30. Kapitel

Outpost ist keine große Sache. Das Zentralgestirn des Systems ist ein Stern vom Typ G 8, der auf der Skala der sonnenähnlichen Sterne ziemlich weit unten sitzt.

(Sol ist ein G2.) So ist es dort merklich kühler als bei uns. Der Stern selbst ist aber nicht so wichtig, solange er ein Sol-Typ (G-Typ) ist. (Eines Tages kann man Kolonien vielleicht auch im Licht anderer SternTypen ansiedeln, doch zunächst erscheint es logisch sich an Himmelskörper zu halten, deren spektrale Aufteilung zum menschlichen Auge paßt und nicht zuviel tödliche Strahlung enthält — mit diesen Worten zitiere ich Jerry. Jedenfalls gibt es noch über vierhundert G-Sterne, die von der Erde weiter entfernt sind als das Sternenreich — behauptet Jaime Lopez —, und das dürfte uns noch für etliche Jahre Beschäftigung sichern.)

Aber stellen Sie sich mal einen Stern vom G-Typ vor. Dann brauchen Sie einen Planeten, der in der richtigen Entfernung dazu steht, damit es warm sein kann, aber nicht zu wann. Als nächstes müßte die Oberflächenschwerkraft stark genug sein, um die Atmosphäre sicher an den Planeten zu binden. Diese Atmosphäre muß gründlich durchgekocht worden sein in Verbindung mit dem sich entwickelnden Leben, lange genug, um Luft zu bieten, die für Lebensformen, wie wir sie kennen, atembar ist. (Lebensformen, wie wir sie nicht kennen, sind ein faszinierendes Thema, haben aber nichts mit dem Thema Kolonisierung zu tun. Jedenfalls nicht diese Woche. Ebensowenig sprechen wir über Kolonien aus LebendigenArtefakten oder Kyborgs. Es geht hier um Kolonien von Leuten aus Dallas oder Taschkent.)

Outpost kommt so gerade noch in Frage. Er ist gewissermaßen ein armer Verwandter der Erde. In Meereshöhe ist der Sauerstoff so knapp, daß man sich langsam bewegen muß, als befände man sich oben auf einer Bergspitze. Der Planet ist so weit von seiner Sonne entfernt, daß es nur zwei Arten von Wetter gibt — Kälte und Frost. Die Planetenachse steht beinahe senkrecht; die Jahreszeiten leiten sich allein von einer exzentrischen Umlaufbahn her — man zieht also im Winter nicht nach Süden, weil der Winter zu einem kommt, egal, wo man sich aufhält. Etwa zwanzig Grad beiderseits des Äquators gibt es eine Art Erntesaison, der Winter aber ist — natürlich — viel länger als der Sommer. Dieses „natürlich“ bezieht sich auf das Keplersche Gesetz über Bahnvektoren und gleiche Flächen. (Diese Informationen habe ich größtenteils aus dem Täglichen Forward abgeschrieben.)

Als die Siegespreise ausgegeben wurden, blieb Outpost unberücksichtigt.

Trotzdem legte ich großen Wert darauf, diese Welt zu sehen.

Warum? Weil ich nie weiter von zu Hause entfernt gewesen war als bis Luna — und Luna ist beinahe zu Hause. Outpost liegt mehr als vierzig Lichtjahre von der Erde entfernt. Wissen Sie, wie viele Kilometer das sind? (Ich wußte es auch nicht.) Hier ist die Zahl:

300 000 × 40,7 × 31 557 600 (so viele Sekunden hat nämlich ein durchschnittliches Jahr) = 385 318 296 000 000 Kilometer.

Runden wir’s auf! Vierhundert Millionen Millionen Kilometer.Nach dem Bordzeitplan würden wir die Stationäre Umlaufbahn (einen 22,1-stündigen Umlauf, denn so lang ist ein Tag auf Outpost) um 0247 erreichen, anschließend sollte früh am Morgen (Schiffszeit „Morgen“) um null-dreihundert das SteuerbordLandeboot ablegen. Nur wenige hatten sich für diesen Ausflug einschreiben lassen — der gar kein richtiger Ausflug sein würde, da kein Passagier den Planeten betreten durfte —, denn die Mittelwache ist bei den meisten Passagieren keine allzu beliebte Zeit.

Ich hätte aber eher Armaggedon verschlafen.

Ziemlich früh verließ ich eine fröhliche Feier und ging um 2200 Uhr zu Bett, um vor dem Aufstehen doch noch einige Stunden Schlaf aufzutanken. Um zwei Uhr stand ich auf und verschwand in meinem Badezimmer, wobei ich die Tür hinter mir verriegelte — wenn ich das nicht mache, folgt mir Shizuko dichtauf auch in diesen Raum; das erfuhr ich während des ersten Tages an Bord. Als ich erwachte, war sie angezogen und auf den Beinen.

… verriegelte die Tür hinter mir und mußte mich übergeben.

Dies überraschte mich. Ich bin gegenüber der Seekrankheit nicht völlig immun, auf dieser Reise aber hatte ich noch keine Probleme gehabt. Das Auf und Ab am Bohnenstengel ist das reinste Gift für meinen Magen und führt zu stundenlangen Störungen. An Bord der Forward hatte ich bisher nur einen Ruck gespürt, als wir in den Hyperraum warpten, und dann gestern abend kurz vor dem Abendessen, als wir in den Normalraum zurücktauchten. Die Brücke hatte uns aber im voraus darauf aufmerksam gemacht.

War die (künstliche) Schwerkraft jetzt gleichmäßig? Ich wußte es nicht zu sagen. Mir war einigermaßen schwindlig zumute, was aber auch eine Nachwirkung der eben überstandenen Minuten sein konnte, in denen ich mich so gründlich übergeben hatte, als hätte ich eben eine Fahrt in einer der vorverdammten Bohnenstengelkapseln hinter mir.

Ich spülte mir den Mund aus, putzte die Zähne ohne Zahnputzmittel, spülte noch einmal nach und sagte dann zu mir: „Freitag, das war eben nur dein Frühstück; du wirst dich nicht durch deinen überraschend auftretenden Bohnenstengelmagen von dem Flug nach Outpost abhalten lassen! Außerdem hast du zwei Kilogramm zugenommen, und es wird Zeit die Kalorien etwas zurückzunehmen.“

Nachdem ich meinem Magen auf diese Weise gut zugeredet und anschließend meine Gedankenkontrolle auf das Problem angesetzt hatte, verließ ich das Badezimmer, ließ mir von Tilly-Shizuko in einen dikken Einteiler helfen und machte mich auf dem Weg zur Luftschleuse für das Steuerbord-Landungsboot dichtauf gefolgt von Shizuko, die für jeden von uns einen dicken Mantel über dem Arm trug. Zuerst hatte ich Shizuko eher freundlich behandelt, doch als ich ihre wahre Rolle erahnte und schließlich darüber die Bestätigung erhielt, schaltete ich auf Zurückhaltung.

Das war sicher kleinkariert von mir. Eine Spionin aber hat kein Anrecht auf das freundliche Entgegenkommen, das eine Dienerin beanspruchen kann. Ich war nicht grob zu ihr; ich ignorierte sie lediglich weitgehend. Heute früh war ich ohnehin nicht in gesprächiger Stimmung.

Mr. Woo, Assistent des Zahlmeisters und zuständig für Bodenausflüge, stand mit einem Klemmbrettam Eingang zur Schleuse. „Miß Freitag, Ihr Name steht nicht auf der Liste.“

„Ich habe mich aber eintragen lassen. Schreiben Sie mich dazu, sonst können Sie gleich den Kapitän anrufen.“

„Das geht nicht.“

„Ach? Dann werde ich hier mitten in der Schleuse in den Sitzstreik treten. Mir gefällt das nicht, Mr.

Woo. Wenn Sie andeuten wollen, daß ich eigentlich nicht hier sein dürfte, nur weil sich jemand im Büro geirrt hat, würde ich noch böser reagieren.“

„Hmm. Ich nehme an, es ist ein Irrtum. Wir haben nicht mehr viel Zeit. Warum setzen Sie sich nicht und lassen sich zu einem Sitz führen? Ich versuche dann die Sache zu regeln, nachdem ich die anderen Leute in Empfang genommen habe.“

Er erhob keine Widerrede, als Shizuko mir an Bord folgte. Wir gingen bugwärts durch einen langen Gang — sogar die Landeboote der Forward sind riesig. Dabei orientierten wir uns nach kleinen Pfeilen mit der Aufschrift „Zur Brücke“. Schließlich erreichten wir einen ziemlich großen Raum, der etwa dem Innern eines Omnibus-AAF nachgebildet war; vorn doppelte Kontrollen, dahinter Sitze für die Passagiere, eine riesige Panoramascheibe — und zum erstenmal seit Verlassen der Erde bekam ich „Sonnenschein“ zu sehen.

Es war das Licht von Outposts Sonne, die weiter vorn eine weiße, sehr weiße Planetenkrümmung bestrahlte, hinter der sich ein schwarzer Himmel auftürmte. Das Zentralgestirn selbst war nicht in Sicht.

Shizuko und ich suchten uns freie Plätze und legten die Sicherheitsgurte an — die fünffache Verschnürung die auch an Bord von SBR gebräuchlich war. Da ichwußte, daß wir per Antigrav fliegen würden, wollte ich es mit dem Beckengurt bewenden lassen. Mein kleiner Schatten aber fummelte zungeschnalzend an mir herum und machte alles fest.

Nach einiger Zeit eilte Mr. Woo suchenden Blickes in die Kabine und entdeckte mich. Er beugte sich über den Mann, der zwischen mir und dem Mittelgang saß, und sagte: „Miß Freitag, es tut mir leid aber Sie stehen noch immer nicht auf der Liste.“

„Ach? Was hat der Kapitän denn gesagt?“

„Ich konnte ihn nicht erreichen.“

„Na, da haben Sie ja Ihre Antwort. Ich bleibe.“

„Tut mir leid. Nein.“

„Wirklich? Welches Ende wollen Sie tragen? Und wer hilft Ihnen, mich rauszuschleppen? Sie werden mich fortzerren müssen, und ich warne Sie, ich werde um mich treten und laut schreien!“

„Miß Freitag, das geht doch nicht!“

Der Passagier neben mir sagte: „Junger Mann, machen Sie sich hier zum Narren oder was? Diese junge Dame ist Passagier der Ersten Klasse; ich habe sie im Speisesaal des öfteren gesehen, sogar am Tisch des Kapitäns. Jetzt nehmen Sie Ihr dummes Klemmbrett vor meinem Gesicht weg und suchen Sie sich eine andere Beschäftigung! Klar?“

Mit besorgtem Gesicht — Zahlmeisterassistenten scheinen immer nur Sorgen zu haben — entfernte sich Mr. Woo. Nach einer Weile ging das rote Licht an, die Sirene erklang, und eine laute Stimme sagte: „Wir verlassen die Umlaufbahn! Bitte seien Sie auf ruckartige Gewichtsveränderungen gefaßt!“

Ich verbrachte einen schlimmen Tag.

Drei Stunden für den Flug zur Oberfläche, zweiStunden unten und drei Stunden für den Flug zurück in die stationäre Umlaufbahn — auf dem Hinflug wurden wir mit Musik unterhalten und einem erstaunlich langweiligen Vortrag über Outpost; auf dem Rückflug beschränkte man sich auf die Musik was schon besser war. Die beiden Stunden am Boden hätten ganz nett sein können, wenn man uns gestattet hätte, das Landefahrzeug zu verlassen. Aber wir mußten an Bord bleiben. Man erlaubte uns, die Gurte abzulegen und nach achtern in den sogenannten Salon zu gehen, in Wirklichkeit ein kleines Eckchen mit einer Kaffee- und Sandwich-Bar auf der Backbordseite und Sichtluken nach hinten. Durch diese Fenster konnte man sehen, wie vom Unterdeck aus die Auswanderer das Schiff verließen und die Fracht ausgeladen wurde.

Niedrige Berge, die mit Schnee bedeckt waren … im Mittelgrund verkümmert aussehende Gewächse … unweit des Schiffes niedrige Gebäude, die durch Schneegänge miteinander verbunden waren … Die Einwanderer waren dick vermummt und strebten eilig auf die Gebäude zu. Die Fracht wurde auf einen Zug aus flachen Transportwagen verladen, gezogen von einer Art Maschine, die schwarze Rauchwolken ausstieß … solche Dinge sieht man sonst nur in Geschichtsbüchern für Kinder! Dies aber war kein Bild.

Ich hörte, wie eine Frau zu ihrem Begleiter sagte:

„Wie kann sich nur jemand hier niederlassen wollen?“

Ihr Begleiter äußerte sich fromm über „Gottes Wille“, und ich rückte von den beiden ab. Wie kann nur jemand siebzig Jahre alt werden (sie war mindestens so alt), ohne zu wissen, daß man sich nicht auf Out-post niederlassen „will“ — außer in dem begrenzten Sinne, daß man „gewillt“ ist, die Ausweisung dorthin als einzige Alternative zum Tod oder eine lebenslängliche Haftstrafe hinzunehmen.

Da mein Magen noch immer nicht in Ordnung war wagte ich mich nicht an die belegten Brote, hoffte aber, daß eine Tasse Kaffee mir über den Berg helfen würde — bis mir der Geruch in die Nase stieg. Daraufhin marschierte ich so schnell ich konnte zu den Toiletten, die vor dem Salon lagen, und verdiente mir den Titel einer „eisernen Freitag“, einen Titel, von dem nur ich etwas wußte, denn alle Kabinen waren besetzt, und ich mußte warten — und ich wartete, mit fest geschlossenem Mund. Nach einem oder zwei Jahrhunderten öffnete sich eine Tür, und ich stürzte hinein und übergab mich erneut. Viel kam nicht dabei heraus — aber der Kaffeegeruch war zuviel gewesen.

Der Rückflug schien endlos zu sein.

Sobald ich an Bord der Forward zurückgekehrt war rief ich meinen Freund Jerry Madsen an, den JuniorSanitätsoffzier, und bat um einen Sprechstundentermin. Nach den allgemein geltenden Vorschriften steht die medizinische Abteilung den Passagieren um null-neunhundert jeden Morgen zur Verfügung und gibt sich zu anderen Zeiten nur mit Notfällen ab. Ich wußte aber, daß Jerry mich gern empfangen würde unter welchem Vorwand auch immer. Ich sagte ihm gleich, daß es nichts Ernstes sei ich wollte nur ein paar von den Tabletten verschrieben haben, die er alten Damen mit schwachen Mägen verordnete — Mittel gegen die Seekrankheit. Er bat mich, zu ihm ins Büro zu kommen.Anstatt mir die Pillen gleich in die Hand zu drükken, führte er mich in ein Behandlungszimmer und schloß die Tür. „Miß Freitag, soll ich eine Schwester holen lassen? Oder möchten Sie sich lieber von einer Ärztin untersuchen lassen? Ich kann Dr. Garcia rufen aber ich würde sie nur ungern wecken, denn sie war den größten Teil der Nacht auf den Beinen.“

„Jerry, was soll das?“ fragte ich. „Seit wann nennen Sie mich nicht mehr ›Marjorie‹? Und wozu die protokollarische Förmlichkeit? Ich brauche nichts weiter als eine Handvoll Tabletten gegen die Seekrankheit.

Die kleinen rosa Dinger.“

„Setzen Sie sich bitte. Miß Freitag — na schön, Marjorie — wir verschreiben dieses oder ähnliche Mittel jungen Frauen — um genau zu sein: Frauen, die im geburtsfähigen Alter sind — erst, wenn wir uns vorher überzeugt haben, daß sie nicht schwanger sind. Es könnte zu Entstellungen des Kindes führen.“

„Oh. Beruhigen Sie sich, Schätzchen! Ich bin nicht schwanger.“

„Das wollen wir ja herausfinden, Marj. Wenn Sie schwanger sind — oder es werden —, haben wir andere Mittel zur Verfügung, die Ihnen Linderung verschaffen.“

Ach so! Der liebe Kerl wollte mich gut versorgt sehen. „Großer Häuptling, wenn ich Ihnen nun auf meine Pfadfinderehre versichere, daß ich während der letzten beiden Perioden nicht das geringste angestellt habe? Obwohl es durchaus interessierte Kandidaten gegeben hat. Sie eingeschlossen.“

„Nun, ich würde antworten: ›Nehmen Sie dieses Gefäß und beschaffen Sie mir eine Urinprobe, außerdem eine Speichelprobe.‹ Ich hatte schon öfter mitFrauen zu tun, die ›gar nichts gemacht‹ hatten.“

„Sie sind ein Zyniker, Jerry!“

„Ich versuche Sie nur gut zu verarzten, meine Liebe.“

„Das weiß ich doch, Sie Schatz. Na schön, ich mache den Unsinn mit. Wenn die Maus tatsächlich brüllen sollte, können Sie den exilierten Papst verständigen, daß es endlich doch passiert ist, und ich gebe Ihnen eine Flasche Champagner aus. Ich stehe aber in der längsten Dürreperiode meines Lebens.“

Jerry nahm die benötigten Proben und stellte allerlei andere Versuche an, gab mir eine blaue Tablette die ich vor dem Abendessen einnehmen sollte, und eine gelbe Pille fürs Einschlafen und eine zweite blaue Pille für die Vorbereitung auf das Frühstück.

„Diese Dinger sind nicht ganz so stark wie das Mittel das Sie von mir haben wollten, aber sie werden ihre Wirkung haben und nicht dazu führen, daß dem Kind die Füße nach hinten stehen oder so. Ich rufe Sie morgen früh an, sobald ich mit der Sprechstunde durch bin.“

„Ich dachte, auf das Ergebnis eines Schwangerschaftstests könnte man heute warten?“

„Nun hauen Sie aber ab! Ihre Urgroßmutter bekam die Wahrheit über ihren Zustand heraus, als ihr der Gürtel zu eng wurde. Sie sind verdorben! Drücken Sie uns die Daumen, daß ich den Test nicht ein zweitesmal machen muß.“

Ich dankte ihm und gab ihm einen Kuß — ein Vorstoß, dem er auszuweichen versuchte, allerdings nicht allzu energisch. Jerry ist ein Schatz.

Die blauen Tabletten ließen mich Abendessen und Frühstück ohne Zwischenfälle überstehen.Nach dem Frühstück blieb ich in der Kabine. Zur angekündigten Zeit meldete sich Jerry. „Halten Sie sich fest, Marj! Sie schulden mir eine Flasche Champagner.“

„Was?“ Dann sprach ich leiser, damit Tilly nicht alles mitbekam. „Jerry, Sie müssen den Verstand verloren haben!“

„Aber ja doch“, stimmte er zu. „Aber das ist in meinem Beruf kein Nachteil. Kommen Sie bei mir vorbei, dann sprechen wir darüber, wie es nun weitergeht! Wie wär’s um vierzehn?“

„Ich möchte gleich kommen. Ich muß mit dem Kaninchen sprechen!“

Jerry überzeugte mich. Er beschrieb mir sämtliche Einzelheiten und führte mir vor, wie die Tests durchgeführt wurden. Wunder sind immer mal wieder möglich — ich war eindeutig schwanger. Deshalb also waren meine Brüste in letzter Zeit so empfindlich gewesen. Er reichte mir schließlich eine kleine Broschüre, in der in allen Einzelheiten aufgeführt war was ich nun tun, zu essen und zu trinken hatte, wie ich mich baden mußte, was ich vermeiden sollte und erwarten konnte, und alle möglichen anderen langweiligen Dinge. Ich dankte ihm, ergriff die Broschüre und ging. Keiner von uns kam auf die Möglichkeit einer Abtreibung zu sprechen, und er verzichtete auf Seitenhiebe über Frauen, die „absolut nichts gemacht“ hatten.

Nur stimmte das wirklich. Burt war der letzte gewesen, und das war inzwischen zwei Perioden her.

Außerdem war ich bei meiner ersten Periode chirurgisch unfruchtbar gemacht worden und hatte bei meinem ziemlich lebhaften gesellschaftlichen Lebennie ein Verhütungsmittel genommen. All die vielen hundertmal — und jetzt plötzlich soll ich schwanger sein?!

Ich bin kein totaler Dummkopf. Nachdem ich mich auf die Tatsachen eingestellt hatte, führte mich die alte Sherlock-Holmes-Regel natürlich zum Zeitpunkt und Ort und zum Ablauf der Ereignisse. Kaum war ich in Kabine BB zurückgekehrt, begab ich mich ins Badezimmer, verschloß die Tür, zog mich aus und legte mich auf den Boden. Beide Hände preßte ich um den Bauchnabel, spannte die Muskeln an und drückte.

Eine kleine Nylonkugel sprang heraus, und ich griff danach.

Sorgfältig untersuchte ich das Gebilde. Kein Zweifel: dies war dasselbe Kügelchen, das ich seit dem chirurgischen „Einbau“ der Tasche getragen hatte, sofern ich nicht etwas Geheimes darin beförderte. Kein Behälter für eine Eizelle, die in Stasis versetzt worden war, überhaupt kein Behältnis — eine kleine, formlose durchscheinende Kugel. Ich betrachtete sie noch einmal von allen Seiten und schob sie wieder hinein.

Man hatte mich also belogen. Ich hatte mich damals schon gefragt, was es mit der „Stasis“ auf sich haben könnte, die unter normaler Körpertemperatur aufrechterhalten werden sollte, denn als einzige Einschläferung für lebendiges Gewebe war mir der Weg durch die kryogenischen Temperaturen bekannt flüssiger Stickstoff oder tiefer.

Aber das war Mr. Sikmaas Problem, außerdem bin ich ja keine Biophysikerin — wenn er auf seine Wissenschaftler vertraute, stand es mir nicht an, Zweifel zu äußern. Ich war Kurier; meine Verantwortung be-schränkte sich darauf, die Sendung ans Ziel zu bringen.

Welche Sendung? Freitag, das weißt du doch ganz genau! Nicht die Sendung in deiner Nabeltasche sondern die, die sich etwa zehn Zentimeter weiter drinnen befindet. Die dir eines Abends in Florida eingepflanzt wurde, als du in tiefe Bewußtlosigkeit versetzt worden warst. Eine Sendung, die man erst nach neun Monaten wieder loswird. Damit verschieben sich deine Pläne, die Große Tour zu vollenden, wie?

Wenn dieser Fötus das ist, was er unzweifelhaft ist wird man dich erst wieder aus dem Sternenreich herauslassen, wenn alles vorüber ist.

Wenn man eine Mietmutter brauchte, warum hatte man das nicht gleich gesagt, zur Hölle! Ich hätte mich doch vernünftigen Argumenten nicht verschlossen!

Moment mal! Die Thronerbin muß dieses Kind zur Welt bringen. Darum geht doch das ganze Hin und Her. Ein Erbe für den Thron, frei von allen angeborenen Mängeln, ein Sohn der Thronerbin — eindeutig ein Kind der Thronerbin, geboren in der Gegenwart von etwa vier Hofärzten und drei Krankenschwestern und einem Dutzend Sachwaltern des Hofes — und nicht von dir geboren, du hirnrissige KP mit deiner falschen Geburtsurkunde! Kapierst du endlich?

Was mich auf das ursprünglich vorgesehene Drehbuch zurückbrachte — mit einer kleinen Abänderung:

Miß Marjorie Freitag, wohlhabende Touristin, geht im Sternenreich an Land, um sich die Pracht der Reichshauptstadt anzusehen — zieht sich eine schlimme Erkältung zu und muß ins Krankenhaus eingeliefert werden. Und die Thronerbin wird ins gleiche Krankenhaus gebracht und … nein, Moment! Würde dieThronerbin sich zu etwas so Plebejischem herablassen, wie Patienten in einem für Touristen zugänglichen Krankenhaus zu werden?

Na, dann versuchen wir mal diese Variante: Du kommst mit einer schlimmen Erkältung ins Krankenhaus — wie oben. Gegen drei Uhr früh wirst du auf einer Bahre durch die Hintertür hinausgefahren, ein Tuch über dem Kopf. Das Ziel ist der Palast. Wie bald wird das passieren? Wie lange brauchen die Palastärzte, um die königliche Körperchemie zur Empfänglichkeit für den Embryo zu bringen? Ach, vergiß es, Freitag; du weißt es nicht und mußt es auch gar nicht wissen! Wenn sie bereit ist, werdet ihr beide auf Operationstische gelegt, die Beine werden gespreizt und der Embryo wird dir entnommen und ihr eingesetzt, solange er noch klein ist und die Verpflanzung keine Mühe bereitet.

Dann bekommst du dein tolles Honorar und reist wieder ab. Wird der Erste Bürger dir danken? Wahrscheinlich nicht persönlich. Aber möglicherweise inkognito, falls … Gib es auf, Freitag! Gerate nicht ins Träumen, du weißt es doch besser! Während der Grundausbildung hatte der Chef einmal einen Orientierungsvortrag gehalten und dabei klar geäußert:

„Bei solchen Missionen besteht der Pferdefuß darin, daß dem ausführenden Agenten nach dem erfolgreichen Abschluß meistens etwas Drastisches widerfährt, etwas, das ihn ein für allemal davon abhält, den Mund aufzumachen.

Folglich sollten Sie diese Art von Auftrag meiden, egal wie attraktiv das angebotene Honorar ist …“

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