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Der König vom Silberfluß stand in seinem Garten, seinem Heiligtum, und sah zu, wie die Sonne mit dem westlichen Horizont verschmolz. Ein klarer Bach plätscherte über die Felsen zu seinen Füßen in einen Teich, aus dem ein Einhorn trank; eine sanfte Brise strich durch das Jungfernhaar und trug den Duft von Flieder und Jonquillen herüber, die Bäume raschelten, ihre Blätter leuchteten grün, und Vögel sangen zufriedene Lieder zum Tagesende, während sie sich niederließen für die herannahende Nacht.

So soll es also jetzt sein.

Die Augen, die alles sehen können, hatten den Tod seines Kindes und die Transformation des Landes des Steinkönigs mitangesehen. Den Malmschlund gab es nicht mehr. Die Stadt Eldwist war wieder in die Erde gegangen, zu den Elementen geworden, aus denen sie geschaffen war, und das Land war wieder grün und fruchtbar. Die Magie seines Kindes war tief eingewurzelt, ein Fluß, der unsichtbar um die einsame Kuppel floß, in der Uhl Belk gefangen saß. Es würde lange dauern, bis sein Bruder wieder ans Licht kommen konnte.

Schillernde Libellen surrten an ihm vorbei und verschwanden im Abendlicht.

Anderswo ging der Kampf gegen die Schattenwesen weiter. Walker Boh hatte die Magie des schwarzen Elfensteins angerufen, wie Allanon ihm auf getragen hatte, und die Druidenfeste war aus den Nebeln, die sie drei Jahrhunderte lang versteckt hatten, wieder aufgetaucht. Was, fragte sich der König vom Silberfluß, wird der Dunkle Onkel wohl von dem halten, was er dort vorfindet? Im Westen, wo einst die Elfen gelebt hatten, setzte Wren Ohmsford ihre Suche fort, um herauszufinden, was aus ihnen geworden war – und, wichtiger noch, auch wenn sie es noch nicht wußte, was aus ihr selbst werden würde. Sie hatte jetzt die Elfensteine, die ihr helfen würden; sie würde sie brauchen. Im Norden mühten sich die Brüder Par und Coll Ohmsford, zueinander zu finden und die Geheimnisse des Schwertes von Shannara und der Schattenwesenmagie zu lüften. Es gab jene, die helfen würden, und jene, die sie verraten würden, und alle die Räder des Glücks, die Allanon in Gang gesetzt hatte, konnten noch immer aufgehalten werden.

Der König vom Silberfluß stand auf, ließ sich in den Teich gleiten, genoß das kühle Naß und ließ sich eins werden mit dem Fließen. Dann stieg er heraus und wandelte über die Wege seines Gartens, zwischen Wacholderbüschen und Schierling hindurch auf ein Hügelchen mit Tausendgüldenkraut und Glockenblumen, deren Blütenblätter im Abendlicht goldene Ränder hatten. Dort blieb er wieder stehen und schaute in die jenseitige Welt hinaus.

Seine Tochter hatte ihre Sache gut gemacht, sinnierte er.

Aber der Gedanke war seltsam leer und trüb. Er hatte ein Elementarwesen hinausgeschickt, seinen Zielen zu dienen. Sie war nicht für ihn gewesen – eine Tochter nur dem Namen nach, ein Kind nur aufgrund der Benennung. Sie war nur eine begrenzte Realität, und er hatte nie die Absicht gehabt, sie irgend etwas anderes sein zu lassen.

Und doch vermißte er sie. Als er sie formte, als er ihr sein Leben einhauchte, war er ihr zu nah gekommen. Die menschlichen Gefühle, die sie füreinander gehabt hatten, würden nicht so schnell vergehen wie ihre menschliche Gestalt. Sie sollte ihm nichts bedeuten, jetzt, da sie fort war. Doch ihre Abwesenheit hinterließ eine Leere, die er nicht füllen zu können schien.

Quickening.

Ein Kind der Elemente und der Magie, sagte er sich. Er würde heute das gleiche wieder tun – aber vielleicht nicht so bereitwillig. Da war etwas in der Art der Geschöpfe der sterblichen Rassen, das über das Vergehen des Fleisches hinaus bestehen blieb und entzückte. Ein Nachhall ihrer Gefühle blieb. Er konnte noch immer ihre Stimme hören, ihr Gesicht sehen, die Berührung ihrer Finger spüren. Sie war fort, und doch war sie geblieben.

Warum war das so?

Er saß da, während die Dunkelheit ihn umfing, und wunderte sich über sich selbst.

Hier endet das Buch. Der Folgeband Die Elfenkönigin von Shannara wird mehr von den Geheimnissen von Cogline und Paranor enthüllen und von Wren Ohmsfords Bemühungen berichten, herauszufinden, was aus den Westlandelfen geworden ist.

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