Auszüge (1)

Man nehme einen Asteroiden mit einem Durchmesser von mindestens dreißig Kilometern auf der Längsachse. Welche Sorte ist egal – massiver Fels, Fels und Eis, metallisch, sogar ein reiner Schneeball, obwohl jede Sorte ihre eigenen Probleme mit sich bringt.

Man befestige eine selbst replizierende Abbaumaschinerie an einem Ende des Asteroiden, die ihn entlang der Längsachse aushöhlt. Mit Ausnahme des Eintrittslochs lässt man dabei zu allen Seiten zwei Kilometer Wand stehen. Die Stabilität der Wände gewährleistet man, indem man sie mit einer Innenhaut aus einem hinreichend belastbaren Material überzieht.

Bei der Aushöhlung des Asteroiden sollte man beachten, dass die Entsorgung des Aushubs (den man am besten in Richtung einer Lagrange-Bergungsstelle schießt, um sich eine Bergungsprämie zu sichern) die beste Gelegenheit ist, sein Terrarium, falls erwünscht, in eine andere Umlaufbahn zu verschieben. Überschüssigen Aushub lagert man zur späteren Verwendung an der Oberfläche.

Sobald der Asteroid vollständig ausgehöhlt ist, womit man einen Hohlzylinder von mindestens fünf Kilometern Durchmesser und zehn Kilometern Länge hat (größer ist besser!), kehrt die Abbaumaschinerie zum Eintrittsloch zurück, konfiguriert sich neu und wird zur Antriebseinheit des Terrariums. Je nach Masse der neuen Welt installiert man vorzugsweise entweder ein elektromagnetisches Katapult, einen Antimaterie-Fusions-Antrieb oder eine Orion-Prallplatte.

Vor dem vorderen Ende des Zylinders, also am Bug des neuen Terrariums, befestigt man auf der Längsachse eine Antriebseinheit. Letztlich soll sich das Terrarium mit einer Geschwindigkeit drehen, die so berechnet ist, dass auf den Innenflächen des Zylinders normale Schwerkraftverhältnisse herrschen. Man spricht dabei vom G-Äquivalent oder Gequivalent. Dann verbindet man die Antriebseinheit über ein Kegelradgetriebe mit dem Bug des Terrariums, damit die Einheit feststehen kann, anstatt mit dem Terrarium zu rotieren. In dieser Kammer am Bugspriet wird praktisch Schwerelosigkeit herrschen, aber viele Manöver des Terrariums lassen sich ohne das Drehmoment einfacher durchführen, darunter das Andocken, die Außensicht, die Navigation usw.

Man kann auch einen Innenzylinder bauen, der in einem nichtdrehenden Asteroiden frei rotiert – die sogenannte »Gebetsmühlen-Konfiguration« –, wodurch man sowohl einen Innenraum mit G-Effekt als auch einen sich nicht drehenden Außenraum hat, aber das ist teuer und kompliziert. Nicht zu empfehlen, obwohl wir schon gute Exemplare dieser Art gesehen haben.

Wenn Heck und Bug installiert und ausgerichtet sind und der Asteroid sich dreht, dann kann das Innere terraformt werden.

Man beginnt mit einem Hauch von Schwermetallen und seltenen Erden, deren genaue Zusammensetzung von dem Biom abhängen, das man erzeugen möchte. Man muss sich bewusst sein, dass kein terranisches Biom jemals mit den einfachen Zutaten seinen Anfang genommen hat, die einem auf einem Asteroiden zur Verfügung stehen. Biosphären brauchen von Anfang an ihre Vitamine, man muss also selbst dafür sorgen, dass die gewünschte Mixtur eingeführt wird. Normalerweise beinhaltet sie Molybdän, Selen und Phosphor. Diese Stoffe werden mittels entlang der Achse des Zylinderraums platzierter »Staubbomben« ausgestreut. Man achte darauf, dass man sich bei diesem Vorgang nicht selbst vergiftet!

Anschließend zieht man an der Zylinderachse den Sonnenstreifen seines Terrariums ein. Es handelt sich um ein Beleuchtungselement, dessen eingeschaltete Segmente sich in frei wählbarer Geschwindigkeit entlang der Achse bewegen. Die Leuchtsegmente lassen den Tag nach einer angemessenen Dunkelphase (in der die Straßenbeleuchtung der gegenüberliegenden Seite als Sternenhimmel dient) üblicherweise im Heck des Zylinders beginnen. Sie bewegen sich dann mit der richtigen Helligkeit entlang der Achse vom Heck zum Bug (oder von Osten nach Westen, wie manche es nennen). Das dauert normalerweise so lange wie ein normaler terranischer Tag, gemessen an dem Breitengrad, auf dem das gewünschte Biom auf der Erde liegt. Jahreszeiten an Bord des Terrariums werden dementsprechend festgelegt.

Nun kann man das gewünschte Gasgemisch ins Innere einleiten, typischerweise bei einem Druck zwischen 500 und 11000 Millibar, wobei man sich normalerweise an der terranischen Luft orientiert; möglicherweise mit einem Schuss mehr Sauerstoff, was die Brandgefahr allerdings deutlich erhöht.

Anschließend braucht man Biomasse. Die vollständigen Gencodes aller Geschöpfe, die man in sein Biom einführen will, hat man natürlich sowieso schon im Gewürzregal. Normalerweise baut man entweder ein terranisches Biom nach, oder man stellt eine neue Mischung zusammen. Solche Hybridbiome werden meistens als »Ascensions« bezeichnet, nach der Insel Ascension auf der Erde, dem Standort des ersten derartigen Hybriden (der unabsichtlich von Darwin selbst erzeugt wurde!). Alle Genome für alle Spezies des jeweiligen Bioms sind als Print-on-Demand-Funktion erhältlich, mit Ausnahme der beteiligten Bakterien, die zu zahlreich und genetisch zu labil sind, um sie zu katalogisieren. Für die muss man die richtige Impfung auftragen, normalerweise in Form von ein paar Tonnen eines Schlamms oder Schleims, der aus der gewünschten bakteriellen Suite besteht.

Glücklicherweise gedeihen Bakterien in leeren ökologischen Nischen sehr schnell, und genau das ist es, was man nun hat. Um die Umgebung sogar noch einladender zu machen, schabt man etwas Material von der Innenseite des Zylinders; das darin enthaltende Gestein wird dann zu einem Gemisch zermahlen, das zwischen grobem Kies und Sand liegt. Damit vermengt man ein essbares Aerogel und erhält so einen Grundstock für den Mutterboden. Das bei der Ausschabung abgebaute Eis hebt man für später auf, mit Ausnahme der Menge, die man braucht, um die krümelige Matrix des Mutterbodens zu befeuchten. Dann impft man den Boden mit den Bakterien und dreht die Heizung auf etwa 300 Grad Kelvin auf. Der Mutterboden quillt auf wie Hefeteig und verwandelt sich in jene köstliche und kostbare Substanz namens Erde. (Wer eine umfassendere Erklärung zur Herstellung von Erdboden möchte, sei auf meinen Verkaufsschlager Was Sie schon immer über Dreck wissen wollten verwiesen.)

Wenn man seinen Humusboden hat, dann ist das Biom bereits in vollem Schwange. Ab hier sind verschiedenste weitere Schritte möglich, je nachdem, welches Ergebnis letztlich gewünscht wird. Auf jeden Fall beginnen viele Terrariendesigner mit einem Sumpfland der einen oder anderen Art, weil das die schnellste Möglichkeit ist, Erdboden und Biomasse zu vermehren. Wenn man es also mit dem Einziehen eilig hat, ist das in vielen Fällen ein guter Anfang.

Hat man erst einmal ein warmes Sumpfland, sei es nun mit Süß- oder Salzwasser, ist man bereits gut im Geschäft. Erste Gerüche machen sich im Zylinder bemerkbar, und auch hydrologische Probleme. Nun können Fisch-, Amphibien-, Landtier- und Vogelpopulationen eingeführt werden, und das sollten sie auch, wenn man ein schnellstmögliches Anwachsen der Biomasse erreichen möchte. Doch hier muss man eine mögliche Gefahr beachten: Ist eine Sumpflandschaft erst einmal etabliert, verliebt man sich möglicherweise in sie. Das ist natürlich nett, aber es kommt ein bisschen zu häufig vor. Wir haben inzwischen zu viele Brackwasserbiome und nicht genug von den anderen Biomen, die wir hier draußen zusammenbrauen wollen.

An diesem Punkt sollte man also versuchen, Distanz zu wahren und seinen Sumpf beispielsweise nicht zu bevölkern oder sich während dieser Phase von ihm fernzuhalten. Oder man tritt einem Tauschring bei, bei dem man seine Asteroiden im Sumpfstadium gegen andere eintauscht, an deren Biomen man noch nicht hängt und die man weiter verändert.

Angesichts der durch den Sumpf erzeugten beträchtlichen Biomasse kann man dann unter Verwendung des Aushubs, den man für eben diesen Moment auf der Asteroidenoberfläche aufbewahrt hat, Festland anlegen. Hügel und Berge sehen toll aus und geben dem Gelände Charakter, also nur Mut! Durch diesen Vorgang wird das Wasser in neue Systeme umgeleitet, und das ist der beste Zeitpunkt, um neue Spezies einzuführen und überzählige an jüngere Terrarien weiterzugeben, die sie vielleicht gebrauchen können.

Im Laufe der Zeit kann man das Innere seines Terrariums so in eines der 832 bekannten terranischen Biome verwandeln, oder man kann seine eigene Insel Ascension erschaffen. (Man sollte allerdings bedenken, dass viele Ascensions in sich zusammenfallen wie missglückte Soufflés. Für ein erfolgreiches Ascension gibt es so viele Schlüsselfaktoren, dass ich ein eigenes Buch dazu schreiben musste, Biom-Kombinationen leicht gemacht, jetzt lieferbar.)

Am Ende muss man dann noch einmal zahlreiche Anpassungen an den Temperaturverhältnissen, Landschaftsformen und Spezies vornehmen, um den stabilen Endzustand zu erreichen, den man sich wünscht. Jede denkbare Landschaftsform kann erzeugt werden; manchmal sind die Ergebnisse schlichtweg atemberaubend. In jedem Fall krümmt sich die Landschaft um einen herum empor, bis beide Enden sich weit über einem treffen, sodass das Panorama einen wie ein Kunstwerk einhüllt – ein Goldsworthy im Innern eines Felsbrockens, wie ein Geode oder ein Fabergé-Ei.

Natürlich kann man auch völlig flüssige Innenräume erzeugen. Manche dieser Aquarien oder Ozeanarien enthalten Inselarchipele. Andere bestehen nur aus Wasser, einschließlich der Wände, die zuweilen wieder durchsichtig eingefroren sind, sodass sie wie durchs All treibende Diamanten oder Wassertropfen aussehen. Manche Aquarien haben nicht einmal Luft in der Mitte.

Was Aviarien angeht: Jedes Terrarium und die meisten Aquarien sind gleichzeitig Aviarien, die bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit mit Vögeln vollgestopft sind. Es gibt fünfzig Milliarden Vögel auf der Erde und zwanzig Milliarden auf dem Mars; doch wir mit unseren Terrarien haben mehr als beide zusammen.

Jedes Terrarium ist ein Inselpark für die darin lebenden Tiere. Ascensions führen zu Hybridisierung und damit letztlich zum Entstehen neuer Arten. Die traditionelleren Biome bewahren Arten, die auf der Erde massiv gefährdet oder in freier Wildbahn ausgelöscht sind. Manche Terrarien sehen sogar wie Zoos aus, doch mehr von ihnen sind reine Refugien für wild lebende Arten. Die meisten bestehen sowohl aus Wildparks als auch menschenbewohnten Räumen, die einander in Form regelmäßig angelegter Habitatkorridore abwechseln, was die Artenvielfalt im Gesamtbiom maximiert. Solche Räume sind bereits jetzt lebenswichtig für die Menschheit auf der Erde. Und dann gibt es auch noch die stark landwirtschaftlich ausgerichteten Terrarien, Farmwelten, die einzig und allein dazu dienen, das zu produzieren, was mittlerweile einen Großteil der Nahrungsmittel ausmacht, von denen die Erdbevölkerung lebt.

All diese Tatsachen sollte man zur Kenntnis nehmen und sich an ihnen erfreuen. Wir brauen unsere kleinen Weltenblasen zu unserem eigenen Vergnügen zusammen, wie andere eine Mahlzeit kochen oder etwas bauen oder einen Garten anlegen – aber gleichzeitig handelt es sich dabei um einen historisch neuen Vorgang und das Herzstück des Accelerando. Ich kann diese Tätigkeit gar nicht wärmstens genug empfehlen! Die Anschubkosten sind zwar nicht zu verachten, aber dort draußen gibt es immer noch viele Asteroiden, auf die bislang niemand einen Anspruch erhoben hat.

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