18

Hastig blies Chen die Laterne aus, und die Stille, die den Keller daraufhin erfüllte, verstärkte die Geräusche von oben noch. In den Ohren des Pandaren klang es, als hätte sich eine ganze Kompanie von Trollen in dem Bauernhaus zusammengedrängt.

Einer von ihnen zündete eine Kerze an, sodass dünne Lichtstreifen durch die Spalten zwischen den Bodenbrettern herabfielen. Sie streiften sowohl Chen als auch Tyrathan, und der Mensch erstarrte, einen Finger an die Lippen erhoben. Chen nickte kurz, und der Mensch ließ die Hand wieder sinken, blieb davon abgesehen aber völlig reglos.

Der Pandaren konnte kein Wort von dem verstehen, was die Zandalari sagten, dennoch lauschte er angespannt. Seine Hoffnung dabei war weniger, pandarische Ortsnamen aufzuschnappen, sondern vielmehr, einzelne Stimmen zu identifizieren. Einer der Trolle schien viele kurze, scharfe Befehle zu geben, und zwei andere antworteten müde darauf, wobei einer außerdem einige geflüsterte Kommentare abgab.

Er blickte Tyrathan an und hob drei Finger.

Der Mensch schüttelte den Kopf und reckte einen vierten Finger nach oben. Er deutete erst auf die Stelle, wo der Kommandant stand, dann hinüber zu den beiden anderen, die Chen entdeckt hatte, und anschließend in eine Ecke, wo sich der vierte Troll befand. Seine Anwesenheit wurde allein durch das leise Tropfen von Regenwasser auf die Bodenbretter verraten.

Chen schauderte. Das hier war nicht wie damals, als die Oger ihn gefangen hatten. Nicht im Geringsten. Trolle waren im Allgemeinen schlauer als Oger, und die Zandalari rühmten sich damit, wie intelligent sie waren – und wie grausam. Die Handvoll Eindrücke, die er bei Zouchin gesammelt hatte, und die Geschichten, die man sich über andere Schlachten der Trolle erzählte, ließen keinen Zweifel daran, dass man ihn und Tyrathan sofort umbringen würde, falls man sie entdeckte.

Da sie sofort mit der Durchsuchung des Hauses begonnen hatten, hatten die beiden oben weder ihre Waffen noch ihre Rucksäcke zurückgelassen. Sie waren also nicht wehrlos, aber der Keller war ein denkbar schlechter Ort für einen Bogenschützen. Chen konnte sich zwar mit seinen Kampfkünsten verteidigen, aber in einer so beengten Umgebung boten kurze Stichwaffen, wie die Trolle sie zweifelsohne trugen, einen klaren Vorteil. Sollte es also hier unten zu einem Kampf kommen, würde es ein brutales, dicht gedrängtes Handgemenge werden, bei dem selbst die Gewinner blutende Wunden davontragen würden.

Wir müssen hoffen, dass sie nicht neugierig werden und hierherunter kommen. Sobald der Sturm vorüber ist, werden sie weiterziehen. Da wurde das Heulen des Windes noch lauter, wie um Chens Hoffnung zu verspotten. Zumindest werden wir nicht verhungern.

Tyrathan setzte sich auf den Boden und nahm acht Pfeile aus seinem Köcher, jeder mit einer gemein aussehenden gezackten Spitze. Die eine Hälfte hatte zwei scharfe Kanten, die andere vier, und alle diese Kanten waren an ihrem Ende nach innen geschwungen, zum Schaft hin; sobald sie ihr Opfer getroffen hätten, würden sie sich festbohren wie ein Angelhaken, sodass man sie nur schwer wieder herausziehen konnte.

Der Mensch legte die Pfeile nebeneinander, immer einen vierkantigen neben einen zweikantigen, und anschließend drehte er die vierkantigen um. Nun schnitt er mit einem Kürschnermesser kurze Stoffstreifen von seinem Verband und band jeweils zwei Pfeile damit zusammen, sodass jedes Geschoss jetzt zwei Spitzen hatte.

Obwohl seine Miene im Wechsel von Licht und Schatten nur schwer zu deuten war, lag doch eine grimmige Entschlossenheit in Tyrathans Zügen, und immer wieder blickte er bei seiner Arbeit kurz nach oben zur niedrigen Decke, und nachdem er beobachtet und gelauscht hatte, nickte er sich kurz zu.

Es schien eine Ewigkeit zu dauern, aber dann kamen die Trolle schließlich zur Ruhe. Schweres Klappern deutete darauf hin, dass sie ihre Rüstungen zum Schlafen abgenommen hatten – zumindest drei von ihnen. Der Schweigsame blieb in voller Panzerung, aber er verdeckte genug Licht, um Chen zu zeigen, wo er lag. Der Kommandant war der Letzte, der sich hinlegte, und bevor er sich ausstreckte, blies er noch die Kerze aus.

Leise wie ein Geist trat Tyrathan an Chens Seite. „Auf mein Zeichen – du wirst es schon erkennen, wenn es so weit ist – gehst du die Stufen hoch. Such den Schalter, um die Speisekammer zu öffnen und dann töte jeden, der dir begegnet!“

„Vielleicht ziehen sie morgen weiter.“

Der Mann deutete auf die Stelle, wo der Befehlshaber lag. „Er hat ein Protokollbuch. Das brauchen wir.“

Chen nickte, dann schlich er zum Fuß der Treppe. Hinter ihm, im Hauptbereich des Kellers, nahm Tyrathan seine zusammengebundenen Pfeile und schob die zweikantigen Spitzen zwischen die Spalten in der Kellerdecke, dann drehte er sie so, dass sie verkanteten, einer unter jedem der schlafenden Trolle. Den ersten Pfeil klemmte er unter den Kommandanten, gefolgt von den beiden gesprächigen Trollen, und den letzten platzierte er unter dem schweigsamen Krieger. Dort verharrte der Mensch anschließend auch, um zu Chen hinüberzublicken. Er deutete der Reihe nach auf die Pfeile, von dem neben ihm bis zu dem unter dem Kommandanten, dann bedeutete er dem Pandaren, die Treppe hochzugehen.

Chen nickte und machte sich bereit.

Der Mensch rammte den ersten Pfeil nach oben in den Körper des Trolls und drehte ihn herum. Noch bevor sein Opfer einen Schrei ausstoßen konnte, sprang Tyrathan in die Mitte des Kellers und stieß die beiden Pfeile dort nach oben, einen mit jeder Hand. Seine Opfer keuchten, und er wirbelte weiter, um auch den letzten Pfeil durch die Bodenbretter zu stoßen.

Chen stürmte die Stufen nach oben. Er hielt sich nicht mit der Suche nach dem Hebel auf, sondern rannte geradewegs durch die Geheimtür hindurch. Holz zersplitterte, und Geschirr und Schalen flogen in den Hauptraum, eine halbe Sekunde später gefolgt vom Körper des Pandaren. Rechts von ihm lag der schweigsame Troll auf der Seite; der Pfeil hatte sich durch seinen Oberarm in seine Brust gebohrt. Er versuchte mit dem freien Arm nach einem Messer zu greifen, aber Chen trat mit dem Fuß zu. Der Kopf des Zandalari wurde nach hinten gerissen und donnerte gegen die Wand.

Der Pandaren wirbelte herum und hielt inne. Die zwei gesprächigen Trolle wanden sich auf dem Boden. Einem ragte eine Pfeilspitze aus dem Bauch, der andere schien an seiner Wirbelsäule aufgespießt. Beide versuchten sich aufzusetzen, aber die die vierkantigen Pfeilspitzen verhakten sich in den Spalten zwischen den Brettern und hielten sie zurück. Blut spritzte im Rhythmus ihrer Schreie, als ihre Füße gegen den Boden hämmerten und ihre Finger Späne und Splitter aus dem Holz kratzten.

Der Kommandant, ein Schamane, stand an der Tür. Dunkle, pulsierende Energie sammelte sich zwischen seinen Händen. Die Schreie seiner sterbenden Kameraden hatten ihn gewarnt, und so hatte der Pfeil, der für ihn bestimmt gewesen war, nur seine Rippen gestreift. Er starrte Chen aus schwarzen Augen an, die vor Hass funkelten, dann zischte er einige unschöne Worte in der Trollsprache.

Der Pandaren wusste, was geschehen würde, wenn er nichts unternahm – und er wusste, dass es vermutlich selbst dann geschehen würde, wenn er etwas unternahm –, also spannte er sich und sprang. Doch er war nicht schnell genug.

Einen Herzschlag bevor sein fliegender Tritt den Troll erreichte und einen halben Herzschlag bevor der Schamane seinen Zauber vollenden konnte, schoss ein Pfeil durch den Boden. Er sauste an Chens Knöchel vorbei, zwischen den Händen des Zandalari hindurch und dann in seinen Körper. Die Spitze drang unter dem Kinn ein, nagelte dem Troll die Zunge an den Gaumen und trat dann aus seinem Schädel wieder hervor.

Nun landete Chen seinen Tritt, und der Schamane wurde durch die Tür nach draußen in die Dunkelheit des Sturms geschleudert.

Mit dem Bogen in der Hand tauchte Tyrathan auf der obersten Treppenstufe auf. „Hat der Hebel geklemmt?“

Der Pandaren nickte, während sich die Trolle neben ihm in ihren letzten Zuckungen wanden. „Ja. Er hat geklemmt.“

Der Mensch überprüfte den schweigsamen Troll und schnitt ihm dann die Kehle durch. Die beiden in der Mitte des Raumes waren augenscheinlich jetzt tot, aber er beugte sich dennoch über sie, bevor er schließlich zu der Stelle hinüberging, wo der Kommandant seine Sachen abgelegt hatte. In einer Tasche entdeckte er ein Buch und ein kleines Kästchen mit Schreibfedern und Tinte.

„Ich kann Zandalari nicht lesen, aber ich habe einen Teil ihrer Unterhaltung aufgeschnappt. Sie waren auf einer Erkundungsmission, genau wie wir.“ Tyrathan blickte sich um. „Erst mal müssen wir den anderen wieder reinholen. Sollen wir das Haus anzünden?“

Chen nickte. „Das wird vermutlich das Beste sein. Ich werde ein Fass im Keller aufschlagen und es mit meinem Feueratem entzünden. Aber ich werde mir diesen Ort einprägen, damit ich bei den Leuten, die hier lebten, Wiedergutmachung leisten kann.“

Der Mann blickte ihn an. „Es ist nicht deine Schuld, dass sie ihren Hof verlieren.“

„Vielleicht nicht, aber es fühlt sich so an.“ Der Pandaren schaute sich ein letztes Mal in dem Bauernhaus um, damit er sich daran erinnern könnte, wie es hier gewesen war. Anschließend verwandelte er es in einen Scheiterhaufen und folgte dem Menschen nach draußen in den Sturm.


Sie gingen nach Westen, in Richtung des Klosters, und stießen auf einen Höhlenkomplex, der sich in die Tiefe schlängelte. Hier konnten sie es wagen, ein Feuer zu machen, und Chen nutzte die Gelegenheit, um Tee aufzubrühen. Die Wärme war ihm willkommen, außerdem hatte er ein wenig Zeit, um nachzudenken, während Tyrathan das Buch studierte.

Der Pandaren hatte schon viele Kämpfe erlebt, und er hatte dabei Dinge gesehen, die er am liebsten sofort wieder vergessen hätte, genau wie er es seiner Nichte erzählt hatte. Manchmal funktionierte es. Das war eines der kleinen Wunder des Lebens: Man konnte die schmerzhaftesten Dinge vergessen, und wenn nicht das, so verblasste zumindest die Erinnerung an sie. Sofern man zulässt, dass sie verblasst.

Ja, er hatte viele Dinge gesehen, und er hatte viele Dinge getan. Blutige Dinge. Doch so etwas wie das, was Tyrathan in dem Bauernhaus getan hatte, hatte er noch nie erlebt. Es war nicht der Pfeilschuss durch den Boden, der ihm im Gedächtnis bleiben würde – obwohl er diesem Schuss vermutlich sein Leben verdankte. Er hatte schon genug Soldaten gesehen, denen ihre Schilde durch Pfeile an den Arm geheftet worden waren, um zu wissen, dass Holz gegen einen guten Schützen keinen ausreichenden Schutz bieten konnte. Zugegeben, es war ein spektakulärer Schuss gewesen, aber bei Tyrathan überraschte ihn das nicht weiter.

Nein, was Chen vielleicht nie wieder vergessen würde, war die Ruhe und Entschlossenheit, mit der der Mensch die Pfeile für seinen Angriff von unten vorbereitet hatte. Er hatte sie ganz bewusst zusammengebunden, nicht nur, damit sie töteten, sondern auch um auf die Möglichkeit vorbereitet zu sein, dass sie nicht töteten. Es war sein Plan gewesen, die Trolle festzunageln, und er hatte die Pfeilspitzen herumgedreht, nachdem er zugestoßen hatte, damit sie an Rippen oder Knochen hängen blieben.

Es gab Ehre in der Schlacht, Ehre, wenn man gut kämpfte. Als Tyrathan und Vol’jin bei Zouchin zurückgeblieben waren, um die Zandalari mit Pfeilen zu spicken und ihren Vormarsch aufzuhalten, war das ehrenvoll gewesen, denn so hatten die Mönche die Einwohner retten können. Den Trollen war es vermutlich feige erschienen, aber wer ein Fischerdorf mit Belagerungsmaschinen bombardierte, hatte keinerlei Ehre und auch keine verdient.

Chen goss den Tee ein und reichte dem Menschen eine kleine Schale. Der Mann nahm sie entgegen und schlug das Buch zu, dann atmete er den Dampf ein und trank. „Danke! Er ist perfekt.“

Der Pandaren rang sich ein Lächeln ab. „Steht etwas Nützliches da drin?“

„Der Schamane hatte eine künstlerische Ader. Er konnte gute Karten zeichnen, außerdem hat er Skizzen von einheimischen Tieren und Felsformationen angefertigt. Sogar ein paar Blumen hatte er zwischen den Seiten platt gedrückt.“ Tyrathan tippte mit dem Finger auf das Buch. „Einige der hinteren Seiten sind leer, abgesehen von Punkten in den vier Ecken. Diese Punkte habe ich auch auf einigen beschriebenen Seiten entdeckt, aber das Muster setzt sich danach weiter fort. Ich glaube, die Zeichen auf den leeren Seiten stammen von jemand anders.“

Chen nippte an seinem Tee. Er wünschte sich, das Getränk würde ihm mehr Wärme schenken. „Was bedeutet das?“

„Ich glaube, das ist ein vorbestimmter Kurs, dem sie folgen sollten. Wenn du die Unterkante der Seite auf die Höhe des Horizonts hältst, findet man bestimmt ein Sternbild, das der Anordnung der Punkte entspricht. Das zeigte ihnen, in welche Richtung sie weitergehen sollten.“ Er runzelte die Stirn. „Von hier können wir den Nachthimmel natürlich nicht sehen, und die Konstellationen sehen hier auch anders aus, aber ich glaube, wir können herausfinden, wohin sie nach dem Sturm weiterziehen wollten.“

„Das wäre gut.“

Tyrathan stellte seinen Tee ab und starrte auf den schwarzen Ledereinband des Buches. „Sollen wir reinen Tisch machen.“

„Was meinst du?“

Der Mensch deutete in die ungefähre Richtung, in der sich das Bauernhaus befunden hatte. „Du bist ungewöhnlich still, seit wir den Hof verlassen haben. Was ist los?“

Chen blickte in seine Schale hinab, aber die dampfende Flüssigkeit enthüllte ihm keine Antworten. „Die Art, wie du sie getötet hast. Das war kein Kampf. Das war nicht …“

„Fair?“ Der Mann seufzte. „Ich habe die Situation abgeschätzt. Sie waren zu viert, und sie waren besser für den Kampf gerüstet als wir. Ich musste möglichst schnell möglichst viele von ihnen töten oder kampfunfähig machen. Ich musste sicherstellen, dass sie uns nicht angreifen können, zumindest nicht effektiv.“

Tyrathan sah Chen an, einen leicht gequälten Ausdruck auf dem Gesicht. „Stell dir vor, die beiden wären nicht an den Boden genagelt gewesen, als du durch die Tür gestürmt bist. Oder der Troll in der Ecke. Sie hätten dich niedergemetzelt und dann mich getötet.“

„Du hättest sie durch den Boden erschießen können.“

„Das ging nur, weil ich unter ihm war und sein Zauber so ein liebliches Licht verströmt hat.“ Tyrathan seufzte. „Was ich tat, war grausam, ja, und ich könnte sagen, dass der Krieg immer grausam ist, aber das wäre respektlos dir gegenüber. Es ist … Mir fehlen die Worte, um es zu beschreiben …“

Chen schenkte ihm ein wenig Tee ein. „Dann such die Worte! Du bist ein guter Fährtenleser.“

„Nein, mein Freund. Ich bin nicht gut darin, Fährten zu lesen. Ich bin gut darin, zu töten.“ Der Mensch trank und schloss die Augen. „Ich bin gut darin, aus der Entfernung zu töten, damit ich die Gesichter meiner Opfer nicht sehen muss. Ich will sie nicht sehen. Ich will nicht, dass meine Feinde mir nahe kommen, ich will sie auf Distanz halten. Ich halte überhaupt jeden auf Distanz. Es tut mir leid, falls das, was du gesehen hast, dich schockiert hat.“

Der Schmerz in der Stimme des Mannes quetschte Chens Herz zusammen. „Es gibt noch mehr, worin du gut bist.“

„Nein, nicht wirklich.“

„Was ist mit Jihui?“

„Ein Spiel für einen Jäger – zumindest so, wie ich es spiele.“ Tyrathan lachte halbherzig, dann lächelte er. „Darum beneide ich dich, Chen. Du kannst Leute zum Lächeln bringen. Du gibst ihnen ein gutes Gefühl. Wenn ich losziehen und genügend Tiere für ein Bankett erlegen und dann daraus das beste Festmahl zubereiten würde, das je ein Mensch gegessen hat, dann würde man sich meiner erinnern. Aber du müsstest nur auftauchen und eine deiner Geschichten erzählen, und niemand würde dich je wieder vergessen. Du berührst die Herzen der Leute. Ich durchbohre ihre Herzen höchstens mit der Spitze eines Pfeils.“

„Vielleicht trifft das auf die Person zu, die du einmal warst, aber du musst nicht mehr so sein.“

Der Mann zögerte einen Moment und nahm einen weiteren Schluck Tee. „Du hast recht, aber ich fürchte, dass ich wieder zu genau derselben Person werde. Siehst du, ich bin gut im Töten, sehr gut sogar. Und ich habe Angst, dass ich zu großen Gefallen daran finde. Dich hat die Sache in dem Bauernhaus vielleicht schockiert, aber mich noch viel mehr.“

Chen nickte wortlos, denn es gab nichts, was er hätte sagen können, um das Herz dieses Menschen zu berühren. Ihm wurde klar, dass dies in den Augen der meisten Pandaren das Ende von Huojin war. Sich seiner Impulsivität hinzugeben, hieß, sich kaum noch um jemanden oder etwas anderes zu scheren. Ein gesichtsloser Feind in der Distanz ließ sich leichter töten als jemand, der nur eine Schwertlänge entfernt stand. In seiner extremsten Form war Huojin ein Vorbote des Bösen, denn dann machte es alles Leben wertlos.

Im logischen Umkehrschluss konnte Tushui dazu führen, dass man so lange über alles nachdachte, bis man zu keiner Handlung mehr fähig war. Doch das wäre wohl kaum die Antithese des Bösen. Genau darum betonten die Mönche auch die Bedeutung des Gleichgewichts. Er blickte Tyrathan an. Ein Gleichgewicht, das sich meinem Freund entzieht.


Die Frage der Balance beschäftigte Chen den Rest ihres Rückweges zum Kloster. Er suchte den Angelpunkt seines eigenen Gleichgewichts, und alles schien auf die Frage hinauszulaufen, ob er eine Familie gründen oder weiter die Welt erforschen sollte. Doch mit Yalia an seiner Seite konnte er sich vorstellen, beides zu haben und sich die besten Aspekte des Lebens herauszupicken.

Während sie weiter durchs Land reisten, stellte Tyrathan anhand des Protokollbuchs einige Berechnungen an. „Es ist nur eine grobe Schätzung, aber ich glaube, sie ziehen ins Herz von Pandaria.“

„Das Tal der Ewigen Blüten.“ Chen blickte nach Süden. „Ein wunderschöner und uralter Ort.“

„Du warst schon dort?“

„Ich habe meinen Dienst am Schlangenrücken im Westen geleistet, daher weiß ich von seiner Pracht. Aber ich habe das Tal noch nie betreten.“

Tyrathan lächelte kurz. „Wahrscheinlich wird sich das schon sehr bald ändern. Dort werden wir die Zandalari finden, und ich habe das Gefühl, dass keiner von uns dieses Wiedersehen genießen wird.“

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