»Schaut doch!« rief Hci lachend, der mit einigen Freunden vor dem Zelt der Sleensoldaten saß. »Da kommen die hübsche Schwester Cankas und Cankas Sklave Tatankasa.«
»Hör mich an, Hci!« sagte Cuwignaka drängend. »Bitte!«
»Kniet nieder!« forderte Hci uns auf.
Wir gehorchten.
»Sie wollte in die Tanzhalle!« rief Hci lachend und deutete auf Cuwignaka. »Dabei stand ihr das gar nicht zu!«
Die jungen Männer, die im Kreis vor dem Zelt saßen, fielen in sein Lachen ein.
»Ich muß dich sprechen«, sagte Cuwignaka.
»Ich habe zu tun«, antwortete Hci, und wieder wurden seine Worte mit einem Lachen quittiert.
»Ich muß dich sprechen!« wiederholte Cuwignaka.
»Es ist völlig sinnlos, mich um Nachsicht für deinen törichten Bruder Canka zu bitten, der heute früh meinen Vater Mahpiyasapa umbringen wollte!« sagte Hci.
»Das Lager ist in Gefahr!« rief Cuwignaka.
»Was?«
»Die Gelbmesser, die Watonka ins Lager aufgenommen hat, sind keine Zivilhäuptlinge«, sagte Cuwignaka. »Eine blonde Sklavin, die zuvor im Besitz von Gelbmessern stand, hat sie als Kriegshäuptlinge erkannt!«
»Das ist absurd!« sagte Hci.
»Von der Westflanke des Lagers sind sämtliche Wächter abgezogen worden«, fuhr Cuwignaka fort. »Watonka hat die Ratsversammlung ebensowenig aufgesucht wie die Gelbmesser. Die Pte sind zu früh gekommen. Watonka schaute zum Himmel empor, in südöstlicher Richtung!«
»Zum Himmel empor?« fragte ein Mann aus dem Kreis.
»Das ist ja wie in den alten Geschichten«, bemerkte ein anderer.
»Alles nur Lügen«, behauptete Hci. »Ein Trick! Du willst mich lächerlich machen!«
»Die Wächter sind wirklich aus dem Westen abgezogen worden«, sagte ein Mann. »Das ist mir bekannt.«
»Und die Pte waren wirklich früh bei uns«, meinte ein anderer. »Das wissen wir alle.«
»Wer behauptet, Watonka sei nicht im Ratszelt?« fragte Hci.
»Kurz vor der Mittagsstunde«, antwortete ich, »sah ich ihn noch mit den Gelbmessern im Lager der Isanna. Ich glaube nicht, daß er überhaupt die Absicht hat, das Ratszelt aufzusuchen. Ich habe gesehen, wie er in den Himmel geschaut hat, in südöstlicher Richtung.«
»Aber die anderen waren schon im Ratszelt?« fragte Hci.
»Die meisten«, sagte ich. »Ich nehme es an.«
»Die führenden Männer unseres Volkes, jedenfalls die meisten, halten sich zur Zeit im Ratszelt auf«, sagte Cuwignaka. »Sie sind an einem Ort versammelt. Du begreifst gewiß, was das bedeuten könnte?«
»Das ist doch alles nur ein Trick von dir!« sagte Hci.
»Nein!« widersprach Cuwignaka.
»Wenn deine Behauptungen zutreffen«, sagte Hci, »wäre Watonka ja ein Verräter. Er würde die Kaiila verraten.«
»Ich bin überzeugt, daß es so ist«, sagte Cuwignaka.
»Unmöglich!«
»Um seiner persönlichen Ziele willen«, sagte Cuwignaka ernst, »greift so mancher gute Mann zuweilen zu falschen Mitteln. Erscheint dir das nicht glaubhaft, Hci?«
Hci senkte ärgerlich den Kopf.
»Kannst du dir so etwas vorstellen, Hci?« fragte Cuwignaka.
Der andere schaute ihn zornig an. »Ja«, sagte er.
»Dann unternimm etwas«, forderte Cuwignaka. »Die Sleensoldaten haben im Lager die Polizeigewalt. Tu etwas!«
»Das ist ein Trick!« sagte Hci.
»Die Mittagsstunde ist vorbei«, stellte Cuwignaka fest. »Wir haben nicht viel Zeit.«
»Ein Trick!«
»Ich schwöre dir, daß ich dich nicht hereinlegen will«, sagte Cuwignaka. »Besäße ich einen Schild, würde ich darauf schwören.«
Hci blickte den anderen erstaunt an.
»Das ist ein sehr heiliger Schwur«, bemerkte einer der Sleensoldaten und zog fröstelnd die Schultern hoch.
»Würdest du wirklich auf einen Schild schwören?« fragte Hci.
»Ja«, sagte Cuwignaka. »Und wenn man schwört, muß einem doch geglaubt werden, oder?«
»Ja«, antwortete Hci, »einem solchen Schwur sollte man glauben.«
»Niemand würde einen falschen Schild-Eid leisten«, sagte ein Mann.
Hci erbebte.
»Liegen dir die Gelbmesser so sehr am Herzen?« fragte Cuwignaka. »Hast du sie noch nie bekämpft?«
Hci bedachte den anderen mit einem stechenden Blick. Unwillkürlich zuckte seine Hand an die weißliche Narbe in seinem Gesicht, die Spur, die ein Canhpi vor Jahren hinterlassen hatte.
»Wahrscheinlich kennst du die Gelbmesser so gut wie jeder andere im Lager«, fuhr Cuwignaka fort. »Glaubst du wirklich, daß sie auf Frieden aus sind?«
»Nein.«
»Dann unternimm etwas!«
»Würdest du wirklich auf deinen Schild schwören?«
»Ja.«
Hci stand auf. »Agleskala«, sagte er, »geh zum Ratszelt. Wenn Watonka nicht dort ist, berufst du dich auf die Macht der Sleensoldaten und räumst das Ratszelt.«
»Und was hast du vor?« fragte Cuwignaka.
»Ich werde die Kriegspfeife blasen«, sagte er, »und den Kampfstab holen.«
Zwischen den Zelten links von uns gellte Geschrei auf.
Die Sonne schien sich plötzlich zu verdunkeln, obwohl es keine Wolken gab. Der ganze Himmel schien von einem Strom schrecklicher Gestalten ausgelöscht. Es war, als habe sich plötzlich ein Unwetter materialisiert und breche über das Lager herein. Über unseren Köpfen grollten und dröhnten tausend Donnerschläge.
»Zu spät!« rief ich.
»Die Kinyanpi!« rief jemand. »Die Fliegenden. Die Kinyanpi!«