»Führt sie vor, die rothaarige Sklavin!« forderte Mahpiyasapa, Häuptling der Isbu-Kaiila, der vor Cankas Zelt stand.
Furchtlos blickte Canka ihn an. »Winyela!« rief er.
Angstvoll kam das Mädchen aus dem Zelt und kniete neben dem Eingang nieder.
»Sie ist es«, sagte einer der Männer, die Mahpiyasapa begleiteten.
»Sie hat am Pfahl getanzt«, sagte ein anderer.
»Ich möchte die Frau haben«, sagte Mahpiyasapa zu Canka und deutete auf Winyela.
»Du bekommst sie nicht«, antwortete Canka.
»Sprich, Wopeton«, sagte Mahpiyasapa zu Grunt, den er mitgebracht hatte.
»Mein Freund Canka«, begann Grunt. »Die Frau wurde für Mahpiyasapa ins Ödland gebracht. Er hat letztes Jahr eine solche Frau bei mir bestellt. Für ihn erstand ich sie in Kailiauk an der Ihanke, und für ihn brachte ich sie mit nach Osten. Es war ein alter Handel, schon letztes Jahr besiegelt. Er ist dein Häuptling. Gib ihm die Frau.«
»Nein«, beharrte Canka.
»Ich sollte fünf Felle des gelben Kailiauk für sie erhalten«, fuhr Grant fort. »Andererseits möchte ich keinen Unfrieden stiften zwischen zwei großen Kriegern der Isbu. Gib sie an Mahpiyasapa. Ich verzichte auf die Felle.«
»Er bekommt die Frau nicht«, sagte Canka. »Nach dem Recht der Gefangennahme gehört sie mir. Mahpiyasapa, mein Häuptling, weiß dies sehr wohl. Mahpiyasapa, mein Häuptling, ist ein Kaiila. Er wird sich über die Gebräuche dieses Stammes nicht hinwegsetzen.«
»Es soll einen ehrlichen Frieden zwischen den Kaiila und den Gelbmessern geben«, sagte Mahpiyasapa. »Watonka hat alles arrangiert. Schon wohnen Zivilhäuptlinge der Gelbmesser in seinem Zelt.«
»Was hat das mit mir zu tun?« fragte Canka.
»Du hast dich nicht richtig verhalten«, sagte Mahpiyasapa. »Die Frau gehört eigentlich mir. Als Häuptling könnte ich sie in mein Zelt entführen. Doch als Häuptling werde ich das nicht tun. Ich möchte dich nicht erzürnen.«
»Ich kaufe dir zwei andere Frauen und schenke sie dir«, sagte Canka.
»Ich möchte aber die hier haben«, sagte Mahpiyasapa und deutete auf Winyela.
»Die gehört mir.«
»Ich will sie haben.«
»Sie gehört mir, nach dem Recht der Gefangennahme!«
Mahpiyasapa schwieg. Er war zornig.
»Es tut mir leid, Häuptling«, sagte Canka, »wenn ich mich nicht richtig verhalte. Ich bedaure, wenn ich mich auf eine Weise benehme, die mir nicht ansteht. Würde es sich um eine andere Frau handeln, hätte ich wohl keinen Moment gezögert, sie gefesselt in dein Zelt zu führen. Diese Frau aber erweckte mein Begehren vom ersten Moment, da ich sie sah.«
»Ich will sie nicht für mich«, sagte Mahpiyasapa, »sondern für die Gelbmesser. Ich und meine Begleiter sind im Lager unterwegs und stellen Geschenke für die Abgesandten der Gelbmesser zusammen: Kaiila, Sättel, Decken, Roben, Stoffe und Frauen.«
»Ich gebe dir eine Kaiila«, sagte Canka.
»Sie ist wunderschön, und ihr Teint und ihr Haar sind in unserem Land sehr selten«, fuhr Mahpiyasapa fort. »Sie würde ein vorzügliches Geschenk abgeben.«
»Sie steht weder dir noch den Gelbmessern zur Verfügung«, beharrte Canka auf seinem Standpunkt.
»Ihre Brüste sind zu klein«, stellte Mahpiyasapa fest.
»Ich behalte sie«, sagte Canka. »Sie gehört mir. Ich will sie besitzen.«
Als Mahpiyasapa die Bemerkung über ihre Brüste machte, faßte Winyela unwillkürlich danach. Ich selbst fand ihre Brüste wohlgerundet und im rechten Einklang mit ihren sonstigen Proportionen. Mahpiyasapa schien jedoch dem üblichen Geschmack der Wilden zu frönen, die schwerbrüstige Frauen vorzogen.
»Ist dies dein letztes Wort?« fragte Mahpiyasapa.
»Ja.«
Daraufhin wandte sich Mahpiyasapa um und marschierte, gefolgt von seinen Begleitern, davon.
Canka machte ebenfalls kehrt und schaute auf Winyela nieder, die am Eingang seines Zeltes kniete. Sie senkte den Kopf.
»Vielleicht solltest du mich ausliefern, Herr«, sagte sie. »Meine Brüste sind womöglich zu klein.«
»Red keinen Unsinn!« sagte Canka barsch. »Sie sind vollkommen. Geh kochen!«
»Ja, Herr!« rief sie fröhlich.
»Hast du keine Angst, daß es deswegen Ärger gibt?« Cuwignaka und ich hatten in der Nähe gestanden und das Gespräch zwischen Canka und Mahpiyasapa mitangehört. Wir waren zum Abendessen in Cankas Zelt eingeladen.
»Ich nehme es nicht an«, sagte Canka. »Aber machen wir uns deswegen keine Sorgen. Diese Tage dienen der Freude.«
»Morgen werde ich das Tanzzelt betreten«, sagte Cuwignaka.
»Ich habe im Lager einen lebhaften Austausch von Geschenken beobachtet«, bemerkte ich.
»Es ist eine Zeit des Glücks und des Gebens«, sagte Cuwignaka. »Sogar die Kailiauk kamen dieses Jahr sehr früh.«
»Das stimmt«, sagte ich. Noch immer wußte ich nicht, warum der Zug der Kailiauk so früh gekommen war. Noch immer rätselte ich daran herum.
»Hattest du Freude an seiner perlenbesetzten Peitsche?« fragte Canka.
»O ja«, sagte ich, »sehr sogar.« Meine Gedanken galten der blonden Sklavin, die ich mir aus einer Sklavinnenherde herausgesucht hatte: die Sklavin, die mir in diesem Lager schon zweimal voller Hochmut begegnet war. Ich hatte sie gelehrt, was Unterwerfung unter einen Herrn bedeutete. Es war ein sehr vergnüglicher Nachmittag gewesen.
»Du darfst die Peitsche bis nach dem Fest behalten«, sagte Canka.
»Vielen Dank.«
»Keine Ursache.«
»Ist das wirklich dieselbe Sklavin?« hatte einer der Sklavenbewacher mich gefragt, als ich die Blonde zurückbrachte.
»Ja«, hatte ich geantwortet.
»Sieht so aus, als hättest du eine Versklavte hier fortgeführt und brächtest uns nun eine Frau, die voll und ganz Sklavin geworden ist.«
Lächelnd hatte das Mädchen neben uns gekniet.
»Wie war sie?« hatte einer der jungen Wächter gefragt.
»Lasziv und willig«, sagte ich, »hilflos, leidenschaftlich, gefühlvoll.«
»Ausgezeichnet«, sagte einer der Männer.
»Vielen Dank!« rief ich und wandte mich ab.
Das blonde Mädchen winkte einmal kurz und warf mir auf goreanische Art einen Handkuß zu. Ich erwiderte den Kuß. Dann machte ich mich auf den Rückweg ins Dorf. Ich war mit Cuwignaka am Zelt Cankas verabredet. Es sollte zum Abendessen gekochtes Fleisch geben.
»Das war gut«, sagte ich.
»Danke, Herr«, erwiderte Winyela.
»Verdirb mir meine Sklavin nicht«, mahnte Canka.
»Entschuldigung.«
Das Essen war wirklich gut gewesen, weit mehr als nur gekochtes Fleisch, vielmehr eine mit Gemüse und Gewürzen fein abgestimmte Mischung. Einige Zutaten, das wußte ich, hatte sich Winyela bei Grunt erbettelt.
»Hat meinem Herrn das Essen geschmeckt?« fragte Winyela.
»Mag sein«, sagte Canka. »Vielleicht war es wirklich nicht schlecht.«
»Herr«, flüsterte Winyela mit feuchten Augen. Er starrte sie intensiv an.
»Es war reichlich Gemüse beim Fleisch«, sagte ich zu Cuwignaka und tat, als merke ich nichts von der Spannung zwischen Canka und Winyela.
»Ja«, erwiderte Cuwignaka, »vorwiegend von den Feldern der Waniyanpi.«
»Das hatte ich mir schon gedacht«, gab ich zurück. Bei den Waniyanpi handelte es sich im wesentlichen um landwirtschaftlich tätige Sklaven. Sie zogen Getreide und Gemüse und verrichteten für ihre roten Herren allerlei Arbeiten.
»Wurden Männer in die Anlagen hinausgeschickt, um das Gemüse zu holen?« fragte ich.
»Die Waniyanpi haben ihre Waren selbst geliefert«, antwortete Cuwignaka. »Wie sie es oft tun, wenn das große Lager zusammengetreten ist.«
»Ah, verstehe«, sagte ich. Während der wichtigen Festlichkeiten, die vorwiegend mit der Ankunft der Kailiauk zusammenhängen, waren die Positionen der großen Lager der einzelnen Stämme bekannt, was die Möglichkeit eröffnete, Lebensmittel direkt zu liefern. Während der übrigen Zeit waren die meisten Stämme zersplittert und lebten in Lagern, die immer wieder verlegt und neu aufgebaut wurden.
»Sind im Moment Waniyanpi im Lager?« fragte ich.
»Ja«, antwortete Cuwignaka, »aber sie werden bald wieder aufbrechen.«
»Wie bald?«
»Das weiß ich nicht.«
»Ich habe einmal Waniyanpi kennengelernt«, sagte ich. »Sie kamen von einem Ort, den sie ›Garten Elf‹ nannten. Ich würde zu gern wissen, ob die Waniyanpi, die gerade im Lager sind, von dort stammen.«
»Durchaus möglich«, sagte Cuwignaka. »Warum?«
»Ich dachte mir, es könnte ganz interessant sein, meine Bekanntschaft mit ihnen zu erneuern«, sagte ich. »Außerdem würde mich das Schicksal einer bestimmten Waniyanpi interessieren, der ehemaligen Lady Mira aus Venna, die von ihren roten Herren dorthin verbannt wurde.«
»Ich erinnere mich gut an sie«, sagte Cuwignaka verbittert. »Ich verbrachte viele Tage an ihren Wagen gefesselt.«
»Sicher tut sie dir jetzt leid«, sagte ich.
»Sie war eine stolze und arrogante Frau«, widersprach Cuwignaka. »Sie tut mir nicht leid. Meinetwegen kann sie in den Gehegen der Waniyanpi verkommen, arbeitsam, unerfüllt.«
»Du bist grausam.«
»Ich bin ein Kaiila«, sagte Cuwignaka achselzuckend.
»Vielleicht würdest du ihr Großmut zeigen, wenn sie sich vor dich hinwürfe und um Gnade bäte?«
»Vielleicht – wenn ich annehmen könnte, daß sie nun bereit wäre, eine Frau zu sein, daß sie ihre Lektion begriffen hätte.«
»Ah«, sagte ich, »da scheint doch ein Hang zur Großzügigkeit in dir zu schlummern.«
»Natürlich!« sagte Cuwignaka grinsend. »Schließlich bin ich ein Kaiila.« Und deutete auf Canka und Winyela. Die Sklavin lag in den Armen ihres Herrn und schluchzte vor Wonne.
Lächelnd verließen Cuwignaka und ich das Zelt.
»Wo sind die Waniyanpi?« fragte ich.
»Am unteren Ende des Lagers, ganz weit draußen. Willst du sie besuchen?«
»Vielleicht.«
»Ich komme lieber nicht mit«, sagte Cuwignaka. »Mir behagt die Gesellschaft von Waniyanpi nicht.«
»Wie du willst.«
»Wir treffen uns später hier vor Cankas Zelt«, sagte Cuwignaka.
»Warum das?« fragte ich. Canka und Winyela wollten vielleicht lieber allein bleiben.
»Ich habe von Akihoka gehört, der mit einem der Sleensoldaten befreundet ist, daß Hci heute abend etwas im Schilde führt«, sagte Cuwignaka grinsend.
»Was denn?«
»Genaues weiß ich nicht, aber ich glaube etwas zu ahnen. Und ich weiß auch, wie man ihm die Suppe versalzen kann.«
»Wovon redest du eigentlich?«
»Es hat mit den Geschenken zu tun«, sagte Cuwignaka.
»Ich verstehe nicht, was du meinst.«
»Wir treffen uns später wieder hier«, sagte Cuwignaka. »Einverstanden«, sagte ich.
»Ich gehöre ganz dir«, hörten wir Winyela im Zelt schluchzen. »Nur dir!«
Lächelnd trennte ich mich von Cuwignaka.