28. Kapitel

Auf dem Schild an der Tür stand nur: „Finder Inc.“ und der Zusatz: „Spezialisten für Weltall-Probleme“.

Ich trat ein, und eine lebendige Empfangsdame sagte:

„Der Job ist längst besetzt, Schätzchen; ich habe ihn.“

„Da frage ich mich doch, wie lange Sie ihn behalten werden. Ich bin mit Mr. Mosby verabredet.“

Sie musterte mich von Kopf bis Fuß. „Call-Girl?“

„Vielen Dank. Wo lassen Sie Ihr Haar färben? Hören Sie, ich bin vom Las-Vegas-Büro der HyperSpaceLinien geschickt worden. Jede Sekunde kostet Ihren Chef weitere Braune. Ich bin Freitag Jones. Melden Sie mich an!“

„Sie machen Witze.“ Sie fummelte an ihrer Konsole herum und sprach in einen Telefonhörer. Ich streckte die Lauscher aus. „Frankie, hier draußen ist ’ne flotte Puppe, die sagt, sie hätt ’ne Verabredung mit dir.

Sagt, sie käme von Hypo in Vegas.“

„Verdammt, ich habe dir schon oft gesagt, du sollst mich während der Arbeit nicht so nennen! Schick sie rein!“

„Ich glaube nicht, daß sie von Fawcett kommt.

Hintergehst du mich etwa?“

„Halt den Mund und schick sie rein!“

Sie schob das Telefon zur Seite. „Setzen Sie sich ein Weilchen. Mr. Mosby hat gerade Besuch. Ich gebe Ihnen Bescheid, sobald er frei ist.“

„Das hat er Ihnen aber nicht gesagt.“

„Was? Na, was wissen Sie denn schon?“

„Er hat Ihnen gesagt, Sie sollen ihn während der Arbeit nicht ›Frankie‹ nennen und mich reinschicken.Ich gehe also rein. Melden Sie mich an!“

Mosby schien etwa fünfzig zu sein, versuchte aber als Fünfunddreißigjähriger durchzugehen. Er präsentierte eine teure Sonnenbräune, teure Kleidung ein breites Zahnpastalächeln und kalte Augen. Er deutete auf den Besucherstuhl. „Wo bleiben Sie denn?

Ich habe Fawcett gesagt, ich wollte Sie noch vor zwölf Uhr sprechen.“

Ich warf einen Blick auf meinen Finger, dann auf die Schreibtischuhr. Zwölf-null-vier. „Ich habe vierhundertundfünfzig Kilometer hinter mir, außerdem eine Fahrt im Shuttle quer durch die Stadt. Abgefahren bin ich um elf Uhr. Soll ich zurückfahren und sehen, ob ich es schneller schaffe? Oder kommen wir endlich zur Sache?“

„Ich habe Fawcett angewiesen, dafür zu sorgen daß Sie die 10-Uhr-Abfahrt noch erwischen. Also gut.

Wie man mir gesagt hat, brauchen Sie einen Job.“

„Ich bin nicht scharf drauf. Mir hat man gesagt, Sie brauchen einen Kurier für eine Fahrt ins Weltall.“ Ich zog ein Exemplar meines Lebenslaufs hervor und reichte es ihm. „Hier ist meine Eignung dokumentiert. Schauen Sie sich das an! Wenn ich dem entspreche, was Sie sich vorgestellt haben, können Sie mir von der Sache erzählen. Ich höre zu und sage Ihnen dann, ob ich interessiert bin oder nicht.“

Er schaute sich das Blatt an. „Den vorliegenden Berichten zufolge sind Sie doch auf einen Job hungrig.“

„Ich bin hungrig nur soweit es das Mittagessen betrifft. Meine Honorare stehen auf dem Blatt. Die sind natürlich Verhandlungssache — aber nur nach oben.“

„Sie scheinen sich Ihrer Sache ziemlich sicher zu sein.“ Wieder betrachtete er meine Vita. „Wie geht esdenn dem Eisenbauch so?“

„Wem?“

„Hier steht, Sie hätten für ›System Enterprises‹ gearbeitet. Und ich habe Sie gefragt, wie es ›Eisenbauch‹ geht. Eisenbauch Baldwin.“

(War dies ein Test? Waren die Ereignisse seit dem Frühstück sorgfältig darauf angelegt gewesen, mir die Beherrschung zu rauben? Wenn das der Fall war dann bestand die einzige Antwort darin, auf keinen Fall die Beherrschung zu verlieren.) „Der Vorsitzende von System Enterprises war Dr. Hartley Baldwin. Ich habe noch nie gehört, daß er ›Eisenbauch‹ genannt wurde.“

„Es kann schon stimmen, daß er eine Art Doktorgrad hat. In der Branche heißt er aber allgemein nur ›Eisenbauch‹. Ich habe mich nach seinem Befinden erkundigt.“

(Vorsicht, Freitag!) „Er ist tot.“

„Ja, das weiß ich. Ich wollte nur wissen, ob Ihnen das auch bekannt war. In unserem Geschäft stößt man immer wieder auf Täuscher. Na schön, jetzt zeigen Sie mir mal Ihre hübsche Beuteltasche.“

„Wie bitte?“

„Hören Sie, ich hab’s eilig! Zeigen Sie mir Ihren Bauchnabel!“

(Wo war die Sache durchgesickert? Äh … nein, die Bande wurde total liquidiert. Restlos — jedenfalls hatte der Chef das angenommen. Was nicht heißen will, daß die Information nicht von dort weitergegeben wurde, ehe wir zuschlugen. Egal … die Sache ist heraus — und damit hatte der Chef gerechnet.) „Frankie, mein Junge, wenn Sie mit mir bauchschnäbeln wollen, sollten Sie sich vorher klar machen, daß dieBleichblonde aus Ihrem Vorzimmer mithört und bestimmt auch alles aufzeichnet.“

„O nein, sie hört nicht mit. In dieser Beziehung hat sie ihre Anweisungen.“

„Anweisungen, die sie so ausführt wie Ihre Bitte Sie während der Geschäftszeit nicht ›Frankie‹ zu nennen. Hören Sie, Mr. Mosby, Sie haben damit begonnen, über geheime Dinge mit mir zu sprechen, als das Umfeld ringsum noch nicht abgesichert war.

Wenn sie an unserer Konferenz teilnehmen soll, holen Sie sie rein. Wenn nicht, sollte sie ganz aus der Leitung verschwinden. Einen weiteren Bruch der Geheimhaltung aber sollten wir nicht mehr zulassen.“

Er trommelte mit den Fingern auf dem Tisch herum, stand abrupt auf und verschwand in seinem Vorzimmer. Die Tür war nicht völlig schalldicht; ich hörte gedämpfte Stimmen, die sehr ärgerlich klangen.

Mit verkniffenem Gesicht kehrte er zurück. „Sie ist zum Mittagessen gegangen. Und jetzt wollen wir nicht länger um den heißen Brei herumreden. Wenn Sie wirklich die sind, als die Sie sich ausgeben, Freitag Jones, auch als Marjorie Baldwin bekannt, früherer Kurier für Eisen … für Dr. Baldwin, Generaldirektor von System Enterprises, haben Sie hinter Ihrem Nabel eine chirurgisch eingearbeitete Transporttasche. Zeigen Sie sie mir doch! Beweisen Sie Ihre Identität!“

Ich überlegte mir seine Forderung. Ich konnte ihm nicht verdenken, daß er eine Bestätigung über meine Identität haben wollte. Fingerabdrücke sind da eher ein Witz, jedenfalls in der Branche. Auf jeden Fall hatte sich das Geheimnis meiner Nabeltasche herumgesprochen, so wie es der Chef vorausgesehen hatte.Man konnte sie nie wieder im Ernstfall einsetzen — außer jetzt, da Sie mir helfen konnte, zu beweisen daß ich ich war. „Mr. Mosby, Sie haben einen Kilobuck bezahlt, um mit mir zu sprechen.“

„Und ob! Bisher habe ich aber nicht viel von Ihnen gehabt.“

„Tut mir leid. Bisher hat mich noch niemand aufgefordert, meinen umgestalteten Bauchnabel vorzuzeigen, da es sich um ein streng gehütetes Geheimnis handelte. Das nahm ich jedenfalls an. Offensichtlich handelt es sich nicht mehr um ein Geheimnis, da Sie davon wissen. Daraus schließe ich, daß ich die Tasche für Geheimeinsätze nicht mehr benutzen kann. Wenn der Auftrag, den Sie für mich im Sinne haben, mit Hilfe der Tasche durchgeführt werden soll, empfehle ich Ihnen, sich die Sache noch einmal zu überlegen.

Ein Geheimnis, das ein klein bißchen gebrochen wurde, ist wie eine Jungfrau, die ein bißchen keine mehr ist.“

„Nun ja … ja und nein. Zeigen Sie sie mir!“

Ich zeigte sie ihm. Zwischen den Einsätzen bewahre ich in der Öffnung eine etwa einen Zentimeter dikke Nylonkugel auf, damit sie nicht schrumpft. Ich ließ das Kügelchen vor seinen Augen herausspringen und schob es wieder hinein — dann ließ ich ihn die Feststellung treffen, daß man meinen Bauchnabel nicht von einem normalen Nabel unterscheiden konnte. Er sah sich die Sache gründlich an. „Paßt ja nicht allzu viel hinein“, sagte er.

„Vielleicht möchten Sie lieber ein Känguruh nehmen?“

„Die Tasche reicht aber für unsere Zwecke — knapp.

Sie werden die wertvollste Fracht der Galaxis beför-dern, die aber nicht viel Raum in Anspruch nimmt.

Ordnen Sie Ihre Kleidung; wir gehen zum Essen und dürfen auf keinen Fall zu spät kommen.“

„Was soll das alles?“

„Ich sage es Ihnen unterwegs. Beeilen Sie sich!“

Eine Kutsche erwartete uns bereits. Hinter Beverly Hills, in den Bergen, die der Stadt den Namen geben liegt ein sehr altes Hotel, das zugleich sehr vornehm ist. Es stinkt nach Geld, ein Geruch, gegen den ich nichts habe. Zwischen Bränden und dem Großen Erdbeben ist es mehrfach wiederaufgebaut worden doch stets mit dem Ziel, unverändert auszusehen doch beim letztenmal (angeblich) mit der Maßgabe es künftig völlig brand- und erdbebensicher zu machen.

Die Fahrt, die im flotten Trab abgewickelt wurde dauerte vom Shipstone-Gebäude zum Hotel etwa zwanzig Minuten; Mosby nutzte die Zeit, um mich aufs laufende zu bringen. „Diese Fahrt ist so etwa die einzige Zeit, in der wir beide ganz sicher sein können nicht belauscht zu werden …“

(Ich fragte mich, ob er selbst daran glaubte. Schon auf den ersten Blick machte ich drei mögliche Verstecke für ein Lauschgerät aus: mein Köfferchen, seine Taschen, die Kissen der Kutsche. Abgesehen von zahlreichen anderen unauffälligen Stellen. Aber das war sein Problem. Ich hatte keine Geheimnisse.

Überhaupt keins mehr, nachdem mein Bauchnabel nun das Fenster zur Welt geworden war).

„… ich will also schnell reden. Ich gehe auf Ihre Preisvorstellungen ein. Außerdem wird es bei einwandfreier Abwicklung einen Bonus geben. Die Reisegeht von der Erde zum Sternenreich. Dafür werden Sie bezahlt; der Rückflug ist nicht mehr von Belang aber da die Flüge in beide Richtungen vier Monate in Anspruch nehmen, werden Sie natürlich für vier Monate bezahlt. Ihren Bonus kassieren Sie drüben in der Hauptstadt des Reiches. Das Gehalt … einen Monat im voraus, der Rest nach Ablauf der Zeit. Okay?“

„Okay.“ Ich mußte mir Mühe geben, nicht zu begeistert zuzustimmen. Eine Freifahrt zum Sternenreich? Mein Lieber, noch gestern wäre ich glücklich gewesen, die Reise zum Gehalt eines Schiffsjungen zu machen! „Was ist mit Spesen?“

„Da werden nicht viele anfallen. Auf den Luxusschiffen ist alles inklusive.“

„Trinkgelder, Schmiergelder, Landausflüge, Taschengeld, Bingo und andere Spielchen an Bord — als Minimum machen solche Nebenausgaben nicht weniger als fünfundzwanzig Prozent der Flugkosten aus. Wenn ich schon die reiche Touristin spielen soll muß ich mich auch dementsprechend benehmen können. So sieht doch meine Tarnung aus, oder?“

„Äh … ja, ja. Na schön, na schön — es wird sich niemand aufregen, wenn Sie ein paar Tausender ausgeben, indem Sie die Miß Neureich spielen. Schreiben Sie sich alles auf, stellen Sie es uns anschließend in Rechnung.“

„Nein. Schießen Sie mir das Geld vor! Fünfundzwanzig Prozent der Fahrtkosten. Ich werde keine Aufzeichnungen machen und mir auch keine Quittungen geben lassen, da das nicht zu meiner Rolle passen würde; Miß Neureich achtet nicht darauf wieviel sie ausgibt.“

„Schon gut! Halten Sie endlich den Mund! LassenSie mich reden! Wir sind bald am Ziel. Sie sind ein Lebendiges Artefakt.“

Den kalten Hauch hatte ich seit einiger Zeit nicht mehr gespürt. Dann nahm ich mich zusammen und beschloß, ihn für seine grobe, rücksichtslose Bemerkung zahlen zu lassen. „Wollen Sie mich absichtlich kränken?“

„Nein, nein. Nun regen Sie sich nicht gleich auf! Sie und ich wissen, daß man eine Künstliche Person auf Anhieb nicht von einer natürlichen Person unterscheiden kann. Sie werden eine modifizierte menschliche Eizelle befördern, die in Stasis versetzt worden ist. Sie werden Sie in ihrer Bauchnabeltasche transportieren, wo die beständige Temperatur und die weiche Unterbringung die Stasis fördern. Wenn Sie das Sternenreich erreichen, werden Sie eine Grippe oder etwas Ähnliches bekommen und ins Krankenhaus eingeliefert werden. Während dieses Krankenhausaufenthalts wird das Objekt aus Ihrem Bauchnabel dorthin verpflanzt, wo es seine größte Nützlichkeit entfalten kann. Sie erhalten den Bonus und verlassen das Krankenhaus wieder — in der fröhlichen Erkenntnis, daß Sie es einem jungen Paar ermöglicht haben, ein vollkommenes Kind zur Welt zu bringen nachdem mit ziemlicher Sicherheit anzunehmen war daß es mißgestaltete Nachkommen haben würde. Der Christmas-Faktor.“

Ich kam zu dem Schluß, daß seine Geschichte weitgehend stimmte. „Die Gemahlin des Dauphin.“

„Was? — Reden Sie keinen Unsinn!“

„Und es geht um weitaus mehr als nur den Christmas-Faktor, der sich bei einer Person königlichen Blutes durchaus mißachten ließe. Der Erste Bür-ger selbst macht sich Sorgen darum, da die Nachfolge diesmal durch seine Tochter weitergehen muß und nicht durch einen Sohn. Der Auftrag, über den wir hier verhandeln, ist weitaus wichtiger und gefährlicher, als Sie bisher offenbart haben — folglich geht der Preis in die Höhe.“

Die beiden wunderschönen Braunen trabten einige Meter weit den Rodeo Drive hinauf, ehe Mosby antwortete. „Also gut. Gott steh uns bei, wenn Sie den Mund aufmachen! Sie würden das nicht lange überleben. Wir erhöhen den Bonus. Und …“

„Sie werden den Bonus verdoppeln und ihn vor dem Warpen meinem Konto gutbringen. Das ist die Sorte Job, bei der die Leute gern vergeßlich sind wenn alles getan ist.“

„Also — ich tue, was ich kann. Wir werden mit Mr.

Sikmaa essen — und Sie übersehen gefälligst die Tatsache, daß er der persönliche Vertreter des Ersten Bürgers mit dem Interwelt-Rang eines Sonderbotschafters und Ministers zbV ist. Und sitzen Sie gerade und achten Sie auf Ihr Benehmen bei Tisch!“

Vier Tage später benahm ich mich erneut bei Tisch — jetzt aber zur Rechten des Kapitäns der H.S. Forward.

Ich trat als Miß Marjorie Freitag auf und war so unverschämt reich, daß man mich mit Mr. Sikmaas persönlicher Antigrav-Jacht vom Boden in die Stationärstation geschafft und auf kürzestem Wege an Bord der Forward gebracht hatte, ohne daß ich mich mit so plebejischen Dingen wie Paß- und Gesundheitskontrolle abgeben mußte. Das Gepäck war zur gleichen Zeit an Bord gebracht worden — zahllose Koffer voller kostbarer, modischer Kleidung und dem dazugehöri-gen Schmuck. Aber darum kümmerten sich andere.

Ich brauchte mir um nichts Sorgen zu machen.

Drei Tage hatte ich in Florida in einem Institut zugebracht, das sich wie ein Krankenhaus anfühlte, in Wirklichkeit aber (ich wußte es!) ein hervorragend ausgestattetes Labor für genetische Forschung war.

Ich hätte mir auch denken können, um welches Institut es sich handelte, doch ich behielt meine Gedanken für mich, da Mutmaßungen jeder Art nicht zu meiner Aufgabe gehörten. Während des Aufenthalts hatte man mich der gründlichsten Untersuchung unterzogen, die ich je erlebt hatte. Ich wußte nicht, warum man meine Gesundheit in einem Ausmaß überprüfte, wie es bisher nur für Staatsoberhäupter und die Vorsitzenden multinationaler Konzerne reserviert gewesen ist, doch ich vermutete, daß man niemandem, der nicht bei bester Gesundheit war, eine Eizelle anvertrauen wollte, die im Laufe der Jahre zum Ersten Bürger des ungeheuer vermögenden Planeten Sternenreich werden sollte. Es war eine Zeit, den Mund zu halten.

Mr. Sikmaa verzichtete auf die scharfen Töne, die Fawcett und Mosby angeschlagen hatten. Als er sich zu dem Schluß durchgerungen hatte, daß ich der richtige Kurier war, schickte er Mosby nach Hause und kümmerte sich dermaßen großzügig um mich daß ich keinen Grund mehr hatte, meine Forderungen zu erhöhen. Fünfundzwanzig Prozent Taschengeld? Nicht genug, erhöhen wir auf fünfzig Prozent!

Hier ist die Anweisung; nehmen Sie sie — in Gold und in Goldzertifikaten auf Luna City — und wenn Sie mehr brauchen, sagen Sie dem Zahlmeister Bescheid und quittieren Sie dafür, eine Ziehung auf mich.Nein, wir legen unsere Vereinbarung nicht schriftlich fest; um einen solchen Auftrag handelt es sich nicht.

Sagen Sie mir nur, was Sie wollen; Sie sollen es bekommen. Und hier ist ein kleines Buch. Darin steht wer Sie sind, wo Sie zur Schule gegangen sind, und so weiter. In den nächsten drei Tagen haben Sie genug Zeit, sich das alles einzuprägen, und sollten Sie vergessen, das Büchlein zu verbrennen, keine Sorge; die Papierfibern sind imprägniert, und innerhalb von drei Tagen findet die Selbstvernichtung statt — seien Sie also nicht überrascht, wenn die Seiten am vierten Tag gelb und brüchig geworden sind.

Mr. Sikmaa hatte an alles gedacht. Ehe wir Beverly Hills verließen, mußte eine Photographin kommen; sie nahm mich aus mehreren Blickwinkeln auf, lächelnd, mit hohen Absätzen, mit flachen Schuhen barfüßig. Als mein Gepäck in der Forward eintraf paßte jedes Stück vorzüglich, Design und Farben waren auf mich abgestimmt, und in den Sachen standen die Namen aller möglichen berühmten Modehäuser von Paris, Rom, Florenz, Mailand, Bei-Jing und so weiter.

Ich war es nicht gewöhnt, „Haute Couture“ zu tragen und weiß mich nicht so recht darauf einzustellen.

Aber auch dafür hatte Mr. Sikmaa gesorgt. An der Luftschleuse trat mir ein hübsches kleines Orientalenmädchen namens Shizuko entgegen und offenbarte mir, daß sie meine Kammerzofe sei. Da ich mich seit dem fünften Lebensjahr selbst gewaschen und angezogen hatte, sah ich nicht recht ein, wozu eine Zofe nützlich sein sollte, doch dies war eindeutig ein Auftrag, von dem ich mich mitreißen lassen mußte.

Shizuko führte mich zur Kabine BB (die nicht ganzso groß war wie ein Volleyballfeld). Kaum war die Tür hinter uns geschlossen, schien Shizuko der Ansicht zu sein, daß wir kaum noch genug Zeit hatten mich zum Abendessen vorzubereiten.

Da es noch drei Stunden hin waren, kam mir das übertrieben vor. Aber sie gab nicht nach, und ich ließ sie gewähren — ich brauchte keine Zeichnung, um zu erkennen, daß Mr. Sikmaa sie mir als Aufpasserin beigegeben hatte.

Sie badete mich. Während dies im Gange war, gab es ein plötzliches Schwanken in der Grav-Kontrolle — das Schiff warpte in den Hyperraum. Shizuko hielt mich fest und verhinderte eine katastrophale Überschwemmung so geschickt, daß ich gleich wußte, daß sie sich in Warp-Schiffen auskannte. Allerdings schien sie dafür im Grunde noch nicht alt genug zu sein.

Eine volle Stunde lang konzentrierte sie sich auf mein Haar und mein Gesicht. Bisher habe ich mir das Gesicht gewaschen, wenn ich das Bedürfnis dazu verspürte, und mir das Haar gerichtet, indem ich es mehr oder weniger energisch aus dem Weg kämmte.

Nun wurde mir klargemacht, was für eine graue Maus ich gewesen war. Während Shizuko mich zur Göttin von Liebe und Schönheit umgestaltete, klingelte das winzige Terminal der Kabine. Auf dem Schirm erschienen Buchstaben, während sich dieselbe Nachricht wie eine frech herausgestreckte Zunge aus dem Printout schob.

Der Kapitän des HyperSpace-Schiffs FORWARD würde es als Ehre empfinden Miß Marjorie Freitagauf Sherry und gute Laune um neunzehnhundert Uhr im Salon des Kapitäns begrüßen zu können Bitte nur bei Absage Nachricht geben Ich war überrascht. Shizuko dagegen nicht. Sie hatte bereits ein „Cocktail“-Kleid herausgehängt und durchgesehen. Es bedeckte mich von Kopf bis Fuß, trotzdem bin ich nie zuvor so unanständig bekleidet gewesen.

Shizuko ließ es nicht zu, daß ich pünktlich kam. Sie führte mich genau um neunzehn-null-sieben zum Salon des Kapitäns, wo ich mich dem Herrn unseres Schiffes präsentierte. Die Ober-Stewardeß kannte natürlich meinen (derzeitigen) Namen, und der Kapitän beugte sich über meine Hand. Kein Zweifel — in einem Raumschiff als VIP zu reisen, ist entschieden besser als den Schiffspolizisten zu spielen.

„Sherry“ — dazu gehörten Highballs, Cocktails, der Schwarze Tod von Island, Frühlingsregen aus dem Sternenreich (ein gefährliches Getränk — lassen Sie die Finger davon!), dänisches Bier, irgendein rosa Zeug von Fiddler’s Green und sicher auch Pantherschweiß wenn man danach fragen würde. Ferner zählte ich einunddreißig verschiedene Sorten leckerer Happen die man mit den Fingern zum Mund führen mußte.

Ich machte Mr. Sikmaa keine Schande; ich beschränkte mich auf ein kleines Glas Sherry und lehnte auch immer wieder standhaft ab, wenn mir die einunddreißig Versuchungen angeboten wurden.

Und nur gut so. In diesem Schiff werden die Haferbeutel achtmal am Tag umgehängt (wieder zählteich genau nach): Kaffee am frühen Morgen (Café

Complet, mit Backwaren), Frühstück, eine Vormittagserfrischung, Lunch, Nachmittagstee mit belegten Broten und frischen Backleckereien, dann die Hors D’Œuvres zur Cocktailstunde (eben jene einunddreißig leckeren Fallstricke), schließlich das Abendessen (sieben Gänge, wenn man es bis zum Schluß durchhält) und ein Mitternachtsbuffet. Aber sollte man sich auch zwischen diesen Ereignissen irgendwie hungrig fühlen, kann man stets belegte Brote oder andere Appetithappen kommen lassen.

Das Schiff verfügt über zwei Schwimmbecken, einen Turnsaal, ein Türkisches Bad, eine schwedische Sauna und eine Klinik für „Taillenumfang“. Zweieindrittel mal um die Hauptpromenade entsprechen einem Kilometer. Ich glaube nicht, daß das genügt; einige unserer Reisegefährten fressen sich förmlich durch die Galaxis. Auch ich werde darauf achten müssen, daß ich bei der Ankunft in der Reichshauptstadt noch meinen Bauchnabel finde.

Dr. Jerry Madsen, Sanitätsoffizier im Juniorrang belegte mich unter den Gästen des Kapitäns mit Beschlag und wartete auch nach dem Dinner auf mich.

(Er ißt nicht am Tisch des Kapitäns und nicht einmal im Speisesaal; er muß zu den anderen jungen Offizieren in die Messe.) Er begleitete mich in den Galaktischen Salon, wo wir tanzten, ehe es eine KabarettVorstellung gab — Gesang, Tanznummern und ein Jongleur, der auch einige Zaubertricks vorführte (und die ließen mich an Tauben denken und an Goldie und ich kam mir plötzlich schrecklich einsam vor, ein Gefühl, das ich aber schnell wieder unterdrückte.)

Anschließend tanzten wir wieder, wobei sich zweiweitere junge Offiziere, Tom Udell und Jaime Lopez mit Jerry abwechselten, und schließlich machte der Salon zu, und die drei führten mich in ein kleines Kabarett mit dem Namen ›Das Schwarze Loch‹, und ich weigerte mich entschieden, zuviel zu trinken. Dafür tanzte ich aber, sooft ich aufgefordert wurde. Dr. Jerry bewies schließlich die größte Geduld und begleitete mich nach Kabine BB zu einer Zeit, die nach der Schiffsuhr schon ziemlich spät war, nicht aber nach der Florida-Zeit, die am Morgen dieses Tages über mein Aufstehen bestimmt hatte.

Shizuko wartete bereits; sie trug einen wunderschönen formellen Kimono, Seidenpantoffeln und ein starkes Make up. Sie verbeugte sich vor uns, gab uns zu verstehen, daß wir auf der Wohnseite der Kabine Platz nehmen sollten (die Schlafecke war durch eine Spanische Wand abgeteilt) und servierte uns Tee und Appetithappen.

Nach kurzer Zeit stand Jerry auf, wünschte mir eine gute Nacht und ging. Dann entkleidete mich Shizuko und steckte mich ins Bett.

Ich hatte keine konkreten Pläne mit Jerry; allerdings war mir klar, daß er mich bestimmt herumgekriegt hätte, wäre er am Ball geblieben. Aber wir beide kamen nicht über den Umstand hinweg daß Shizuko ganz in unserer Nähe saß, die Hände gefaltet abwartend, zuschauend. Jerry gab mir nicht einmal einen Gutenachtkuß.

Nachdem sie mich zur Ruhe gebettet hatte, bereitete sich Shizuko auf der anderen Seite der Spanischen Wand ein Lager — mit Matratzen und Bettzeug das sie aus einem Schrank holte.

Nie zuvor war ich so hundertprozentig überwachtworden, nicht einmal in Christchurch. Gehörte das zu dem ungeschriebenen Vertrag, den ich eingegangen war?

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