Siebenter Oktober

Gestern abend kam mir plötzlich die Idee, das Radio im Wohnzimmer einzuschalten. Ich weiß nicht, was den Anstoß gab – ich höre niemals Radio. Tatsächlich ist mir der Apparat sogar unangenehm, er lenkt mich nur ab – aber Impulse, im Unterbewußtsein geboren, motivieren manchmal Handlungen, die völlig sinnlos scheinen. Ich erkenne diese Fähigkeit des Unbewußten an und leiste niemals Widerstand.

Janice war noch auf, sie stopfte eins von Schratts Hemden. Ich war wieder betroffen über ihr bleiches Aussehen. Sie hat beträchtlich abgenommen. Als ich eintrat, legte sie ihre Arbeit hin – sie glaubte, ich wolle mit ihr sprechen; aber ich drehte das Radio an.

Ich bekam einen spanischen Kurzwellensender, drehte weiter, ein Franzose kam, weniger klar, manchmal so schwach, daß die Musik kaum zu hören war. Ich drehte weiter, bekam einen amerikanischen Überlandsender, der sehr stark war – und plötzlich wußte ich, was ich gesucht hatte, und mir wurde glühend heiß bei dieser Eingebung. Ich stürzte zu Schratts Tür, um ihm zu sagen, was ich entdeckt hatte.

Er setzte sich auf, sprang erschrocken aus dem Bett und griff nach seinem schmutzigen Bademantel. »Ist Janice etwas passiert?«

»Nein, es geht ihr gut«, sagte ich.

Die Angst wich aus Schratts Gesicht, aber er sah immer noch verstört aus: »Es geht ihr gar nicht gut«, sagte er.

Meine Ungeduld ließ mir keine Zeit, mich lange bei Janice aufzuhalten. »Ich habe ihr oft genug gesagt, sie soll nach Neu-England zurückgehen! Vielleicht können Sie sie dazu bringen.«

Schratt sah mich an – mir gefiel dieser Blick gar nicht. Es kam ihm nicht zu, mich zu kritisieren – aber jetzt brauchte ich ihn.

»Ich glaube, ich bin auf der richtigen Spur«, sagte ich trocken. Ich wollte nicht, daß meine eigene Begeisterung mich betrunken machte und mich zu verkehrten Schlüssen kommen ließ.

Schratt sprach nicht. Ich hatte das Gefühl, daß er meine Gleichgültigkeit gegen Janice übelnahm.

»Ich habe Ihren Vorschlag – Telepathie – ausprobiert. Donovans Hirn ist dafür nicht stark genug«, sagte ich. »Gedanken können nicht auf elektrischem Wege verstärkt werden, aber es gibt eine andere Möglichkeit!«

Ich sah, daß sein Interesse erwachte. Das gab mir die Sicherheit, die richtige Spur gefunden zu haben. Ich fuhr fort:

»Ich will Ihnen ein Beispiel geben. Wenn Sie eine Radiostation mit einem schwachen Sender einschalten, kann der Empfänger den Ton nicht über eine gewisse Entfernung hinaus verstärken. Es hilft gar nichts, die Kraft des Empfängers zu verstärken, die Kraft des Senders ist ausschlaggebend.«

Ich wartete, bis Schratt meinen Gedanken verarbeitet hatte, aber er sah immer noch nicht, auf was ich hinaus wollte. Ich fuhr fort: »Wir müssen die elektrische Gedankenentladung von Donovans Hirn verstärken, bis sie Kontakt mit einem normalen Hirn bekommt.«

Schratt erfaßte die Idee, konnte aber nicht sofort die Methode erkennen, die ich im Sinn hatte.

»Wenn die vesikularen oder grauen Zellen mit zehntausend oder mehr Mikro-Volt geladen werden könnten«, erklärte ich, »statt mit zehn bis hundert, so würde die Leistung der telepathischen Kraft um das Zehnfache verstärkt. Sie kann so stark werden, daß sie das Hirn jedes Lebewesens beeinflussen könnte.«

Schratt nickte, aber voll Angst. »Sie können recht haben, Patrick«, sagte er langsam, »aber ...«

Er zögerte. Ich haßte dieses Zögern, diese ablehnende Haltung. Ich brauchte Hilfe, nicht Entmutigung!

»Werfen Sie mir nicht schon wieder die ethischen Bremsklötze vor mein Werk«, sagte ich heftig. »Ich muß vorwärts! Ich habe keine Zeit für Ideale außerhalb meiner Forschungen!«

»Sie arbeiten mit einer Kraft, die Sie vielleicht nicht beherrschen können«, sagte Schratt – er sprach wie ein Mönch. »Die Macht des Hirns ist unbegrenzt und nicht im voraus zu ermessen ...«

»Soll man aufhören zu experimentieren, weil es gefährlich werden kann?« fragte ich. Ich war Schratts und seiner Feigheit müde. »Ich kann meine Forschung jederzeit begrenzen, wenn ich will.«

»Und wie?«

»Ich kann die Pumpe ausschalten. Wenn der Blutkreislauf abgeschnitten wird, stirbt Donovans Hirn.«

»Lassen Sie mich überlegen«, antwortete er. Ich ging jedoch aus seinem Zimmer.

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