dann wandte er sich den anderen zu.

»Sieht aus wie eine offene Einladung, in eine Falle zu treten.«

»Sehr wahrscheinlich«, bestätigte Balinor und trat trotzdem vor. »Aber wir müssen hinauf.«

Menion nickte, zuckte die Achseln und setzte den Fuß auf die erste Stufe. Die anderen folgten ihm wortlos, geführt von Höndel, dahinter gingen Balinor und die Elfenbrüder. Sie stiegen vorsichtig die schmalen Steinsrufen hinauf, wachsamen Blicks, die Schultern nah an der Wand, mit größtmöglichem Abstand zum offenen Treppenschacht. Gleichmäßig stiegen sie durch die muffige Düsternis nach oben. Menion betrachtete jede Stufe und suchte die Fugen der Steinblockwand nach verborgenen Apparaturen ab. Von Zeit zu Zeit warf er Steine auf die Stufen vor sich, auf der Suche nach Fallen, die durch eine plötzliche Belastung ausgelöst werden mochten. Aber nichts geschah. Der Abgrund unter ihnen war ein stummes, schwarzes Loch, in die Düsternis des Turms geschnitten, und kein Laut störte die schwarze Stille, außer dem leisen Scharren der Jagdstiefel. Endlich stach das schwache Licht brennender Fackeln aus dem Dunkel über ihnen, und die kleinen Flammen flackerten im Wind. Ein kleiner Absatz tauchte oben an der Treppe auf und dahinter der undeutliche Umriß einer riesigen Steintür mit Eisenbeschlägen, die geschlossen war.

Dann löste Menion die erste Falle aus. Eine Reihe langer:

Spieße mit Widerhaken schoß aus der Steinmauer. Den Mechanismus setzte der Druck von Menions Fuß auf der Stufe in Bewegung.

Wäre Menion noch auf der Stufe gewesen, hätten die Spieße seine ungeschützten Beine getroffen und ihn über den Rand in den offenen Schacht hinuntergestoßen. Aber Höndel hatte den Schlag der ausgelösten Feder rechtzeitig gehört. Er riß den verblüfften Hochländer zurück zu den anderen und stieß dabei fast die ganze Gruppe von den schmalen Stufen. Sie wankten heftig im Halbdunkel, von den spitzen Stahlspießen nur Zentimeter entfernt. Als sie ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatten, preßten sich die fünf Männer einige Minuten an die Wand und atmeten schwer. Der schweigsame Zwerg zerschlug schließlich die Spieße vor ihnen mit ein paar Hieben seines Streitkolbens und machte den Weg wieder frei. Er ging voraus, und Menion .nahm seinen Platz hinter Balinor ein. Höndel entdeckte bald eine zweite Falle gleicher Art, löste sie aus und zerhieb die Stahlspitzen.

Sie hatten den Absatz fast erreicht; es hatte den Anschein, als sollten sie ohne weiteren Aufenthalt hingelangen zu ihm, als Dayel einen Warnruf ausstieß. Sein scharfes Elfengehör hatte etwas wahrgenommen, was den anderen entgangen war, ein leises Klicken, das Hinweis auf die Betätigung einer weiteren Falle war.

Alle erstarrten und suchten die Wände und Stufen ab, ohne jedoch etwas zu finden. Höndel wagte sich schließlich eine Stufe weiter. Erstaunlicherweise passierte nichts, und der vorsichtige Zwerg erklomm den Rest der Treppe, während die anderen unten stehenblieben. Als er den Absatz ungefährdet erreicht hatte, hasteten die anderen hinterher, bis sie endlich alle fünf oben standen und besorgt in das schwarze Loch hinabstarrten. Wie es ihnen gelungen war, der dritten Falle zu entgehen, konnten sie sich nicht vorstellen. Balinor war der Ansicht, sie habe nicht mehr richtig funktioniert, weil sie wohl schon seit so vielen Jahren nicht mehr benötigt worden sei, aber Höndel war nicht so leicht zu überzeugen. Er wurde das Gefühl nicht los, daß sie etwas Naheliegendes übersehen hatten.

Der Turm hing wie ein riesiger Schatten über dem offenen Schacht, das dunkle Gestein kalt und feucht, eine Massierung von Riesenblöcken, vor langen Zeitaltern aufeinandergetürmt und vom Zahn der Zeit kaum angenagt. Die große Tür am Treppenabsatz schien unbeweglich zu sein, die Oberfläche narbig, die Eisenbänder so stark wie am Tag ihrer Einbettung in das Gestein.

Große, eiserne, in den Stein getriebene Pflöcke sicherten die Scharniere, und den fünf Männern erschien es, als könne nichts Geringeres denn ein Erdbeben den mächtigen Steinklotz überhaupt in Bewegung setzen. Balinor näherte sich vorsichtig dem massiven Hindernis und fuhr mit den Händen über die Fugen, auf der Suche nach einem verborgenen Öffnungsmechanismus. Vorsichtig drehte er die Eisenklinke nach unten und drückte dagegen. Zur Verblüffung aller öffnete sich die Steinplatte knirschend ein Stück. Einen Augenblick später war das Rätsel des Turmes offenbar, als die Tür ganz aufging und krachend an die Innenwand schlug.

Genau in der Mitte der runden Kammer, in die polierte schwarze Oberfläche des riesigen Tre-Stein-Blocks eingelassen, mit der KJingenspitze nach unten, so daß es sich vor ihnen wie ein leuchtendes Kreuz aus Silber und Gold erhob, sahen sie das legendäre Schwert von Shannara. Die lange Klinge blitzte grell im Sonnenlicht, das durch die hohen, vergitterten Fenster des Turmes strömte, und spiegelte sich in der glatten Fläche des würfelförmigen Steins. Keiner der fünf hatte das Schwert zuvor je gesehen, aber augenblicklich wußten sie alle, daß sie es endlich vor sich hatten. Einen Augenblick lang blieben sie unter der Tür stehen und rissen vor Staunen die Augen auf, unfähig fast, zu glauben, daß sie nach all ihren Anstrengungen, den endlosen Märschen, den elenden Tagen und Nächten des Versteckens endlich den uralten Talisman vor sich hatten, den zu finden sie alles aufs Spiel gesetzt hatten. Das Schwert von Shannara gehörte ihnen! Sie hatten den Dämonen-Lord übertölpelt! Langsam traten sie hintereinander in die Steinkammer, lächelnden Gesichts, vergessen waren Müdigkeit, die Wunden und die Schmerzen. Sie standen lange da und starrten es an, stumm, staunend, dankbar.

Sie konnten sich noch nicht überwinden, vorzutreten und den Schatz aus dem Stein zu ziehen. Er schien für sterbliche Hände zu heilig. Aber Allanon war vermißt, Shea verloren, und wo...

»Wo ist eigentlich Flick?« fragte Dayel plötzlich. Zum ersten Mal wurden sie gewahr, daß er fehlte. Sie schauten sich um, starrten einander dumpf an. Menion, der sich wieder dem schimmernden Schwert zuwandte, sah auf einmal das Unmögliche wahr werden. Der Riesenblock Tre-Stein und sein kostbarer Schatz begannen zu schillern und vor seinen fassungslosen Augen zu verblassen. Es dauerte nur Sekunden, bis das ganze Bild in Rauch, dann in Dunst und endlich in Luft aufgegangen war und die fünf Männer allein in einem leeren Raum standen.

»Eine Falle! Die dritte Falle!« brüllte Menion, der sich als erster von seinem Schock erholte.

Aber hinter sich hörte er bereits die riesige Steinplatte zufallen, knarrend und ächzend, als die rostigen Angeln unter dem ungeheuren Gewicht nachgaben. Der Hochländer hechtete durch den Raum und krachte an die Tür, gerade als sie zuklappte und das Schloß mit einem scharfen Knacken einrastete. Er brach auf dem ausgetretenen Steinboden zusammen, und sein Herz hämmerte vor Zorn und Verzweiflung. Die anderen hatten sich nicht gerührt, sondern standen in tiefster Niedergeschlagenheit da und starrten auf die schlanke Gestalt bei der Tür. Das leise, aber unverwechselbare Geräusch dumpfen Gelächters hallte unablässig von den kalten Wänden wider, verhöhnte sie ob ihres Narrentums und ihrer bitteren, unausweichlichen Niederlage.

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