9

Walker Boh schmachtete in Hearthstone in einem bei weitem scheußlicheren Gefängnis als jenem, in dem Morgan Leah festgehalten wurde. Er war mit dem eisernen Vorsatz, seine Krankheit zu heilen, aus Storlock zurückgekommen; er wollte das Gift, das der Asphinx ihm eingespritzt hatte, aus seinem Körper treiben und sich gesund machen, was nicht einmal den Stors gelungen war. Innerhalb einer Woche hatte er sich völlig verändert, war mutlos und bitter geworden und hatte Angst, daß seine Hoffnungen vergeblich seien, daß er sich am Ende nicht würde selber retten können. Seine Tage zogen sich endlos lang und heiß dahin, während er in Gedanken verloren durch das Tal wanderte und verzweifelt darüber nachgrübelte, welchen Zauber es brauchte, um die Ausbreitung des Giftes aufzuhalten. Während der Nächte brütete er weiter, die dunklen Stunden vergingen mit den vergeblichen Versuchen, seine Ideen auszuführen.

Nichts wirkte.

Er versuchte alles. Er begann mit einer Reihe von Bewußtseinssteuerungen, dem inneren Ausloten seiner eigenen Zauberkraft, das dazu angetan sein sollte, die Ausbreitung des Giftes aufzuhalten, zu brechen, rückgängig zu machen oder wenigstens zu verlangsamen. Nichts davon geschah. Er kanalisierte seine Magie in Form eines Angriffs, das innere Äquivalent des Feuers, das er manchmal zum Schutz und zur Verteidigung heraufbeschwor. Die Kanalisierung schien keine taugliche Quelle zu finden, die Magie verstreute sich und verlor ihre Macht. Er probierte die Beschwörungen und Zauberformeln, die er im Laufe der Jahre gesammelt hatte, sowohl jene, die ihm angeboren waren, als auch jene, die man ihn gelehrt hatte. Alle versagten. Schließlich griff er auf die Chemikalien und Pulver zurück, auf die Cogline sich verlassen hatte, die Wissenschaften der Alten Welt, die auf die Neue überkommen waren. Er attackierte die Steinruine seines Arms und versuchte, sie bis zum Fleisch abzubrennen und auszuglühen. Er versuchte Heilmixturen, die von der Haut absorbiert wurden und in den Stein dringen sollten. Er wandte elektrische und magnetische Felder an. Er probierte Antitoxine. Auch das alles versagte. Das Gift war zu stark. Es konnte nicht neutralisiert werden. Es breitete sich weiterhin in seinem Körper aus und brachte ihn langsam um.

Ondit blieb fast ohne Unterbrechung an seiner Seite, folgte ihm geräuschlos auf seinen langen Tageswanderungen, streckte sich in der Dunkelheit seines Zimmers neben ihm aus, während er sich vergeblich abmühte, die Magie in einer Weise anzuwenden, die ihm zu überleben gestattete. Die riesige Moorkatze schien zu spüren, was mit Walker geschah; sie beobachtete ihn, als fürchte sie, er könne jeden Moment verschwinden, als könne sie ihn irgendwie vor dieser unsichtbaren Bedrohung beschützen, indem sie ihn nicht aus den Augen ließe. Die leuchtenden gelben Augen waren immer da, beobachteten ihn mit Klugheit und Sorge, und Walker ertappte sich dabei, wie er voller Hoffnung hineinstarrte und nach den Antworten suchte, die er nirgendwo sonst zu finden vermochte.

Auch Cogline tat alles in seiner Macht Stehende, um Walker in seinem Ringen zu unterstützen. Wie die Moorkatze hielt er Wache, wenn auch aus größerer Distanz, weil er fürchtete, Walker würde es nicht tolerieren, wenn er zu nah käme oder zu lange bliebe. Zwischen den beiden bestand noch immer ein Antagonismus, der nicht zu überwinden war. Es fiel ihnen schwer, mehr als für ein paar Minuten zusammen zu sein. Cogline gab Rat, wo er konnte, mischte Pulver und Arzneien auf Walkers Bitte, verschrieb Salben und Heilmittel und schlug Formen von Zaubern vor, von denen er glaubte, sie könnten helfen. Vor allem aber gab er das bißchen Trost, das er vermitteln konnte, daß ein Gegenmittel gefunden werden würde.

Walker war dankbar für diesen Trost, auch wenn er es dem anderen niemals eingestehen würde. Er hatte seinem eigenen Tod nie viele Gedanken gewidmet, war immer überzeugt gewesen, daß es noch lange hin sei und er, wenn es soweit wäre, dafür vorbereitet sei. Er stellte jetzt fest, daß er sich in beidem geirrt hatte. Er war zornig und verängstigt und verwirrt; seine Gefühle stürzten in ihm durcheinander wie übriggebliebene Steine einer ausgeleerten Ladung in einem fahrenden Lastkarren. Er kämpfte um sein Gleichgewicht, den Glauben an sich selbst, ein winziges Fünkchen Hoffnung, doch ohne die unterstützende Gegenwart von Cogline wäre er verloren gewesen. Gesicht und Stimme des alten Mannes, seine Gesten, seine besonderen Eigenheiten, die ihm alle so vertraut waren, boten ihm Halt an dem Abgrund, an den Walker Boh sich klammerte, und bewahrten ihn davor, ganz und gar in die Tiefe zu stürzen. Er kannte Cogline seit langer Zeit, und in Abwesenheit von Par und Coll und in geringerem Maße auch von Wren stellte Cogline seine einzige Verbindung zur Vergangenheit dar – eine Vergangenheit, die er zuerst verspottet, verachtet und schließlich ganz und gar verleugnet hatte, und die er jetzt verzweifelt zurückzugewinnen versuchte, denn sie war die einzige Verbindung zur Verwendung der Magie, die ihn retten konnte. Wenn er es nicht so eilig gehabt hätte, sie zu verleugnen, ihren Einfluß loszuwerden, wenn er sich mehr Zeit genommen hätte, sie zu begreifen, von ihr zu lernen, sie zu meistern und sie für seine Bedürfnisse zu nutzen, dann hätte er jetzt vielleicht nicht so hart zu ringen, um am Leben zu bleiben.

Doch die Vergangenheit ist nicht wiedergutzumachen. Trotzdem konnte er einen gewissen Trost aus der ständigen Gegenwart des alten Mannes ziehen, der ihm all sein Verständnis der Magie vermittelt hatte. Jetzt, da seine Zukunft so erschreckend ungewiß geworden war, entdeckte er ein seltsames, zwingendes Bedürfnis, nach jenen Dingen zu greifen, die ihm aus der Vergangenheit geblieben waren. Und von denen war Cogline das nächstliegende.

Cogline war im zweiten Jahr seines einsamen Lebens in Hearthstone zu ihm gekommen. Risse war damals schon fünfzehn Jahre tot und Kenner fünf. Er war seither auf sich selbst angewiesen, trotz der Bemühungen von Jaralan und Mirianna Ohmsford, ihn zu einem Mitglied ihrer Familie zu machen, ein von allen Ausgestoßener, denn seine Magie erlaubte ihm nichts anderes. Während sie im Alterwerden bei allen Ohmsfords seit Brin verschwunden war, so war das bei ihm nicht der Fall. Sie wurde statt dessen stärker, drängender, unkontrollierbarer. Es war schon schlimm genug gewesen, als er in Shady Vale lebte, in Hearthstone wurde es unerträglich. Sie zeigte sich auf neue Weise – unerwünschte Empfindungen, befremdliche Vorahnungen, überscharfe Sinneswahrnehmungen und erschreckende Demonstrationen roher Gewalt, die ihn zu zerschmettern drohten. Er schien sie nicht meistern zu können. Er verstand sie einfach nicht und konnte daher auch keinen Weg finden, ihre Funktionsweise zu entziffern. Am besten blieb er allein, niemand wäre in seiner Umgebung sicher gewesen. Er spürte, wie ihm seine geistige Gesundheit entglitt.

Cogline veränderte alles. Eines Nachmittags tauchte er zwischen den Bäumen aus dem Nebel, der zur Neige des Herbstes vom Wolfsktaag herunterrollte, ein kleiner, alter Mann in Gewändern, die locker um seine magere Gestalt hingen, wild zerzaustem Haar und scharfen, klugen Augen. Ondit war bei ihm, ihre massige, unbeirrbare schwarze Anwesenheit schien die Veränderung, die in das Leben des Dunklen Onkels kommen würde, anzukündigen. Cogline berichtete Walker die Geschichte seines Lebens von der Zeit von Bremen und dem Druidenrat bis in die Gegenwart – tausend Jahre. Es war ein aufrichtiger Bericht, der nicht darum bat, akzeptiert zu werden, er forderte es. Seltsamerweise fügte Walker sich. Er fühlte, daß diese wilde, unwahrscheinliche Geschichte der Wahrheit entsprach. Er kannte die Geschichten über Cogline aus Brin Ohmsfords Zeiten, und dieser alte Mann war ganz genauso, wie die Geschichten ihn beschrieben hatten.

»Ich schlief den Druidenschlaf«, erläuterte Cogline an einem Punkt, »sonst wäre ich schon früher gekommen. Ich hatte nicht erwartet, daß es schon Zeit war, doch die Magie, die in dir steckt und die mit deinem Eintritt ins Mannesalter erwacht ist, sagte mir, daß es soweit ist. Allanon hatte es so geplant, als er Brin das Vermächtnis übergab; es würde eine Zeit kommen, wo die Magie wieder gebraucht würde, und einer unter den Ohmsfords würde sie zu befehligen haben. Ich meine, du bist vielleicht dazu bestimmt, derjenige zu sein, Walker. Wenn das so ist, wirst du meine Hilfe brauchen, um zu verstehen, wie die Magie funktioniert.«

Walker war voll böser Vorahnungen, doch er erkannte, daß der alte Mann in der Lage sein mochte, ihm zu zeigen, wie er seine Zauberkraft unter Kontrolle bringen konnte. Diese Kontrolle brauchte er dringend. Er war bereit, es darauf ankommen zu lassen, ob Cogline sie ihn lehren konnte.

Cogline blieb fast drei Jahre bei ihm. Er offenbarte Walker als Lehrer dem Schüler die Überlieferungen der Druiden, die Schlüssel, die die Türen des Verstehens öffnen würden. Er lehrte ihn die Weisen von Bremen und Allanon, wie man sich nach innen wendet, um sich die rohe Kraft der Magie nutzbar zu machen, wie man sein Bewußtsein strukturierte, so daß die Kraft kanalisiert werden konnte und nicht aufs Geratewohl losging. Walker verfügte schon über ein paar Kenntnisse; er hatte viele Jahre mit der Magie gelebt und etwas von der Selbstverleugnung und den Schranken gelernt, die nötig waren, um ihre Forderungen zu überleben. Cogline baute auf diesem Wissen auf, drang in Bereiche vor, die Walker nicht hatte antasten wollen, lehrte ihn Methoden, die er nicht für möglich gehalten hatte. Langsam und schrittweise stellte Walker fest, daß die Magie sein Leben nicht mehr regierte; Unvorhersehbarkeit wurde durch Selbstkontrolle ersetzt. Walker begann sich selbst zu meistern.

Cogline unterrichtete ihn auch in den Wissenschaften der Alten Welt, lehrte ihn auch die Chemikalien und Mixturen, die er im Laufe der Jahre entwickelt und benutzt hatte, die Pulver, die sich durch Metall brannten und wie Feuer explodierten, und die Lösungen, die die Form sowohl von Flüssigkeiten als auch von festen Körpern veränderten. Neue Türen öffneten sich für Walker; er entdeckte eine ganz andere Form von Kraft. Seine Neugierde war so groß, daß er anfing, eine Verbindung von beiden – der Alten und der Neuen Welt – zu erforschen, eine Verschmelzung von Wissenschaft und Magie, die bislang noch niemand erfolgreich versucht hatte. Er ging langsam und vorsichtig vor, entschlossen, nicht zu einem der Opfer zu werden, die die Macht im Laufe der Zeit gefordert hatte, von den Menschen der Alten Welt, die die Großen Kriege ausgelöst hatten, bis hin zu dem Druiden Brone, seinen Schädelträgern und den Mordgeistern, die die Kriege der Rassen entzündet hatten.

Und dann begann er aus irgendeinem Grunde anders darüber zu denken. Vielleicht lag es an der Begeisterung, die ihn überkam, wenn er die Magie befehligte. Vielleicht war es das unersättliche Bedürfnis, mehr zu erfahren. Was auch immer der Grund war, er gelangte zu der Überzeugung, daß eine vollständige Beherrschung der Magie nicht möglich war, daß die Kraft, gleich, wie sorgfältig er sich gegen ihre schädlichen Wirkungen schützen mochte, ihn eines Tages überwältigen würde. Über Nacht wendete sich seine Haltung ins Gegenteil. Er versuchte, vor ihr zurückzuweichen, sie abzuschütteln. Er steckte in einem gewaltigen Dilemma; er versuchte, sich von der Magie zu distanzieren, doch das war ausgeschlossen, denn sie stellte einen wesentlichen Teil von ihm dar. Cogline sah, was vor sich ging, und versuchte, ihn zur Vernunft zu bringen. Walker weigerte sich, ihm zuzuhören, und fragte sich plötzlich, warum Cogline überhaupt zu ihm gekommen war. Ein Versuch war im Gange, ihn zu manipulieren, eine Druidenverschwörung, die bis zu den Zeiten von Shea Ohmsford zurückverfolgt werden konnte. Er wollte damit nichts zu tun haben. Er stritt mit Cogline, dann kämpfte er. Schließlich ging Cogline fort.

Er kam im Laufe der Jahre natürlich zurück. Aber Walker wollte keine weiteren Instruktionen über den Einsatz der Magie mehr hören, weil er fürchtete, daß zusätzliche Kenntnisse zu einer Unterwanderung seiner mühsam errungenen Kontrolle führen könnten, daß eine Steigerung zur Besitznahme führen könnte. Lieber verließ er sich auf das Verständnis, über das er verfügte, begrenzt, aber zu handhaben, und hielt sich von den Rassen fern, wie er es von Anfang an vorgehabt hatte. Cogline konnte kommen und gehen, sie konnten ihre unbequeme Allianz aufrechterhalten, aber er würde sich den Druiden oder einstigen Druiden oder irgendwem sonst nicht überlassen. Er wollte bis zum Ende sein eigener Herr bleiben.

Und jetzt war das Ende gekommen, und er war sich des Wegs, den er gewählt hatte, nicht mehr so sicher. Der Tod war nahe und wollte ihn, und hätte er sich nicht so von der Magie distanziert, hätte er ihn vielleicht ein wenig hinauszögern können. Sich diese Möglichkeit einzugestehen, verlangte, daß er eine bittere Dosis Stolz herunterschluckte. Es war hart, sich selbst neu einschätzen zu müssen, aber es war unvermeidlich. Walker Boh hatte in seinem ganzen Leben nie die Wahrheit gescheut, und er weigerte sich, jetzt damit anzufangen.

In der zweiten Woche nach seiner Rückkehr aus Storlock, als er in den frühen Abendstunden am Feuer saß und die Schmerzen seiner Krankheit ihn ständig an die Dinge mahnten, die unerledigt geblieben waren, sagte er zu Cogline, der irgendwo im Hintergrund in seinen Büchern herumwühlte, die er zu seinem eigenen Gebrauch in der Kate aufbewahrte: »Komm, setz dich zu mir, alter Mann.«

Er sagte es freundlich und traurig, und Cogline kam ohne zu widersprechen und setzte sich neben ihn. Gemeinsam starrten sie m den hellen Feuerschein.

»Ich sterbe«, sagte Walker nach einer Weile. »Ich habe alles versucht, um das Gift auszutreiben, und nichts hat gewirkt. Sogar meine Magie hat versagt. Und deine Wissenschaft. Wir müssen akzeptieren, was das bedeutet. Ich habe die Absicht, weiterhin alles zu versuchen, um es zu verhindern, aber es sieht so aus, als würde ich nicht überleben.« Er preßte seinen störrischen Arm gegen den Körper, ein steinernes Gewicht, das ihn unnachgiebig nach unten zog. »Es gibt Dinge, die ich dir sagen muß, bevor ich sterbe.«

Cogline wandte sich zu ihm um und wollte etwas sagen, doch Walker schüttelte den Kopf. »Ich habe mich selbst ohne einen triftigen Grund gegen dich verhärtet. Ich war unfreundlich zu dir, während du mehr als freundlich zu mir warst. Es tut mir sehr leid.«

Er schaute den alten Mann an. »Ich hatte Angst vor dem, was die Magie mir antun könnte, wenn ich mich ihr weiterhin hingeben würde; ich habe noch immer davor Angst. Ich denke nicht völlig anders. Ich glaube noch immer, daß die Druiden die Ohmsfords für ihre eigenen Absichten ausnutzen, daß sie uns sagen, was sie uns wissen lassen wollen, und uns steuern, wie es ihnen behagt. Es fällt mir schwer zu akzeptieren, ihr Handlanger zu sein. Doch ich habe mich geirrt, als ich dich als einen von ihnen angesehen habe. Deine Absichten waren nicht die ihren. Du hast deine eigenen.«

»Soweit irgendwelche Absichten die meinen sind und nicht vom Schicksal und den Umständen abhängen«, sagte Cogline mit trauriger Miene. »Wir verwenden so viele Worte, um zu beschreiben, was mit uns geschieht, und alles läuft auf dasselbe hinaus. Wir leben unser Leben, wie uns bestimmt ist, es zu leben – mit einer gewissen Entscheidungsfreiheit und ein paar Zufällen, doch vor allem als Ergebnis dessen, was wir sind.« Er schüttelte den Kopf. »Wer kann denn behaupten, daß ich freier von den Druiden und ihren Manipulationen bin als du, Walker? Allanon kam genauso zu mir, wie er zu dir, dem jungen Par und zu Wren gekommen ist, und hat mich zu dem seinen gemacht. Ich kann nicht behaupten, daß es anders wäre.«

Walker nickte. »Dennoch, ich bin grob zu dir gewesen, und ich wünschte, das wäre nicht geschehen. Ich wollte, daß du der Feind bist, weil du aus Fleisch und Blut bist und nicht ein toter Druide oder ein unsichtbarer Zauber, und ich konnte auf dich einschlagen. Ich wollte dich als die Ursache für meine Angst betrachten. Es machte es mir leichter, wenn ich dich so sah.«

Cogline zuckte mit den Schultern. »Entschuldige dich nicht. Die Magie ist eine für jeden unterschiedliche Last, die er zu tragen hat, doch für dich um so mehr.« Er machte eine Pause. »Ich glaube, du wirst niemals von ihr freikommen.«

»Außer im Tod«, erwiderte Walker.

»Falls der Tod dich so schnell ereilt, wie du glaubst.« Die alten Augen zwinkerten. »Würde Allanon einen Plan machen, der sich so leicht durchkreuzen läßt? Würde er das Risiko eingehen, daß seine ganze Arbeit umsonst wäre, falls du so bald sterben würdest?«

Walker zögerte. »Selbst Druiden können sich in ihrem Urteil irren.«

»In seinem Urteil?«

»Vielleicht war der Zeitpunkt falsch gewählt. Jemand anderer als ich war bestimmt, die Magie über die Jugend hinaus zu besitzen. Ich bin der falsche Träger. Cogline, was kann mich denn noch retten? Was ist denn noch unversucht geblieben?«

Der alte Mann schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, Walker. Aber ich spüre, daß da noch etwas ist.«

Dann schwiegen sie. Ondit lag ausgestreckt vor dem Feuer, hob den Kopf und schaute Walker an, dann ließ er ihn wieder sinken. Das Holz knisterte laut, und eine Rauchfahne schwebte durchs Zimmer.

»Du glaubst also, die Druiden sind mit mir noch nicht fertig?« sagte Walker schließlich. »Du meinst, sie lassen mich mein Leben nicht aufgeben?«

Cogline antwortete nicht sogleich. »Ich glaube«, sagte er nach einer Weile, »daß du bestimmen wirst, was aus dir wird, Walker. Das habe ich immer geglaubt. Was dir fehlt, ist die Fähigkeit zu erkennen, was du zu tun hast. Oder zumindest, es zu akzeptieren.«

Walker spürte, wie ein kalter Schauder ihn durchlief. Die Worte des alten Mannes wiederholten, was Allanon gesagt hatte. Er wußte, was sie bedeuteten. Daß er zugeben mußte, daß Brin Ohmsfords Vermächtnis für ihn gedacht war, daß er die Rüstung der Magie anlegen und hinaus in den Kampf ziehen mußte – wie ein unbesiegbarer Krieger, der aus alter Zeit herübergekommen war. Daß er die Schattenwesen vernichten mußte.

Als sterbender Mann?

Wie?

Wieder herrschte Schweigen. Diesmal brach er es nicht.


Drei Tage später verschlimmerte sich Walkers Zustand. Die Heilmittel der Stors und die Verschreibungen von Cogline gaben plötzlich dem Angriff des Giftes nach. Walker erwachte fiebrig und krank, konnte sich kaum erheben. Er frühstückte, ging auf die Veranda hinaus, um die Sonnenwärme zu genießen, und brach zusammen.

Er erinnerte sich nur noch bruchstückhaft an das, was danach geschah. Cogline brachte ihn wieder ins Bett und machte ihm kalte Umschläge, während das Fieber des Gifts in ihm wütete, ein unlöschbares Feuer. Er nahm Flüssigkeit zu sich, aber er konnte nichts essen. Er träumte ohne Unterlaß. Ein endloser Wahn von häßlichen, angsteinflößenden Geschöpfen, die vor ihm paradierten und ihn bedrohten, während er hilflos dastand und langsam seinen Verstand zu verlieren drohte. Er kämpfte dagegen an, so gut er es vermochte, doch ihm fehlten die nötigen Waffen. Was immer er auffuhr, die Monster hielten stand. Schließlich gab er auf und überließ sich ihnen und fiel in schwarzen Schlaf.

Von Zeit zu Zeit erwachte er, und jedesmal war Cogline da. Wieder einmal war es die tröstliche Gegenwart des alten Mannes, die ihn rettete, ein Lebensfaden, an den er sich klammerte, der ihn aus dem Vergessen zurückholte, in das er sonst geschwemmt worden wäre. Die knorrigen Hände streckten sich ihm entgegen; manchmal packten sie ihn, als wollten sie ihn festhalten, manchmal streichelten sie ihn, als wäre er ein trostbedürftiges Kind. Die vertraute Stimme beschwichtigte ihn, sprach Worte, die keinen Sinn ergaben, aber voller Wärme waren. Er fühlte den anderen neben sich, immer in der Nähe, darauf wartend, daß er erwache.

»Du bist nicht zum Sterben bestimmt, Walker Boh«, meinte er mehr als einmal zu hören, obwohl er sich dessen nicht sicher war.

Manchmal sah er, wie sich das Gesicht des alten Mannes über ihn beugte, die ledrige, runzlige, gezeichnete Haut, das schüttere, graue Haar, der zerzauste Bart, die Augen leuchtend und verständnisvoll. Er konnte ihn riechen, einen Waldbaum mit einem alten Stamm und alten Gliedern, doch mit Blättern so frisch und jung wie der Frühling. Wenn die Krankheit ihn zu überwältigen drohte, war der alte Mann da, um ihm Halt zu geben. Es war der alte Mann, dem zuliebe er nicht aufgab, dem zuliebe er gegen die Wirkung des Giftes ankämpfte und sich erholen wollte.

Am vierten Tag erwachte er gegen Mittag und nahm ein wenig Suppe zu sich. Das Gift war zeitweilig aufgehalten worden, die Arzneien und Mittel und Walkers Überlebenswille hatten noch einmal die Oberhand gewonnen. Walker zwang sich, den Schaden an seinem zerschmetterten Arm zu untersuchen. Das Gift war weiter vorgedrungen. Sein Arm war fast bis zur Schulter zu Stein geworden.

In jener Nacht weinte er aus Wut und Verzweiflung. Bevor er einschlief, wurde ihm bewußt, daß Cogline sich über ihn beugte, eine zerbrechliche Gestalt vor der endlosen, unerforschlichen Finsternis, die ihm leise sagte, daß alles gut werden würde.


Er erwachte während der trägen, ziellosen Stunden zwischen Mitternacht und Morgendämmerung, wenn die Zeit ihren Weg verloren zu haben scheint. Es war sein Instinkt, der ihn weckte, ein Gefühl, daß irgend etwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Er rappelte sich hoch und stützte sich schwach und verwirrt auf den Ellenbogen, ohne in der Lage zu sein, die Ursache seiner Besorgnis festzustellen. Ein seltsames, undefinierbares Geräusch stieg aus der nächtlichen Stille, ein Summen irgendeiner Aktivität irgendwo draußen, das von Schlaf und Krankheit undeutlich gemacht wurde. Sein Atem ging unregelmäßig, als er sich aufsetzte. Er schauderte unter seinen Bettüchern in der frostigen Luft.

Grelles Licht flammte plötzlich auf, sichtbar durch einen Spalt in den Vorhängen vor dem Fenster.

Er hörte Stimmen. Nein, dachte er ängstlich. Keine Stimmen, kehlige, unmenschliche Töne.

Es kostete ihn alle seine Kraft, um vom Bett bis zum Fenster zu kriechen. Fieber und Erschöpfung ließen ihn nur langsam und mühevoll vorankommen. Er verhielt sich ruhig, war sich bewußt, daß Vorsicht geboten war, daß er sich nicht sehen lassen durfte. Die Geräusche draußen wurden lauter, und ein ekelerregender Verwesungsgeruch hatte sich über alles gelegt.

Tastend fand er das Fenstersims und zog sich daran hoch, bis er mit den Augen auf gleicher Höhe war.

Was er durch den Spalt in den Vorhängen sah, ließ seinen Magen zu Eis erstarren.


Cogline erwachte, als Ondit ihn mit der Schnauze anstupste, grob und drängend, und der alte Mann fuhr sofort hoch. Er war erst lange nach Mitternacht eingeschlafen, nachdem er sich in seinen Büchern der Wissenschaften der Alten Welt vergraben und wieder einmal versucht hatte, ein Mittel zu entdecken, das Walker Bohs Leben retten könnte. Irgendwann war er in seinem Stuhl beim Feuer eingeschlafen. Das Buch, das er studiert hatte, lag noch immer aufgeschlagen auf seinem Schoß, als Ondit ihn weckte.

»Verflixt noch mal, Katze«, murmelte er.

Sein erster Gedanke war, daß etwas mit Walker nicht stimmte. Dann hörte er die Geräusche, die zwar noch schwach waren, aber lauter wurden. Knurren und Brummen und Fauchen. Tierlaute. Und ohne sich zu bemühen, ihr Kommen zu verbergen.

Er stand auf und wischte sich den Schlaf aus den Augen. Eine Lampe brannte auf dem Eßtisch, das Feuer war erloschen. Cogline zog seine Gewänder fest um sich und schlurfte voller Unbehagen zur Tür, um herauszufinden, was da los war. Ondit lief vor ihm her, das Fell auf ihrem Rücken gesträubt, fletschte sie die Zähne. Was immer sich dort draußen näherte, der Moorkatze behagte es ganz und gar nicht.

Cogline machte die Türe auf und trat auf die überdachte Veranda vor der Hütte. Der Himmel war klar. Mondlicht flutete zwischen den Bäumen hindurch und tauchte das Tal in weißes Leuchten. Die Luft war kühl und machte Cogline hellwach. Am Rand der Veranda blieb er stehen. Dutzende von winzigen, roten Lichterpaaren blinkten ihn aus den Schatten des Waldes an. Wie eine unendliche Schar zarter, roter Blüten schimmerten sie in der Finsternis. Sie schienen überall zu sein, rund um die Hütte und die Lichtung herum.

Cogline blinzelte, um sie besser erkennen zu können. Und dann begriff er, daß es Augen waren.

Er fuhr zusammen, als sich zwischen den Augen etwas rührte. Es war ein Mann in einer schwarzen Uniform mit den silbernen Insignien eines Wolfsschädels auf der Brust. Cogline sah ihn ganz deutlich, als er ins Mondlicht trat, groß und grobknochig, mit einem zerfurchten, ausgehöhlten Gesicht und leblosen Augen.

Felsen-Dall, dachte er, und ein Schwindelgefühl packte ihn.

»Alter Mann«, sagte der andere, und seine Stimme war ein krächzendes Flüstern.

Cogline antwortete nicht. Er starrte den anderen fest an und zwang sich, nicht nach rechts zu schauen, zu dem offenen Fenster von Walkers Schlafzimmer, wo Walker schlief. Angst und Zorn wüteten in ihm, und eine innere Stimme schrie ihm zu, um sein Leben zu rennen, zu fliehen. Schnell, warnte sie. Wecke Walker auf. Hilf ihm, zu entkommen!

Aber er wußte, daß es dafür längst zu spät war.

Er wußte schon seit einiger Zeit, daß es so sein würde.

»Wir sind deinetwegen gekommen, alter Mann«, krächzte Felsen-Dall, »meine Freunde und ich.« Er winkte, und die Geschöpfe, die ihn begleiteten, rückten eines nach dem anderen ins Licht, allesamt Horrorgestalten, Schattenwesen. Manche waren mißgestaltete Kreaturen wie die Waldfrau, die er vor ein paar Wochen von dem Lager von Par und Coll Ohmsford vertrieben hatte; manche sahen aus wie Hunde oder Wölfe, auf allen vieren, pelzig und mit zu Tierschnauzen verzerrten Gesichtern mit Zähnen und Krallen. Die Laute, die sie von sich gaben, ließen keinen Zweifel darüber, daß sie gierig auf Futter waren.

»Versager«, sagte ihr Anführer. »Menschen, die sich über ihre Schwächen nicht haben erheben können. Sie dienen jetzt einem besseren Zweck.« Er trat einen Schritt vor. »Du bist der letzte, alter Mann – der letzte, der sich mir in den Weg stellt. Alle Shannara-Kinder sind fort, von der Erde gewischt. Du bist der letzte, der übrigbleibt, ein armer, ehemaliger Druide, der niemanden mehr hat, der ihn retten kann.«

Die Runzeln, die Coglines Gesicht zeichneten, vertieften sich. »Ist das so?« fragte er. »Alle getötet hast du?« Felsen-Dall starrte ihn an. Kaum denkbar, entschied Cogline auf der Stelle. In Wahrheit hat er nicht einen umgebracht, will nur, daß ich das glaube. »Und du bist den ganzen Weg hierhergekommen, um es mir zu berichten, ja?«

»Ich bin hergekommen, um dir ein Ende zu setzen«, erwiderte Felsen-Dall.

Nun, da hast du es, dachte der alte Mann. Was immer der Erste Sucher mit den Shannara-Kindern angestellt hatte, es war nicht genug; er war jetzt auch hinter Cogline her, vielleicht, weil er die leichtere Beute abgab. Der alte Mann mußte beinahe lächeln. Wenn man bedachte, daß es alles hierauf hinauslief. Nun, nicht, daß er es nicht längst gewußt hätte. Allanon hatte ihn vor Wochen gewarnt, warnte ihn übrigens schon, als er ihn aufforderte, die Druidengeschichte aus Paranor zu besorgen. Oh, er hatte Walker natürlich nichts davon gesagt. Er hatte daran gedacht, doch er hatte es nicht getan. Es schien einfach keinen triftigen Grund dafür zu geben. Wisse dies, Cogline, hatte der Schatten prophetisch und mit tiefer Stimme erklärt. Ich habe die Zeichen der Unterwelt gelesen; deine Zeit in dieser Welt ist beinahe abgelaufen. Der Tod ist dir auf den Fersen, und er ist ein unerbittlicher Jäger: Wenn du das nächste Mal Felsen-Dall zu Gesicht bekommst, wird er dich gefunden haben. Wenn dieser Augenblick gekommen ist, nimm Walker Boh die Druidengeschichte wieder ab und halte sie fest, als sei sie dein Leben. Lasse sie nicht los. Gib sie nicht auf. Denk daran, Cogline. Denk daran.

Cogline ordnete seine Gedanken. Die Druidengeschichte ruhte in einer Nische in dem steinernen Kamin in der Hütte, wo Walker sie versteckt hatte.

Denk daran.

Er seufzte müde und resigniert. Er hatte natürlich Fragen gestellt, doch der Schatten hatte keine Antworten gegeben. Typisch Allanon. Es reichte offenbar, daß Cogline wußte, was auf ihn zukam. Es war nicht nötig, daß er die Einzelheiten kannte.

Ondit knurrte. Ihr Fell stand rundum zu Berge. Sie kauerte schützend vor dem alten Mann, und Cogline wußte, daß es unmöglich sein würde, die große Katze zu retten. Ondit würde ihn niemals verlassen. Er schüttelte den Kopf. Nun. Eine seltsame Ruhe nahm von ihm Besitz. Seine Gedanken waren ziemlich klar. Die Schattenwesen waren seinetwegen gekommen. Sie wußten nichts davon, daß Walker Boh hier war. Und dabei wollte er es auch belassen.

Er runzelte die Stirn. Würde ihm die Druidengeschichte, falls es ihm gelang, sie an sich zu nehmen, dabei helfen?

Seine Augen trafen die von Felsen-Dall. Diesmal erschien tatsächlich ein Lächeln auf seinem Gesicht. »Ich glaube, ihr seid zu wenige, um die Arbeit zu erledigen«, sagte er.

Sein Arm schwang in die Höhe, Silberstaub flog auf den Ersten Sucher und entflammte, als er auftraf. Felsen-Dall schrie auf vor Wut und taumelte zurück. Die Kreaturen, die mit ihm waren, griffen an. Von allen Seiten stürmten sie auf Cogline zu, doch Ondit stellte sich ihnen entgegen, stoppte sie am Rand der Veranda und riß die vordersten in Stücke. Cogline warf Händevoll des Silberstaubs auf seine Angreifer, und reihenweise gingen sie in Flammen auf. Die Schattenwesen kreischten und jaulten und stolperten übereinander, als sie erst anzugreifen und dann zu entkommen suchten. Leichen flogen wild durch den Mondschein und füllten die Lichtung mit brennenden Gliedmaßen. Sie fingen an, aufeinander loszugehen. Sie starben zu Dutzenden. Leichte Beute, das haben sie sich so gedacht! Cogline genoß eine wilde, perverse Freude, als er seine Gewänder zurückschlug und die Nacht in grellem Gleißen aufleuchten ließ.

Einen unmöglichen Augenblick lang hielt er es für möglich, daß er überleben würde.

Aber dann tauchte Felsen-Dall wieder auf; zu mächtig, um mit Coglines kleiner Zauberkraft überwältigt zu werden, peitschte er mit seinem eigenen Feuer die Kreaturen an, die er befehligte, seine Hunde und Wölfe und Halbmenschen, seine beinahe verstandeslosen Gehilfen. Die Schattenwesen, die von ihm terrorisiert wurden, griffen mit neuem Haß und neuer Wut wieder an. Diesmal ließen sie sich nicht zurückschlagen. Ondit zerfetzte die erste Welle, riesig und behende zwischen ihren kleineren Gestalten, und dann fielen sie alle über ihn her, ein Wirbelsturm aus Zähnen und Krallen. Cogline konnte nichts tun, um der Katze zu Hilfe zu kommen; selbst als der Silberstaub mitten zwischen ihnen explodierte, ließen die Schattenwesen nicht locker. Ondit verlor langsam an Boden.

Verzweifelt setzte Cogline den letzten Rest seines Pulvers ein und warf es auf den Boden, so daß eine Flammenwand entstand, die dem Vordringen der Biester für einen kurzen Moment Einhalt gebot. Pfeilschnell rannte er in die Hütte und riß die Druidengeschichte aus dem Versteck.

Jetzt werden wir sehen. Kaum war er wieder an die Tür gelangt, als die Schattenwesen die Feuerwand durchbrachen und sich auf ihn stürzten. Er hörte Felsen-Dall, der sie anstachelte. Er fühlte, wie Ondit sich schützend an ihn drückte. Es gab keinen Ausweg, und es war sinnlos, eine Flucht zu versuchen. So blieb er einfach stehen, drückte das Buch an seine Brust wie eine Vogelscheuche in zerrissenen Gewändern vor einem Wirbelsturm.

Seine Angreifer kamen näher. Als ihre Hände ihn berührten, als sein Körper jeden Augenblick in Fetzen gerissen werden würde, fühlte er die Runenzeichen auf dem Buch zu Leben erwachen. Grelles, weißes Feuer brach hervor, und alles im Umkreis von fünfzehn Metern wurde verbrannt.

Jetzt bist du dran, Walker, war Coglines letzter Gedanke.

Dann verschwand er in den Flammen.

Die letzte Explosion schleuderte Walker von dem verhangenen Fenster fort, kurz bevor es von den Flammen erfaßt wurde. Trotzdem waren sein Gesicht und seine Hand angeschwärzt, und seine Kleider qualmten. Als Haufen lag er da, während das Feuer über die Decke seines Zimmers leckte. Er achtete nicht darauf, ihm war inzwischen egal, was geschah. Er war nicht in der Lage gewesen, Cogline und Ondit zu Hilfe zu eilen, zu schwach, den Zauber anzurufen, zu schwach sogar, um auch nur aufzustehen und sich mit ihnen gegen die Schattenwesen zu stellen, zu schwach, irgend etwas anderes zu tun als sich an das Fenstersims zu klammern und zuzuschauen.

Zwecklos! Er schrie das Wort tonlos im Geiste. Wut und Kummer schüttelten ihn.

Verzweifelt rappelte er sich auf die Knie und spähte durch die Flammen hinaus. Cogline und Ondit waren verschwunden. Felsen-Dall und die übriggebliebenen Schattenwesen zogen sich in den Wald zurück. Er starrte einen Moment hinter ihnen her, dann verließ ihn seine Kraft, und er brach wieder zusammen.

Zwecklos!

Die Feuerhitze wurde immer unerträglicher. Balken krachten herunter, und glühende Splitter versengten seine Haut. Sein Körper zuckte unter den Schmerzen, sein steinerner Arm zerrte ihn wie ein Anker auf den hölzernen Boden. Sein Schicksal war besiegelt, erkannte er. Niemand würde zu ihm kommen. Niemand wußte überhaupt, daß er hier war. Der alte Mann und die große Moorkatze hatten seine Gegenwart sogar vor den Schattenwesen verborgen; sie hatten ihr Leben dafür gegeben …


Er schauderte, als ihm das Bild von Felsen-Dalls Gesicht in den Sinn kam. Die leblosen Augen schauten ihn abschätzend an. Er entschied, daß er nicht sterben wollte. Fast ohne sich dessen bewußt zu sein, begann er zu kriechen.

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