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Licht fiel durch die Löcher in unsere Grube.

Ähnliche Vertiefungen wie die, in der wir saßen, allerdings viel kleiner, werden für den Fang des krallenfüßigen Herlit-Vogels verwendet, der vor allem wegen seines Gefieders geschätzt ist. Heute aber hatten wir es nicht auf Herlits abgesehen.

Nackt ausgestreckt lag das Mädchen vor mir, mit der langen Lederleine am Fesselstamm festgebunden.

»Still!« sagte ich nach langer Zeit. Ich hatte ein Geräusch vernommen.

Vorsichtig kroch ich zu der größeren Öffnung in der Decke.

»Eine Urt«, sagte ich. »Seltsam. Sie ist fort.«

Ich kehrte an meinen Platz zurück. Das Warten in der Falle kann nervenaufreibend sein. In der langen Zeit, die wir nun schon hier zubrachten, hatte es schon mehrere Unterbrechungen gegeben. Zweimal hatten wir den einzelnen Fliegerschrei gehört, erzeugt von Cuwignaka, der uns damit anzeigen wollte, daß Kinyanpi unseren Bereich durchflogen. Einmal war ein Prärie-Tabuk, ein einhörniges gazellenartiges Tier, grasend in unsere Nähe geraten. Auf eine Weise hatte mich dieses Vorkommnis gefreut, schien es mir doch darauf hinzudeuten, daß sich unsere Jagdbeute in der Nähe befinden konnte; in anderer Beziehung war ich nicht so erbaut darüber gewesen, weil der Tabuk vielleicht nicht allein war, denn im allgemeinen ziehen diese Tiere in Herden durch die Prärie. Einmal hatten wir zwei Fliegerschreie vernommen, aber es stellte sich zu unserem Unmut bald heraus, daß dieses Signal nicht von Cuwignaka kam, sondern von einem echten Fliegervogel.

Ich lehnte mit dem Rücken an der Querwand des Lochs.

Mein Blick ruhte auf dem Fesselstamm, der links von mir lag, und dem darauf zusammengerollten Seil. Ich betrachtete die Wände der Erdgrube und die Decke, deren Astgewirr die Grasnarbe stützte; schließlich blickte ich in die Lichtbahnen, die durch die beiden Öffnungen hereindrangen.

In diesem Moment vernahm ich zwei Vogelschreie, die von einem Flieger stammen konnten.

»Ein Flieger«, sagte Mira, »weiter nichts.«

Ich stieß sie zur Seite und schob den Kopf durch die größere der beiden Öffnungen.

Wieder waren die beiden Laute zu hören, diesmal nachdrücklicher.

Ich stand auf und hob die Schultern aus der Öffnung.

»Herr?« fragte sie.

»Das ist kein Vogel«, sagte ich.

Hastig duckte ich mich wieder in das Loch und zerrte probehalber an dem Lederseil, das am rechten Fußgelenk des Mädchens befestigt und am anderen Ende zweimal um den Fesselstamm gewickelt war. Dann zog ich die Frau neben mir hoch.

»Herr!« rief sie bekümmert.

Ich schob sie durch die Öffnung ins Freie.

»Siehst du ihn?« fragte ich.

»Ja«, antwortete sie nach kurzem Schweigen. »Er fliegt sehr hoch.«

»Kreist er?«

»Schwer zu sagen«, antwortete sie. »Möglich wäre es.«

»Gut«, sagte ich. »Dann ist er wahrscheinlich auf der Jagd.« Die gemächlichen Jagdmanöver dieser Tiere in großer Höhe hatten zuweilen einen Durchmesser von mehreren Pasang.

»Kann er dich sehen?« fragte er.

»Ich glaube nicht.«

»Dann beweg dich ein bißchen! Geh herum!« Ich sah, wie sie die Lederschnur spannte.

Das Sehvermögen unserer Beute war wirklich bemerkenswert. Besonders gut versteht sich der Vogel darauf, Bewegungen auszumachen. Angeblich kann er auf eine Entfernung von zwei Pasang eine Urt erspähen und auf eine Pasang jede ungewöhnliche Bewegung im Gras. Ich war davon überzeugt, daß wir uns auf seine Augen verlassen konnten.

»Er kreist«, sagte sie.

»Kann er dich sehen?« fragte ich.

»Jetzt!« sagte sie erschrocken. »Ja, jetzt sieht er mich wohl.«

»Verlier ihn nicht aus den Augen!« mahnte ich. »Du darfst dir nicht anmerken lassen, daß du etwas gemerkt hast, aber laß ihn nicht verschwinden. Dein Leben könnte davon abhängen. Merk dir auch genau die Position des Loches.«

»Ich weiß genau, wo er ist, Herr«, sagte sie. »Sei unbesorgt.«

»Es kann jetzt sehr schnell gehen«, sagte ich. »Du verstehst, was ich sage?«

»Ja, Herr, ja!«

Unser Opfer durfte nicht viel Zeit haben, sich die Sache anzuschauen.

»Er sieht mich!« stöhnte sie.

»Gut!« sagte ich. »Du darfst ihn nicht beachten!«

»Er kommt!« rief sie. »Er kommt sehr schnell!«

»Atme tief durch. Verlier ihn nicht aus den Augen!«

»Ich habe Angst!«

Plötzlich schien die Leine förmlich aus dem Loch zu schnellen und spannte sich gleich darauf straff. Mira schrie entsetzt. Ich schob Kopf und Schultern aus dem Loch und sah sie auf dem Bauch im Gras liegen, ein Bein lang nach hinten ausgestreckt, von der Fessel festgehalten. Sie hatte fliehen wollen.

Ich stemmte mich aus dem Loch und sprang schreiend und fluchend und armschwenkend herum. Der anfliegende Vogel, von meinem überraschenden Auftauchen verwirrt, bog ab und schwebte wenige Fuß entfernt an mir vorbei; sein riesiger Schatten huschte zwischen mir und der Sonne hindurch.

»Steh auf!« befahl ich.

Zitternd gehorchte sie.

»Du hast uns die Beute gekostet«, sagte ich.

»Ich hätte dabei umkommen können«, sagte sie zitternd. »Verzeih mir, Herr!«

»In das Loch!« befahl ich. »Noch ein solcher Auftritt, und du wirst bestraft!«

»Ja, Herr.«

»Vielleicht kommt er ja zurück.«

Sie erbebte.

Wenige Ehn später erfüllte sich meine Hoffnung – wir hörten erneut die beiden Fliegerrufe.

»Vielleicht hat er Hunger«, mutmaßte ich.

Mira hob den Blick, und in ihren Augen stand Entsetzen.

»Ich konnte mir nicht vorstellen, daß er dich vergessen würde, mein hübscher nackter Köder«, fuhr ich fort und betrachtete sie. »Raus mit dir!«

»Bitte nicht!«

Doch ich blieb unerbittlich. Angstvoll, mit zitternden Knien kroch sie aus dem Loch.

»Er ist da oben«, meldete sie gleich darauf. »Am Himmel. Er kreist. Ich spüre, daß ich der Mittelpunkt des Kreises bin.«

»Ausgezeichnet!« sagte ich.

»Ich möchte mich verstecken!« flehte sie.

»Nein.«

»Er kommt!« kreischte sie plötzlich.

»Ins Loch!« brüllte ich. »Beeil dich!« Der panische Unterton ihrer Stimme machte mir klar, daß der Raubvogel zum Angriff übergegangen war.

»Ich kann mich nicht bewegen!« rief sie. »Ich kann mich nicht bewegen!«

Ich stemmte mich halb aus dem Loch und packte ihr rechtes Fußgelenk mit der Hand. Sie schrie und schlug die Hände vor das Gesicht, und ich mußte sie mit voller Kraft heranzerren. Beinahe im gleichen Moment zuckte ein riesiger Körper über die Öffnung, riesige Krallen schlossen sich, und das vom Flugwind niedergedrückte Gras sprang hinter der Erscheinung wieder empor und schien beinahe ausgerissen zu werden.

Erschauernd klammerte sich Mira an mich.

»Du warst nicht gehorsam«, sagte ich und stieß sie fort.

»Ist er weg?« fragte sie schluchzend.

»Er wird zurückkommen«, antwortete ich. »Halte dich in der Nähe der Öffnung.«

Ich band ihr Seil vom Fesselstamm los. Sie beobachtete mich verängstigt. Dann begab ich mich zu der kleineren Deckenöffnung am anderen Ende und griff nach dem Seil, das am Fesselstamm befestigt war.

»Was tun wir jetzt?« fragte sie.

»Wart’s ab!«

Wir mußten nicht lange warten.

Plötzlich ertönte ein intensiver, dumpf-dröhnender Laut. Es war, als wäre eine halbe Kaiila zu Boden gestürzt. Ein Geräusch, das unverwechselbar ist, hat man es einmal vernommen. Die Vibrationen waren durch die Wände der Grube zu spüren.

»Er ist da«, sagte ich.

Das Mädchen hob den Kopf und stieß einen Angstschrei aus. Ein großes, helles, rundes Auge schaute durch die Öffnung in unser Loch.

Ein gekrümmter gelber Schnabel, beinahe zwei Fuß lang, wurde in die Grube gesteckt und wieder zurückgezogen. Gleich darauf hörten wir einen Krallenfuß auf unserem Grasdach herumkratzen.

»Wir sind hier sicher!« rief das Mädchen.

»Nein«, sagte ich.

Wieder erschien der Schnabel und angelte in der Tiefe herum. Er berührte Miras Körper, und sie begann zu schreien. Der Schnabel schnappte nach ihr, und sie wich zum anderen Ende der Grube zurück. Ihr Geschrei erregte das Raubtier. Es stieß den Kopf halb in die Öffnung, um ihr zu folgen. Dann stieß es ebenfalls einen schrillen Schrei aus, zog den Kopf zurück und begann wie wild auf die Grasnarbe und die Aststreben einzuhacken. Eine Kralle senkte sich durch die Grasdecke. Holz begann sich zu verschieben und zu splittern.

Das Tier war ganz auf das Mädchen und die Aufgabe konzentriert, das Hindernis zwischen ihm und ihr zu beseitigen. Ich nutzte die Gelegenheit, mich durch die kleinere Öffnung zu zwängen und das Seil des Fesselstammes mit zwei Windungen und zwei Knoten am rechten Bein des Geschöpfes festzumachen. Dann begann ich zu brüllen und versetzte dem Wesen, das zu mir herumwirbelte, einen Stoß. Den Schnabel wehrte ich mit dem Unterarm ab.

»Gut gemacht!« rief Cuwignaka, der in diesem Augenblick im Gras erschien. Er stellte sich mit seiner Lanze zwischen mich und das Raubtier. Mit energischer Bewegung biß der Schnabel den Lanzenschaft durch. Im gleichen Moment erschien auch Hci im hohen Gras; er schwang etliche Seile in den Händen. Cuwignaka und ich wichen zurück. Der Vogel begann mit den Flügeln zu schlagen und raste auf uns zu, fiel dann aber haltlos auf den Bauch ins Gras und ließ Federn in sämtliche Richtungen fliegen. Erst in diesem Augenblick erkannte der Tarn, daß er seine Bewegungsfreiheit eingebüßt hatte. Heftig fuhr er herum. Cuwignaka schlug ihm mit dem Lanzenschaft auf den Schnabel und lenkte ihn ab. Hci lief herbei und hieb mit zusammengerollten Seilen zu. Daraufhin erhob sich der Vogel mit mächtig peitschenden Flügeln in die Luft und riß den Fesselstamm aus der Fanggrube, ohne Rücksicht auf das Grasnarbendach.

»Kräftig ist er! Großartig!« rief Cuwignaka.

Er hatte nicht gewußt, wie stark ein solches Wesen war.

Mit heftigen, mühsamen Flügelschlägen, begleitet von lauten Schreien, auf- und niederwippend und schließlich Höhe gewinnend, kämpfte der Vogel gegen das Gewicht. Etwa hundert Fuß hoch erhob er sich in die Luft, aber der Stamm pendelte schwer unter ihm und zog ihn langsam wieder herab. Cuwignaka und Hci folgten ihm durch das Gras. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn. Ich war bester Laune.

Mit schnellen Schritten kehrte ich zu dem Loch zurück, dessen Dach halb zerstört war, holte zusätzliche Seile und das Mädchen und folgte Cuwignaka und Hci, um ihnen zu helfen.


»Ein ausgezeichneter Fang!« rief ich.

Der Schnabel des Vogels wurde von Seilen zusammengehalten. Das Tier lag auf der Seite. Die Füße waren ebenfalls gefesselt, und auf ähnliche Weise führten Lederschnüre um die Flügel und hielten sie am Körper fest. Schon hatten wir dem Tier einen Sitzgurt verpaßt von der Art, wie ihn die Kinyanpi verwenden, um ihre Knie darunterzuschieben.

Wir hatten den Vogel auf einem von zwei Kaiila gezogenen Lastenschlepper zu dieser Baumgruppe gebracht, in der sich unser Lager befand, etwa einen Pasang von der Fanggrube entfernt, die wir wieder instandgesetzt hatten.

Der Vogel spannte alle Muskeln gegen die Fesseln und lag wieder still.

»Ein ausgezeichneter Fang«, sagte ich.

»Wir müssen es morgen noch einmal versuchen«, meinte Cuwignaka.

»Mit dem Erdloch kommt man allerdings nur langsam voran, Tatankasa, Mitankola«, sagte Hci. »Selbst wenn wir Glück haben, fangen wir bis zum Winter nicht genügend Tarns, um gegen die Kinyanpi anzutreten.«

»Mit der Grube gedenke ich nur zwei oder drei zu fangen«, sagte ich.

»Das dürfte aber nicht genügen«, meinte Hci.

»Für sich gesehen nicht«, räumte ich ein und hob vielsagend die Augenbrauen.

»Ah!« sagte Hci. »Aber das wird sehr schwierig und gefährlich!«

»Ich sehe keinen anderen Weg«, äußerte ich. »Oder du?«

»Nein«, antwortete Hci.

»Machst du mit?«

»Selbstverständlich!«

Dann setzten wir uns vor unserem Zelt nieder, wo Mira auf einigen Blättern Speisen bereitgelegt hatte. Wir kauten die Dörrmasse kalt, da wir an diesem Ort kein Feuer anzünden wollten.

Am Himmel stiegen die drei Monde auf.

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