Sechzehnter September

Gegen Mitternacht hörten die Ausschläge des Enzephalographen auf, und das Hirn des Affen starb.

Um drei Uhr morgens läutete das Telefon im Wohnzimmer – ich arbeitete noch im Laboratorium. Ich hörte die Glocke wieder und wieder leise schrillen. Janice war vor Stunden zu Bett gegangen, nachdem sie mir auf einem Tablett etwas zu essen gebracht hatte. Offenbar hatte sie ein Schlafmittel genommen, sonst hätte das andauernde Klingeln sie geweckt. Franklin, der hinten in einer Hütte schlief, würde bestimmt nicht aufstehen.

So nahm ich endlich den Hörer ab; Lichtwart White sprach mit aufgeregter Stimme. Ein Flugzeug war in der Nähe seiner Station abgestürzt.

»Ich kann Konapah nicht erreichen!« White schrie, als müßte er ohne Telefon über die ganze Entfernung mit mir sprechen. »Der alte Doktor Schratt ist wieder betrunken.«

Er fing an zu fluchen, denn er war ganz außer sich – so allein in seinem Blockhaus auf dem Berggipfel, gute acht Meilen vom nächsten Haus, und dicht dabei ein abgestürztes Flugzeug.

Er hatte zehn Minuten lang versucht, Schratt anzurufen, ehe er meine Nummer wählte. Er hatte nur die beiden Linien, auf denen er sprechen konnte – Schratts und meine. Der Telefonist ließ diese Verbindungen die ganze Nacht offen – falls ein Unfall passieren sollte.

Ich beruhigte White und versprach ihm rasche Hilfe.

Endlich bekam ich Schratt ans Telefon. Er konnte kaum sprechen, ja, kaum verstehen, was ich zu ihm sagte. Ich mußte die Nachricht ein paarmal wiederholen.

»Ich kann nicht bis dort hinauf!« winselte er, als meine Worte in sein alkoholbenommenes Hirn eingedrungen waren. »Ich kann nicht. Ich bin ein alter Mann. Ich kann nicht stundenlang auf dem Pferde sitzen. Mein Herz ist nicht in Ordnung.«

Er hatte Todesangst, seinen Posten zu verlieren, aber der Alkohol hatte ihn gelähmt.

»Nun gut, ich werde es für Sie übernehmen«, sagte ich. »Kommen Sie heute abend zu mir herüber.«

»Heute abend – zu Ihnen, Patrick«, wiederholte er kläglich. »Dank, Patrick, tausend Dank!«

Franklin aus dem Schlaf zu wecken, war keine leichte Aufgabe. Ich befahl ihm, die Nachbarn zu holen, die mir helfen sollten. Dann ging ich zurück ins Laboratorium und packte meine Tasche mit allen Instrumenten und Medikamenten, die ich vermutlich brauchen würde. Als ich aufschaute, stand Janice in der Tür.

Sie hatte ihren Schlafrock an und versuchte mit ihren dünnen Fingern den Gürtel um die Taille zu schlingen. Ihre Augen waren müde und stumpf. Sie hatte zuviel Schlafpulver genommen. Ich sah es sofort.

Sie kann das Klima nicht vertragen, die Hitze der ausgedörrten Wüste, die plötzlichen Sandstürme, das schale Wasser, das durch meilenlange heiße Leitungen hergepumpt wird; sie welkt dahin, sie trocknet langsam aus. Ich habe ihr oft genug gesagt, sie solle Washington Junction verlassen. Sie müßte in Neu-England leben, wo sie geboren ist. Aber sie will nicht fort von mir.

»Ein Unglück?« fragte sie. Sie nahm sich zusammen und kämpfte gegen das Schlafmittel an.

Ich erzählte ihr von dem Flugzeug und Whites Anruf.

»Laß mich mitkommen«, bat sie, aber ihre Zunge war schwer. »Ich kann helfen ...«

Plötzlich war sie hellwach und unruhig. Ich wußte, sie wollte nur bei mir sein, dicht bei mir, und der Unfall war ein Vorwand.

»Nein«, sagte ich. »Du bist nicht in Form für den Weg. Geh nur zu Bett.«

Dabei wurde mir bewußt, daß ich seit Wochen nicht mit ihr gesprochen hatte. Ihr Schatten war immer hinter mir – das Essen kam im rechten Augenblick in mein Zimmer, das Haus wurde geräuschlos gereinigt, sie belästigte mich nie durch Fragen. Sie wartete, daß ich sie rief – ich aber hatte ihre schattenhafte Existenz vergessen.

Die Männer kamen mit Pferden und Maultieren. Wir stiegen den Bergpfad hinauf.

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