Auszüge (12)

Isomorphien tauchen in unserem gesamten Begriffssystem auf. Man sieht Muster wie dieses …

subjektiv, intersubjektiv, objektiv;

existenziell, politisch, physikalisch;

Literatur, Geschichte, Wissenschaft;

… und fragt sich, ob es verschiedene Arten gibt, das Gleiche auszudrücken?

Sind die Dichotomien »apollinisch/dionysisch« und »klassisch/romantisch« zwei verschiedene Arten, über dieselbe Sache zu sprechen?

Kann es falsche Isomorphien geben, wie bei den »sieben Todsünden« des Alterns, die absichtlich das Denksystem der christlichen Religion aufrufen, obwohl es überhaupt nichts mit dem Altern zu tun hat?

Ist isomorph dasselbe wie übereinstimmend? Das »Standardmodell« der Physik hegt die Hoffnung und die Erwartung, Grundlage aller Disziplinen zu sein, die alle mit ihren grundlegenden Befunden übereinstimmen. Insofern durchdringen sich Physik, Chemie, Biologie, Anthropologie, Soziologie, Geschichte und die Künste alle gegenseitig und bilden eine Einheit, wenn man sie als eine einzige Lehre betrachtet, in der alle Fäden zusammenlaufen. Die Physik bildet das Grundgerüst für die Lebenswissenschaften, die wiederum das Gerüst für die Humanwissenschaften bilden, die das Gerüst für die Geisteswissenschaften bilden, die das Gerüst für die Künste bilden; und da wären wir dann. Was ist also die Gesamtheit? Wie nennen wir sie? Kann es absolute Wissenschaft geben? Behaupten nicht Geschichte, Philosophie, Kosmologie, Naturwissenschaften und Literatur jeweils von sich, die Gesamtheit darzustellen, einen nicht mehr weiter hinauszuschiebenden Horizont, der die Grenze unseres Denkens markiert? Könnte eine starke Disziplin als eine definiert werden, die eine Vision der Gesamtheit hat und von sich behauptet, alle anderen zu umfassen? Und irren sich all diese Disziplinen, indem sie genau das tun?

Ist die Gesamtheit schlicht und einfach die Praxis, also das, was wir mit uns selbst und mit der Welt anfangen? Gibt es so etwas wie eine allumfassende Lehre vielleicht überhaupt nicht, sondern nur einen Zusammenfluss? Den Zusammenfluss all unserer Felder des Denkens im menschlichen Handeln?

Zum Zeitpunkt unserer Studie bildeten all diese Fragen ein großes Durcheinander, und die verschiedenen Disziplinen hatten unterschiedliche Haltungen zu ihnen. In einigen Feldern beschränkte man sich streng auf menschliche Probleme. Man wählte diese verengte Perspektive mit Absicht, um eine Aussage über Bedeutung zu treffen. Es sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass das menschliche Leben so lange Gegenstand menschlicher Forschung sein sollte, bis wir den Punkt erreichen, an dem es uns allen gut genug geht, damit wir es uns leisten können, über anderes nachzudenken.

Einige Vertreter der Physik und anderer Disziplinen erwiderten darauf, dass viele Bereiche der Naturwissenschaften entscheidende Auswirkungen auf das menschliche Streben nach Gerechtigkeit hätten, weshalb der stärkste Humanismus aus einer Perspektive erwachsen müsse, die Physik, Biologie und Kosmologie sowie die Wissenschaft vom Bewusstsein einbezieht. Gerechtigkeit müsse teilweise als Bewusstseinszustand betrachtet werden und teilweise als ein bestimmtes physikalisches oder ökologisches Verhältnis zwischen symbiotischen Organismen.

Die anthropozentrisch Eingestellten wandten ein, dass wenn die Naturwissenschaften zu gerechten Zuständen verhelfen könnten, dies schon lang geschehen wäre. Schließlich hatten die Menschen jahrhundertelang über große Macht verfügt, und trotzdem herrschte keine Gerechtigkeit.

Die Verteidiger der Physik reagierten mit der Feststellung, dass dieses Scheitern nur daher rührte, dass man die physikalische Wirklichkeit im Allgemeinen nach wie vor aus dem Projekt der Gerechtigkeit ausschloss.

Diese spiegelbildlichen Argumente wurden lange Zeit hin und her gespielt, nicht in der Epoche des Zauderns, sondern bis zur Balkanisierung und bis zum schicksalhaften Jahr 2312. Und so blieb das Schicksal der Menschheit angesichts ihres nicht eingelösten Projekts in der Schwebe. Den Menschen war das bewusst, doch sie handelten nicht entsprechend. Der Leser mag sie dafür verachten; aber zum Handeln braucht es Mut, und auch Beharrlichkeit. Tatsächlich würde es den Autor nicht überraschen, wenn auch seine Leser in einer fernen Zukunft in einer noch immer höchst unvollkommenen Welt leben.

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