7

»Er hat mich geschlagen!« jammerte Winyela und eilte zu mir. »Er hat mich geschlagen!«

»Du bist in der Gegenwart eines freien Mannes!« tadelte ich sie und deutete auf Cuwignaka. Sofort ließ sie sich auf die Knie fallen und bat Cuwignaka um Verzeihung.

Das rote Haar trug sie wie meistens offen. Bis auf Cankas Kragen war sie nackt.

»Ja«, sagte ich lächelnd. »Wie man sieht, bist du bestraft worden.«

»Das ist aber gar nicht lustig«, sagte sie. »Ich dachte, du magst mich.«

»Du lebst noch«, stellte ich fest.

Sie blickte mich zornig an. Ich lächelte. Anscheinend hatte die ehemalige Miß Millicent Aubrey-Welles zum erstenmal zu spüren bekommen, was es bedeutet, den Zorn ihres Herrn zu erwecken. Dabei kam ihr die körperliche Züchtigung beinahe ebenso schlimm vor wie die Schande in den Augen anderer.

»Du scheinst darüber entrüstet zu sein«, sagte ich.

»Und ob«, sagte sie.

»Würdest du diese Erfahrung gern wiederholen?«

»Nein!« rief sie erschaudernd.

»Dann scheint die Lektion ja ganz lehrreich gewesen zu sein. Warum wurdest du geschlagen?«

»Weil ich draußen auf der Prärie nicht gut Fleisch geschnitten habe«, erklärte sie.

»Wasnapohdi hatte dich gewarnt«, sagte ich. »Aber du wolltest dir von ihr nicht helfen lassen.«

Zornig wand sich Winyela hin und her. »Ich bin beschämt«, sagte sie, »und würde mich am liebsten verstecken. Bitte laß mich in dein Zelt eintreten.«

Ich überlegte. »Na, schön«, sagte ich dann.

Sie bedankte sich flüsternd und kroch ins Innere. Cuwignaka blieb im Freien. Er hatte drei Häute am Boden festgepflockt und kratzte sie mit einem Messer ab. Überall waren ähnliche Arbeiten im Gange, dazwischen standen Gestelle mit schweren Streifen Kailiaukfleisch, ein gewohnter Anblick im Sommerlager. Das Fleisch bleibt zwei oder drei Tage lang in der Sonne liegen, was genügt, um es haltbar zu machen. Zum Schutz vor der Nachtluft wird es abends hereingeholt.

In meinem Bau lag Winyela schluchzend auf den Roben.

»Reg dich nicht auf!« sagte ich. »Du bist doch nur eine Sklavin.«

»Wir stehen im Besitz unserer Herren«, flüsterte sie. »Aber ich dachte wirklich, Canka würde mich nicht schlagen.«

»Warum nicht?«

»Ich hatte geglaubt, er mag mich.«

»Das dürfte stimmen«, sagte ich. »Er hat dich ohnehin bisher mit großer Nachsicht behandelt, was ich für einen Fehler halte. Du wirst feststellen müssen, daß es mit seinem Großmut aus ist. Wenn ich mich nicht sehr irre, wird sich das Leben für dich in seinem Zelt sehr verändern.«

»Verändern?«

»Die Disziplin, der du ab sofort unterworfen sein wirst«, sagte ich, »wird dir vermutlich wenig Zweifel über dein Sklavendasein lassen. Sie wird hart und genau sein. Weichst du vom schmalen Grat der Vollkommenheit ab, mußt du mit einer Strafe rechnen. Kurz, du wirst genau das erhalten, was Frauen wie du sich ersehnen und brauchen.«

Zornig senkte sie den Kopf.

»Was empfindest du gegenüber Canka?« wollte ich wissen.

»Ich hasse ihn«, sagte sie. »Gleichzeitig habe ich Angst, daß er mich nicht mehr mag.«

»Wieso?«

»Er war so abweisend zu mir.«

»Wahrscheinlich war er zornig auf dich.«

»Meinst du, er wird mich weggeben?«

»Ich weiß es nicht.«

Schluchzend senkte sie den Kopf.

»Weiß Canka, daß du hier bist?« fragte ich.

»Ja. Ich erhielt sogar den Befehl, mich bei dir zu melden.«

»Nicht bei Cuwignaka?«

»Nein.«

»Bei mir persönlich?«

»Ja, Herr.«

»Weißt du, was es bedeutet, wenn eine Sklavin nackt und in Fesseln zu einem Mann geschickt wird?«

»Ich kenne mich mit goreanischen Gebräuchen nicht aus.«

»Kannst du dir den Symbolismus nicht denken? Sehr interessant.«

»Wieso?«

»Du bist eine schöne Sklavin«, sagte ich, »die Sklavin eines hohen Kriegers, der bei den Kampfgefährten sogar schon als Blotanhunka gedient hat.«

Sie warf den Kopf in den Nacken.

»Angeblich bist du sogar fünf Felle des gelben Kailiauk wert«, fuhr ich fort. »Das sollte Grunt für dich von Mahpiyasapa erhalten.«

Sie wandte den Kopf ab.

»Warum bist du dann hierher geschickt worden, zu einem Mann, der wie du nur Sklave ist?«

»Ich soll bestraft werden«, sagte sie. »Ich habe meine Befehle. Ich soll dir für den Nachmittag in jeder Beziehung zu deiner Zufriedenheit dienen – als Sklavin.«

»Damit wärst du die Sklavin eines Sklaven!« stellte ich fest.

»Ja«, sagte sie zornig. »Und nun fang an mit der Bestrafung!«

»Ich kann mir nicht denken, daß Canka dich wirklich in meinen Armen sehen will«, sagte ich. »Außerdem finde ich, daß du schon gestraft genug bist.«

Erstaunt sah sie mich an.

»Leg dich hier auf die Felle«, sagte ich. »Ruh dich aus. Später bringe ich dich dann zu Cankas Zelt zurück.«

»Willst du mich nicht?« fragte sie.

»Dich sehen heißt, dich zu begehren«, sagte ich.

»Du kannst mich haben.«

»Du liebst Canka, du gehörst ihm.«

Daraufhin deckte ich sie mit einem kleinen Fell zu.

»Es ist aber gar nicht kalt«, sagte sie lächelnd.

»Ich bin ein Mann«, bemerkte ich. »Laß mich nicht schwach werden.« Und ich verließ das Zelt.

Draußen gerbte Cuwignaka noch immer seine Kailiaukhäute.

»Wo ist Winyela?« wollte er wissen.

»Drinnen. Sie schläft.«

»Sie hatte sicher einen schweren Tag.«

»Bestimmt.« Ich lachte.

»Wie war sie?«

»Ich weiß es nicht. Ich habe sie schlafen lassen.«

»Aber sie sollte sich doch bei dir melden! Was hast du dagegen, daß Canka sie dir kurzzeitig zum Geschenk macht?«

»Nichts!« sagte ich lachend. »Ich meine nur, daß sie für heute schon genug gestraft ist.«

»Das zu entscheiden, dürfte aber Cankas Sache sein, nicht die deine.«

»Sicher hast du recht. Er ist ihr Herr.«

»Und du hast sie schlafen lassen! Wie rücksichtsvoll du bist!«

»Mag sein«, sagte ich. Es war lange her, seit mich jemand rücksichtsvoll genannt hatte.

Ich schaute mich um.

»Da hinten sind Bloketu und Iwoso«, sagte ich. »Sie scheinen uns besuchen zu wollen.«

»Natürlich«, sagte Cuwignaka und unterbrach die Arbeit an seiner Kailiaukhaut nicht.

»Wie kommt es, daß Bloketu dich so haßt?« fragte ich.

»Keine Ahnung«, antwortete Cuwignaka. »Wir waren früher einmal befreundet.«

»Sie kommen näher.«

Cuwignaka beugte sich noch tiefer über seine Arbeit. Seine Bewegungen hatten etwas Zorniges.

Natürlich geschieht es sehr oft, daß Frauen sich über ein Stammesmitglied in Cuwignakas Lage lustig machten. Bloketu schien darin allerdings ein besonders bösartiges Vergnügen zu haben.

»Gestern abend habe ich von Bloketu geträumt«, sagte Cuwignaka.

»Ach?«

»Ja, im Traum steckte ich sie in meinen Kragen und besaß sie und hatte mein Vergnügen mit ihr.«

»Ein guter Traum«, bemerkte ich.

»Ja.«

»Ach, Iwoso!« sagte Bloketu und blieb neben uns stehen. »Hier haben wir ja das hübsche Mädchen, das wir schon draußen auf der Prärie sahen, du weißt schon, das Mädchen in dem Kleid einer Weißen.«

»Ich erinnere mich«, sagte Iwoso.

»Sie hatte soviel Fleisch geschnitten! Die Stangen ihres Transportgestells bogen sich durch!«

»Ja«, sagte Iwoso und blickte hinter sich, als erwartete sie, dort jemanden zu sehen.

»Aber dann war sie ein böses Mädchen«, fuhr Bloketu fort. »Sie war ungehorsam gegenüber einem Sleensoldaten und verlor das ganze Fleisch.«

Iwoso lachte.

»Wie heißt sie doch gleich? Cuwignaka, nicht wahr?«

»Ja«, bestätigte Iwoso.

»Ah, Cuwignaka«, sagte Bloketu, »du kannst dich wirklich glücklich schätzen, nicht die Frau eines Kaiila-Kriegers zu sein. Von ihm hättest du sicher eine schmerzhafte Strafe empfangen.«

»Er ist wieder da«, flüsterte Iwoso ihrer Herrin zu und schaute erneut nach hinten.

»Ach?« Zornig drehte sich Bloketu um.

Hci ritt auf dem Rücken seiner Kaiila herbei; er trug das Haar geflochten und ohne Federschmuck. Stumm schaute er auf die beiden Mädchen hinab.

»Folgst du uns durch das Lager?« fragte Bloketu.

»Es geht das Gerücht, daß wir mit den Gelbmessern vielleicht bald Frieden haben«, sagte Hci.

»Das Gerücht kenne ich«, erwiderte Bloketu.

»Die Gelbmesser sind unsere Feinde.« Hcis Blick fiel auf Iwoso.

»Wenn du Iwoso den Hof machen willst«, sagte Bloketu, »kannst du heute abend zum Bau kommen und dich hinsetzen und die Liebesflöte spielen. Dann entscheide ich, ob ich meiner Zofe gestatte, den Bau zu verlassen.«

»Du hast sie noch immer nicht wie eine Sklavin ausstaffiert.«

»Es ist wirklich überflüssig, Iwoso mit heraushängender Zunge zu folgen«, sagte Bloketu.

»Nicht deshalb folge ich ihr«, erwiderte Hci. »Wenn ich sie wollte, würde ich zu deinem Zelt kommen. Ich würde eine Kaiila für sie bieten und gleich eine Fessel mitbringen.«

»So redet man nicht, auch nicht als Sleensoldat!« rief Bloketu.

»Heute früh«, sagte Hci, »seid ihr beide mit Watonka aus dem Lager der Isanna geritten.«

»Er hat uns bespitzelt!« rief Iwoso.

»Ihr traft euch mit anderen Reitern«, fuhr Hci fort. »Ich habe die Spuren gefunden. Was habt ihr getan?«

»Nichts«, sagte Bloketu.

»Was waren das für andere Reiter?«

»Du bist doch ein erfahrener Spurenleser«, entgegnete das Mädchen. »Sag’s uns! Gewiß hast du im Staub nach Mokassinabdrücken gesucht.«

»Niemand ist abgestiegen«, sagte Hci.

»Es waren Isanna-Jäger«, behauptete Bloketu.

»Heute früh haben keine Jagdgruppen der Isanna das Lager verlassen«, widersprach Hci.

»Oh«, erwiderte Bloketu.

»Das hatte Watonka persönlich angeordnet«, fuhr Hci fort.

»Es waren Wismahi«, sagte Bloketu.

»Nein, Krieger der Gelben Messer. Drei Kämpfer«, widersprach Hci.

»Das kannst du unmöglich wissen!« rief Bloketu unwirsch.

»Und genau zu einem solchen Anlaß würdest du die Gelbmesser-Sklavin mitnehmen«, sagte Hci und schaute auf Iwoso. »Um mit diesen Leuten sprechen zu können.«

»Sklave!« rief Iwoso aufgebracht.

»Ja, Sklave!« sagte Hci.

Bloketu schaute sich um. »Sprich nicht so laut!« sagte sie. »Du hast recht, Hci. Es waren Gelbmesser. Und Iwoso hat uns sehr geholfen. Sie kann mit ihnen sprechen, während wir nur die Zeichensprache beherrschen. Die Krieger der Gelben Messer haben sich mit Watonka in Verbindung gesetzt. Sie wollen mit den Kaiila Frieden schließen.«

»Das ist ja wunderbar!« sagte Cuwignaka.

»Kümmere dich um deine Arbeit, Mädchen«, sagte Hci zu Cuwignaka, »sonst teile ich dich zum Nähen ein.«

Zornig setzte sich Cuwignaka auf die Fersen.

»Dir ist das wahrscheinlich nicht bekannt, Hci«, sagte Bloketu, »aber Mahpiyasapa und die anderen Häuptlinge wissen Bescheid. Wegen dieser Angelegenheit wird eine Ratsversammlung stattfinden.«

»Die Gelbmesser sind unsere Feinde!« sagte Hci. »Mit denen gibt es niemals Frieden. Waren es wirklich die Gelbmesser, die sich zuerst bei Watonka meldeten?«

»Ja«, antwortete das Mädchen.

»Ich kann mir das kaum vorstellen.«

»Warum?«

»Ich kenne den Stamm der Gelben Messer«, sagte Hci, und seine Hand berührte unwillkürlich die lange Narbe an der linken Wange. »Ich habe sie kennengelernt, Lanze gegen Lanze, Knüppel gegen Knüppel, Messer gegen Messer.«

»Im Leben gibt es mehr als das Sammeln von Coups«, sagte Bloketu.

»Da magst du recht haben«, entgegnete Hci und betrachtete Iwoso, die hastig den Kopf senkte. Sie war sehr hübsch. Sie war im Alter von zwölf Jahren von Gelbmessern erbeutet worden und inzwischen alt genug, daß sich Männer für sie interessieren konnten.

»Sei unbesorgt, Hci!« sagte Bloketu lachend. »Es waren nur drei, außerdem haben wir jetzt die Zeit der großen Tänze.«

Während der Sommerfeste, während der Zeit der großen Tänze ruhen gewöhnlich alle Kriege und kämpferischen Auseinandersetzungen auf der Prärie. Es ist eine Zeit des Waffenstillstandes und des Friedens. Der feiernde Stamm enthält sich während dieser Zeit aller kriegerischen Aktivitäten. Entsprechend halten sich verfeindete Gruppen an diese Ruheperiode, vielleicht aufgrund der darin zum Ausdruck kommenden Vereinbarung, daß auch ihre Festzeiten geachtet werden. Für die roten Wilden stellen die Feiern während des Sommers, wann immer sie bei den verschiedenen Stämmen anfallen, im Laufe des Jahres die einzigen Perioden dar, in denen sie politisch und territorial geschützt sind. Ein alles in allem sehr fröhlicher Zeitabschnitt. Es ist ein angenehmes Gefühl, sich in dieser Zeit sicher zu wissen. Schon mehr als eine Kriegergruppe, die beim Vorstoß auf feindliches Land tanzende Gegner vorfand, zog sich höflich zurück. Solche Dinge sind nicht ohne Vorbild. Im alten Griechenland galten gewisse Spiele, zum Beispiel die Olympischen Spiele, als Waffenstillstandsperiode, in der die Auseinandersetzungen zwischen den Städten ruhten. Mannschaften und Zuschauer der verfeindeten poleis konnten dann ungestört zwischen den Stadien reisen. Bei den roten Wilden sprachen zwei weitere Gründe gegen ein aggressives Verhalten in dieser Zeit. Erstens minderte die Größe solcher Zusammenkünfte, die Massierung des Gegners die Nützlichkeit einer Attacke. Sich als einzelne Bande gegen eine ganze Nation zu wenden, war nicht ratsam. Zweitens gilt es als schlechte Medizin, während einer Festlichkeit zu kämpfen.

»Man kann Gelbmessern nicht trauen!« sagte Hci.

»Es ist schon in Ordnung, Hci«, sagte Bloketu. »Wenn du willst, kannst du deinen Vater Mahpiyasapa fragen.«

Hci zuckte ärgerlich die Schultern.

»Wegen dieser Frage wird eine Ratsversammlung zusammentreten«, fuhr Bloketu fort.

Mir erschien das alles durchaus plausibel. Wenn die Gelbmesser einen Frieden anstrebten und sich deswegen mit Watonka in Verbindung gesetzt hatten – oder er sich mit ihnen –, dann war diese Zeit die beste dafür, die Zeit der Tänze und Feiern. Die ideale Gelegenheit für solche Vorstöße und Anfragen und Verhandlungen.

Iwoso hob den Kopf. Hci hatte den Blick noch nicht von ihr abgewendet. Eine solche Musterung wäre natürlich bei einer freien Frau nicht schicklich gewesen.

»Oh!« lachte Bloketu frei heraus, als versuche sie das Thema zu wechseln. »Anscheinend hast du uns doch nicht nachspioniert, Hci. Du hast nur so getan! Du bist ein raffinierter junger Bursche! Du suchtest einen Vorwand, Iwoso zu folgen!«

»Nein!«, sagte Hci, dem solcher Spott ganz und gar nicht behagte.

»Ich weiß, daß du Iwoso attraktiv findest«, ließ Bloketu nicht locker. »Ich bemerke doch deine Blicke.«

»Sie ist eine Gelbmesser-Sklavin, weiter nichts«, sagte er.

»Sie lebt seit ihrem zwölften Lebensjahr bei den Kaiila«, sagte Bloketu. »Sie ist genauso sehr Kaiila wie Gelbmesser.«

»Nein«, widersprach der junge Mann. »Sie ist eine Gelbmesser. Das steckt in ihrem Blut.«

»Iwoso«, wandte sich Bloketu an ihre Zofe, »vielleicht gestatte ich Hci, um dich zu werben.«

»Nein, bitte nicht!« rief Iwoso, die Hci ehrlich zu fürchten schien. Ich sollte erst später begreifen, was es mit dieser Empfindung auf sich hatte.

»Ich werde die Entscheidung treffen«, sagte Bloketu, »ob du ihn erhören wirst oder nicht.«

»Nein, bitte!« flehte Iwoso.

»Willst du mir widersprechen, Zofe?«

»Nein.«

»Eigentlich müßte sie mit gesenktem Kopf auf dem Boden knien«, sagte Hci.

»Ihr Männer wollt doch nichts anderes, als uns alle zu euren hilflosen Sklavinnen zu machen«, sagte Bloketu zornig.

Ich bemerkte den Blick, der Bloketu von Cuwignaka zugeworfen wurde, und sagte mir, daß er sie in seiner Vorstellung wohl entkleide. Wahrscheinlich versuchte er sich klarzumachen, wie sie als Sklavin aussehen würde.

»Möchtest du Iwoso haben?« fragte Bloketu zornig.

Hci, direkt angesprochen, zuckte die Achseln. »Sie ist eine Gelbmesser«, sagte er. »Als Sklavin käme sie vielleicht in Frage, ich weiß nicht.«

»Wenn du sie haben willst, mußt du sie richtig umwerben.«

»Ich umwerbe keine Gelbmesserfrau«, sagte Hci. »Die bringe ich um oder stecke sie in meinen Kragen.« Mit diesen Worten spornte er seine Kaiila an und galoppierte davon.

»Was für ein arroganter junger Mann!« sagte Bloketu.

»Bitte laß nicht zu, daß er mich umwirbt«, flehte Iwoso.

»Ich werde tun, was mir gefällt«, antwortete Bloketu.

»Ja, Bloketu«, sagte Iwoso.

»Du hast Angst vor ihm, nicht wahr?«

»Ja. Ich hätte schreckliche Angst, zu ihm in sein Zelt ziehen zu müssen.«

»Interessant.«

»Du bist frei, die Tochter eines Häuptlings«, sagte Iwoso. »Deshalb verstehst du meine Angst nicht. Ich bin eigentlich nur eine Sklavin.«

»Ich werde tun, was mir beliebt!«

»Bitte zwinge mich nicht, seinem Begehren nachzugeben!«

»Mach mich nicht wütend, Zofe!« fauchte Bloketu, »sonst schicke ich dich vielleicht für die Nacht zu ihm! Bedenke, daß du noch nicht wichtig bist.«

Iwoso antwortete nicht. Bloketus letzte Formulierung verstand ich nicht. Wieso war Iwoso noch nicht wichtig? Ich schloß daraus, daß etwas geschehen könnte, das Iwoso zu einer wichtigen Person machen würde. Sobald dieses Ereignis eingetreten war, brauchte sie sich vermutlich wegen Hci oder anderer Kaiila-Krieger keine Sorgen mehr zu machen.

»Warum sollte Iwoso einmal wichtig werden?« fragte Cuwignaka in diesem Augenblick und arbeitete weiter an der Tierhaut, die vor ihm gespannt war. Die Frage erschien mir angemessen. Auch wenn sie als Zofe einer Häuptlingstochter arbeitete, war Iwoso im Grunde nur eine Sklavin.

»Es ist nicht wichtig«, sagte Bloketu.

»Es hat mit den Gelbmessern zu tun, nicht wahr?« fragte Cuwignaka.

»Vielleicht«, antwortete Bloketu lächelnd. Sie mußte sehr eitel sein, eine Eigenschaft, die Cuwignaka erkannt zu haben schien.

»Wenn Iwoso Bedeutung erlangen soll«, fuhr Cuwignaka fort, »wirst du sicher in entsprechendem Maße noch bedeutender werden.«

»Mag sein.«

»Und wenn du eine wichtige Position bekleidest«, sagte Cuwignaka verwirrt, »dann würde dein Vater Watonka sicher in eine noch wichtigere Stellung aufsteigen?«

»Vielleicht.«

»Aber was kann man Bedeutsameres sein als Häuptling der Isanna?« fragte Cuwignaka ratlos.

»Darf ich etwas sagen, Herrin?« fragte Iwoso.

»Ja.«

»Wenn man es schafft, Frieden zwischen unseren Völkern zu stiften, den Kaiila und den Gelbmessern«, sagte sie, »dann würde man doch vom Prestige her eine sehr wichtige Stellung innehaben.«

»Stimmt«, sagte Cuwignaka.

»Eine solche Tat«, fuhr Iwoso fort, »wäre mit dem Erringen von hundert Coups vergleichbar, mit der Rolle eines Oberhäuptlings der Kaiila.«

»Das stimmt in der Tat«, sagte Cuwignaka und lehnte sich neben der angepflockten Tierhaut zurück.

Bloketu schien erleichtert zu sein. Vage machte ich mir klar, daß Iwoso eine sehr kluge junge Frau zu sein schien.

»Und ich habe die Hoffnung«, fuhr die Zofe fort, »in dieser Angelegenheit ein wenig helfen zu können, bei diesem Friedensschluß zwischen unseren Völkern.«

»Deine Motive sind edel, Mädchen«, sagte Cuwignaka. »Ich hoffe, du hast Erfolg.«

»Danke«, antwortete Iwoso.

Das ganze Gespräch erfüllte mich mit Unbehagen, aber ich vermochte nicht genau zu sagen, was mir daran seltsam vorkam.

Cuwignaka griff nach seinem Gerbmesser und konzentrierte sich wieder auf seine Arbeit.

»Wir wollen zu den Zelten der Isanna zurückkehren, Herrin«, sagte Iwoso drängend. Bisher hatte ich nicht oft gehört, daß sie Bloketu als Herrin anredete. Sie schien es eilig zu haben, uns zu verlassen.

»Waren wir nicht hergekommen, um dieses hübsche Mädchen zu besuchen?« fragte Bloketu. »Dabei wurden wir von Hci gestört.« Anscheinend hatte sie ihre Überlegenheit gegenüber Cuwignaka noch nicht genug ausgekostet. Ich wußte nicht, warum sie ihn so sehr haßte.

»Vertrödelt mit mir nicht eure Zeit«, sagte Cuwignaka, ohne von seiner Arbeit aufzuschauen.

»Du scheinst sehr fleißig zu sein – was machst du da, hübsches Mädchen?« fragte Bloketu.

»Ich gerbe Leder«, antwortete Cuwignaka. »Eine Arbeit, die eigentlich dir anstünde!«

»Freches Mädchen!« rief Bloketu.

»Ich lasse mich nicht gern verspotten.«

»Du bist sehr berühmt«, verkündete die Häuptlingstochter. »Alle Kaiila kennen dich. Ebenso die Staubfuß-Krieger, mit denen wir Handel treiben.«

Cuwignaka brummte gereizt vor sich hin. Natürlich hatte sich seine Geschichte im Ödland herumgesprochen. Zum Beispiel treiben die Staubfüße Handel mit mehreren fremden Stämmen, die wiederum mit anderen Ödland-Bewohnern in Berührung kommen. So sind die Staubfüße und die Flieher zwar ebenso verfeindet wie Kaiila und Flieher, doch handeln die Staubfüße mit den Sleen, die ihrerseits mit Gelbmessern und Fliehern Geschäfte machen. Auf diesen Wegen konnte sich Cuwignakas Geschichte auch bei feindlichen Stämmen herumgesprochen haben.

»Was man vermutlich aber nicht weiß«, fuhr Bloketu fort, »ist, wie hübsch und fleißig du bist.«

»Hübschheit allein genügt nicht, auch wenn du anscheinend recht gut zurechtkommst«, erwiderte Cuwignaka.

»Wir wollen gehen, Herrin«, sagte Iwoso.

»Halt den Mund!« fauchte Bloketu. »Cuwignaka, was meinst du damit!«

»Bei den Kaiila ist allgemein bekannt«, sagte Cuwignaka, lehnte sich zurück und schaute das Mädchen an, »daß du zu kaum etwas taugst.«

»Oh?« rief Bloketu. Offenbar war sie erschrocken, plötzlich dem herausfordernden, offenen Blick des knienden Mannes ausgesetzt zu sein.

»O ja.«

»Den meisten Männern scheint das aber nichts auszumachen«, nahm Bloketu ihren Hochmut zusammen.

»Das liegt daran, daß du die Tochter eines Häuptlings bist.«

»Nein, weil ich schön bin!«

»Wer hat dir das gesagt?«

»Viele Männer.«

»Da muß es dunkel gewesen sein.«

»Nein!«

»Man sagt dir so etwas, weil du Watonkas Tochter bist, weil die Männer sich eine Kaiila vom Häuptling erhoffen.«

»Nein!«

Cuwignaka zuckte die Achseln, und ich mußte lächeln. Sehr schnell hatte er das Ruder herumgerissen und das Mädchen in die Defensive getrieben. Schon bei einem so einfachen Wortwechsel war er ihr geistig überlegen.

»Alle sagen, daß ich schön bin!« rief Bloketu ärgerlich.

»Hab’ ich es dir jemals gesagt?«

»Indirekt schon. Draußen auf der Prärie hast du gesagt, es genüge nicht, nur schön zu sein.«

»Ach? Na, das mag schon sein. Bei den Kaiila, wo es viel zu tun gibt, genügt es bestimmt nicht, einfach nur schön zu sein.«

»Und damit gibst du zu, daß ich schön bin!« sagte sie triumphierend.

»Habe ich gesagt, ich spräche von dir?«

»Nein!«

»Vielleicht meinte ich dich also gar nicht.«

»Oh!« rief das Mädchen außer sich.

»Aber man sollte mal darüber nachdenken.«

»Findest du mich schön?«

»Vielleicht.«

»Vielleicht?«

Cuwignaka stand auf. Er trat vor Bloketu hin und schaute auf sie nieder; immerhin war er einen Kopf größer als sie. »Ja, Bloketu«, sagte er, »du bist schön.«

»Jetzt sagst du die Wahrheit!« rief sie.

»Ich werde dir noch andere Wahrheiten sagen. Du bist schön als freie Frau, doch als Sklavin, deinem Herrn ergeben, wärst du noch tausendmal schöner!«

»Ich bin die Tochter eines Häuptlings!«

»Nur gut, daß du dem Stamm der Kaiila angehörst«, sagte Cuwignaka. »Sonst könnte ich nämlich Lust bekommen, auf den Kriegspfad zu gehen und dich als nackte Beute zu entführen.«

»Oh!«

»Ich begehre dich, Bloketu«, sagte Cuwignaka. »Mich verlangt nach dir mit einer Sehnsucht, wie sie ein Mann gegenüber einer Frau nicht stärker empfinden kann.«

Das Mädchen machte kehrt und floh entsetzt. Sie hatte sich nicht träumen lassen, zum Ziel solcher Leidenschaften werden zu können.

Hastig folgte ihr die Zofe Iwoso.

Cuwignaka blickte hinter den beiden Mädchen her. »Hübsch sind sie, nicht wahr?« fragte er.

»Ja.«

»Ob sie wohl gute Sklavinnen abgäben?«

»Ich glaube schon.«

»Wen hältst du für die schönere, Iwoso oder Bloketu?«

»Bloketu«, antwortete ich.

»Ich auch.«

»Teile eures Gesprächs haben mich beunruhigt«, sagte ich. »Besonders die Bemerkung, daß Watonka noch mehr Bedeutung gewinnen könnte.«

Cuwignaka grinste. »Ich fürchte, in dieser Sache haben Bloketu und Iwoso nicht gerade offen gesprochen.«

»Inwiefern?«

»Anscheinend wollten sie uns glauben machen, Watonkas Erhöhung wäre weitgehend eine Sache des Prestiges.«

»Wäre das denn nicht so?« wollte ich wissen.

»Prestige ist natürlich auch im Spiel«, sagte Cuwignaka lächelnd, »aber zweifellos würden auch viele Geschenke vergeben, und dabei würde so manche Kaiila den Besitzer wechseln.«

»Ich verstehe!«

»Watonka ist längst der reichste aller Kaiila-Krieger. Würde es ihm gelingen, diesen Frieden einzufädeln, was wir doch alle hoffen, wird er zweifellos viele Kaiila zum Geschenk erhalten, vielleicht tausend Tiere, Geschenke der Gelbmesser und Kaiila.«

»Aha!«

»Über seinen Herden wird sich der Himmel von Fliehern verdunkeln«, sagte Cuwignaka.

Ich lächelte. Die Position großer Kaiila-Herden wird zuweilen von Schwärmen kreisender Flieher-Vögel angezeigt, die sich von den aus dem Gras aufgescheuchten Insekten ernähren.

»So wäre Bloketu als Tochter eines solchen Mannes eine sehr wichtige Person. Und selbst Iwoso, immerhin nur Sklavin, würde von mehreren Stämmen gefeiert werden, ist sie doch Zofe in einem reichen Haushalt.«

Ich lachte. »Angesichts solcher Profite ist verständlich, warum Bloketu und Iwoso diesen Aspekt der Angelegenheit nicht erwähnen wollten.«

»Zumal die Angelegenheit noch in der Schwebe zu sein scheint.«

»Glaubst du, daß es zwischen den Gelbmessern und den Kaiila zum Friedensschluß kommt?« fragte ich.

»Ich weiß nicht«, sagte Cuwignaka. »Zumindest hoffe ich es.«

»Dort, eine hübsche Sklavin«, sagte ich.

Das blonde Mädchen, das uns passierte, warf mir einen verächtlichen Blick zu.

»Sie ist mit den Isanna ins Lager gekommen«, sagte Cuwignaka.

»Ja«, sagte ich. Das Mädchen hatte beim Einzug in das Lager zu den Beuteschaustücken der Isanna gehört. Schon damals hatte sie mir einen sehr hochmütigen Eindruck gemacht.

Ich blickte der blonden Sklavin nach, die zwischen den Zelten verschwand. Sie bewegte sich auf eine interessante Weise.

»Du hättest jetzt gern ein Mädchen«, sagte Cuwignaka lächelnd.

Ich antwortete nicht.

»Im Zelt schläft Winyela«, sagte Cuwignaka. »Warum weckst du sie nicht doch? Sie ist nur eine Sklavin. Außerdem wurde sie dir zur Bestrafung geschickt.«

»Nein«, sagte ich.

»Man sollte eine Sklavin nicht zu weich behandeln.«

»Ich weiß.«

»Es ist Cankas Wille, daß du sie dir zu Willen machst.«

»Meinst du?«

»Natürlich! Er ist ein roter Wilder. Das darf dich nicht verwirren.«

Ich zuckte die Achseln.

»Er wird wollen, daß sie, wenn sie zu ihm ins Zelt zurückkehrt, eine bessere Sklavin ist als vorher.«

»Mag sein«, sagte ich.

»Mach sie wach, zeig ihr ihre Pflicht, laß ihr keinen Zweifel, daß Männer ihre Herren sind.«

»Ich glaube, ich lasse sie schlafen«, sagte ich lächelnd.

»Wie du willst«, meinte Cuwignaka.

»Für einen Tag hat sie genug gelitten. Aber«, fügte ich hinzu, »ich werde Grunt besuchen.«

»Und nach Wasnapohdi Ausschau halten!« rief Cuwignaka lachend.

»Vielleicht.«

»Arme Wasnapohdi!«

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