Am Ende des Zeitraums der Planetenbildung, vor etwa 4,5 Milliarden Jahren, gab es mehr Planeten als heute. Sie wirbelten allesamt durch die Sonne, kamen sich manchmal sehr nahe, ihre Flugbahn wurde durch die gegenseitige Anziehungskraft und die Bahnresonanzen verändert, und bisweilen prallten sie sogar aufeinander. Dieses Treiben dauerte etwa eine Milliarde Jahre, bis die letzte Phase der Planetenbildung durchlaufen und der heutige Zustand erreicht war. Während dieser Phase erlitt jeder der inneren Planeten mindestens einen großen Aufprall.
Ein Planet namens Theia wuchs am L5-Punkt der Erde, bis er etwa die Größe des Mars hatte, auf die Erde zutrieb und mit ihr zusammenstieß. Er schlug in einem Winkel von 45 Grad ein, mit einer Geschwindigkeit von etwas unter vier Sekundenkilometern – in astronomischen Begriffen ist das nicht besonders schnell. Theias Eisenkern ist in der Erde versunken und mit ihrem Kern verschmolzen, und Theias Mantel und ein Teil des Mantels der Erde wurden in eine Umlaufbahn geschleudert. Das durch den Aufschlag verursachte Drehmoment ließ die Erde in einem Fünfstunden-Tag um die eigene Achse wirbeln. Aus dem in die Umlaufbahn geschleuderten Material bildeten sich recht schnell zwei Monde: Die Schätzungen reichen von einem Monat bis zu einem Jahrhundert. Schließlich klatschte der kleinere Mond in den größeren und hinterließ dabei das zerklüftete Gebirge auf der erdabgewandten Seite des dabei entstandenen Gesamtmonds, Luna.
Etwa zur selben Zeit traf ein kleiner Planet mit einem Durchmesser von etwa dreitausend Kilometern den Mars und erschuf so das Borealis-Becken, bei dem es sich praktisch um die Nordhalbkugel des Mars handelt, die nach wie vor sechs Kilometer tiefer liegt als die Südhalbkugel.
Venus wurde von einem Planeten von der Größe des Mars getroffen, wodurch ein Mond namens Neith entstand, der dem Erdmond ähnelte. Zehn Millionen Jahre später versetzte ein weiterer Aufschlag die Venus in ihre langsame, gegenläufige Drehung. Diese Änderung des Drehmoments ließ Neith langsamer werden und schließlich in die Venus stürzen und mit ihr verschmelzen.
Merkur wurde von einem Protoplaneten getroffen, der halb so groß war wie er selbst. Durch die Geschwindigkeit und den Winkel des Aufpralls wurde die Außenhülle des Merkurs abgerissen und in seiner Umlaufbahn verteilt. Normalerweise hätte der Merkur diese Einzelteile wieder eingesammelt, aber im Laufe der vier Millionen Jahre, die dieser Vorgang gedauert hätte, wurde ein Großteil des Materials durch Sonnenstrahlung weggedrückt und schaffte es so nie zurück auf den Planeten. Etwa sechzehn Billiarden Tonnen Material von Merkurs Oberfläche landeten schließlich auf der Erde, und mehr auf der Venus. Letztlich blieben nur die schwersten 70 Prozent vom Merkur übrig, im Prinzip sein Kern. Deshalb hat der Planet den gleichen g-Wert wie der Mars, obwohl sein Durchmesser geringer ist als der des Titan.
Etwas später gerieten der junge Jupiter und Saturn in eine Eins-zu-zwei-Bahnresonanz, wobei der Jupiter für jedes Saturnjahr durch zwei seiner eigenen Jahre wirbelte. Das erzeugte eine starke gemeinsame Gravitationswelle, die mit unterschiedlicher Kraft durchs Sonnensystem brandete, je nachdem, wo die beiden Giganten sich im Verhältnis zueinander aufhielten. An ihrem stärksten Punkt erfasste sie den Neptun, der sich ein wenig abseits des Saturn gebildet hatte, und schleuderte ihn von der Sonne fort. Neptun flog am Uranus vorbei und zog ihn dabei mit sich. Erst dadurch landeten die beiden kleineren Gasriesen in den Umlaufbahnen, die sie heute einnehmen.
In Jupiters Umlaufbahn fing dieselbe Jupiter-Saturn-Bahnresonanz derweil Asteroiden ein und pfefferte sie wie Flipperkugeln überall durchs Sonnensystem. Diesen Zeitraum bezeichnet man als Großes Bombardement vor 3,9 Milliarden Jahren. All die inneren Planeten und Monde wurden von Aufschlägen durchgeschüttelt, was so weit ging, dass ihre Oberflächen oft nur noch Meere geschmolzenen Gesteins waren.
Das Zeitalter der schweren Einschläge! Das Große Bombardement! Niemand kann behaupten, dass der Riesen-Ringelpiez einem absolut festen und regelmäßigen Bewegungsablauf folgt – manchmal ähnelt er eher einer Autoscooter-Bahn. Die Gravitation, die geheimnisvolle Kraft, die unbeirrbar ihren eigenen Gesetzen folgt, tritt mit der Materie in Wechselwirkung, und irgendwie kommt es dabei zu komplexen Bewegungsabläufen. Unsichtbare Wellen, die Felsbrocken dahin und dorthin schleudern.
Was wäre, wenn es in der menschlichen Geschichte ebenfalls solche unsichtbaren Wellen gäbe? Denn letztlich wirken hier die gleichen Kräfte. Welcher große Einschlag hat uns zu dem gemacht, was wir heute sind? Wird eine neue Bahnresonanz eine Welle erzeugen, die uns in eine andere Richtung schleudert? Beginnt gerade unsere eigene Ära des Großen Bombardements?