23

Jaina selbst hatte die Statue entworfen, und sie hatte auch die Kosten für das Material übernommen und den Künstler ausgewählt. Jetzt wachte Antonidas über der Stadt, für die er sein Leben gegeben hatte. Zudem war die Statue mit einem Zauber belegt, sodass sie zwei Meter über dem Gras schwebte. Unter dem Bildnis des großen Mannes verkündete eine Plakette:

ERZMAGIER ANTONIDAS, GROSSMAGUS DER KIRIN TOR

DIE GROSSE STADT DALARAN STEHT ERNEUT – ZEUGNIS DER BEHARRLICHKEIT UND DES WILLENS IHRES GRÖSSTEN SOHNES.

EURE OPFER WERDEN NICHT UMSONST GEWESEN SEIN, GELIEBTER FREUND.

IN LIEBE UND BEWUNDERUNG, JAINA PRACHTMEER

Jaina trat auf das weiche Gras und blickte zu ihrem Freund hinauf. Der Bildhauer war äußerst talentiert gewesen, hatte er es doch geschafft, Antonidas’ Mischung aus Ernst und Güte einzufangen. In der einen Hand des Magiers drehte sich eine kleine Kugel, die vor magischer Energie leuchtete, in der anderen trug Antonidas seinen Hohestab, Archus.

Das Buch hatte Jaina noch immer unter ihrem Umhang verborgen, wo es in die Falten des Stoffes hineingewickelt war, damit kein wachsames Auge es erspähen konnte. Es fühlte sich fest und beruhigend an, und sie legte ihre Hand darauf.

Die Erinnerungen strömten durch ihren Geist. Und hier, im Schatten der Statue ihres Mentors, waren sie zum größten Teil sogar schmerzlos. Dieser Mann hatte ein großes Potenzial in ihr gesehen und sie mit Freude, Enthusiasmus und Stolz ausgebildet. Sie dachte an die langen Gespräche, die sie über esoterische Angelegenheiten und die Feinheiten der Magie geführt hatten, zum Beispiel in welchem Winkel zum Körper man die Finger bei einer Beschwörung halten sollte. Damals waren sie beide sicher gewesen, dass Jaina schnell in der Hierarchie von Dalaran aufsteigen und eines Tages vielleicht sogar zu den Kirin Tor gehören könnte. Weder er noch sie hatten daran gezweifelt, dass die Stadt ihre Heimat bleiben würde.

Das sanfte Lächeln, das ihre Lippen umspielte, verblasste. So viel – zu viel – war seit jener Zeit geschehen. Sie klammerte sich an die Hoffnung, dass ihr Mentor sie über das Grab hinaus auf ihrem Weg begleitete und dass er es gewesen war, der sie zu diesem Buch geführt hatte, das ihr in allen Einzelheiten verraten würde, wie man die Fokussierende Iris benutzte. Sie wünschte, er könnte ihr für das, was sie vorhatte, seinen Segen geben. Ohne Zweifel würde er ihr Handeln verstehen, hätte er sehen können, was sie gesehen hatte.

Eine sanfte Berührung an der Schulter ließ sie zusammenzucken, und beinahe wäre das Buch unter ihrem Umhang herausgefallen. In letzter Sekunde hielt sie es fest, dann drehte sie sich um.

„Es tut mir leid, ich wollte Euch nicht erschrecken“, sagte Kalecgos.

Verunsicherung überkam sie. Hatte er sie durchschaut? „Woher wusstet Ihr, dass ich hier bin?“, fragte sie, um einen lockeren, gleichgültigen Ton bemüht.

„Ich bin zum Nexus zurückgekehrt, nachdem wir … nachdem Ihr fortgegangen seid. Ich spürte es dort, als Ihr in Dalaran ankamt.“ Seine blauen Augen wirkten unglücklich. „Ich glaube, ich weiß, warum Ihr hergekommen seid.“

Sie wandte den Blick ab. „Ich kam hierher, um Hilfe von den Kirin Tor zu erbitten. Ich dachte, sie würden mich im Kampf gegen die Horde unterstützen, nach dem, was mit Theramore geschehen ist. Aber sie haben sich geweigert.“

Er zögerte einen Moment, dann flüsterte er: „Jaina … auch ich bin in Theramore gewesen. Falls die Bombe auf die Stadt fiel – und wir beide wissen, dass das der Fall ist –, hätte die Fokussierende Iris dort sein müssen. Doch ich konnte sie nirgendwo finden.“

„Ich möchte wetten, die Horde hat jemanden geschickt, um sie zurückzuholen“, meinte Jaina. „In den Ruinen habe ich jedenfalls gegen einige Orcs gekämpft.“

„Vermutlich habt Ihr recht“, stimmte er ihr zu.

„Könnt Ihr sie noch immer spüren?“, wollte sie nun wissen.

„Nein. Aber wäre sie zerstört worden, dann hätte ich es gewiss gemerkt. Ich muss also davon ausgehen, dass ein mächtiger Magier sie einmal mehr vor meinen Sinnen abschirmt, und diesmal ist er sogar noch wirkungsvoller darin als beim letzten Mal. Falls das Artefakt noch immer existiert, kann es auch noch immer eingesetzt werden, um großen Schaden in dieser Welt anzurichten. Wie wir beide ja gesehen haben.“

Also … hatte ihr Abschirmungszauber gewirkt. „Dann solltet Ihr Euch wohl besser auf die Suche danach machen.“ Es gefiel ihr nicht, ihn anlügen zu müssen, aber sie wusste, dass er es nicht verstehen würde. Oder … vielleicht doch? Falls er wirklich in Theramore gewesen war … und gesehen hatte, was sie gesehen hatte … dann teilte er womöglich ihre Gefühle.

„Kalec – die Kirin Tor werden mir nicht helfen. Ihr sagtet einst, Ihr würdet für mich kämpfen – für die Lady von Theramore. Theramore gibt es nicht mehr, aber ich, ich lebe noch.“ Aus einem Impuls heraus streckte sie den Arm aus und griff nach seiner Hand. Er umschloss sie fest mit seinen Fingern. „Helft mir! Bitte! Wir müssen die Horde zerstören. Sie wird sich nicht mit diesem einen Sieg begnügen, und das wisst Ihr.“

Sie konnte sehen, wie sich die widerstreitenden Gefühle in seinem Inneren auf seinem Gesicht spiegelten. Da wurde ihr klar, wie viel er tatsächlich für sie empfand. Gleichzeitig spürte sie, dass ihre Gefühle für ihn ebenso stark waren. Doch jetzt war nicht die Zeit, einander den Hof zu machen, nicht die Zeit für süße Zärtlichkeiten und überhaupt nicht die Zeit für jedwede Romantik. Solange die Horde noch existierte und in der Lage war, weiterhin solch schreckliche Untaten zu begehen, gab es keinen Platz für Zuneigung. Sie brauchte jede Waffe, die sie nur finden konnte, und ungeachtet ihrer eigenen Wünsche und Bedürfnisse wusste Jaina, dass sie ihr Herz in Stahl verwandeln musste.

„Ich kann das nicht tun, Jaina“, erklärte er, und seine Stimme klang belegt – vor Leid. „Dieser unversöhnliche … nun, Hass – das seid nicht Ihr. Die Jaina, die ich kennenlernte, hat nach Frieden gestrebt, hat versucht zu verstehen, noch während sie sich darauf vorbereitete, ihr Volk zu verteidigen. Ich kann nicht glauben, dass Ihr wirklich dieselben Gräueltaten begehen wollt wie die Horde. Kein gesunder Verstand, kein gütiges Herz sollte einem anderen jemals solches Leid wünschen.“

„Dann glaubt Ihr also, ich hätte den Verstand verloren?“, fragte sie, und obwohl sie versuchte, es ein wenig fröhlich klingen zu lassen, war sie wütend und zog ihre Hand zurück.

„Nein“, entgegnete er, „aber ich glaube, Euch fehlt der nötige Abstand, um Eure nächsten Schritte richtig zu wählen. Ich glaube, Ihr würdet Euer Handeln von Schmerz und Zorn diktieren lassen. Niemand kann Euch einen Vorwurf machen, weil Ihr so fühlt. Aber Ihr dürft nichts unternehmen, solange Ihr nicht logisch denken könnt! Ich kenne Euch – und weiß, dass Ihr es später bereuen würdet.“

Ihre Augen wurden schmal, und dann tat sie einen Schritt nach hinten. „Ich weiß, Ihr macht Euch Sorgen um mich, und alles, was Ihr sagt, meint Ihr nur gut. Aber Ihr irrt Euch. Dies hier – das bin ich. Das hat die Horde aus mir gemacht, als sie ihre verfluchte Bombe über meiner Stadt abwarf. Ihr wollt mir nicht helfen? Ihr wollt die Stimmen nicht hören, die nach Gerechtigkeit schreien? Schön. Dann helft mir eben nicht. Aber ganz gleich, was Ihr auch tut, versucht nicht, mich aufzuhalten!“

Er verbeugte sich, als sie herumwirbelte und davonmarschierte, eine Hand fest um das Buch geschlossen – das Buch, das Antonidas versiegelt hatte. Es war das Buch, das ihr helfen würde, den Gefallenen Frieden zu schenken. Das Buch, das ihr die Macht geben würde, um der Horde zurückzuzahlen, was sie ihrem Herzen angetan hatte.


Das Gasthaus in der Nähe von Klingenhügel machte in diesen Tagen viel Umsatz, und dem Wirt Grosk war es nur recht. Klingenhügel war schon immer ein recht ärmliches Dorf gewesen, wurde es für gewöhnlich doch ausschließlich von Soldaten oder Durchreisenden bevölkert, von denen weder die einen noch die anderen länger hier verweilten. Nun, da sich die Festivitäten in Orgrimmar fortsetzten, besuchten Krieger aber fast zu jeder Tages- und Nachtzeit das Gasthaus, um ein Mahl zu genießen und Grog zu trinken. Während Grosk wieder einmal einen halbherzigen Versuch unternahm, die Gläser zu säubern, überlegte er, wie lange er darauf hatte warten müssen, dass sich das rege Treiben in der Hauptstadt auch für ihn bezahlt machte. Dass nicht alle Gespräche, die im Schankraum geführt wurden, voll des Lobes und der Zustimmung waren, kümmerte ihn nicht weiter. Na und? Über Thrall hatten sich die Leute auch beschwert. Sie liebten es einfach, zu murren und zu klagen, ob nun über den Kriegshäuptling oder das Wetter, den Krieg oder die anderen Rassen der Horde, die Allianz oder die Ehefrau. Das war gut fürs Geschäft. Einer der Gründe, eine Taverne aufzusuchen, war schließlich der, seine Sorgen zu ertränken.

Grosk hingegen hätte nicht glücklicher sein können, nun, da der Schankraum bis zum letzten Platz mit Gestalten sämtlicher Horderassen gefüllt war.

Bis die Kor’kron auftauchten.

Sie blieben in der Tür stehen, ihre hünenhaften Gestalten sperrten das Licht aus, und der Raum wurde noch dunkler. Frandis Farley, der wieder mal eine billige Ausrede gefunden hatte, sich mit Kelantir Blutklinge zu treffen, drehte sich bei dem Anblick herum.

„Das gibt Ärger“, flüsterte Kelantir.

„Nicht unbedingt“, erwiderte Frandis ebenso leise, und bevor seine Begleiterin erkannte, was ihr untoter Freund vorhatte, winkte dieser schon mit dem Arm und rief fröhlich: „Malkorok, mein Freund! Willst du dich unters gemeine Volk mischen? Die Brühe, die einem dieser Schlingel Grosk hier anbietet, schmeckt sogar noch schlechter als der Inhalt eines Nachttopfs. Aber sie ist billig, und wie ich höre, erfüllt sie ihren Zweck. Also, kommt herein! Wir geben euch ein Glas aus.“

Die Kor’kron blickten ihren Anführer an, und Malkorok nickte. „Grosk“, sagte der Schwarzfelsorc dann, „die nächste Runde geht auf mich.“ Er schlug Frandis auf die Schulter, der daraufhin beinahe nach vorn auf den Tisch geflogen wäre. „Ich hätt es mir denken können, dass ich hier Tauren und Verlassene antreffe“, zischte er abfällig, während Grosk hastig ein paar schmutzige Gläser und eine große Kanne mit Grog herbeibrachte. „Aber ich muss sagen, du passt nicht gerade in ein solches Etablissement.“

„Weiß nicht, was das heißen soll“, meinte Kelantir, die Augen zusammengekniffen. „Ich war schon in schlimmeren Spelunken als dieser.“

„Mag sein“, brummte Malkorok. „Aber warum bist du überhaupt hier? Solltest du nicht in Orgrimmar sein?“

„Eisenallergie“, antwortete Kelantir. Einen Moment lang starrte Malkorok sie an, dann warf er den Kopf zurück und stieß ein gutturales Lachen aus.

„Es scheint, als würden du und einige andere eine eher rustikale Umgebung vorziehen“, sagte er. „Wo ist dieser junge Bulle Baine, und wo bleibt seine Hauskröte Vol’jin? Ich wollte mit ihnen sprechen.“

„Ich hab die beiden schon seit einer Weile nicht mehr gesehen“, erklärte Kelantir, dann legte sie die Stiefel auf den Tisch. „Ich habe nicht viel mit den Tauren zu tun.“

„Ach, wirklich?“ Malkorok wirkte verwirrt. „Und doch haben wir Zeugen, die aussagen, dass du und Frandis euch erst letzte Nacht angeregt mit dem Tauren und dem Troll und einigen anderen unterhalten habt, gerade hier, in diesem Gasthaus. Diese Zeugen erzählten weiter, dass solche Dinge gesagt wurden wie ‚Garrosh ist ein Narr‘, ‚Thrall sollte zurückkommen und ihn in die Unterstadt jagen‘ und dann auch ‚Es war feige, die Manabombe gegen Theramore einzusetzen‘.“

„Und die Elementarwesen“, fügte einer der Kor’kron im Plauderton hinzu, während er nach der Kanne mit dem Grog griff, um sein Glas aufzufüllen.

„Ja, die Elementarwesen – wenn ich mich richtig an die Aussage unserer Zeugen erinnere, dann hieß es nämlich, es sei eine Schande, dass Cairne Garrosh nicht getötet habe, als er die Gelegenheit dazu hatte, weil Thrall niemals die Elemente auf solch grausame und beleidigende Weise missbraucht hätte.“

Die Blutelfin und der Verlassene blieben schweigend sitzen, und Malkorok fuhr fort. „Aber wenn ihr sagt, ihr habt Baine und Vol’jin in letzter Zeit nicht gesehen, dann müssen diese Zeugen sich wohl irren.“

„Sieht ganz so aus“, meinte Frandis. „Du brauchst bessere Kundschafter.“

„Absolut“, stimmte ihm der Schwarzfelsorc zu. „Denn natürlich würde keiner von euch beiden solche Dinge über Garrosh und seine Führerschaft sagen.“

„Freut mich, dass du das erkennst“, nickte Frandis. „Danke für den Grog! Aber die nächste Runde geht wirklich auf mich.“

„Ich fürchte, ich muss ablehnen. Wir sollten uns jetzt wieder auf den Weg machen. Vielleicht finden wir Vol’jin und Baine woanders, da sie ja leider nicht hier sind.“ Malkorok stand auf und nickte. „Genießt euren Grog!“

Die beiden blickten den Kor’kron nach, und als sie wieder durch die Tür verschwunden waren, schloss Kelantir die Augen und atmete tief aus.

„Für meinen Geschmack war das zu knapp.“

„Allerdings“, murmelte Frandis. „Ganz kurz hatt ich schon damit gerechnet, er würde uns festnehmen – oder direkt angreifen.“

Die Blutelfin drehte den Kopf, um noch eine Runde Grog zu bestellen, dann runzelte sie die Stirn. „Komisch“, meinte sie. „Grosk ist verschwunden.“

„Was? Obwohl der Schankraum voller Gäste ist? Er sollte mehr Leute einstellen, anstatt sich einfach so davonzustehlen, während durstige Kunden auf ihr Getränk warten.“

Da trafen sich ihre Augen. Kein weiteres Wort wurde gesprochen, als die beiden gleichzeitig von ihren Stühlen aufsprangen und zur Tür hinüberrannten.

Sie hätten es beinahe geschafft, doch dann explodierte eine Frostgranate und verwandelte sie auf der Stelle in Statuen. Einen Moment später segelten drei Schrapnellgranaten an ihnen vorbei, und das Gasthaus von Klingenhügel ging in einem Flammenball auf.


König Varian Wrynn und Prinz Anduin standen in einem großen, weiträumigen Saal, der zur Burg Sturmwind gehörte und wegen der gewaltigen Karte, die einen Großteil seiner Fläche beanspruchte, für gewöhnlich einfach nur der Kartenraum genannt wurde. Zwei brennende Kohlebecken erwärmten den Saal, an dessen Wänden sich zahlreiche Kriegswaffen aneinanderreihten, von Donnerbüchsen über Schwerter bis hin zu drei Kanonen. In einigen Ecken stapelten sich Bücher über Strategie, doch zurzeit interessierten sich Varian und die anderen, die hier versammelt waren, ausschließlich für die namensgebende Karte.

Neben König und Prinz waren Vertreter sämtlicher Allianzrassen zugegen: Taluun repräsentierte die Draenei, Broll sprach für die Nachtelfen, und König Genn Graumähne vertrat die Interessen der Worgen von Gilneas. Zudem hatten sich auch Gelbin Mekkadrill, ein Hochtüftler der Gnome, und drei Zwerge eingefunden, einer von jedem Klan: der joviale Thargas Ambossar von den Bronzebartzwergen, der mürrische Eisenzwerg Drukan und der fröhliche Kurdran Wildhammer. Sie alle hatten ihre Differenzen für den Augenblick beigelegt – selbst Drukan schien willens, sich höflich auszudrücken und den Worten der anderen mit Interesse zu lauschen.

Die Blockade betraf sie alle, selbst diejenigen, die aus den Östlichen Königreichen stammten. Denn keiner konnte es sich leisten, einfach in die andere Richtung zu blicken, während womöglich ein ganzer Kontinent erobert wurde.

Varian stand gedankenverloren zwischen seinen Gästen, und als Broll sich räusperte, blickte der König nur kurz auf, um dem Nachtelfen mit einer Geste das Wort zu erteilen, bevor er sich wieder seinen Grübeleien hingab.

„Ich spreche für mein Volk und sicher ebenso für all die anderen Mitglieder der Allianz, die unter dieser Tat der Horde leiden“, begann Broll. „Auch wenn es eigensüchtig erscheinen mag, wenn ich vorschlage, dass die Dunkelküste als Erstes befreit werden muss, ist das doch nicht nur eine Bitte, sondern auch eine Möglichkeit. Wir haben dort mehrere Schiffe samt Elfenbesatzung, die nur darauf warten, uns zu unterstützen, sofern wir ihnen Gelegenheit dazu verschaffen. Trotz der Notlage, die der Kataklysmus heraufbeschworen hat, ist die Dunkelküste außerdem noch immer ein Knotenpunkt, von dem aus Schifffahrtsrouten nach Rut’theran und zur Mondfederfeste führen. Haben wir also erst die Dunkelküste befreit, dann haben wir schon einmal einen gewaltigen Vorteil.“

„Den Berichten unserer Spione zufolge glaubt die Horde, dass wir uns zuerst der Mondfederfeste zuwenden werden“, erklärte Graumähne mit einem schmalen Lächeln. „Und ich werde auch weiterhin alles tun, um sie in diesem Glauben zu lassen. Erwähnte ich übrigens schon, dass die Grimmtotem von Feralas einen Angriff auf die Horde planen? Sie wollen den Moment nutzen, solange ihre Feinde abgelenkt sind. Wie schrecklich für die Horde!“

Leises Lachen breitete sich in dem Raum aus, nur Varian blickte noch immer mit leicht gerunzelter Stirn auf die Karte.

„Soweit wir das sagen können, hält die Horde Shandris Mondfeder für tot“, warf Broll ein. „In der Eroberung der Mondfederfeste sehen sie darum nicht nur einen militärischen Sieg, sondern vor allem einen symbolischen. Sie werden eine große Überraschung erleben, wenn sie Shandris an der Spitze ihrer Truppen sehen.“

Die Stimmung wurde nach diesen Worten ganz plötzlich wieder ernst. Von all den brillanten Kriegern und Taktikern, die die Allianz nach Theramore geschickt hatte, waren nur Shandris und Vereesa noch am Leben. So viele waren gestorben, und bei all der Entschlossenheit der Anwesenden, zurückzuschlagen und den Vormarsch der Horde aufzuhalten, waren sie doch auch noch immer voll der Trauer.

„Ist … ist schon jemand … in Theramore gewesen?“, fragte Gelbin leise.

Es folgte ein Augenblick unbehaglichen Schweigens. „Lady Jaina“, sagte Anduin dann.

„Ja, richtig“, erwiderte Gelbin. „Was für ein Glück, dass sie überlebt hat. Da wir gerade von ihr sprechen, ich nehme an, es gibt einen guten Grund, warum sie heute nicht hier ist, um eine Strategie mit uns auszuarbeiten, oder?“

„Lady Jaina nimmt sich des Problems auf ihre eigene Weise an“, schaltete sich Varian nun schließlich in die Unterhaltung ein. Alle Blicke wandten sich ihm zu. „Sie ist zu … ungeduldig, um mit uns zusammenzuarbeiten. Und ich kann ihr keinen Vorwurf daraus machen. Nach dem, was sie durchgemacht hat – nicht einmal ich weiß, wie sie sich fühlen muss, obwohl ich schon ganz ähnliches Leid durchstehen musste.“

„Was in Theramore geschehen ist, darf sich nicht wiederholen“, erklärte Taluun. „Nie wieder. Jedes vernunftbegabte Wesen muss solche Akte der Grausamkeit verurteilen und ihnen auf ewig abschwören, andernfalls könnten wir alles verlieren, was es uns erlaubt, das Licht zu berühren.“

Zustimmendes Gemurmel erklang. Varian sah zu Anduin hinüber und nickte unmerklich. Die blauen Augen des Jungen hatten sich mit Trauer gefüllt, als die Rede auf Jaina gekommen war, aber nun verengten sie sich leicht, als ein schwaches Lächeln über sein Gesicht huschte.

„Ich stimme Euch zu“, sagte Varian anschließend. „Aber in einem Punkt hat Lady Jaina vielleicht doch recht. Ich habe viel darüber nachgedacht, und … ich glaube, wir sollten nicht versuchen, die Blockade zu durchbrechen. Noch nicht zumindest.“

Ein Chor überraschter Stimmen antwortete ihm, die teils höflich, teils ungestüm protestierten. Varian hob die Hände. „Lasst mich aussprechen“, forderte er, ein wenig lauter nun, um das Gemurre zu übertönen, ohne dabei aber wirklich zu schreien. Die anderen verstummten, wenn sie auch nicht sonderlich glücklich dreinblickten.

Er fuhr fort: „Normalerweise würde uns die Weisheit gebieten, das zu tun, was Broll und Genn vorgeschlagen haben: die Horde glauben machen, dass wir die Blockade bei der Mondfederfeste angreifen, um dann an der Dunkelküste zuzuschlagen. Wir durchbrechen ihren Sperrgürtel, befreien die Flotte der Elfen und setzen den Kampf daraufhin mit mehr Schiffen und Kriegern fort.“

„Das würde die Weisheit gebieten, ja“, brummte Drukan zustimmend, mit einem verärgerten Ausdruck auf dem Gesicht.

„Ich denke aber, dass wir diesen Plan – anstelle der Mondfederfeste die Dunkelküste anzugreifen – durchsickern lassen sollten. Um das Ganze noch glaubwürdiger zu machen, werden wir natürlich ein paar falsche Fährten legen müssen. Daraufhin wird Garrosh den Großteil seiner Flotte dorthin schicken, zur Dunkelküste – während wir direkt nach Orgrimmar segeln. Greifen wir ihn in seiner eigenen Hauptstadt an. Ich habe ebenfalls Spione, Genn, und sie melden mir, dass längst nicht jeder mit dem Führungsstil von Höllschrei zufrieden ist. Es fällt mir zwar schwer, das zu glauben, aber … es scheint auch in der Horde viele zu geben, die ebenso angewidert von den Ereignissen in Theramore sind wie wir. Also nehmen wir Garrosh gefangen und besetzen die Stadt. Chaos wird ausbrechen, und mit ein wenig Glück werden die Unzufriedenen in der Horde darin ihre Chance zum Aufstand erkennen. Doch selbst falls nicht, wird es noch immer ein wildes Durcheinander geben, und ich bin mir sicher, wir können ihre Hauptstadt gegen ihre Truppen halten.“

„Meine Leute werden die Leidtragenden sein, Varian“, murmelte Broll leise.

Varians Miene wurde weicher. „Ich weiß, mein Freund“, sagte er. „Aber das ist jetzt unsere Chance, dem Monster den Kopf abzuschlagen. Außerdem werden die Schiffe der Horde die Dunkelküste sofort wieder verlassen und Orgrimmar zu Hilfe eilen.“

„Das klingt nach Wahnsinn“, erklärte Genn mit einem knurrenden Unterton in der Stimme, während er Varian aus zusammengekniffenen Augen musterte. „Aber so tollkühn und überraschend, wie dieser Plan auch klingen mag, er könnte fast glücken.“

„Er würde außerdem eine Zeitersparnis bedeuten“, warf Taluun ein. „Der Weg nach Orgrimmar ist nicht so weit wie der zur Dunkelküste.“

Varian blickte sich um. Ein paar der Anwesenden schienen noch immer nicht zufrieden, aber zumindest erhob keiner mehr Widerworte. Er hoffte, dass sein Plan aufginge, denn sollte Garrosh ihnen auf die Schliche kommen oder der Angriff aus einem anderen Grund scheitern, dann würden sie beinahe die gesamte Flotte der Allianz verlieren. Übrig wären dann nur noch die Schiffe der Elfen, und die saßen bei der Dunkelküste und andernorts hinter der Blockade fest.

Doch er hatte das Gefühl, dass er das Richtige tat, und dieses Gefühl ließ sich nicht abschütteln. War es außerdem nicht das, was einen König ausmachte – die Bereitschaft, Entscheidungen zu fällen und die Verantwortung zu übernehmen, für den Erfolg ebenso wie für die Niederlage?


Zu guter Letzt war die Flotte im Hafen bereit. Verstärkt wurde sie durch mehrere prächtige Schiffe der Elfen und Draenei, die das Glück gehabt hatten, andernorts unterwegs zu sein, als die Blockade um Kalimdor errichtet wurde. In ihrem Prunk und ihrer Schönheit standen sie den zweckmäßigeren Schiffen aus den Werften der Menschen, Zwerge und Gnome in nichts nach, und in ihrer Gesamtheit schien diese Flotte das Hafenbecken beinahe zu sprengen. Es sah in der Tat ganz so aus, als erstreckte sich das Heer der Schiffe bis zum Horizont.

Entlang den Anlegestellen drängten sich die Schaulustigen, die meisten von ihnen waren Einwohner Sturmwinds, aber auch viele waren darunter, die teils weit gereist waren, um diesem historischen Ereignis beizuwohnen. Es war ein Meer aus lebenden Wesen am Rande des echten Meeres, dachte Varian, und er fragte sich, wie viele dieser Leute, die hierhergekommen waren, um sich von Geliebten, Freunden und Familienmitgliedern zu verabschieden, diese wohl heil und unversehrt wieder in Empfang nehmen könnten.

Das Wetter hätte für ihren Plan nicht geeigneter sein können: Es war ein heller Tag mit blauem Himmel und genug Wind, um die Schiffe voranzutreiben, ohne aber die See über Gebühr aufzurauen. Eine Kapelle spielte festliche, inspirierende Kriegsmärsche und die traditionellen Hymnen jeder Nation und Rasse, um sie alle daran zu erinnern, dass sie zusammengehörten.

Doch trotz dieser feierlichen Stimmung sah Varian einige ernste Mienen und sogar Tränen, als er seinen Blick über die Menge gleiten ließ. Dies war ein Krieg, nicht nur ein Scharmützel, von dem die Soldaten heute Abend wieder zurückkämen. Er hatte alles vorausgeplant, so gut es ihm möglich gewesen war, und obwohl die Adeligen versucht hatten, ihn davon abzubringen, würde er die Truppen selbst anführen. Er konnte von diesen Männern und Frauen nicht verlangen, dem Tod ins Angesicht zu schauen, wenn er nicht Schulter an Schulter neben ihnen stand. Als er nun auf die dritte Ebene des mehrstufigen Hafens hinaustrat und unter der gewaltigen Statue des brüllenden Löwen von Sturmwind stehen blieb, jubelten und winkten ihm seine Untertanen zu. Varian senkte die Arme, um Ruhe zu erbitten.

„Bürger der Allianz“, begann er, und seine Stimme hallte laut an die Ohren der erwartungsvollen Zuhörer. „Nur ein paar Tage ist es her, dass die Horde einen Akt der Grausamkeit begangen hat, der so kalkuliert, so hinterhältig war, dass die einzige Antwort darauf nur ein Aufruf zum Krieg sein kann. Ihr seid diesem Aufruf gefolgt. Ihr steht hier vor mir, bereit, zu kämpfen und falls nötig auch zu sterben, um zu verteidigen, was gut und richtig ist in dieser Welt. Die Horde hat diesen Krieg begonnen, nicht wir … aber, beim Licht, wir werden ihn beenden!“

Die Menge jubelte. Auf vielen Gesichtern glänzten zwar Tränen, doch diese Gesichter lächelten.

„Der Angriff auf Theramore kann mit Worten nicht beschrieben werden. Es gibt Gegner, und es gibt Feinde; es gibt zivilisierte Wesen und – Monster. Ich gebe zu, einst habe ich keine solchen Unterscheidungen gemacht. Doch jetzt weiß ich: Nur wer diesen Unterschied kennt, kann den Pfad der Rechtschaffenheit klar vor sich sehen. Indem er über einer Stadt mit so vielen Bürgern eine Manabombe explodieren ließ – ein verabscheuungswürdiger Akt purer Feigheit –, hat Garrosh Höllschrei der Welt gezeigt, was er ist. Er und all jene, die ihm folgen, haben sich entschieden, Monster zu sein. Und genau so werden wir sie auch behandeln.“

Er fuhr fort: „Wir werden diesen Gräuel nicht mit einem ebenso großen Gräuel vergelten, denn wir haben eine andere Wahl getroffen. Aber wir werden kämpfen. Wir werden sie aufhalten, damit sie ihren methodischen Eroberungszug nicht fortsetzen können. Wir werden vereint stehen und vereint alles verkörpern, was die Allianz so großartig macht. Ich bin heute nicht alleine hier. Bei mir ist König Genn Graumähne. Sein Volk hat einen Fluch in ein Geschenk verwandelt. Die Worgen unter euch werden mit größerem Herzen kämpfen, als ihr anderen es je erlebt habt, und sie werden beweisen, dass sie, im Gegensatz zu unseren Feinden, keine Monster sind. Außerdem sind da noch unsere Brüder und Schwestern von den Zwergen und Gnomen. Ohne sie wären diese prächtigen Schiffe niemals rechtzeitig fertiggestellt worden, um Kalimdor zu retten, bevor es an die Horde fällt. Da sind die Kaldorei, seit Langem schon unsere Verbündeten, denen auch wir stets helfend zur Seite stehen – ihre Schiffe warten in großer Zahl, um bei der Befreiung ihres Kontinents mitzuwirken. Und auch die Draenei, die seit ihrer Ankunft auf unserer Welt ein verlässlicher Kompass der Gerechtigkeit waren, stehen hier, bereit, ihr Blut für das Wohl anderer zu vergießen.“

Varian machte einen Schritt nach hinten und breitete die Arme aus, auf dass die Menge diesen Verbündeten Respekt zollte. Er selbst hätte gar nicht dankbarer für ihre Unterstützung sein können. Nie zuvor, so schien es, war es wichtiger gewesen, wahre Freunde und kühle Köpfe um sich zu haben. Viele, viele Minuten lang verschluckte der Jubel der Zuschauer jedes andere Geräusch.

Schließlich trat Varian wieder nach vorne. „Wie ihr alle wisst, werde ich eure tapferen Seeleute begleiten, wenn wir heute aufbrechen. Aber ich werde jemanden hierlassen, der euch an meiner statt würdig zu führen vermag, sollte es zum Äußersten kommen. Jemanden, der auch früher schon geführt hat.“

Er nickte, und Anduin, der ein paar Meter entfernt hinter einer der gewaltigen Kanonen gewartet hatte, trat nun neben seinen Vater. Der Prinz trug die Farben der Allianz, Blau und Gelb, dazu einen schlichten silbernen Reif um sein goldenes Haupt, und flankiert wurde er von zwei Draeneipaladinen in prächtiger, gleißender Rüstung. Doch obwohl er viel kleiner war als die beiden, richteten sich alle Blicke auf ihn. Jubel und Applaus brandeten ihm entgegen, und seine Wangen röteten sich ein wenig; er war noch nicht an öffentliche Auftritte gewöhnt. Nach ein paar Sekunden hob er den Arm, damit die Menge verstummte, und öffnete den Mund.

„Ich fürchte, ich werde nie in der Lage sein, Männer und Frauen bereitwillig in die Schlacht zu schicken“, erklärte er. „Aber auch ich muss anerkennen, dass es wohl kaum eine bessere Rechtfertigung für einen Krieg gibt. Die Horde hat uns auf eine Weise angegriffen, die nicht ignoriert werden kann. Jeder, der an die Gerechtigkeit und das Gute glaubt, muss das Grauen von Theramore verurteilen.“ Varian, der seinem Sohn aufmerksam lauschte, dachte daran, wie sich die Nachwirkungen dieses Angriffes gezeigt hatten, wie Jaina, bis dahin eine nüchtern denkende Frau voller Mitgefühl, zu einer Person geworden war, die sich für Rache entschied – mehr noch, die sich nach Gewalt verzehrte.

„Falls wir jetzt nicht handeln – falls diese tapferen Soldaten und Seemänner der Allianz nicht Segel setzen –, dann billigen wir doch, was geschehen ist. Wir ermutigen sie, mehr noch, wir laden sie dazu ein, weiter Gewalt zu säen und noch mehr Unschuldige abzuschlachten. Garrosh Höllschrei hat offen erklärt, dass er die Allianz von dem gesamten Kontinent vertreiben will. Wir können das nicht einfach so hinnehmen. Es kommt eine Zeit, da muss selbst das sanftmütigste Herz sagen: ‚Genug!‘ Und jetzt ist diese Zeit gekommen.“

Er hob die Arme und schloss die Augen. „Und um die Rechtschaffenheit unserer Entscheidung und die Reinheit unserer Absichten zu bezeugen, nun, da diese Flotte ausläuft … beschwöre ich das Heilige Licht, dass es all jene segnet, die bereit sind, ein Opfer darzubringen, um die Unschuldigen zu schützen.“

Ein schwacher Schimmer begann um seine erhobenen Hände zu leuchten. Er glitt an seinem Körper hinab, bis er ihn ganz einhüllte, und schwebte dann nach oben, über die Menge, sodass sein Leuchten auf die Soldaten und Seemänner und ihre Lieben hinabregnete.

„Ich bete, dass ihr mit vollem Mut, vollem Anstand und voller Ehre kämpft! Ich bete, dass die Rechtschaffenheit unserer Sache eure Waffen führen möge. Und ich bitte euch, lasst auch in der Hitze der Schlacht den Hass nicht in eure Herzen einziehen. Sie sollen ein Heiligtum sein, ein Tempel, dem Gedenken an die tragischen Opfer von Theramore geweiht. Denkt in jeder Sekunde daran, dass ihr für die Gerechtigkeit kämpft, nicht um der Vergeltung willen! Wir wollen einen Sieg, keinen Völkermord. Und ich weiß, weiß es mit jeder Faser meines Seins, dass kein Zorn euch erschüttern, kein Schmerz euch schrecken kann, wenn ihr diese Dinge nur fest in euren Herzen behaltet. Dann werden wir triumphieren. Seid alle gesegnet, ihr Kämpfer der Allianz!“

Varian spürte beinahe körperlich, wie ihn das Licht berührte. Es schien ihn zu streicheln, in sein Herz zu strömen, so, wie Anduin gesagt hatte, und mit einem Mal fühlte er sich ruhiger, stärker, mehr im Reinen mit sich selbst.

Er beobachtete, wie sein Sohn mit der ganzen Leidenschaft seiner Seele weitersprach, sah, wie ihn das Licht segnete, rasch und liebevoll. Und er spürte, wie sehr das Volk Anduin verehrte.

Oh, mein Sohn, schon jetzt bist du der Beste von uns allen! Was für einen König du eines Tages erst abgeben wirst!

Ein Horn erklang. Es war Zeit aufzubrechen. Überall am Hafen nahmen Familien nun Abschied – ältere Ehepaare von ihren erwachsenen Kindern, rotgesichtige Jünglinge von ihren Liebsten. Anschließend schob sich ein Strom von Uniformierten auf die wartenden Schiffe zu. Hinter ihnen wurden Küsse in die Luft gehaucht und Taschentücher geschwenkt.

Varian wartete, während Anduin, noch immer von den beiden Paladinen flankiert, auf das Flaggschiff zuging. Einmal musste er kurz lächeln.

„Gut gesprochen, mein Sohn“, sagte er.

„Es freut mich, dass dir meine Worte gefallen haben“, erwiderte Anduin. „Ich habe nur ausgesprochen, was mir auf dem Herzen lag.“

Varian legte dem Jungen eine Hand auf die Schulter. „Was du aussprachst, ist groß gewesen. Ich war – und bin – sehr stolz auf dich, Anduin.“

Ein schelmisches Grinsen erhellte das Gesicht des Prinzen. „Dann glaubst du also nicht mehr, ich wäre nur ein quakender Friedensnarr?“

„Ah, das habe ich nie gesagt“, entgegnete Varian. „Und ich denke es auch nicht. Ich freue mich nur, dass du die Richtigkeit unserer Entscheidung erkannt hast.“

Anduin wurde wieder ernst. „Das habe ich“, erklärte er. „Ich wünschte, es wäre nicht so, aber es gibt keine andere Lösung. Ich – ich bin froh, dass du nicht wie Jaina geworden bist. Ich habe auch für sie gebetet.“

Daran hatte Varian keinen Zweifel gehabt. „Anduin – dieser Krieg, von dem wir beide wissen, dass wir ihn führen müssen … Du weißt, dass ich vielleicht nicht daraus zurückkehren werde.“

Er nickte. „Ja, Vater.“

„Und falls ich sterben muss – sollst du wissen, dass du mehr als bereit bist, meinen Platz einzunehmen. Ich weiß, dass du gut und gerecht herrschen wirst. In besseren Händen könnte Sturmwind nicht sein.“

Anduins Augen schimmerten feucht. „Vater – ich – danke dir. Ich würde mein Bestes tun, ein guter König zu sein, aber … es wäre mir lieber, wenn noch einige Jahre vergingen, ehe es so weit ist.“

„Mir auch“, meinte Varian. Er zog Anduin in einer festen, unbeholfenen Umarmung zu sich heran und legte seine Stirn gegen die seines Sohnes, dann wandte er sich um und rannte leichtfüßig zu den Schiffen hinüber. Einen Augenblick später war er bereits im Meer der Seemänner und Soldaten verschwunden, die dem Flaggschiff entgegenmarschierten.

Und dem Krieg.

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