Vielleicht heiratete ich Goldie doch noch, gewissermaßen. Sobald Anna und Burt formell verheiratet waren, kehrten wir ins Hotel zurück; Burt zog ins „Hochzeitsgemach“ um (kein Spiegel an der Decke die Einrichtung in Weiß und Rosa und nicht in Schwarz und Rot, doch ansonsten sehr ähnlich, nur viel teurer), während Goldie und ich das Hotel verließen und in der Nähe der Einmündung der Charleston Road in die Freemont Road ein kleines Haus mieteten. Hier wohnten wir in günstiger Nähe zu dem Rollsteig, der den Arbeitsmarkt mit der Stadt verbindet, außerdem hatte Goldie gute Verbindungen zu den Krankenhäusern, und ich konnte mühelos einkaufen. Wir hätten uns sonst einen Pferdewagen kaufen oder mieten müssen — oder Fahrräder.
Mag sein, daß die günstige Lage der einzige Vorteil war, den das Haus zu bieten hatte, für mich war es jedoch ein Flitterwochen-Häuschen wie aus einem Märchen. Natürlich war das Bild nicht komplett: es hatte keine Rosen über der Tür und war häßlich und besaß als einzige Konzession an die moderne Welt ein Terminal, das aber nur begrenzte Dienste zuließ.
Doch zum erstenmal im Leben hatte ich ein eigenes Zuhause und war „Hausfrau“. Das Haus in Christchurch war zu keiner Zeit wirklich mein Heim gewesen, und das Kommando in jenem Haushalt hatten andere geführt, und so war ich auf diese oder jene Weise immer wieder darauf aufmerksam gemacht worden, daß ich kein ständiges Mitglied dieser Gemeinschaft war, sondern eher nur ein Gast.Wissen Sie, wieviel Spaß es machen kann, für die eigene Küche eine Pfanne einzukaufen?
Die Hausfrauenrolle fiel mir sofort zu, da Goldie schon am ersten Tag Arbeit bekam und um dreiundzwanzighundert ihren Nachtdienst antrat, der bis null-siebenhundert dauerte. Am nächsten Tag kochte ich mein erstes Abendessen, während Goldie noch schlief — und ließ die Kartoffeln verkohlen, was mir die Tränen in die Augen trieb. Aber einer Braut steht es nun mal zu, in Tränen auszubrechen, meine ich doch sollte ich jemals wirklich heiraten (und nicht nur auf dem falschen Fuß wie in Christchurch), dann habe ich mein Quantum Tränen für den ersten Tag aufgebraucht.
Ich war eine Hausfrau, wie sie im Buche steht: ich kaufte sogar Erbsensamen und pflanzte sie ein als Ausgleich für die fehlenden Kletterrosen vor der Tür — und stellte fest, daß die Gartenarbeit nicht nur darin besteht, Samen in den Boden zu drücken; meine erste Saat ging nicht auf. Ich sprach daraufhin in der Bibliothek von Las Vegas vor und kaufte ein Buch, ein echtes Buch mit gebundenen Blättern und mit Bildern der Dinge, die ein richtiger Gärtner tun sollte. Ich vertiefte mich darin und prägte mir die wichtigsten Regeln ein.
Auf eines verzichtete ich allerdings. Obwohl ich sehr in Versuchung war, schaffte ich mir keine Katze an. Goldie konnte jeden Tag verschwinden; sie kündigte mir sogar an, daß sie vielleicht abreisen mußte ohne sich zu verabschieden, sollte ich zufällig unterwegs sein (ähnlich wie ich es bei Georges gehandhabt hatte — und so war es dann ja auch gekommen).
Wenn ich mir eine Katze zulegte, war ich ver-pflichtet, sie zu behalten. Ein Kurier kann jedoch nicht überallhin ein Tier mitnehmen; so bekommt man die Katze nicht groß. Eines Tages würde auch ich wieder aufbrechen, und ich legte mir keine Katze zu.
Abgesehen davon genoß ich die Freuden meines Hausfrauendaseins in vollen Zügen — einschließlich der Ameisen im Zucker und eines platzenden Müllbeutels, zwei Erlebnisse, die ich ungern noch einmal durchmachen möchte. Es war eine sehr glückliche Zeit. Allmählich bekam Goldie auch meine Kocherei in den Griff — ich hatte geglaubt, kochen zu können aber da war ich noch nicht durch Goldies Schule gegangen. Und ich gewöhnte es mir an, den Martini so anzurühren, wie sie ihn gern hatte: Beefeater-Gin und trockenen Noilly Prat-Wermut im Verhältnis drei Komma sechs zu eins, einmal umrühren, keine Zusätze — während ich mich für Bristol Cream auf Eis entschied. Martinis sind mir etwas zu stark, aber ich kann mir vorstellen, warum eine Krankenschwester die mit schmerzenden Füßen vom Dienst kommt förmlich danach lechzt.
Ja ehrlich, wäre Goldie ein Mann gewesen, hätte ich meine Sterilität rückgängig gemacht und Kinder Erbsen und Katzen großgezogen.
Schon kurze Zeit nach dem Beginn dieser Idylle brachen Burt und Anna nach Alabama auf, und wir sorgten gründlich dafür, daß wir den Kontakt nicht verlieren würden. Die beiden wollten dort nicht leben, Anna war aber der Meinung daß sie ihrer Tochter einen Besuch schuldig sei (und sich selbst, so meine ich, die Gelegenheit, ihren neuen Ehemann vorzuführen). Anschließend wollten die beiden sich bei ei-ner militärischen oder paramilitärischen SöldnerEinheit verdingen, und zwar so, daß sie auf einen gemeinsamen Vertrag liefen und zusammenbleiben konnten. Im Kampfeinsatz. Ja. Beide hatten die Schreibtischarbeit satt, beide waren gewillt, eine Rückstufung in Kauf zu nehmen, indem sie den Stab verließen und sich der kämpfenden Truppe anschlossen. „Lieber eine lebhafte Stunde, als ein ganzer Kontrakt hinter Papierstapeln.“ Mag sein. Es war ihr Leben.
Ich blieb in Kontakt mit dem Arbeitsmarkt, da der Tag kommen würde, an dem ich nicht nur losfliegen wollte, sondern mir nichts anderes übrig blieb. Goldie arbeitete einigermaßen regelmäßig und versuchte durchzusetzen, daß sie sämtliche Kosten des Haushalts übernahm. Ich aber stellte mich quer und bestand darauf, genau die Hälfte zu tragen. Da ich die genaue Übersicht über alle Ausgaben hatte, wußte ich natürlich, was das Leben in Las Vegas kostete. Zuviel sogar in einem Schuhkarton. Wenn Goldie auszog konnte ich es noch einige Monate allein aushalten aber dann war ich pleite.
Natürlich würde ich es nicht dazu kommen lassen.
Ein Flitterwochen-Häuschen ist kein Ort, an dem man allein leben sollte.
Immer wieder versuchte ich mich mit Georges und Ian und Janet in Verbindung zu setzen, und natürlich auch mit Betty und Freddie, doch inzwischen beschränkte ich mich auf zweimal im Monat; die Terminalgebühren waren hoch.
Zweimal in der Woche verbrachte ich einen halben Tag im Arbeitsmarkt und hielt Kontakt. Ich rechnete zwar nicht mehr damit, daß ich einen Kurierjob fin-den würde, der auch nur halb so gut bezahlt wurde wie der Posten bei meinem alten Chef; trotzdem ließ ich mich immer wieder bei den Multis blicken, die in der Tat erfahrene Kuriere brauchten. Außerdem behielt ich die Übersicht über alle anderen offenen Stellen, auf der Suche nach einer Möglichkeit, irgendeiner Möglichkeit, meine doch irgendwie seltsamen Talente einzusetzen. Der Chef hatte angedeutet, ich sei eine Art Supermensch — wenn das stimmte, kann ich hier und jetzt bestätigen, daß für Supermenschen sehr wenig Bedarf besteht.
Ich spielte mit dem Gedanken, mich zum Croupier oder Kartengeber ausbilden zu lassen — dann aber schob ich die Möglichkeit nach unten auf meine Liste.
Ein geschickter Kartengeber oder Croupier mag viele Jahre lang arbeiten und ein gutes Gehalt beziehen — für mich aber wäre das nur eine langweilige Tretmühle. Ein Weg, am Leben zu bleiben, aber kein richtiges Leben. Da war es schon besser, sich als einfacher Soldat zu verdingen und eine neue Karriere anzufangen.
Es gab allerdings andere Möglichkeiten, die mir nie in den Sinn gekommen wären: Etwa diese Anzeige:
Trägermutter Unbegrenzte Lizenz, Versicherung bei TransAmerica und/oder Lloyd.
Kein Extrahonorar für Mehrfachgeburten bis Vierlinge.
Honorar nach Vereinbarung.
Übliche Vorstellungsgebühr mit Gesundheitsuntersuchung durch einen Physiometriker Ihrer Wahl.
BABIES UNBEGRENZT Inc.
LV 7962M 4/3Natürlich konnte ich versuchen, mit Babies unbegrenzt zu einer Vereinbarung zu kommen oder mich auch als Freiberuflerin umtun. Meine widerrufliche Sterilität war dabei von Vorteil, weil die Kunden immer große Angst haben, daß die Trägermutter sie hereinzulegen versucht — indem sie sich selbst schwängern läßt, ehe sie sich als Trägerin zur Verfügung stellt. Sterilität ist kein Hindernis, da es hier nicht darum geht, einen Eisprung zu haben; die Techniker wirken nur dahingehend auf die Körperchemie ein, daß das Umfeld zur Implantation vorbereitet wird. Der Eisprung stört im Grunde nur.
Die Kinder anderer Leute auszutragen konnte aber nur eine Sache zur Überbrückung sein — aber es war entschieden eine Möglichkeit, denn es gab gutes Geld dafür.
Gesucht:
90-Tage-Frau für Urlaub im All.
Sämtliche Kosten werden übernommen, Luxus 9+ Bonus-Tarif der Gilde.
Phys. Bereich S/W, Temperament heißblütig 8 Liebesfähigkeit 7 oder darüber.
Kunde besitzt Fortpflanzungslizenz Chicago-Imperium die der Ferienfrau ausgehändigt wird sollte sie schwanger werden. Alternativ können sich beide einer 120-Tage-Sterilisation unterziehen, Entscheidung bei Bewerberin.
KONTAKT AMELIA TRENT, Lizensierte Sex-Maklerin № 18/20 New Cortez Mezzanine Keine schlechte Sache für jemanden, der mal drei Monate Urlaub machen wollte und Spaß am Russischen Roulette hatte. Für mich war Schwangerschaft keine Gefahr, und meine Erregbarkeit ging höher als7 — sogar viel höher! Der Gewerbetarif im Freistaat war aber nicht hoch genug, um das Honorar als Ausgleich zu sehen für die Gelegenheiten auf dauerhaftere Arbeit, die einem entgehen mochten. Außerdem handelte es sich bei dem gesichtslosen Kunden mit ziemlicher Sicherheit um einen Langweiler erster Güte, sonst würde er gar nicht auf den Gedanken kommen, sich für sein Ferienbett eine Fremde zu beschaffen.
DRINGEND GESUCHT:
Zwei Raum-Zeit-Ingenieure, Männer oder Frauen Erfahrungen im n-dimensionaler Arbeit müssen vorhanden sein.
Risiko auf nicht korrigierbare temporäre Versetzung.
Teilnahme Annehmlichkeiten Versicherung Bedingungen Verhandlungssache BABCOCK & WILCOX Ltd.
Per Adr. Wall Street Journal LV Arb. — Mrkt.
Und das war genau die Art von Job, die ich suchte.
Leider war ich dafür nicht im geringsten qualifiziert.
Die erste Plasmitische Kirche („Zuerst gab es das Plasma, ohne Form und Leere“) an der überdachten Ladenzeile warb mit den Zeiten für den Gottesdienst.
Ein kleineres Schild aus beweglichen Lettern erweckte meine Aufmerksamkeit: „Die nächste Jungfrau wird um 0251 geopfert, 22. Okt.“
Das sah mir nach einer Dauerstellung aus, doch wiederum schien mir meine Qualifikation zweifelhaft zu sein. Dennoch war ich davon fasziniert. Während ich das Schild noch anstarrte, erschien ein Mann undwechselte Buchstaben aus, und ich erkannte, daß ich das Sakrament des gestrigen Abends verpaßt hatte und das nächste Altaropfer erst in zwei Wochen stattfinden sollte, was mich nicht weiter bekümmerte.
Aber wie üblich gewann meine Neugier die Oberhand. „Opfern Sie da wirklich Jungfrauen?“ fragte ich den Mann.
„Nicht ich. Ich bin nur ein Helfer. Aber … nun ja nein, es müssen im Grunde nicht wirklich Jungfrauen sein. Sie müssen allerdings wie Jungfrauen aussehen.“ Er musterte mich von Kopf bis Fuß. „Sie kämen wohl in Frage. Wollen Sie reinkommen und mit dem Priester sprechen?“
„Äh, nein. Soll das heißen, daß sie wirklich geopfert werden?“
Er musterte mich. „Sie sind hier fremd, wie?“
Ich gestand meine Ahnungslosigkeit ein. „Nun ja es läuft ungefähr so. Wenn Sie eine Anzeige aufgäben, daß Sie Darsteller in einem Film suchen, bei dem wirklich jemand abgemurkst wird, hätten Sie jede Rolle bis Mittag besetzt, und niemand würde sich erkundigen, ob er echt umgebracht werden soll. So ist diese Stadt nun mal.“
Mag ja sein. Eher ist wohl anzunehmen, daß ich eine Art Landpomeranze war, die keine Ahnung hatte.
Oder beides.
Es gab jede Menge Anzeigen für Posten außerhalb der Erde und Jobs, die mit Raumfahrt zu tun hatten.
Ich legte es eigentlich nicht auf eine solche Stelle an da ich davon ausging, daß ich die Erde als bestens finanzierter Kolonist verlassen würde, der es sich leisten konnte, zwischen allen Kolonien frei zu wählen — von Proxima, das beinahe vor unserer Haustür liegt,bis hin zum Sternenreich, das so weit entfernt ist, daß Fracht wie auch Menschen mit n-Schiffen befördert werden — außer daß die neuesten Nachrichten vom Sternenreich besagten, der Erste Bürger habe die Kolonie gegenüber Einwanderern geschlossen, mit Ausnahme gewisser Künstler und Wissenschaftler, die individuell verhandeln mußten. Nicht daß ich Interesse für das Sternenreich hatte, eine Kolonie, die sehr vermögend sein sollte. Sie war viel zu weit entfernt.
Die Proximaten dagegen sind unsere unmittelbaren Nachbarn; wenn man sich auf der Südinsel von Neuseeland befindet, steht ihre Sonne direkt im Zenit, ein großer, heller Stern. Nett anzuschauen.
Trotzdem studierte ich alle Anzeigen …
Die entsprechende Abteilung der Firma Transuranics suchte für Golden um Procyon-B erfahrene Bergwerksingenieure, die Abbaumaschinen steuern sollten, auf fünf Jahre, verlängerbar gegen Boni und Leistungszulagen. In der Anzeige war nicht davon die Rede, daß ein unangepaßter Mensch auf Golden nur selten länger als fünf Jahre lebte.
Die HyperSpace-Linie suchte Leute für die Route zum Sternenreich, über Proxima, Outpost, Fiddlers Green, Forest, Botany Bay, Halcyon und Midway.
Vier Monate hin und zurück ab Stationärstation, einen Monat bezahlter Urlaub erdseits oder auf Luna dann dasselbe noch einmal. Ich übersprang die Anforderungen, die an Ultra-Astrogatoren und Verformungs-Techniker, an Frachtfachleute und Kommunikatoren und Sanitätsoffiziere gestellt wurden, und schaute mir statt dessen die anderen offenen Stellen an:
Kellner, Kabinensteward, Zimmermann, Elektriker,Klempner, System-Elektroniker, Computer-Elektroniker, Klempner, Koch, Bäcker, Unterkoch, Küchenhilfe, Kaltes Buffet, Koch für Spezialitäten, Barkeeper Croupier/Kartengeber, Leitung der Passagierunterhaltung, Holograph/ Photograph, Dentalassistent Sänger, Tanzlehrer, Spielaufseher, Gesellschafter-Sekretär-Zofe/Leibdiener, Assistent des Kreuzfahrtleiters, Kunstlehrer, Kartenlehrer, Hosteß, Schwimmlehrer, ausgebildete Krankenschwester, Kinderschwester, Schiffspolizist (bewaffnet), Schiffspolizist (unbewaffnet), Dirigent, Theaterdirektor, Musiker (dreiundzwanzig Instrumente waren aufgeführt doch man mußte mindestens zwei beherrschen), Kosmetikerin Friseur, Masseur, Lagerist, Boutiquenverkäufer, Verkaufsleiter, Tanzlehrer, Ausflugsbegleiter …
… und das waren nur einige Beispiele. Im allgemeinen gilt die Devise, was auf dem festen Boden möglich ist, läuft auch am Himmel — oder etwas Vergleichbares. Einige der ausgeschriebenen Posten, die ausschließlich mit dem Raumschiff zu tun hatten kann ich nicht mal richtig übersetzen. Um alles auf der Welt (oder außerhalb der Welt) — was ist ein „Über-Kippmann 2/c“?
Ein nicht aufgeführter Beruf ist der des Call-Girls auch wenn sich HyperSpace zu dem Kreis der Firmen rechnet, die allen Geschlechtern die gleiche Beschäftigungschance einräumen. Hinten herum erfuhr ich wie „gleich“ alle behandelt werden. Möchte man für einen nicht allzu technischen Job angenommen werden, ist es wesentlich von Vorteil, gutaussehend/hübsch, gesund, ansprechbar, bi-sexuell, geldgeil und allen vernünftigen Vorschlägen gegenüber aufgeschlossen zu sein.Der Hafenkapitän hat zwei linke Füße und war einmal Zahlmeister an Bord der alten Newton, eine Position, die er sich vom Kabinensteward an erarbeitet hatte. Als er noch durch den Himmel kutschierte sorgte er dafür, daß seine Passagiere aus der Ersten Klasse bekamen, was sie wollten — und daß sie ordentlich dafür bezahlten. Als Hafenkapitän lebte er nach derselben Devise. Angeblich zieht er Ehepaare oder zusammenlebende Paare gegenüber Unverheirateten vor, wenn sie im und außerhalb des Bettes als Team arbeiten können. Im Arbeitsmarkt wurde die Geschichte eines Gigolo/Call-Girl-Teams erzählt, das auf nur vier Reisen genug Reichtum anhäufte, um sich zurückzuziehen — morgens Tanzstunden, nachmittags Schwimmunterricht, dann vor und nach dem Essen als frei wechselnde Tanzpartner für allein reisende Gäste, dazwischen ein Gesangsduo mit komischer Einlage, in der Nacht schließlich private Passagierbetreuung allein oder im Team — nach vier Jahren konnten sich die beiden zur Ruhe setzen — und mußten dies auch tun, denn sie wurden entlassen. Sie sahen nicht mehr sehr attraktiv aus und hatten etliches von ihrer Vitalität verloren; sie hatten ihr unheimliches Tempo mit Aufputsch- und Beruhigungsmitteln möglich gemacht.
Ich glaube nicht, daß Geld mich dermaßen in Versuchung führen könnte. Wenn es sein muß, bleibe ich gern mal eine Nacht lang auf den Beinen, doch am nächsten Tag muß ich den verlorenen Schlaf nachholen.
Ich fragte mich, wie es kam, daß die HyperSpaceLinie, die nur vier Passagierschiffe unterhielt, anscheinend ständig nach Leuten für sämtliche Arbeits-plätze an Bord suchte. Die Stellvertretende Personalagentin der Firma fragte mich: „Sie wissen es wirklich nicht?“
Ich antwortete, ich wüßte es nicht.
„Drei Zwischenlandungen erfolgen auf Welten, wo man schon viel Kies aufbringen muß, um sich eine Bürgerurkunde zu kaufen. Drei andere Welten sind nicht billig, auch wenn gewisse Fähigkeiten anstelle eines konkreten Beitrages anerkannt werden. Nur eine Welt ist ein Handgeld-Planet. Die Desertion ist also immer wieder ein großes Problem. Fiddler’s Green ist dermaßen attraktiv, daß vor einigen Jahren sogar der Erste Offizier der Dirac nicht wieder an Bord zurückkehrte. Mit Leuten, die wir hier anwerben, hat die Firma nicht allzu viele Sorgen — aber stellen Sie sich vor, Sie kämen aus Rangun oder Bangkok oder Kanton und wären auf Halcyon mit Frachtarbeiten beschäftigt, und der Aufseher ließe sie mal einen kurzen Augenblick allein. Was würden Sie tun?“
Achselzuckend fuhr sie fort: „Ich verrate Ihnen damit keine Geheimnisse. Wer sich näher damit beschäftigt, weiß, daß der einzige Weg von diesem Planeten — auch von Luna — für die meisten Leute darin besteht, sich als Besatzungsmitglied auf ein Raumschiff holen zu lassen und dann bei erster Gelegenheit auszurücken. Wenn ich könnte, würde ich auch so handeln.“
„Warum tun Sie es nicht?“ fragte ich.
„Weil ich einen sechsjährigen Sohn habe.“
(Langsam müßte ich begriffen haben, daß ich mich nur um meine eigenen Angelegenheiten kümmern darf!)
Einige Anzeigen regten tatsächlich die Phantasiean. Zum Beispiel diese:
Neuer Planet, frisch eröffnet — Typ T-8
Garantiertes Gefahrenmaximum Nur Paare oder Gruppen Gesicherter Überlebensplan CHURCHILL & SOHN, Landmakler Las Vegas Arbeitsmarkt 96/98
Ich erinnerte mich an eine Bemerkung Georges’, wonach ein Planet, der die Terra-Skala 8 überschritt, einen großen Bonus oder ein konkretes Handgeld voraussetzte. Inzwischen wußte ich aber mehr über die angewandte Skala; „acht“ war identisch mit dem ErdWert. Der größte Teil dieses Planeten war also nicht gerade leicht zu zähmen. Vieles mußte bearbeitet und neu aufgebaut werden. Das Land, auf dem ich in diesem Augenblick stand, war früher nur für Wüstenbewohner geeignet gewesen, bis es mit vielen Tonnen Geld und noch viel mehr Tonnen Wasser umgestaltet worden war.
Ich machte mir Gedanken über das „Gefahrenmaximum“. Wurden hier die Fähigkeiten einer Frau angesprochen, die mit der richtigen Auslösung ziemlich schnell spurten konnte? Im Grunde strebte ich nicht danach, Anführerin einer Abteilung von Amazonen zu werden, weil einige Mädchen im Kampf umkommen konnten und mir das nicht gefallen würde. Es hätte mir aber nichts ausgemacht, einen Säbelzahntiger oder ein entsprechendes Tier anzugreifen, weil ich überzeugt war, es niederknüppeln zu können, um dann zurückzuweichen, solange es sich noch darüber klar wurde, daß hier etwas nicht nach Plan lief.Vielleicht war ein unerforschter T-8 besser für Freitag als eine manikürte Welt wie Fiddler’s Green.
Andererseits mochte das „Gefahrenmaximum“ auf zu viele Vulkane oder eine zu hohe Radioaktivität zurückgehen. Wer möchte schon im Dunkeln glühen?
Du mußt dich zunächst informieren, Freitag; du hast nur eine Chance!
An diesem Tag blieb ich ziemlich lange in den Arkaden, denn Goldie hatte wieder einmal Nachtschicht.
Als ich am Morgen nach Hause gekommen war, hatte ich ihr ein Essen vorgesetzt, hatte sie gegen zehn Uhr zu Bett gebracht und gehofft, daß sie mindestens bis achtzehnhundert schlafen würde. Ich ließ mir also Zeit, bis die Büros zu schließen begannen.
Als ich nach Hause kam, war unser Haus dunkel was mich freute, schien es mir doch darauf hinzudeuten, daß Goldie durchgeschlafen hatte. Ich öffnete die Tür sehr leise — und erkannte, daß niemand zu Hause war. Ich kann es nicht näher definieren, aber ein leeres Haus riecht, klingt, schmeckt anders, als wenn eine Person darin schläft, kurz: es fühlt sich irgendwie anders an. Auf direktem Wege ging ich ins Schlafzimmer. Das Bett war leer. Das Badezimmer ebenfalls. Ich schaltete das Licht ein und fand es nach kurzer Zeit: einen langen Printout im Terminal.
Liebste Freitag es sieht im Augenblick so aus, als würdest Du nicht nach Hause zurückkehren, ehe ich fort muß — und das ist vermutlich ganz gut so, denn wir würden uns nur gegenseitig was vorheulen, was keinem von uns beiden nützt.
Ich habe einen Job gefunden, aber nicht wie erwartet. Eshat sich gelohnt, mit unserem früheren Chef in Verbindung zu bleiben; kurz nachdem ich mich hingelegt hatte rief Dr. Krasny an. Er ist Kommandant eines brandneuen Militärhospitals, das für die Sam Houston-Pfadfinder eingerichtet wird. Natürlich für eine erweiterte PfadfinderTruppe; jedes Bataillon ist Kader für ein dreifaches KampfTeam. Ich darf Dir nicht sagen, wo wir uns sammeln oder wohin der Einsatz geht, aber (bitte verbrenne diesen Printout nach der Lektüre!) würdest Du von Plainview aus nach Westen fahren, könntest Du uns in Los Llanos Estacados antreffen, ehe Portales erreicht ist.
Wohin wir kommen? Das ist wirklich geheim! Aber wenn wir nicht Ascension angreifen, werden einige Frauen eine Pension erhalten müssen. Ich habe Anna und Burt angerufen; wir treffen uns um zehn nach achtzehnhundert in El Paso …
(„1810“? Dann ist Goldie bereits in Texas! Ach, du je!)
… denn Dr. Krasny hat mir zugesagt, daß auch sie beschäftigt werden, entweder in den Kampfeinheiten oder als Hilfspersonal bei der Sanitätstruppe, falls es Probleme gibt.
Auch für Dich hätten wir eine Stelle, meine Liebe — bei der kämpfenden Truppe, wenn Du willst. Ich könnte Dich auch als MedTech-3 einstufen und selbst einsetzen, was Dir im Nu eine Beförderung zum Master Sergeant (MedVerwaltung) einbringen würde, da ich Deine Fähigkeiten genausogut kenne wie Dr. Krasny. Es wäre schön, wenn wir alle vier — ich meine, fünf — wieder beisammen wären.
Aber ich will Dich zu nichts drängen. Ich weiß, daß Du Sorgen hast wegen Deiner kanadischen Freunde, die offenbar verschwunden sind. Wenn Du lieber ungebunden bleiben möchtest, um nach ihnen zu suchen — dann viel Glück.
Wenn Dir aber an ein bißchen Aktion liegt, die zudemnoch bestens bezahlt wird, mußt Du schleunigst nach El Paso kommen. Die Anschrift ist Panhandle Investments Abteilung El Paso, Büro für Feldeinsatz, Umweltfaktoren zu Händen John Krasny, Cheftechniker — und lach bitte nicht; präge Dir alles ein und vernichte das Blatt!
Sobald unser Unternehmen in den Nachrichten erscheint, kannst Du jeden von uns durch das Houston-Büro der Pfadfinder erreichen. Im Augenblick aber bin ich ›Erste Personalsachbearbeiterin‹ in der Abteilung ›Umweltfaktoren‹.
Möge der gnädige Gott über Dich wachen und Dich vor Schaden bewahren!
In Liebe
Goldie.