30

Es war, als sei der Malmschlund wahnsinnig geworden.

Zweimal zuvor hatten die drei Fliehenden die Ankunft des Monsters gesehen, einmal war es aufgetaucht, als sie vom Berg aus auf die Stadt geschaut hatten, und einmal, als Uhl Belk es herbeigerufen hatte. Und es war kein Tag vergangen, seit sie in Eldwist waren, daß sie nicht das Rumpeln des Geschöpfs in den Tunneln unter der Stadt gehört hätten, wenn es bei Einbruch der Nacht erwachte und in der Dunkelheit auf Jagd ging. Und jedesmal war seinem Herannahen das unverwechselbare, dumpfe Dröhnen vorausgegangen. Jedesmal hatte die Stadt gebebt.

Aber so wie jetzt war es noch nie gewesen.

Die Stadt Eldwist war wie ein Tier, das sich aus einem bösen Traum wachschüttelt. Türme und Gebäude schwankten und zitterten, und lockere Steine und Splitter prasselten in dichten Staubwolken zu Boden. Die Straßen drohten sich aufzuwölben, der Stein bekam Risse und Spalten, Falltüren brachen ein, als ihre Riegel sich lösten, Verankerungen und Stützen zerbarsten. Ganze Treppenfluchten, die in die Tunnel hinunterführten, stürzten ein und verschwanden unter den Trümmern, und Brückenstege zwischen Häusern krachten herunter. Vor grauem Dunst und Wolken schimmerte Eldwist wie eine vergehende Fata Morgana.

Walker Boh raste aus der Kuppel des Steinkönigs und erreichte kaum den nächstgelegenen Gehsteig, als er von der Erschütterung umgeworfen wurde. Er drückte den Arm gegen die Brust, um den schwarzen Elfenstein nicht zu verlieren, und fing den Sturz mit der Schulter auf, einen heftigen Schlag, und er rutschte weiter und krachte mit solcher Wucht gegen die Mauer eines Hauses, daß ihm die Luft wegblieb. Einen Augenblick war er wie betäubt, Sterne tanzten vor seinen Augen. Als er wieder klar sehen konnte, entdeckte er Quickening und Morgan auf dem Boden liegen. Auch sie hatte es von den Füßen gerissen.

Mühsam rappelte er sich wieder auf und brüllte ihnen zu, sie sollten ihm folgen. Während er wartete, daß sie wieder aufstanden, jagten ihm die Gedanken durch den Sinn. Er hatte Uhl Belk mit dem schwarzen Elfenstein gedroht und gesagt, er würde seine Magie gegen die Stadt einsetzen, wenn sie nicht freigelassen würden. Das war eine leere Drohung. Er konnte den Elfenstein so nicht einsetzen, ohne sich selbst zu zerstören. Sie hatten Glück, daß Uhl Belk nicht wußte, wie die Druidenmagie funktionierte. Aber auch so waren sie noch nicht frei. Was sollten sie tun, wenn der Malmschlund hinter ihnen herkam? Und es stand zu erwarten, daß er das tun würde. Die Magie des schwarzen Elfensteins hatte ein Band zwischen Vater und Sohn, Geisterlord und Monster geschaffen, und Walker Boh hatte dieses Band zerrissen. Der Malmschlund spürte es schon; er war daraufhin erwacht. Sobald er entdeckte, daß der Elfenstein verschwunden war, daß der Steinkönig ihn nicht mehr in seinem Besitz hatte, was würde das Biest dann hindern, die Verfolgung aufzunehmen?

Walker Boh zog eine Grimasse. Es stand völlig außer Frage, wie diese Jagd enden würde. Er konnte den schwarzen Elfenstein ebensowenig gegen den Malmschlund benutzen.

Ein Steinblock, groß genug, um ihn unter sich zu begraben, krachte wenige Meter vor ihm auf die Straße und schleuderte den Dunklen Onkel ein zweites Mal zu Boden, Quickening hetzte vorbei, ihr schönes Gesicht seltsam verzerrt, und raste weiter. Morgan tauchte auf, bückte sich, als er neben Walker war, und half ihm wieder auf die Beine. Zusammen rannten sie weiter, schlugen Bögen um die wachsenden Schutthaufen, übersprangen Spalten und Risse.

»Wo sollen wir hin?« rief der Hochländer und zog den Kopf ein.

Walker machte eine unbestimmte Geste. »Raus aus der Stadt, runter von der Halbinsel, zurück auf den Berg!«

»Und Horner Dees?«

Walker hatte den Fährtensucher völlig vergessen. Er schüttelte den Kopf. »Wenn wir ihn finden, nehmen wir ihn mit! Aber wir können nicht nach ihm suchen! Wir haben keine Zeit!« Er verstaute den Elfenstein in der Tasche seines Kittels und packte im Laufen Morgans Arm. »Hochländer, bleib bei Quickening. Die Sache ist noch nicht ausgestanden! Sie schwebt in Gefahr!«

Morgans Augen leuchteten weiß aus seinem dreckverschmierten Gesicht. »Welche Gefahr, Walker? Weißt du etwas? Was meinte Uhl Belk vorhin, als er ihren Sieg als hohl bezeichnete, und mit dem Preis, den sie zu zahlen hätte? Was meinte er?«

Walker schüttelte wortlos den Kopf. Er wußte es nicht – aber er hatte gleichzeitig das Gefühl, er mußte es wissen, er übersehe etwas Offensichtliches, vergesse etwas Wichtiges. Vor ihnen schnappte ein Falltürriegel, und ein gähnendes Loch öffnete sich im Pflaster. Er riß den Hochländer gerade noch rechtzeitig zurück und schleuderte ihn auf den Gehsteig. Das Gebrüll des Malmschlunds war etwas leiser geworden, als sie sich weiter von der Kuppelfestung des Steinkönigs entfernten.

»Lauf hinter ihr her, Hochländer!« rief Walker und stieß ihn vorwärts. »Und halte nach Dees Ausschau! Wir treffen uns in dem Haus, wo wir uns vor dem Kratzer versteckt haben!« Er warf einen kurzen Blick über die Schulter zurück, dann rief er: »Sei vorsichtig! Paß auf dich auf!«

Aber Morgan war schon davongerannt.


Pe Ell und Horner Dees hatten soeben das Haus erreicht, zu dem die anderen jetzt flüchteten, als das Erdbeben begann. Nachdem sie den Kampf mit dem Kratzer hinter sich hatten, waren sie auf der Suche nach den anderen Mitgliedern der Gruppe aus Rampling Steep hierhergekommen, jeder aus seinen persönlichen Gründen, die keiner der beiden mit dem anderen teilte. Der Waffenstillstand zwischen ihnen war mit der Zerstörung des Kratzers beendet, und sie beobachteten einander jetzt wachsam und mißtrauisch.

Erstaunt schnellten sie herum, als das Getöse begann, dröhnender und deutlicher als je zuvor. Die ganze Stadt bebte.

»Irgend etwas ist geschehen«, schnaufte Horner Dees. »Irgend etwas Gewaltiges.«

»Er ist wieder aufgewacht«, rief Pe Ell voller Abscheu. Als sie den Malmschlund verlassen hatten, war er in die Erde zurückgeschlüpft und still geworden.

Die Straße, auf die sie schauten, bebte unter der Wucht der Kreatur.

Pe Ell zeigte auf das Haus. »Schau oben nach, ob jemand da ist.«

Dees ging, ohne zu widersprechen. Pe Ell stand wie angewurzelt da, während die Stadt in den Grundfesten erschüttert wurde. Er war streng und hart mit sich selbst, der Kampf mit dem Kratzer steckte ihm noch in den Knochen und pulsierte in ihm wie sein eigenes Blut. Die Dinge kamen langsam in Ordnung; er fühlte, wie die Ereignisse sich zusammenfügten, wie die Schicksalsfäden der fünf aus Rampling Steep sich verflochten. Bald war alles überstanden. Bald war es vorbei.

Horner Dees tauchte im Hauseingang auf. »Keiner da.«

»Dann warte hier, bis sie kommen«, knurrte Pe Ell und eilte davon. »Ich werde im Stadtzentrum nachschauen.«

»Pe Ell!«

Das scharf geschnittene Gesicht wandte sich um. »Keine Sorge, Alter. Ich komme wieder.« Vielleicht, fügte er im stillen hinzu.

Er eilte davon und ließ den alternden Fährtensucher umsonst hinter ihm herrufen. Genug von Horner Dees, dachte er verbittert. Es fraß noch immer an ihm, daß er den Alten vor dem Kratzer gerettet hatte, daß er instinktiv gehandelt hatte, statt nachzudenken, daß er sein Leben riskiert hatte, um einem Mann das Leben zu retten, den er ohnehin fest entschlossen war zu ermorden.

Andererseits war er dabei, seine Pläne für Dees und die anderen Idioten, die mit Quickening gekommen waren, zu verändern. Er konnte fühlen, wie diese Pläne sich jetzt in erfreulicher Weise entwickelten. Es war alles so viel klarer, wenn er sich regte. Es war gut und schön, ein Ereignis zu planen, doch Umstände und Notwendigkeiten veränderten sich, die Ereignisse nahmen nicht immer den erwarteten Lauf und kamen nicht immer in der vorhergesehenen Weise zustande. Pe Ell revidierte seine frühere Überzeugung, daß das Umbringen seiner Gefährten unumgänglich sei. Quickening mußte natürlich sterben. Er hatte Felsen-Dall versprochen, daß er sie töten würde. Quickenings Los war unabänderlich. Aber wozu sich die Mühe machen, die anderen zu töten? Wozu die Anstrengung, es sei denn, sie kamen ihm bei seinen Plänen mit dem Mädchen in die Quere? Falls es ihm irgendwie gelang, in den Besitz des schwarzen Elfensteins zu gelangen, konnten sie ihm keinerlei Schaden zufügen. Und selbst wenn er gezwungen wäre, jenen Teil seines Plans aufzugeben – und jetzt sah es so aus, als müsse er das –, dann stellten weder der alte Fährtensucher oder der Einarmige, noch der Hochländer und der Sänger eine Bedrohung für ihn dar. Selbst wenn sie Eldwist verließen und ihn verfolgten, hatte er wenig zu fürchten. Wie sollten sie ihn finden? Und was konnten sie tun, wenn sie ihn fanden?

Nein, er brauchte sie nicht umzubringen – aber er würde es tun, fügte er im stillen hinzu, falls sich eine passende Gelegenheit bot.

Die Erde bebte noch immer, ein dumpfes, tiefes Grollen, der Protest über das Kommen des Monsterwurms. Pe Ell rannte durch die leeren, schuttübersäten Straßen, hierhin und dorthin, an den Häusern entlang, deren Mauern von gefährlichen Rissen und Spalten durchzogen waren. Seine scharfen Augen suchten die Schatten nach einer Bewegung ab, nach jenen, die mit hierhergekommen waren, oder vielleicht auch nach einem Zeichen des versteckten Steinkönigs. Pe Ell hatte den schwarzen Elfenstein noch nicht ganz aufgegeben. Es bestand noch immer eine Chance, sagte er sich. Alles floß zusammen wie in einem Strudel. Er fühlte es …


Aus dem Dunst vor ihm kam Quickening mit fliegendem Silberhaar gerannt, ihr gertenschlanker Leib wie ein quecksilbriger Schatten. Pe Ell machte einen Satz und bekam sie mit einem Arm an der Taille zu fassen, ehe sie begriff, wie ihr geschah. Überrascht schnappte sie nach Luft, wurde steif und klammerte sich dann an ihn.

»Pe Ell«, hauchte sie.

Etwas an der Art, wie sie seinen Namen aussprach, überraschte ihn. Ein gewisses Maß von Angst, vermischt mit Erleichterung, eine seltsame Kombination von Entsetzen und Befriedigung. Instinktiv packte er sie fester, doch sie versuchte nicht, sich zu befreien.

»Wo sind die anderen?« fragte er.

»Sie kommen nach, sind Uhl Belk und dem Malmschlund entkommen.« Ihre schwarzen Augen fixierten ihn. »Es ist Zeit, Eldwist zu verlassen, Pe Ell. Wir haben den Steinkönig gefunden und ihm den schwarzen Elfenstein abgenommen – Morgan, Walker Boh und ich.«

Pe Ell hatte Mühe, ruhig zu bleiben. »Dann sind wir tatsächlich hier fertig.« Er schaute an ihr vorbei in den Dunst. »Wer hat den Elfenstein jetzt?«

»Walker Boh«, beichtete sie ihm.

Pe Ell biß die Zähne zusammen. Ausgerechnet Walker Boh. Natürlich. Er mußte es sein. Wieviel einfacher wäre es, wenn das Mädchen den Stein hätte. Dann könnte er sie jetzt umbringen, den Stein nehmen und verschwinden, ehe irgendwer wußte, was geschehen war. Der Einarmige schien ihm an jeder Ecke im Weg zu stehen, eine schattenhafte Präsenz, der er irgendwie nicht entkommen konnte. Was brauchte es, um ihn loszuwerden?

Er wußte natürlich, was es brauchte. Seine ursprünglichen Pläne rückten wieder in den Vordergrund.

»Quickening!« rief eine Stimme.

Es war der Hochländer. Pe Ell zögerte kurz und traf dann eine Entscheidung. Er preßte Quickening die Hand auf den Mund und zerrte sie in den Schatten. Zu seiner Überraschung sträubte sich das Mädchen nicht. Sie war leicht und nachgiebig und fast schwerelos in seinem Arm. Es war das erste Mal, daß er sie berührte, seit er sie aus den Meadegärten getragen hatte. Die Gefühle, die sie in ihm weckte, waren beunruhigend sanft und wohltuend, und er unterdrückte sie unwillig. Das kommt später, sagte er sich, wenn ich den Stiehl benutze …


Morgan Leah kam in Sicht, trabte den Gehsteig entlang und rief nach dem Mädchen. Pe Ell hielt Quickening fest und sah zu, wie der Hochländer vorbeirannte. Im nächsten Moment war er verschwunden.

Pe Ell nahm die Hand von ihrem Mund, und sie drehte sich um und schaute ihn an. In ihren Augen standen weder Überraschung noch Furcht; nur Resignation. »Unsere Zeit ist fast gekommen, Pe Ell«, flüsterte sie.

Ein Funken Zweifel nagte an seiner Zuversicht. Sie schaute ihn in ihrer seltsamen Art an, als wäre er für sie transparent, als wisse sie alles über ihn. Aber wenn sie alles wüßte, stünde sie nicht so ruhig hier. Sie würde zu fliehen versuchen, hinter dem Hochländer herrufen oder sonst irgend etwas tun, um sich in Sicherheit zu bringen.

Das Getöse unter der Stadt schwoll an und wurde dann wieder ein wenig schwächer, eine Warnung vor der langsamen, unausweichlichen Lawine, die auf sie zurollte.

»Zeit für was?« brachte Pe Ell zögernd heraus, unfähig, sich von ihrem Blick abzuwenden.

Sie gab keine Antwort. Statt dessen schaute sie an ihm vorbei, ihre schwarzen Augen suchten etwas. Er drehte sich um und folgte ihrem Blick. Walker Bohs dunkle Gestalt löste sich aus dem staubig düsteren, grauen Dunst.

Im Gegensatz zu dem Hochländer hatte er sie gesehen.

Pe Ell riß das Mädchen vor sich, zog den Stiehl, dessen Klinge magisch strahlte, aus dem Versteck. Der einarmige Mann wurde sichtbar langsamer, doch dann näherte er sich wieder.

»Bleib mir vom Leib, Walker Boh«, drohte er. Walker blieb stehen. »Wir kennen einander gut genug, um zu wissen, wozu wir fähig sind. Unnötig, es zu testen. Es ist besser, wir trennen uns jetzt und gehen jeder unserer Wege. Aber gib mir erst den Stein.«

Der große Mann stand reglos da, scheinbar leblos, die Augen starr auf den Mörder und seine Geisel gerichtet. Er schien etwas abzuwägen.

Pe Ell lächelte zynisch. »Sei nicht so töricht zu glauben, du könntest schneller sein als ich.«

»Möglicherweise sind wir beide nicht schnell genug, um diesen Tag zu überleben. Der Malmschlund kommt.«

»Wenn er kommt, bin ich längst weg. Gib mir den schwarzen Elfenstein.«

»Wenn ich das tue, ist dir das dann genug?« fragte der andere ruhig. Er schaute Pe Ell fest in die Augen, als versuche er, darin zu lesen.

Wie das Mädchen, dachte Pe Ell. Zwei von der gleichen Sorte. »Gib ihn her«, kommandierte er, ohne auf die Frage einzugehen.

»Gib Quickening frei.«

Pe Ell schüttelte den Kopf. »Wenn ich in Sicherheit bin. Dann verspreche ich, sie freizulassen.« Frei für immer.

Sie starrten einander eine Weile hart und unerbittlich an, ungesagte Versprechen und finstere Visionen grausiger Möglichkeiten standen darin. Dann langte Walker Boh in seine Tasche und holte den Stein hervor. Er hielt ihn auf der Handfläche vor sich, dunkel und glänzend. Ein Anflug von Lächeln spielte um Pe Ells Mundwinkel. Der Elfenstein war schwarz wie die Nacht, undurchsichtig und ohne Tiefe und absolut makellos. Er hatte dergleichen noch nie gesehen. Fast spürte er, wie die Magie darin pulsierte.

»Gib ihn her«, wiederholte er.

Walker Boh faßte sich an den Gürtel und holte einen Lederbeutel hervor, der mit leuchtendblauen Runen markiert war. Behutsam manövrierte er mit seiner einzigen Hand den Stein in den Beutel und zog die Verschlußschnüre stramm. Dann schaute er Pe Ell an. »Du darfst den schwarzen Elfenstein nicht benutzen, Pe Ell«, sagte er. »Wenn du es versuchst, wird seine Magie dich zerstören.«

»Das Leben ist voller Gefahren«, erwiderte Pe Ell. Staub wirbelte durch die Luft um sie herum, getragen von einer leichten Meeresbrise. Der Stein der Stadt schimmerte, erschüttert von fernem Rumpeln und eingehüllt in Nebel und Wolken. »Wirf ihn her«, befahl er. »Vorsichtig.«

Mit dem Arm, dessen Hand den Stiehl umklammerte, hielt er Quickening fest. Das Mädchen rührte sich nicht. Sie wartete untätig, den schlanken Leib gegen ihn gepreßt und so passiv, als schlafe sie. Walker hatte den Beutel mit dem schwarzen Elfenstein in der Hand und warf ihn Pe Ell gut gezielt zu. Pe Ell fing ihn auf, schob ihn sich in den Gürtel und sicherte ihn mit den Schnüren an seiner Gürtelschnalle.

»Die Magie steht jenen zu, die keine Angst haben, sie zu benutzen«, erklärte er lächelnd und wich dabei vorsichtig zurück. »Und jenen, die sie in ihrem Besitz zu halten verstehen.«

Walker Boh stand reglos wie ein Fels auf der bebenden Erde inmitten der wirbelnden Staubwolken. »Hüte dich, Pe Ell. Du riskierst alles.«

»Folge mir nicht, Walker Boh«, warnte Pe Ell düster. »Es ist besser für dich, wenn du hier bleibst und dich mit dem Malmschlund abgibst.«

Pe Ell hielt Quickening fest im Arm und entfernte sich über den Gehsteig, bis der andere durch Dunst und Nebel nicht mehr zu erkennen war.


Walker Boh blieb unbewegt stehen und starrte hinter Pe Ell und Quickening her. Er fragte sich, warum er den schwarzen Elfenstein so ohne weiteres hergegeben hatte. Er hatte beschlossen, es nicht zu tun und sich darauf vorbereitet, Pe Ell anzugreifen, dem Mädchen zu Hilfe zu kommen – bis er ihr in die Augen schaute und dort etwas sah, das ihn zurückhielt. Auch jetzt war er nicht sicher, was er dort eigentlich gesehen hatte. Entschlossenheit, Resignation, eine persönliche Einsicht, die seine eigene überstieg – etwas. Was immer es war, es hatte ihn so erfolgreich umgestimmt, als habe sie Magie benutzt.

Er senkte den Kopf, und seine dunklen Augen verengten sich.

Hatte sie, fragte er sich, ihre Magie benutzt?

Er stand gedankenverloren da. Regentropfen befeuchteten sein Gesicht. Es hatte wieder zu nieseln begonnen. Er schaute auf, als er sich erinnerte, wo er war, und was er zu tun hatte, und er hörte wieder das Gedonner des Malmschlunds unter der Stadt, fühlte die Erschütterung seines Herannahens.

Coglines Stimme war ein Wispern in seinen Ohren. Sie ermahnte ihn freundlich, zu erkennen, wer er war. Bisher hatte er es immer in Frage gestellt. Jetzt glaubte er es zu wissen.

Er rief seine Magie an, fühlte, wie sie mühelos in ihm aufstieg, erstarkt seit dem Kampf mit dem Steinkönig, als habe ihn diese Konfrontation von Zwängen befreit, mit denen er sich selbst eingeschränkt hatte. Sie sammelte sich im Zentrum seines Seins, wirbelte wie ein gewaltiger Wind. Die Runen auf dem Beutel, in dem der schwarze Elfenstein steckte, würde ihn leiten. Mit einer kaum wahrnehmbaren Bewegung seines Kopfes ließ er sie losfliegen, um Pe Ell zu suchen.

Dann folgte er.


Pe Ell rannte. Er zerrte Quickening hinter sich her. Sie folgte, ohne Widerstand zu leisten, lief gehorsam, um mit ihm Schritt zu halten, sagte nichts, fragte nichts, den Blick ruhig in die Ferne gerichtet. Er schaute sie einmal kurz an und drehte sich dann schnell wieder um. Was er in jenen dunklen Augen sah, irritierte ihn. Sie sah etwas, das er nicht sehen konnte, etwas Altes, Unwandelbares, einen Teil ihrer Vergangenheit oder ihrer Zukunft – er war nicht sicher, was von beidem. Sie war ihm noch immer ein Rätsel, das eine Geheimnis, das er nicht hatte lüften können. Aber das würde er jetzt bald tun, schwor er sich. Der Stiehl würde ihm den Schlüssel zu dem geben, was sie verhehlte. Wenn sie ihr Leben aushauchte, würde sie sich entblößen. Dann gab es keine Geheimnisse mehr. Die Magie ließ das nicht zu. Genau wie bei allen anderen, die er getötet hatte, gab es nichts als die Wahrheit.

Er fühlte die ersten Regentropfen auf seinem erhitzten Gesicht.

Er rannte nach rechts in eine Querstraße in eine andere Richtung als die, in die Morgan Leah gelaufen war und der Walker Boh folgen würde. Es gab keinen Grund, ihnen eine Chance zu lassen, ihn zu finden. Er würde schleunigst die Stadt verlassen, die Landenge zu der Treppe überqueren und die Anhöhe mit dem Ausblick erreichen, und dann, wenn er Ruhe und genügend Privatheit hätte, um den Augenblick voll auskosten zu können, würde er sie töten. Vorfreude wallte in ihm auf. Quickening, die Tochter des Königs vom Silberfluß, die allerwunderbarste magische Kreatur, wäre für immer sein.

Aber ein Funken von Zweifel brannte nach wie vor in ihm. Was war es nur, das ihn so störte? Er suchte nach der Antwort und blieb einen Moment stehen, als er sich ihre Worte in Erinnerung rief, daß die Magie von allen dreien – dem Hochländer, Walker Bohs und seiner eigenen – vonnöten sei. Alle drei würden gebraucht, hatte der König vom Silberfluß verkündet. Darum hatte sie sie rekrutiert, hatte sie überredet mitzukommen, und hatte sie trotz allen Mißtrauens und Widerstrebens zusammengehalten. Aber Walker Boh und der Hochländer hatten Uhl Belks Versteck allein gefunden und ihm den schwarzen Elfenstein abgenommen. Er hatte nichts getan – außer daß er den Kratzer vernichtet hatte. War es das, wozu seine Magie gedacht gewesen war? War das der Grund für seine Teilnahme? Irgendwie erschien ihm das nicht plausibel. Irgendwie mußte da noch mehr dahinterstecken.

Pe Ell schlüpfte durch Eldwists Dunst des späten Morgens, hielt das Mädchen dabei eng an sich gedrückt und dachte darüber nach, daß diese ganze Reise ein Puzzle mit zu vielen fehlenden Teilen gewesen war. Sie waren hergekommen, um den Steinkönig zu suchen – doch es waren die anderen, nicht Pe Ell, die ihn gefunden hatten. Sie waren gekommen, um den schwarzen Elfenstein zu holen – doch es waren die anderen, nicht Pe Ell, denen es gelungen war. Die Magie des Stiehls war die mörderischste von allen Magien – doch welchem Zweck hatte sie gedient?

Unbehagen stahl sich in sein Bewußtsein wie ein Dieb und untergrub seine Freude, beides zu haben – Quickening und den Stein.

Irgend etwas stimmte nicht, und er wußte nicht, was es war. Er mußte das Gefühl haben, alles sei unter seiner Kontrolle, aber es war nicht so.

Sie schwenkten zurück auf eine nach Süden führende Straße, glitten zwischen den Häusern entlang wie zwei verstohlene Schatten, die durch den Dunst zum Licht flüchteten. Pe Ell verlangsamte ihren Lauf. Er fing an zu ermüden. Er spähte durch den dünnen Regenschleier und blinzelte unsicher. War dies der Weg, den er hatte einschlagen wollen? Irgendwie schien es ihm nicht richtig. Er schaute erst nach links, dann nach rechts. War das nicht genau die Straße, die er eigentlich hatte vermeiden wollen? Er war verwirrt und fühlte Quickenings Blick, aber er weigerte sich, ihm zu begegnen.

Er führte sie eine weitere Straße entlang, und sie gelangten auf einen breiten Platz, der von einer von Bänken gesäumten Vertiefung beherrscht wurde. Die Bänke waren verfallen und einige waren umgekippt, und Reste von Pfosten, an denen einst Fahnen geweht hatten, standen rundum. Er steuerte geradewegs nach links auf einen überwölbten Durchgang zwischen den Häusern zu, um die Straße dahinter zu erreichen, als er seinen Namen rufen hörte. Er schnellte herum, riß das Mädchen vor sich und hielt ihr die Klinge des Stiehls an die Kehle.

Morgan Leah stand auf der anderen Seite des Platzes. Pe Ell riß die Augen auf. Wie hatte der Hochländer ihn finden können? Er hatte einfach nur Glück gehabt, sagte er sich hastig. Weiter nichts. Entsetzen paarte sich mit Wut. Was immer für ein Unglück aus dieser Begegnung resultieren würde – ihn sollte es nicht treffen.

Der Hochländer schien nicht zu wissen, was im Gange war. »Was machst du da, Pe Ell?« rief er durch den Wald abgebrochener Pfosten herüber.

»Was mir gefällt!« gab Pe Ell zurück, und seine Stimme klang zu seiner eigenen Überraschung erschöpft. »Hau ab, Hochländer. Ich habe nicht die Absicht, dir etwas anzutun. Ich habe bekommen, was ich haben wollte. Dein einarmiger Freund hat mir den Elfenstein gegeben – hier in dem Beutel an meinem Gürtel! Ich habe die Absicht, ihn zu behalten! Wenn du willst, daß das Mädchen ungeschoren bleibt, dann mach, daß du wegkommst!«

Aber Morgan Leah rührte sich nicht. Er stand da, erschöpft und ausgemergelt, kaum mehr als ein Kind, und wirkte gleichzeitig verloren und unentschlossen. Aber er weigerte sich aufzugeben. »Laß sie los, Pe Ell. Tu ihr nichts an.«

Seine Bitte war verschwendet, doch Pe Ell brachte ein müdes Nicken zustande. »Hau ab, Hochländer. Quickening bleibt bei mir.«

Morgen Leah schien zunächst zu zögern, dann kam er näher. Zum ersten Mal, seit Pe Ell Quickening festhielt, fühlte er, wie sie sich versteifte. Sie machte sich Sorgen um den Hochländer, erkannte er. Ihre Sorge stimmte ihn wütend. Er riß sie zurück, hielt ihr wieder den Stiehl an die Kehle und rief dem jungen Mann zu, er solle stehenbleiben.

Und da tauchte plötzlich auch Walker Boh aus dem Schatten auf, gleich neben Morgan Leah. Er trat ohne Hast hinzu, packte den Hochländer am Arm und zog ihn zurück. Morgan wehrte sich, aber selbst mit nur einem Arm war der andere stärker.

»Überleg dir gut, was du tust, Pe Ell!« rief Walker Boh, und seine Stimme klang jetzt wütend.

Wie hatte der große Mann ihn so schnell einholen können? Pe Ell überfiel ein gewisses Unbehagen, das Gefühl, daß alles aus unerfindlichen Gründen irgendwie schiefging. Er mußte diesen Wahnsinn inzwischen längst hinter sich haben und in Sicherheit sein. Er mußte Zeit haben, seinen Sieg auszukosten, mit dem Mädchen zu sprechen, ehe er den Stiehl ansetzte, sehen, wieviel er von ihrer Magie erfahren konnte. Statt dessen wurde er gnadenlos von jenen Männern belästigt, die er zu verschonen beschlossen hatte. Schlimmer noch, er schwebte in Gefahr, selbst in eine Falle zu geraten.

»Bleibt mir vom Leib!« brüllte er. Er begann, seine Selbstkontrolle zu verlieren, und seine Wut ging mit ihm durch. »Ihr setzt das Leben des Mädchens aufs Spiel, wenn ihr mich weiterhin verfolgt! Laßt mich gehen, oder sie muß sterben!«

»Laß sie los!« rief der verzweifelte Hochländer wieder. Er hatte sich auf die Knie fallen lassen. Der Einarmige hielt seinen Arm noch immer fest.

Hinter Pe Ell, noch immer zu weit weg, als daß es einen Unterschied gemacht hätte, näherte sich Horner Dees. Der Mörder war jetzt von seinen Feinden umzingelt. Zum ersten Mal in seinem Leben saß er in der Klemme, und er fühlte, wie ein Anflug von Panik sich ausbreitete. Er riß Quickening herum, um dem stämmigen Fährtensucher entgegenzutreten. »Geh mir aus dem Weg, Alter!« bellte er.

Aber Horner Dees schüttelte nur den Kopf. »Ich denke nicht daran, Pe Ell. Ich bin oft genug vor dir zurückgewichen. Auch ich habe in dieser Sache etwas zu verlieren. Ich habe mindestens ebensoviel aufs Spiel gesetzt wie du. Außerdem hast du nichts geleistet, um zu verdienen, was du verlangst. Du versuchst es einfach nur zu stehlen. Wir wissen, wer und was du bist, allesamt. Tu, was Morgan Leah dir sagt. Laß das Mädchen frei.«

Walker Boh hob seine Stimme. »Pe Ell, wenn die Schattenwesen dich beauftragt haben, den schwarzen Elfenstein zu stehlen, dann nimm ihn und verschwinde. Wir werden dich nicht hindern.«

»Die Schattenwesen!« spottete Pe Ell und mühte sich, seine Wut im Zaum zu halten. »Die Schattenwesen bedeuten mir gar nichts. Ich tue für sie, was mir paßt, und mehr nicht. Meinst du, ich sei ihretwegen den ganzen Weg hierhergekommen? Da irrst du dich gewaltig!«

»Dann behalte den Elfenstein für dich selbst, wenn es sein muß.«

Jetzt ging die Wut mit ihm durch. Seine Vorsicht tauchte in einem roten Nebel unter. »Wenn es sein muß! Natürlich muß es sein! Aber der Elfenstein ist nicht der eigentliche Grund, warum ich hergekommen bin!«

»Was ist es dann, Pe Ell?« fragte Walker scharf.

»Sie ist es!« Pe Ell riß Quickening wieder herum und hob ihr hübsches Gesicht über die Spitze seiner Klinge. »Schau sie an, Walker Boh, und erzähl mir, daß du sie nicht begehrst! Kannst du nicht, oder? Deine Gefühle, meine, die des Hochländers – sie sind alle gleich! Ihretwegen haben wir diese Reise gemacht, wegen der Art, wie sie uns anschaut, und wegen der Gefühle, die sie in uns weckt, wegen der Art, wie sie uns mit ihrer Magie umgarnt hat! Denk an die Geheimnisse, die sie hütet! Ich habe diese Reise getan, um herauszufinden, was sie ist, um sie zu besitzen. Sie ist von Anfang an für mich bestimmt, und wenn ich hier fertig bin, wird sie mir auf immer gehören! Ja, die Schattenwesen haben mich geschickt, aber es war meine Entscheidung, herzukommen – meine eigene Entscheidung, nachdem ich sah, was sie mir geben kann! Begreifst du’s nicht? Ich bin nur nach Eldwist gekommen, um sie zu töten!«

Es wurde augenblicklich still. Das Beben und Donnern ebbte zu einem fernen, undeutlichen Stöhnen ab, und die Worte des Mörders standen klar und deutlich in der Luft. Der Stein der Stadt fing sie auf und ließ ihr Echo zwischen den Mauern spielen – ein endlos langer Widerhall des Grauens.

»Ich muß herausfinden, was sie ist«, wisperte Pe Ell in dem jetzt überflüssigen Versuch, etwas zu erklären, doch unfähig, irgend etwas anderes zu tun, verwundert, daß er so töricht gewesen war, so viel preiszugeben, wissend, daß sie ihn jetzt nie mehr entkommen lassen würden. Hatte er tatsächlich die Kontrolle so sehr verloren? »Ich muß sie töten«, wiederholte er rauh und verbiestert. »So funktioniert die Magie. Sie enthüllt alle Wahrheiten. Indem sie Leben nimmt, gibt sie Leben. Mir. Sobald der Mord vollzogen ist, wird Quickening mein sein. Für immer.«

Keiner sagte etwas. Das Geständnis des Mörders machte sie sprachlos. Schließlich sagte Morgan Leah langsam und bedächtig: »Sei nicht dumm, Pe Ell. Du kannst uns nicht allen entkommen. Gib sie frei.«

Was dann passierte, war nie ganz klar. Es gab eine Art Explosion von zersplittertem Gestein, als der Malmschlund irgendwo in der Stadt nahe der Kuppel, in der der Steinkönig sich versteckte, aus dem Boden hervorbrach und zwischen den Häusern himmelwärts schoß. Das Monster stieg vor dem diesigen Nebel wie ein aufgedunsener Wurm in die Höhe und schnaufte, als schnappe es nach Luft, als sei ihm der Atem weggeblieben. Pe Ell schrak zusammen, fühlte, wie der Boden so heftig bebte, als würde ganz Eldwist auseinandergerissen.

In dem Augenblick befreite sich Quickening, schlüpfte aus seiner Umklammerung, als sei sie nichts als Luft. Sie wandte sich zu ihm um, rannte nicht davon, sondern blieb direkt vor ihm stehen, und ihre Hände packten den Arm, der den Stiehl umklammerte. Ihre schwarzen Augen fesselten ihn, als sei er in Ketten gelegt. Er konnte sich nicht bewegen; er stand nur wie angewurzelt da. Er sah die Symmetrie ihres Gesichts und ihres Körpers, als nehme er sie zum ersten Mal wahr; er bewunderte ihre Perfektion, ihre Schönheit, die nicht nur an der Oberfläche ihrer wunderbaren Gestalt lag, sondern bis in die tiefsten Tiefen reichte. Er fühlte, wie sie sich auf ihn zu bewegte – oder war er es? Was geschah? Er sah, wie sich ihr Mund voller Überraschung, Schmerz und Erleichterung öffnete.

Da schaute er hinunter und sah, daß der Stiehl bis zum Heft in ihrem Leib steckte, daß die Klinge in ihren Körper gedrungen war. Er konnte sich nicht erinnern, sie erstochen zu haben, aber irgendwie war es geschehen. Verwirrung und Fassungslosigkeit übermannten ihn. Wie war das passiert? Was war mit seinem Plan, sie zu töten, wo und wann er wollte? Was war mit seiner Absicht, den Augenblick ihres Sterbens voll auszukosten? Er schaute hastig in ihre Augen, hoffend, er könne einen Blick auf das erhaschen, was dort gefangen war und jetzt freigesetzt würde, begierig, ihre Magie einzufangen. Er schaute, und was er sah, erfüllte ihn mit Grauen.

Pe Ell schrie. Und als wolle er verbergen, was er entdeckt hatte, stach er wieder und wieder zu, jedesmal mit dem vergeblichen, wahnsinnigen Versuch zu leugnen, was er sah. Quickenings Körper zuckte jedesmal, doch ihr Blick blieb fest, und die Visionen, die aus ihren Augen strahlten, blieben unverändert.

Pe Ell verstand schließlich, und mit dem Verstehen kam das Entsetzen, gegen das er sich nicht wehren konnte. Seine Gedanken brachen zusammen und stürzten in einen Sumpf der Verzweiflung. Er riß sich von dem Mädchen los und sah zu, wie sie langsam zu Boden sank, ohne daß ihre Augen ihn losließen. Er war sich bewußt, daß Morgan wütend brüllte, daß Walker Boh herbeigerannt kam und daß Horner Dees von hinten auf ihn zuraste. Sie waren unwichtig. Nur das Mädchen zählte. Er wich zurück, zitterte unter einer Kälte, die ihn an Ort und Stelle festzufrieren drohte. Alles, was er erhofft hatte, war ihm genommen worden. Alles, was er sich ersehnt hatte, war verloren.

Was habe ich getan? Er wirbelte herum und begann zu rennen. Die eisige Kälte wurde plötzlich zu Feuer, aber die Worte summten in seinem Kopf herum, ein Hornissennest mit spitzen, gierigen Stacheln.

Was habe ich getan?

Er schoß mit einer Geschwindigkeit, die aus Angst und Verzweiflung geboren war, an Horner Dees vorbei, und er war so schnell an ihm vorbei, daß der alte Fährtensucher keine Gelegenheit hatte, ihn abzufangen. Die steinerne Straße bebte und wackelte und war glitschig vom Regen, doch nichts konnte seine Flucht mehr bremsen. Diesiggraues Dämmerlicht umfing ihn wie ein freudloser Umhang, und er schrumpfte zu einer winzigen Gestalt zwischen den alten Häusern der Stadt zusammen, ein Fünkchen Leben, gefangen in einem Netz von Magie, weit älter und weit grausamer als seine eigene. Er sah Quickenings Gesicht vor sich. Er fühlte ihren Blick, als der Stiehl in ihren Körper drang. Er hörte ihren Seufzer der Erleichterung.

Pe Ell flüchtete aus Eldwist wie ein Besessener.

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