10

Khal’ak weigerte sich, den Umhang aus Tigerfell enger um sich zu schlingen, aber sie war doch dankbar für seine Wärme. Obwohl der wütend heulende Sturm sich längst an den hölzernen Befestigungsmauern erschöpft hatte, welche den Hafen auf der Insel des Donnerkönigs umgaben, so schnitten doch weiterhin scharfe Windzüge und eisige Böen in ihr entblößtes Fleisch. Sie hatte gehofft, dass sie inzwischen genug Eistrollfleisch gegessen hätte, um deren Resistenz gegen die Kälte in sich aufzunehmen, aber augenscheinlich war dem nicht so.

Nicht weiter schlimm. Mir schmeckt Sandwüterfleisch ohnehin besser. Die Wüstenumgebung gab ihnen mehr Geschmack. Hier, nördlich von Pandaria, nützte ihr der Gedanke zwar wenig, aber die Zeit würde kommen. Wenn wir Kalimdor zurückerobern.

Ja, diese Zeit würde kommen. Sie wusste es. Alle Zandalari wussten es. Sämtliche Trolle stammten von dieser noblen Blutlinie ab, aber die meisten hatten sich weiter und weiter von diesen Wurzeln entfernt und waren dabei immer tiefer gesunken. Man musste sich nur ihre Physiologie ansehen, um das zu erkennen: Khal’ak war größer als jeder unreine Troll, dem sie je begegnet war, und im Vergleich zu der Hingabe, die sie den Loa schenkte, war die Verehrung der anderen nur ein Spiel. Zugegeben, einige Trolle achteten noch die Traditionen der Vergangenheit – die Schattenjäger waren eines der seltenen Beispiele dafür –, aber ihre eigenen Traditionen waren nicht länger die der echten Zandalari.

Wenn sie bei ihren Missionen für Vilnak’dor durch die Welt reiste, glaubte sie manchmal, inmitten der verdorbenen Trolle einen Hauch, einen Funken der traditionellen Wege zu erkennen. Sie suchte stets nach jenen, die Elemente der alten Tage in sich trugen, und oft war diese Suche vergebens. Viele, denen sie begegnete, waren Heuchler, die für sich in Anspruch nahmen, die einzig rechtmäßigen Erben der Zandalari zu sein, so als würden Khal’ak und ihr Stamm überhaupt nicht existieren. Nur zu oft – eigentlich immer, um die Wahrheit zu sagen – waren diese selbst ernannten Retter der Trolle aber nur das erbärmliche Produkt einer degenerierten Gesellschaft.

Dass sie so oft scheiterten, überraschte sie inzwischen nicht mehr.

Durch eine lange Reihe von Trollen, welche von den Überlieferungen und Traditionen geprägt waren und sie seit Jahrtausenden getreulich befolgten und weitergaben, stammte Vilnak’dor von den Zandalari ab. Er hatte sich nicht den Verlockungen hingegeben, denen die anderen erlegen waren. Er saß nicht dem Irrglauben auf, dass man die Reiche der Amani und Gurubashi wiederbeleben und verbessern könnte. Er akzeptierte, dass sie ein Fehlschlag gewesen waren und dass dieses Scheitern in einer grundlegenden Instabilität begründet lag. Sie wiederherstellen zu wollen, hieße, ein Desaster herauszufordern, also war er noch weiter in die Vergangenheit zurückgegangen, um eine Allianz aufleben zu lassen, die einst Früchte getragen hatte.

Ein Kapitän der Mogu näherte sich ihr voll Respekt, obwohl sie doch eigentlich an den Mauern seiner Stadt stand. Der dunkelhäutige, kräftig gebaute Mogu überragte sie um anderthalb Köpfe, und sein löwenartiges Äußeres passte außerordentlich gut zu Panadria. Seine Augenbrauen, sein Bart und sein Haupthaar waren so strahlend weiß, wie sein Körper schwarz war. Als sie zum ersten Mal Statuen gesehen hatte, die die Mogu abbildeten, hielt sie sie für künstlerisch überspitzt. Doch als sie den Mogu dann wirklich begegnete, bemerkte sie ihren Irrtum, und als sie sie im Kampf beobachten konnte, wurde ihr klar, dass die weiche Rundlichkeit ihres Äußeren nur die Schärfe und Kantigkeit ihrer Absichten und ihres Muts verbarg.

„Mylady, wir haben fast alles verladen. Mit der ausgehenden Tide können wir nach Süden segeln.“

Khal’ak blickte auf die schwarze Flotte hinab, die im dunklen Wasser ruhte. Ihre Truppen, einschließlich ihrer Elitelegion, waren bereits in Reih und Glied an Bord marschiert. Die Angriffstruppen bestanden abgesehen von Mogu-Spähern hauptsächlich aus Zandalari-Truppen. Keine niederen Trolle, erst recht niemand aus den niederen Völkern – obwohl sie gerne auf Goblin-Artillerie oder eine Handvoll ihrer Kriegsmaschinen zurückgegriffen hätte.

Nur zwei Schiffe waren noch an der Anlegestelle: Ihr Flaggschiff, das als Letztes ablegen würde, und ein kleineres Schiff, das eigentlich schon längst vor dem Hafendamm ankern sollte. „Warum die Verspätung?“

„Es wurd’n Bedenken ausgedrückt, wegen Zeichen und Omen.“ Der Mogu-Kapitän stand kerzengerade da, seine gewaltigen Fäuste hinter dem Rücken verborgen. „Der Sturm. Das verstehen sie nicht.“

Ihre Augen wurden zu Schlitzen. „Der Schamane. Natürlich. Ich werde mich selbst darum kümmern.“

„Die Tiden drehen sich in sechs Stunden.“

„Das sollte nicht länger als sechs Minut’n dauern, wenn ich erst dort unten bin.“

Der Mogu verbeugte sich so ehrerbietig, dass Khal’ak ihm seinen Respekt beinahe abgekauft hätte. Es war nicht so, als würden er oder die anderen Mogu einen Groll gegen die Zandalari hegen oder sie hassen. Sie bedauerten nur, dass sie auf ihre Hilfe angewiesen waren, und im Stillen wunderten sie sich, warum es so lange gedauert hatte, bis die Zandalari ihnen diese Hilfe angeboten hatten.

Vor vielen Jahrtausenden, als es nur die Zandalari gegeben hatte, in der Zeit, bevor die Nebel Pandaria verborgen hatten, waren sich Mogu und Trolle zum ersten Mal begegnet. Damals existierte gerade einmal ein Viertel der gesamten Schöpfung, doch ausgerechnet diese beiden Völker begegneten einander. Zwei Löwen. Eigentlich hätten sie sich gegenseitig zerstören müssen, dieser erste Mogu und der erste Troll, aber sie taten es nicht. Sie begriffen, falls sie ihre Stärke in einem Krieg maßen, würde der Überlebende geschwächt daraus hervorgehen und womöglich würde er dann einer Kreatur zum Opfer fallen, die ihm eigentlich klar unterlegen war. Das wäre eine Tragödie, die keines der beiden Völker riskieren wollte.

Also standen sie entschlossen Rücken an Rücken und eroberten sich ihren Platz in der Welt. Doch als die weiteren Ereignisse sich entfalteten und jedes Volk mit seinen eigenen Herausforderungen konfrontiert wurde, vergaßen sie ihr Bündnis. Die Mogu verschwanden gemeinsam mit Pandaria, die Trolle mussten mit ansehen, wie ihre Welt auseinandergerissen wurde. Und wie es eben so ist mit alten Völkern, wenn sie von unmittelbaren Problemen bedrängt werden, verblasste ihre frühe Vergangenheit in ihrem Gedächtnis, und die jüngsten Gräuel leuchteten dafür umso blendender auf.

Khal’ak stieg die Treppe hinunter, von einem Absatz zum nächsten. Dazwischen lagen genau siebzehn Stufen. Sie verstand nicht, warum das für die Mogu so wichtig war, aber das musste sie wohl auch nicht. Ihre Aufgabe war nur, die Befehle ihres Meisters auszuführen, und der wiederum wollte seinen Verbündeten, den Donnerkönig, beschwichtigen. Die Macht des einen würde die des anderen mehren, bis sie beide stark genug waren, um ihre ruhmreiche Position zurückzufordern und die Ordnung der Welt wiederherzustellen.

Sie ging weiter durch die Siedlung, die von ihrem Alter gezeichnet war, in der nun aber eine neue Jugend erwachte. Die Mogu, von denen jeden Tag mehr auf der Insel auftauchten, verbeugten sich wortlos, als sie vorüberschritt; sie wussten um ihre Aufgabe, und sie zollten ihr Respekt, weil ihre Taten ihnen Freude gebracht hatten – und sie war noch längst nicht fertig.

Doch obwohl sie sich verbeugten und ihre Ehrerbietung demonstrierten, war noch immer genügend Zurückhaltung in ihrem Verhalten, um Khal’ak zu zeigen, wie überlegen die Mogu sich ihr und den Trollen fühlten, und sie musste sich beherrschen, um nicht zu lachen. Mit ihrem Training wäre es ein Kinderspiel gewesen, sie allesamt zu töten. Die Mogu hatten keine Ahnung, wie labil ihre Position in diesem Bündnis war oder wie verwundbar sie wären, sollten die Zandalari tatsächlich entscheiden, sie zu zerstören.

Kalte Wellen klatschten gegen die Stützpfeiler und die Ufermauer, Möwen zogen ihre Kreise und krächzten über Khal’aks Kopf, und in der Luft lag der Geruch von Salz und verrottendem Fisch, der noch immer unglaublich fremdartig für sie war. Die Taue knarzten, und die Planken knirschten, während die Schiffe auf der dunkelgrünen Oberfläche des Hafens auf und ab wippten.

Rasch ging sie an Bord des kleineres Schiffes, auf dem sich ein Dutzend Schamanen in der Mitte des Hauptdecks versammelt hatten. Ein Drittel von ihnen saß kauernd auf dem Boden und stocherte in Knochen, Federn, Kieselsteinen und kleinen Metallstücken herum. Die anderen standen um sie herum, stumm und bedeutsam dreinschauend – umso mehr, als sie Khal’ak an Bord kommen sahen.

„Warum habt ihr noch nicht die Anker gelichtet?“

„Die Loa, sie sind unzufried’n.“ Einer der kauernden Schamanen blickte zu ihr hoch und deutete auf zwei überkreuzte Knochen, unter denen eine Feder lag. „Der Sturm war nicht gewöhnlicher Natur.“

Sie spreizte die Hände und widerstand dem Drang, den Mogu mit einem Tritt über die Seitenwand des Schiffes zu befördern. „Hast du das etwa erwartet? Was bist du eigentlich für ein Narr? Die Loa schienen nichts dageg’n zu haben, als wir nach Pandaria lossegelten. Du selbst hast das gesagt. Du sagtest, es würde in diesen Knochen und Fetz’n da stehen. Wäre das nicht ziemlich dumm von den Loa, unser Unternehmen erst zu segnen, nur um jetzt wegen einem Schneesturm zu protestier’n?“

Sie deutete auf den Ort, der verborgen im Inselinneren lag. „Du weißt, was wir getan hab’n. Der Donnerkönig hat sich wieder erhob’n. Dieser Sturm, er blies zu Ehren des Königs. So hat die Welt ihre Freude über seine Rückkehr gezeigt. Von allen Jahreszeit’n gefiel ihm der Winter am best’n. Von allen Wetterlagen hat er sich in stechendem, blendendem Schnee am lebendigst’n gefühlt. Du kannst dich vielleicht nicht mehr daran erinnern, aber die Welt schon, und auf diese Weise hat sie ihn willkomm’n geheißen. Jetzt wirfst du deine Knoch’n, um herauszufind’n, was die Loa denken? Hätt’n sie wirklich was dagegen gehabt, hätte es den Sturm nie gegeb’n.“

Gryan’zul, der jüngste und gleichzeitig vernünftigste der Schamanen, drehte sich zu ihr herum. Wegen seiner roten Mähne und seinen stark geschwungenen Hauern zog sie ihn den anderen vor, und das wusste er auch. Deshalb glaubte er, dass sie ihm Gehör schenken würde.

„Geehrte Khal’ak, was du sagst, ergibt Sinn. Die Loa hätten den Sturm aufhalten können. Wenn sie wollten, hätten sie unsere Armada schon längst gestoppt. Meine Brüder suchen also vielleicht nach Klarheit, wo es keine Unklarheit gibt, aber die Tatsache, dass sie danach suchen, zeigt, dass es zumindest Verwirrung gibt.“

Das Fell in ihrem Nacken stellte sich auf. „Deine Worte sind weise. Mehr davon, bitte.“

„Die Loa verlangen und verdienen unsere Verehrung – die Verehrung durch alle Trolle. Sie schätzen Stärke. Wir haben einander als Opfer dargeboten, und dieses Opfer wurde akzeptiert, aber es ist nicht das, was sie wirklich wollen. Darum antworten sie uns seltener, darum sprechen sie auch zu anderen. Wir sind nicht die Einzigen, die nach Pandaria gekommen sind. Die Allianz und die Horde sind auch hier.“

Sie blickte von einem Schamanen zum nächsten, bis sie das ganze Dutzend gemustert hatte. „Und das lässt euch stutz’n? Vielleicht versteht ihr nicht ganz. Vielleicht sollt ihr auch gar nicht verstehen. Mein Meister hat schon seit Langem gewusst, dass andere nach Pandaria komm’n würden. Ungeziefer findet immer einen Weg. Zu glaub’n, dass wir uns hier vor ihnen verkriech’n werden, ist dumm. Wir haben Pläne für einen solchen Fall. Unsere Feinde werd’n untergehen.“

Ein anderer Schamane, dieser mit kurzen Hauern, erhob sich. „Das ist ja schön und gut, wenn wir gegen die Allianz kämpf’n. Aber was ist mit der Horde?“

„Was soll mit ihr sein?“

„Es gibt Trolle in der Horde.“

„Auch wenn es sich zusammenschließt, Ungeziefer bleibt Ungeziefer. Und wenn einige Trolle nicht sehen, wie sehr sie sich erniedrigen, wenn sie einer solchen Meute beitreten, wenn sie glaub’n, dass sie dadurch aufsteigen würden, dann sind sie Narren. Trotzdem werd’n wir jeden dieser Trolle willkomm’n heißen, falls er die Richtigkeit unseres Tuns erkennt und sich uns anschließ’n will. Wir können immer neue Garnisonstruppen und Untergeordnete brauch’n, um kleinere Aufgab’n zu erledigen. Falls die Loa also abgelenkt sind, weil sie zu dies’n Trollen sprechen und ihnen sagen, dass sie zu uns komm’n sollen, dann soll es mir nur recht sein. Vielleicht solltet ihr sogar die Loa bitten, genau das zu tun.“

Sie schnaubte. „Aber erst, wenn das Schiff draußen vor dem Hafendamm ist.“

Der Schamane mit den kurzen Hauern schüttelte den Kopf. „Wir brauch’n Zeit, um alle Vorbereitungen zu treff’n. Ein Opfer muss dargebracht werden.“

„Ihr habt sechs Stund’n. Oder weniger. Bis zum Mondaufgang.“

„Das ist nicht genug Zeit.“

Sie richtete den Finger auf die Brust des Mogu. „Dann werde ich den Loa ein Opfer geben. Ich werde dein linkes Bein am Kai festbinden und dein rechtes am Schiff, und dann werde ich dem Kapitän befehl’n, den Anker zu lichten und loszusegeln. Möchtest du den Loa, deiner Flotte und deinem Volk auf diese Weise dienen?“

Gryan’zul schaltete sich ein. „Die Reinheit deines Glaubens, verehrte Khal’ak, gereicht deinem Meister und deiner Familie zur Ehre. Deine Treue zu den Loa ist zweifelsohne der Grund für unseren großen anfänglich’n Erfolg. Wir werden mit den Loa sprech’n, und wir werden bereit sein, sofort aufzubrech’n.“

„Du stellst unseren Herrn zufried’n.“

Der junge Troll hob einen Finger. „Eine Sache wäre da noch.“

„Ja?“

Der Schamane presste die Hände zusammen, die viel zu schlank und grazil waren, und seine Augen wurden schmal. „Die Loa sprechen zu uns und zu einigen in der Horde, aber das allein nimmt nicht ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch.“

„Was tun sie denn sonst noch?“

„Genau darum geht es. Wir wissen es nicht. Deswegen machen wir uns Sorgen wegen dem Sturm. Wann immer wir herauszufinden versuchen, was da noch ist, verbirgt es sich hinter einem Vorhang. Es könnte ein Geist sein oder ein weit entfernter Troll. Es könnte die Geburt eines Trolls verkünd’n, der zu Großem bestimmt ist. Wir wissen es nicht, und wir müssen mit dir darüber reden, denn du suchst Gewissheit, wo es Zweifel gibt.“

Ein Schauder rann die gesamte Länge von Khal’aks Wirbelsäule hinab. Aus irgendeinem Grund beunruhigte sie die Nachricht von diesem Troll mehr als die Anwesenheit der Horde und der Allianz in Pandaria. Das waren schließlich bekannte Größen. Sie konnten die Zandalari ausrechnen. Aber wie entwickelt man einen Notfallplan für etwas Unbekanntes? Die Mogu versicherten ihnen, dass die Pandaren mehr oder weniger wehrlos waren. Was könnte noch hier sein?

Sie blickte an dem Schamanen vorbei nach Süden, wo sich jenseits des Hafens die Nebel zusammenzogen. Ihre Flotte würde in die Nacht segeln und dann noch einmal durch eine Nacht. Sie war schon einmal in Pandaria gewesen, darum hatte sie auch den Ort ausgewählt, wo sie landen würden: ein Fischerdorf, klein und wertlos, aber mit einem anständigen Hafen. Sobald sie Anker geworfen und diesen Hafen gesichert hatten, würden sie ins Inland vorstoßen. Ihre Trollspäher berichteten, dass es nichts gab, was die Zandalari aufhalten oder auch nur verlangsamen könnte.

Es sei denn, wir lassen uns von denen Bange mach’n, die am meisten zu verlier’n haben, wenn wir gewinnen. Sie warf Gryan’zul einen weiteren Blick zu, und sie spürte, dass er keine Spielchen spielte. Falls er Macht wollte, würde sie ihm Macht geben, das wussten sie beide. Demnach mussten seine Bedenken echt sein.

Khal’ak nickte. „Ihr werdet euch zum Auslaufen vorbereiten. Und ihr werdet euren Will’n anstrengen und herausfinden, was in der Leere, in diesem bleichen Schatt’n, verborgen ist. Ihr alle. Falls ihr mir keine Antwort’n liefern könnt, werde ich euch an die Loa verfüttern, bis sie es mir selbst sagen. Etwas, das nicht existiert, kann uns nicht aufhalten.“


Weit im Süden wurde Vol’jins Schlaf in dieser Nacht von einer Vision gestört. Das überraschte ihn, denn seit Hir’eeks Besuch hatten die Loa ihn ignoriert, und er hatte beschlossen, sie ebenfalls zu ignorieren. Er wusste, er musste erst herausfinden, wer er war, bevor er wieder in Kontakt mit ihnen treten konnte, andernfalls würde er nur versuchen, die Person zu imitieren, die er einmal gewesen war. Und so, wie Tyrathans Tiergefährte sich weigerte, einem Ruf zu folgen, wenn er die Stimme nicht erkannte, würden auch die Loa nicht reagieren, denn er war nicht mehr der Troll, der dieses Band geknüpft hatte.

Er konnte nicht sagen, welches Loa ihm diese Vision schickte. Sein Körper flog mühelos durch die Lüfte, also war es vielleicht Akil’darah. Doch er flog durch die Nacht, was kein Adler tun würde. Da erkannte er, dass er nicht flog, sondern in der Luft schwebte und durch viele, viele Augen blickte, was ihn zu dem Schluss führte, dass Elortha no Shadra, die Seidentänzerin, ihn zu einem ihrer Kinder gemacht hatte. Er hing hoch oben, an einem Faden aus Spinnenseide, der vom Wind getragen wurde.

Unter ihm teilten sich die Wolken, und Schiffe segelten unter vollen Segeln eilig nach Süden. Diese Szene musste sich vor langer Zeit zugetragen haben, denn auf den breiten quadratischen Segel prangten zandalarische Wappen. Doch Vol’jin wollte auf Anhieb kein geschichtliches Ereignis einfallen, bei dem die Zandalari eine so mächtige Flotte entsandt hatten.

Er blickte hoch in den Nachthimmel und erwartete, dort eine fremde Anordnung von Konstellationen zu erblicken. Doch er erkannte die Sternbilder, und er erschrak.

Dann lachte er.

Sehr gut, Mutter der Gifte. Du zeigst mir die Vision einer Gegenwart, in der ich eine solche Flotte zusammenstell’n könnte. Du zeigst mir, welchen Ruhm ich für dich und die Loa erring’n könnte. Was für eine großzügige Vision! Ich könnte sogar glauben, dass es dem Traum meines Vaters dient. Das Problem ist nur, bin ich überhaupt noch Sen’jins Sohn?

Der Wind erstarb.

Die Spinne fiel.

Und Vol’jin wischte sie und ihr Netz von seinem Gesicht fort, bevor er sich auf die Seite drehte und wieder in einem traumlosen Schlaf versank.

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