Terry Brooks Das Schwert von Shannara

1

Die Sonne sank schon ins dunkle Grün der Hügel westlich des Tales, und das Rot und Grau-Rosa der Schatten berührte das Land, als Flick Ohmsford mit dem Abstieg begann. Der Pfad erstreckte sich uneben den Nordhang hinab, wand sich zwischen den riesigen Felsblöcken hindurch, die in massiven Gruppen das zerklüftete Gelände beherrschten, verschwand in den dichten Wäldern des Tieflands, um in kleinen Lichtungen und zwischen dünnerem Baumbestand vereinzelt wieder aufzutauchen. Flick folgte dem vertrauten Weg mit den Augen, während er müde dahinschritt, das leichte Bündel auf einer Schulter. Sein breites, winderhitztes Gesicht hatte einen unbewegten, ruhigen Ausdruck, und nur die großen grauen Augen verrieten die rastlose Energie, die unter dem beherrschten Äußeren lebendig war. Er sah mit seinem stämmigen Körperbau, den graubraunen Haaren und buschigen Brauen viel älter aus, als er war. Er trug die weite Arbeitskleidung der Talleute, und in seinem Bündel lagen einige Arbeitsgeräte aus Metall, die umherrollten und leise klirrten.

Die Abendluft war kühl, und Flick zog den Kragen seines offenen Wollhemds fester zu. Sein Weg ging durch Wälder und über sanft geschwungene Ebenen. Von letzteren sah er aber noch nichts, als er die Wälder erreichte, und die Dunkelheit der hohen Eichen und düsteren Hickorybäume griff hinauf, um sich mit dem wolkenlosen Nachthimmel zu überlappen und ihn zu verdecken. Die Sonne war untergegangen und hatte nur das tiefdunkle, mit Tausenden freundlicher Sterne übersäte Blau des Himmels zurückgelassen. Die hohen Bäume verhüllten sogar diese, und Flick blieb allein in der lautlosen Dunkelheit, als er langsam auf dem ausgetretenen Pfad weiterschritt. Da er diesen Weg schon hundertmal zurückgelegt hatte, fiel dem jungen Mann sofort die ungewöhnliche Stille auf, die an diesem Abend das ganze Tal erfaßt zu haben schien. Das vertraute Summen und Zirpen der Insekten, sonst in der Stille der Nacht immer gegenwärtig, die Rufe jener Vögel, die mit der untergehenden Sonne erwachten, um im Flug Nahrung zu suchen — all das fehlte. Flick lauschte angestrengt auf irgendeinen Laut, aber sein scharfes Gehör vermochte nichts wahrzunehmen. Er schüttelte beunruhigt den Kopf. Die tiefe Stille störte ihn, vor allem in Verbindung mit Gerüchten von einem erschreckenden Wesen mit schwarzen Schwingen, das erst vor Tagen am Nachthimmel nördlich des Tales gesehen worden sein sollte.

Er zwang sich zu pfeifen und beschäftigte sich in Gedanken wieder mit seiner Tagesarbeit im Land nördlich des Tales, wo weit verstreute Familien die Felder bestellten und Vieh züchteten. Er besuchte sie jede Woche, brachte ihnen verschiedene Dinge, die sie brauchten, und lieferte Nachrichten über die Ereignisse im Tal und in den fernen Städten des tiefen Südlands. Wenige kannten die Umgebung so gut wie er, und kaum einer hatte Lust, sich über die vergleichsweise sicheren Grenzen ihrer Heimstatt hinaus zu wagen. Die Menschen neigten in dieser Zeit mehr dazu, in abgeschlossenen Gemeinschaften zu leben und den Rest der Welt sich selbst zu überlassen. Flick jedoch war von Zeit zu Zeit gerne außerhalb des Tales unterwegs, und die abgelegenen Heimstätten brauchten seine Dienste und waren bereit, ihn dafür zu bezahlen.

Auch Flicks Vater war keiner, der sich eine Gelegenheit entgehen ließ, wo Geld zu verdienen war, und so schienen alle Beteiligten zufrieden zu sein.

Ein tiefhängender Ast, der seinen Kopf streifte, veranlaßte Flick, zusammenzuzucken und zur Seite zu springen. Ärgerlich richtete er sich auf und funkelte das belaubte Hindernis böse an, bevor er seinen Weg in etwas schnellerer Gangart wieder fortsetzte. Er war jetzt mitten in den Tieflandwäldern, und nur vereinzelt vermochten Mondlichtstrahlen das dichte Geäst zu durchdringen und den geschlängelten Pfad zu erhellen.

Es war oft so dunkel, daß Flick den Weg kaum ausmachen konnte, und während er vorsichtig dahinschritt, wurde er sich der lastenden Stille erneut bewußt. Es war ihm, als sei alles Leben plötzlich ausgelöscht und er allein sei übrig, um seinen Weg in der Waldgruft zu finden. Wieder erinnerte er sich an die sonderbaren Gerüchte. Unwillkürlich wurde ihm ein wenig unheimlich. Er schaute sich sorgenvoll um, aber auf dem Weg und in den Bäumen regte sich nichts, und er fühlte sich auf beinahe peinliche Weise wieder erleichtert.

Auf einer mondbeschienenen Lichtung blieb er kurz stehen und schaute zum Nachthimmel hinauf, bevor er wieder m den Wald eindrang. Er ging langsam. Der gewundene Pfad wurde nach der Lichtung enger und schien nun in einer Wand aus Bäumen und Gebüsch zu verschwinden. Flick wußte, daß das nur eine Täuschung war, schaute sich aber trotzdem immer wieder unsicher um. Einige Augenblicke danach war er wieder auf einem breiteren Weg und konnte zwischen den Baumwipfeln hier und dort den Himmel erkennen. Dann hatte er fast schon den Talboden erreicht und war von seinem Zuhause nur noch ungefähr zwei Meilen entfernt. Er lächelte und begann ein altes Trinklied zu pfeifen, als er weitereilte.

Er war so mit dem Pfad und der offenen Landschaft jenseits des Waldes beschäftigt, daß er den riesigen schwarzen Schatten, der plötzlich emporzuwachsen schien, sich von einer großen Eiche zu seiner Linken löste und schnell auf den Pfad trat, um ihm den Weg zu verlegen, nicht bemerkte. Die schwarze Gestalt berührte ihn beinahe, bevor Flick sie unmittelbar vor sich gewahrte, wie einen riesenhaften schwarzen Steinblock, der ihn zu zermalmen drohte. Mit einem Angstschrei sprang er zur Seite, sein Bündel fiel auf den Boden, und seine linke Hand riß den langen, schmalen Dolch, den er an seiner Hüfte trug, aus der Scheide. Während er sich noch abwehrend duckte, hob aber die Gestalt vor ihm beruhigend einen Arm, und eine kraftvolle Stimme sagte schnell:

»Warte einen Augenblick, mein Freund! Ich bin kein Feind und habe nicht den Wunsch, dir zu schaden. Ich suche nur Auskunft und wäre dankbar, wenn du mir den richtigen Weg zeigen könntest.«

Flick atmete ein wenig auf, starrte in die Nacht und versuchte an der schwarzen Gestalt vor sich Ähnlichkeiten mit einem menschlichen Wesen auszumachen. Er konnte jedoch nichts sehen und bewegte sich mit vorsichtigen Schritten nach rückwärts.

»Ich versichere dir, ich führe nichts Böses im Schilde«, sagte die Stimme, so, als lese sie die Gedanken des Talbewohners.

»Ich wollte dich nicht erschrecken, habe dich aber nicht gesehen, bis du ganz nah bei mir warst, und ich fürchtete, du könntest vorbeigehen, ohne mich zu bemerken.«

Die Stimme verstummte, und die hohe schwarze Gestalt blieb schweigend stehen, wenngleich Flick fühlen konnte, wie ihr Blick ihn verfolgte, als er sich langsam herumschob, um mit dem Rücken zum Licht zu stehen. Langsam begann das Mondlicht die Züge des Fremden in verschwommenen Linien und blauen Schatten zu zeichnen. Lange Augenblicke standen die beiden einander schweigend gegenüber.

Dann aber griff die riesige Gestalt plötzlich mit erschreckender Behendigkeit zu, die kräftigen Hände packten die Handgelenke Flicks, und er wurde plötzlich vom Boden hoch in die Luft gehoben, während das Messer gefühllosen Fingern entglitt und die tiefe Stimme spottend zu ihm hinauflachte.

»So, so, mein junger Freund! Was machst du denn nun? Ich könnte dir auf der Stelle das Herz herausschneiden und dich den Wölfen überlassen, wenn ich wollte, nicht wahr?«

Flick wand sich verzweifelt, um sich zu befreien. Er wußte nicht, was für ein Wesen ihn überwältigt hatte, aber es war auf alle Fälle viel mächtiger als jeder normale Mensch und anscheinend entschlossen, Flick ohne Umstände das Lebenslicht auszublasen. Dann hielt ihn sein Gegner plötzlich auf Armlänge von sich, und die spöttisch Stimme wurde eisig vor Ärger.

»Genug davon, Junge! Wir haben unser kleines Spiel gespielt, und du weißt noch immer nichts von mir. Ich bin müde und hungrig und habe keine Lust, mich am kalten Abend auf dem Waldpfad aufhalten zu lassen, während du dir überlegst, ob ich Mensch oder Tier bin. Ich stelle dich auf den Boden, damit du mir den Weg zeigen kannst. Ich warne dich — versuch nicht, mir wegzulaufen, sonst ergeht es dir schlecht.«

Die weittragende Stimme wurde leiser, und der verärgerte Ton verschwand, als angekündigt von einem kurzen Auflachen, ein Anflug von Spott an seine Stelle trat. »Außerdem«, brummte die Gestalt, als ihre Finger den eisernen Griff lockerten und Flick auf den Boden rutschen ließen, »bin ich vielleicht ein besserer Freund, als du ahnen magst.«

Die Gestalt trat einen Schritt zurück. Flick richtete sich auf und rieb seine Handgelenke. Er wäre am liebsten davongelaufen, zweifelte aber nicht daran, daß der Fremde ihn dann wieder einfangen und ohne weiteres töten würde. Er bückte sich vorsichtig und hob den Dolch auf, um ihn einzustecken.

Flick konnte den anderen nun besser ausmachen, und kein Zweifel blieb, daß er eindeutig einen Menschen vor sich hatte, wenn auch einen viel größeren als jeder andere, den er bis dahin gesehen hatte. Der Riese war mindestens sieben Fuß groß, schien aber außerordentlich mager zu sein, obschon es in diesem Punkt keine Gewißheit gab, weil die hochgewachsene Gestalt in einen wehenden schwarzen Mantel mit einer enganliegenden Kapuze gehüllt war. Das Gesicht war schmal und von tiefen Falten durchzogen. Die Augen lagen tief in ihren Höhlen und waren fast völlig von buschigen Brauen verborgen, die sich über einer langen, flachen Nase wölbten. Ein kurzer, schwarzer Bart umgab einen breiten Mund, der im Gesicht nur ein Strich war — ein Strich, der sich nie zu bewegen schien. Die ganze Erscheinung war erschreckend, ganz Schwärze und riesenhafttigkeit, und Flick mußte den wachsenden Drang in sich unterdrücken, zum Waldrand davonzustieben.

Er blickte direkt in die tiefen, harten Augen des Fremden, wenn auch nicht ohne Schwierigkeit, und brachte ein mühsames Lächeln zustande.

»Ich dachte, Ihr seid ein Räuber«, murmelte er zögernd.

»Du hast dich geirrt«, lautete die ruhige Antwort. Dann wurde die Stimme noch sanfter: »Du mußt lernen, Freund von Feind zu unterscheiden. Dein Leben kann einmal davon abhängen. Also, nenn deinen Namen!«

»Flick Ohmsford.« Flick zögerte und fuhr dann etwas mutiger fort: »Mein Vater ist Curzad Ohmsford. Er betreibt in Shady Vale ein, zwei Meilen von hier einen Gasthof. Da könnt Ihr Essen und Unterkunft bekommen.«

»Ah, Shady Vale«, rief der Fremde plötzlich. »Ja, dahin will ich!« Er machte eine Pause, als überdenke er seine eigenen Worte. Flick beobachtete ihn wachsam, wie er sich das Kinn mit gekrümmten Fingern rieb und auf die sanft geschwungenen Wiesen des Tales vor dem Waldrand hinaussah, ehe er sagte: »Du... hast einen Bruder...«

Es war keine Frage, sondern eine schlichte Feststellung. Sie wurde so ruhig und gleichgültig hervorgebracht, als interessiere sich der hochgewachsene Fremde nicht im mindesten für eine Antwort.

Flick überhörte sie deshalb beinahe. Dann begriff er plötzlich die Bedeutung des Satzes, zuckte zusammen und starrte den anderen an.

»Woher... ?«

»Ach, nun«, sagte der Mann, »hat nicht fast jeder junge Talbewohner wie du irgendwo einen Bruder?«

Flick nickte stumm und fragte sich nebenbei, wieviel der Unbekannte über Shady Vale wissen mochte. Der Fremde sah ihn fragend an; offenbar wartete er darauf, zu Essen und Unterkunft geführt zu werden, "wie es versprochen war. Flick wandte sich hastig ab, um sein Bündel zu suchen, hob es auf und nahm es auf die Schulter, bevor er sich wieder nach der hochragenden Gestalt umsah.

»Der Weg geht dorthin.« Er zeigte mit dem Finger in Richtung Westen, und die beiden setzten sich in Bewegung.

Sie verließen den dichten Wald und kamen zu sanften, niedrigen Hügeln, die sich bis zum Dorf Shady Vale am anderen Ende des Tales erstreckten. Die Nacht war nun hell, nach dem Verlassen des Waldes. Der Mond stand als volle, weiße Scheibe am Himmel, sein Licht beleuchtete die Landschaft des Tales und den Weg, den die beiden Wanderer gingen. Der Pfad selbst war eine undeutliche Linie, die sich über die Wiesenhöhen hinzog, erkennbar nur an gelegentlichen, vom Regen ausgewaschenen Wagenspuren und flachen, harten Stellen, wo die Erde durch das dichte Gras kam. Ein starker Wind war aufgekommen und fegte den beiden Männern mit schnellen Stößen entgegen, die an ihrer Kleidung zerrten, so daß sie die Köpfe senken mußten, um die Gesichter ein bißchen zu schützen. Sie sagten beide nichts, als sie dahinschritten, jeder auf den Weg konzentriert. Bis auf das Fauchen des Windes blieb die Nacht still. Flick lauschte aufmerksam, und einmal glaubte er weit im Norden einen lauten Schrei zu hören, der aber im nächsten Augenblick wieder verhallt war. Den Fremden schien die Stille nicht zu beunruhigen. Seine Aufmerksamkeit galt offenbar nur einem ständig wandernden Punkt am Boden, etwa zwei Meter vor ihnen. Er schien genau zu wissen, wohin der andere ging.

Nach einer Weile fiel es Flick schwer, mit dem großen Mann Schritt zu halten. Manchmal mußte er fast laufen, um auf gleicher Höhe zu bleiben. Ein- oder zweimal blickte der Mann auf seinen kleineren Begleiter herunter, sah, daß dieser Schwierigkeiten hatte, Schritt zuhalten, und wurde ein wenig langsamer. Als die Südhänge des Tales endlich näherrückten, ebneten sich die Hügel zu buschbewachsenen Wiesen, die das Erscheinen neuer Wälder ankündigten. Der Weg führte nun ein wenig abwärts, und Flick erkannte mehrere vertraute Merkmale am Ortsrand von Shady Vale. Unwillkürlich verspürte er Erleichterung. Das Dorf und sein eigenes warmes Heim lagen vor ihm.

Der Fremde sprach kein Wort, und auch Flick zögerte, ein Gespräch zu beginnen. Statt dessen versuchte er, den Riesen mit kurzen Seitenblicken zu studieren, ohne diesen das merken zu lassen. Sein Staunen war begreiflich. Das lange, kantige Gesicht, verdunkelt von dem schwarzen Bart, erinnerte ihn an die schrecklichen Dämonen, die ihm, als er noch ein Kind gewesen, strenge Ältere vor den glühenden Scheiten des Kaminfeuers am späten Abend beschrieben hatten. Am erschreckendsten waren die Augen des Fremden — oder vielmehr die tiefen, dunklen Höhlen unter den zottigen Brauen, wo seine Augen sich befinden mußten. Flicks Blicke vermochten die schweren Schatten, die diesen ganzen Gesichts- bereich des Fremden verdeckten, nicht zu durchdringen. Das tief zerfurchte Gesicht schien aus Stein gemeißelt zu sein, starr und ein wenig zum Weg hin geneigt. Während Flick über das undurchdringliche Gesicht nachdachte, fiel ihm plötzlich ein, daß der Fremde noch nicht einmal seinen Namen genannt hatte.

Die beiden befanden sich am Außenrand des Tales, wo der jetzt deutlich sichtbare Weg sich durch hohes, dichtes Gebüsch wand, das beinahe kein Vorankommen mehr erlauben wollte. Der hochgewachsene Fremde blieb plötzlich wie angewurzelt stehen, den Kopf gesenkt, und lauschte angestrengt.

Flick hielt neben ihm an und wartete still, ebenfalls lauschend, konnte aber nichts wahrnehmen. Sie verharrten scheinbar endlose Minuten lang regungslos, dann drehte sich der große Mann plötzlich herum.

»Schnell! Versteck dich im Gebüsch! Los, lauf!« Er selbst rannte auch auf das hohe Gebüsch zu und stieß Flick vor sich her. Flick hastete angstvoll zur Zuflucht des Buschwerks, während das Bündel auf seinem Rücken klatschte und die Metallgeräte klirrten. Der Fremde riß ihm das Bündel von der Schulter und schob es unter seinen langen Mantel.

»Leise!« zischte er. »Lauf jetzt! Keinen Laut!«

Sie rannten eilig zu der dunklen Gebüschwand, die etwa fünfzehn Meter entfernt war, und der große Mann schob Flick zwischen den belaubten Zweigen hindurch, die ihre Gesichter peitschten, hinein in die Mitte eines großen Gebüschs, wo sie schweratmend stehenblieben. Flick warf einen Blick auf seinen Begleiter und sah, daß dieser nicht durch das Gesträuch auf die Landschaft ringsum blickte, sondern nach oben, wo der Nachthimmel durch das Laub in kleinen Ausschnitten sichtbar war. Für Flick schien der Himmel klar zu sein, als er dem durchdringenden Blick des anderen folgte, und nur die unwandelbaren Sterne funkelten ihn an. Minuten vergingen. Einmal wollte Flick etwas sagen, wurde aber von den starken Händen des Fremden daran gehindert, die warnend nach seinen Schultern griffen. Flick blieb stehen, starrte in die Nacht und strengte auch die Ohren an, um von der angeblichen Gefahr etwas wahrzunehmen. Er bemerkte aber nichts als ihre eigenen schweren Atemzüge und das Rauschen des Windes in den schwankenden Zweigen.

Dann, gerade als Flick seine müden Glieder entlasten und sich hinsetzen wollte, wurde der Himmel plötzlich von etwas Riesigem, Schwarzem verdunkelt, das vorbeischwebte und wieder verschwand. Einen Augenblick später tauchte es wieder auf, kreiste langsam, und sein Schatten hing drohend über den beiden versteckten Wanderern, als wolle er sich im nächsten Moment auf sie herabsenken. Ein plötzliches Gefühl des Entsetzens durchzuckte Flicks Gemüt und hielt es in eisernem Netz gefangen, als es den gräßlichen, nach innen dringenden Wahnsinn zu fliehen versuchte. Etwas schien in seine Brust hinabzugreifen und langsam die Luft aus seinen Lungenflügeln zu quetschen, und er bemerkte, daß er nach Luft rang. Die scharf umrissene Vision einer schwarzen Erscheinung, durchschossen von Rot, mit Klauenhänden und Riesenschwingen, zog an ihm vorbei, von einem so bösen Wesen, daß sein bloßes Dasein Flicks zerbrechliches Leben zu bedrohen schien. Einen Augenblick lang glaubte der junge Mann schreien zu müssen, womit er sich verraten hätte, aber die Hand des Fremden umklammerte hart seine Schulter und riß ihn vor dem Abgrund zurück. Der Riesenschatten verschwand so plötzlich, wie er aufgetaucht war, und zurück blieb nur der friedliche Himmel der Nacht.

Die Hand auf Flicks Schulter lockerte langsam den Griff, und der Talbewohner sank schlaff und von kaltem Schweiß bedeckt zu Boden. Der große Mann ließ sich lautlos neben seinem Begleiter nieder. Über sein Gesicht huschte ein schwaches Lächeln. Er legte eine große Hand auf die von Flick und tätschelte sie wie die eines Kindes.

»Komm, komm, junger Freund«, flüsterte er, »du lebst und bist gesund, und das Tal liegt vor dir.«

Flick schaute hinauf in das gelassene Gesicht des anderen, die Augen furchtgeweitet.

»Dieses Ding! Was war dieses furchtbare Ding?«

»Nur ein Schatten«, erwiderte der Mann leichthin. »Aber das ist weder die Zeit noch der Ort, sich mit solchen Dingen zu befassen. Wir sprechen später darüber. Jetzt möchte ich etwas essen und an einem warmen Feuer sitzen, bevor ich die Geduld ganz verliere.« Er half Flick auf die Beine und gab ihm sein Bündel zurück. Dann zeigte er mit einer weiten Armbewegung auf den Weg. Sie verließen die Deckung des Strauchwerks, Flick nicht ohne Bedenken, mit häufigen Blicken zum Nachthimmel. Man hätte aber auch meinen können, daß das Ganze nur einer überhitzten Phantasie entsprungen sei. Flick dachte ernsthaft nach und entschied, daß er für einen Abend genug hatte, was immer es auch gewesen sein mochte; zuerst dieser namenlose Riese, dann der furchterregende Schatten.

Er schwor sich im Stillen, es sich zweimal zu überlegen, bevor er sich nachts wieder so weit hinauswagen würde.

Einige Minuten später wurden Bäume und Dickicht dünner, und in der Dunkelheit flackerte gelbes Licht. Ais sie näher kamen, nahmen in der Düsternis die verschwommenen Umrisse von Gebäuden als quadratische und rechteckige Gebilde Form an. Der Pfad verbreiterte sich zu einer glatteren Landstraße, die geradewegs in den Ort führte, und Flick lächelte die Lichter, die durch die Fenster der stillen Häuser freundlich grüßten, dankbar an. Niemand war auf der Straße unterwegs; wären die Lichter nicht gewesen, hätte man sich fragen können, ob hier überhaupt jemand lebte. Flicks Gedanken waren aber von solchen Fragen weit entfernt. Er überlegte schon, wieviel er seinem Vater und Shea erzählen sollte, um sie nicht unnötig mit fremdartigen Schatten zu beunruhigen, die leicht nur Produkte seiner Phantasie und der düsteren Nacht gewesen sein konnten. Der Fremde neben ihm mochte später einige Aufklärung geben können, aber bis jetzt hatte er sich nicht als sehr gesprächig erwiesen. Flick blickte unwillkürlich wieder auf die hochgewachsene Gestalt neben ihm. Erneut überlief es ihn kalt. Die Schwärze des Mannes schien von seinem Mantel und der Kapuze über den gesenkten Kopf und die schmalen Hände zu fließen und alles in Düsternis zu tauchen. Wer immer er sein mochte, Flick war überzeugt davon, daß er ein gefährlicher Feind sein würde.

Sie gingen langsam zwischen den Gebäuden des Dorfes dahin, und Flick sah durch die Holzrahmen der breiten Fenster Fackeln brennen. Die Häuser selbst waren lange, niedrige Bauten, jeder nur mit einem Geschoß unter einem flach geneigten Dach, das meist an einer Seite herabführte und eine kleine Veranda bedeckte, getragen von dicken Stangen an einem langen Vorbau. Die Häuser bestanden aus Holz, einige verfügten über Steinfundamente und Steinfassaden. Flick blickte durch die Fenster mit ihren Vorhängen, erhaschte hier und dort einen Blick auf die Bewohner, und der Anblick vertrauter Gesichter tröstete ihn in der Dunkelheit. Es war eine furchterregende Nacht gewesen, und er war erleichtert, wieder zu Hause unter Leuten zu sein, die er kannte.

Der Fremde blieb für all dies unempfänglich. Er begnügte sich mit einem beiläufigen Blick auf den Ort und hatte, seitdem sie ihn erreicht hatten, noch kein einziges Wort gesprochen.

Flick wunderte sich immer noch darüber, wie der ändere ihm folgte. Er ging Flick gar nicht nach, sondern schien genau zu wissen, wohin der junge Mann sich wenden wollte. Wenn die Straße sich gabelte, fiel es dem Schwarzen nicht schwer, den richtigen Weg selbst zu finden, obwohl er Flick kein einzigesmal ansah und auch nie den Kopf hob, um sich zu orientieren.

Die beiden erreichten bald den Gasthof. Es war ein großer Bau, bestehend aus einem Hauptgebäude mit Veranda und zwei langen Flügelbauten, die auf beiden Seiten vorne und hinten hinausgingen. Er war errichtet aus riesigen Stämmen, auf einem hohen Steinfundament verfugt, und bedeckt von dem vertrauten Holzschindeldach, das aber hier viel höher war als bei den Wohnhäusern. Das Hauptgebäude war hell erleuchtet, und aus dem Inneren drangen gedämpfte Stimmen, vermischt mit Lachen und Rufen. Die Flügelbauten des Gasthofs lagen im Dunkeln; dort befanden sich die Schlafräume der Gäste. Es roch nach Braten, und Flick ging schnell voraus über die Holzstufen der langen Veranda zu der breiten Doppeltür in der Mitte des Hauses. Der Fremde folgte wortlos.

Flick schob den schweren Schnappriegel zurück und zog an den Türknöpfen. Die große Tür auf der rechten Seite ging auf, und sie traten in einen großen Aufenthaltsraum mit Bänken, hochlehnigen Stühlen und mehreren langen, schweren Holztischen an der Seiten- und Rückwand. Der Raum war hell erleuchtet von zahlreichen Kerzen auf den Tischen und in den Wandhaltern sowie von dem großen offenen Kamin in der Mitte der linken Wand; Flick war für kurze Zeit geblendet, denn seine Augen mußten sich erst an die Lichtfülle gewöhnen.

Er kniff sie zusammen und blickte vorbei an Kamin und Mobiliar zur geschlossenen Doppeltür an der Rückwand und hinüber zur langen Theke, die entlang der rechten Wand verlief. Die an der Theke versammelten Männer hoben die Köpfe, als die beiden hereinkamen, und ihre Gesichter verrieten unverhohlenes Erstaunen über die Erscheinung des Fremden. Flicks stummer Begleiter schien aber keinen der Männer wahrzunehmen, und diese kehrten deshalb schnell zu ihren Gesprächen und Getränken zurück. Die beiden Männer blieben noch kurze Zeit an der Tür stehen, während Flick sich ein zweitesmal in der Runde nach seinem Vater umsah. Der Fremde wies auf die Stühle an der linken Seite und sagte: »Ich setze mich, während du deinen Vater holst. Vielleicht können wir gemeinsam essen, wenn du zurückkommst.« Er ging zu einem kleinen Tisch an der Rückseite des Raumes und setzte sich von den Männern an der Theke abgewandt. Flick beobachtete ihn für Augenblicke, dann ging er schnell zur Doppeltür an der Rückwand und trat hindurch in den Korridor.

Sein Vater war vermutlich in der Küche und aß mit Shea zu Abend. Flick eilte durch den Flur, vorbei an mehreren geschlossenen Türen, bevor er die Küche erreichte. Als er eintrat, begrüßten die beiden Köche im hinteren Teil des Raumes den jungen Mann fröhlich. Sein Vater saß an einer langen Theke auf der linken Seite. Wie Flick vermutet hatte, war er gerade am Ende der Mahlzeit angelangt. Er hob eine kräftige Hand zur Begrüßung.

»Du kommst ein bißchen später als gewöhnlich, Sohn«, meinte er freundlich. »Komm her und iß, solange noch etwas da ist.«

Flick ging müde auf ihn zu, ließ das Bündel klirrend fallen und setzte sich auf einen der großen Hocker. Die große, breite Gestalt seines Vaters richtete sich auf, als er den leeren Teller wegschob und Flick prüfend ansah.

»Ich bin auf dem Weg ins Tal einem Wanderer begegnet«, erklärte Flick zögernd. »Er möchte ein Zimmer haben und essen. Wir sollen uns zu ihm setzen.«

»Nun, wenn er ein Zimmer will, ist er am richtigen Ort«, sagte der ältere Ohmsford. »Wüßte nicht, warum wir uns nicht auf einen Bissen zu ihm setzen sollten — ich kann noch gut eine Portion vertragen.« Er stand schwerfällig auf und bestellte bei den Köchen drei Abendessen. Flick sah sich nach Shea um, konnte ihn aber nirgends entdecken. Sein Vater stapfte zu den Köchen, um ihnen besondere Anweisungen für die Zubereitung zu geben, und Flick trat an das Becken neben der Spüle, um sich Schmutz und Staub von seinem langen Marsch abzuwaschen. Als sein Vater herüberkam, fragte Flick ihn, wo sein Bruder sei.

»Shea macht einen Botengang für mich und muß bald zurück sein«, erwiderte sein Vater. »Wie heißt übrigens der Mann, den du mitgebracht hast?«

»Das weiß ich nicht. Er hat es mir nicht gesagt.« Flick zuckte die Achseln.

Sein Vater runzelte die Stirn und murmelte etwas von schweigsamen Fremden, fügte aber die halblaute Bemerkung hinzu, daß er in seinem Gasthof keine geheimnisvollen Charaktere mehr dulden wolle. Er winkte seinem Sohn und ging voraus, mit den breiten Schultern die Wand streifend, als er zur Gaststube abbog. Flick folgte ihm eilig, das Gesicht zweifelnd zerfurcht.

Der Fremde saß noch immer ruhig da, mit dem Rücken zu den Männern an der Theke. Als er die Hintertüren aufgehen hörte, drehte er sich ein wenig, um die zwei Eintretenden sehen zu können. Er bemerkte die enorme Ähnlichkeit zwischen Vater und Sohn. Beide waren mittelgroß und stämmig gebaut, hatten die gleichen breiten, ruhigen Gesichter und das gleiche graubraune Haar. Sie blieben unter der Tür stehen, und Flick zeigte auf die schwarze Gestalt. Er konnte die Überraschung in seines Vaters Gesicht sehen, als dieser den Fremden eine Weile anstarrte, bevor er auf ihn zuging. Der Schwarze stand höflich auf, er überragte die beiden.

»Willkommen in meinem Gasthof, Fremder«, begrüßte ihn Ohmsford senior und versuchte vergeblich, unter die Kapuze zu blicken, die das dunkle Gesicht des anderen verbarg.

»Mein Name ist Curzad Ohmsford, wie mein Junge Euch wahrscheinlich schon gesagt hat.«

Der Fremde drückte die angebotene Hand mit einer Kraft, daß der bullige Wirt eine Grimasse schnitt, und nickte dann Flick zu.

»Euer Sohn war so freundlich, mich zu diesem behaglichen Gasthof zu führen.« Er lächelte spöttisch, wie es Flick schien.

»Ich hoffe, Ihr leistet mir beim Essen und einem Glas Bier Gesellschaft.«

»Gewiß«, antwortete der Wirt und ging zu einem freien Stuhl, auf den er sich schwerfällig niederließ. Flick zog sich ebenfalls einen Stuhl heran und setzte sich, den Blick noch immer auf den Fremden gerichtet, der gerade dabei war, seinen Vater zu einem so schönen Gasthaus zu beglückwünschen.

Der ältere Ohmsford strahlte vor Freude und nickte Flick befriedigt zu, während er einem der Bediensteten an der Bar winkte, drei Gläser zu bringen. Der hochgewachsene Mann schlug die Kapuze immer noch nicht zurück. Flick hätte zu gerne unter die Schatten hineingeblickt, fürchtete aber, der Fremde könne es bemerken, und ein solcher Versuch hatte ihm bereits schmerzende Handgelenke eingebracht und einen gesunden Respekt in ihm hervorgerufen vor der Kraft und dem Jähzorn des großen Mannes. Es war ungefährlicher, sich nicht zu weit vorzuwagen.

Er saß stumm dabei, als das Gespräch zwischen seinem Vater und dem Fremden sich von höflichen Bemerkungen über das milde Wetter zu einer intimeren Unterhaltung über die Leute und Ereignisse des Ortes wandelte. Flick fiel auf, daß sein Vater, den man ohnehin nicht zu so etwas anzuspornen brauchte, das Gespräch fast ganz allein bestritt, unterbrochen nur von beiläufigen Fragen des anderen. Die Ohmsfords wußten nichts von dem Fremden. Er hatte ihnen immer noch nicht seinen Namen genannt. Im Gegenteil, er lockte aus dem redseligen Gastwirt unauffällig eine Information nach der anderen über das Tal heraus. Die ganze Situation störte Flick, aber er wußte nicht recht, was er dagegen tun sollte. Er wünschte sich, Shea möge auftauchen und sehen, was sich hier abspielte, aber sein Bruder ließ auf sich warten. Man brachte das Abendessen, und erst, als dieses verzehrt war, ging eine der breiten Türen des Haupteingangs auf, und Shea kam aus der Dunkelheit herein.

Zum erstenmal sah Flick den Fremden für eine andere Person mehr als beiläufiges Interesse aufbringen. Kraftvolle Hände umklammerten den Tisch, als die schwarze Gestalt stumm aufstand. Der Mann schien vergessen zu haben, daß die Ohmsfords bei ihm saßen, als die Stirn sich noch tiefer furchte und das zerklüftete Gesicht eine starke Konzentration verriet. Einen schrecklichen Augenblick lang glaubte Flick, der Fremde sei im Begriff, Shea zu vernichten, aber dann ging die Befürchtung unter, verdrängt von einer anderen Erkenntnis. Der Mann erforschte die Gedanken seines Bruders.

Er musterte Shea scharf. Der Blick aus seinen tiefliegenden, verschatteten Augen glitt schnell über die schlanke, schmale Gestalt des jungen Mannes. Er registrierte die Elfen-Anzeichen sofort — ein wenig spitze Ohren unter dem wirren blonden Haar, die bleistiftstrichdünnen Brauen, die im steilen Winkel von der Nasenwurzel schräg hinaufliefen, statt quer über den Augen zu verlaufen, und die schmale Nase, der schmale Kiefer. Ersah in dem Gesicht Intelligenz und Offenheit, und während er Shea gegenüberstand, bemerkte er auch Entschlossenheit in den durchdringenden blauen Augen — Entschlossenheit, die sich als Gesichtsröte über die jugendlichen Züge breitete, als sich die Blicke der beiden Männer ineinanderbohrten.

Shea zögerte einen Augenblick, auf die riesige, schwarze Erscheinung zuzugehen. Er kam sich auf unerklärliche Weise vor wie einer, der in eine Falle getappt war, ermannte sich aber und setzte sich in Bewegung.

Flick und sein Vater sahen Shea herankommen, dessen Blick immer noch auf den Fremden gerichtet war, dann standen die beiden auf, als hätten sie urplötzlich begriffen, wer der Mann sei. Es gab einen Augenblick verlegenen Schweigens, als sie einander gegenüberstanden, dann begannen die Ohmsfords gleichzeitig, einander zu begrüßen, mit einem Stimmengewirr, das die ursprüngliche Anspannung löste. Shea lächelte Flick an, konnte den Blick jedoch nicht von der eindrucksvollen Gestalt vor ihm wenden. Shea war ein wenig kleiner als sein Bruder und stand deshalb noch mehr im Schatten des Fremden als vorher Flick, wirkte aber weniger nervös als dieser. Curzad Ohmsford sprach mit ihm über seinen Botengang, und Shea's Aufmerksamkeit wurde vorübergehend abgelenkt, als er auf die drängenden Fragen seines Vaters antwortete; aber dann wandte er sich wieder an den Fremden:

»Ich glaube nicht, daß wir uns schon begegnet sind, trotzdem scheint Ihr mich von irgendwoher zu kennen, und ich habe das merkwürdige Gefühl, daß ich Euch ebenfalls kennen sollte.«

Das dunkle Gesicht über ihm nickte, wobei wieder das spöttische Lächeln darüber hinweghuschte.

»Vielleicht solltest du mich kennen, auch wenn es nicht verwunderlich ist, daß du dich nicht erinnerst. Aber ich weiß, wer du bist. Ich kenne dich sogar gut.«

Shea war verblüfft von dieser Antwort, wußte nichts darauf zu erwidern und starrte den Fremden an. Dieser hob die schlanke Hand ans Kinn, um sich den schwarzen Bart zu streichen. Er ließ den Blick über die drei Männer vor ihm wandern. Flick öffnete den Mund, um die Frage auszusprechen, die alle drei Ohmsfords bewegte, als der Fremde hinaufgriff und die Kapuze zurückstreifte. Endlich wurde das dunkle Gesicht sichtbar. Es war umrahmt von langen schwarzen Haaren, die bis zu den Schultern reichten und die tiefliegenden Augen verdeckten, welche in den Schatten unter den dichten Brauen noch immer nur als schwarze Schlitze zu sehen waren.

»Mein Name ist Allanon«, sagte er leise.

Einen Augenblick herrschte völlige Stille, als die drei Ohmsfords ihn in sprachloser Verwunderung anstarrten.

Allanon — der geheimnisvolle Wanderer in den vier Ländern, Geschichtsschreiber der Rassen, Philosoph und Lehrer und, wie manche behaupteten, Adept der mystischen Künste.

Allanon — der Mann, der überall gewesen war, angefangen von den dunkelsten Häfen des Anar bis zu den verbotenen Höhen der Charnal-Berge. Sein Name war den Bewohnern selbst der abgelegensten Gemeinden im Südland vertraut.

Nun stand er unerwartet vor den Ohmsfords, von denen keiner in seinem Leben öfter als ein paarmal aus ihrem Tal hinausgekommen war.

Allanon lächelte zum erstenmal freundlich, aber innerlich empfand er Mitleid mit ihnen. Das ruhige Dasein, das sie so viele Jahre gekannt hatten, war vorbei, und in gewisser Beziehung trug er dafür die Verantwortung.

»Was führt Euch hierher?« fragte Shea endlich.

Der hochgewachsene Mann sah ihn scharf an und ließ ein tiefes, leises Lachen hören, das sie alle überraschte.

»Du, Shea«, murmelte er. »Ich habe dich gesucht.«

Загрузка...