14

Gebrüllte Befehle leiteten die Schlacht ein, doch sie wurden ohne Panik gegeben; die Zandalari kannten keine Panik. Eine Einheit sollte nach Süden ziehen und angreifen, während die anderen die Straßen blockierten. Pfeile flogen auf unsichtbare Ziele zu, doch den Schützen ging es gar nicht darum, etwas zu treffen. Sie wollten nur ihre Beute aufschrecken.

Eines der Geschosse pfiff an Vol’jins Ohr vorbei, und um eine Haaresbreite wäre all die Mühe, es wieder anzunähen, umsonst gewesen. Er schoss zurück, erwartete aber nicht, seinen Feind zu töten. Der Pfeil traf den Zandalari, durchdrang aber nicht die Rüstung, und der überraschte Schrei verwandelte sich in ein dankbares Grunzen. Der Kerl musste wohl glauben, dass das Glück auf seiner Seite war.

Aber das ist nicht dasselbe, wie die Loa auf seiner Seite zu hab’n.

Vol’jin fiel die ungeduldige Disziplinlosigkeit auf, mit der der Zandalari durchs Gebüsch brach. Bislang war er nicht auf ernsthafte Gegenwehr gestoßen, und er hatte keine organisierte Verteidigung gesehen. Der Pfeil, der ihn getroffen hatte, war kaum mehr als ein Spielzeug. Sämtliche Informationen, die der Angreifer bislang über seine Gegner hatte, deuteten also darauf hin, dass er leichtes Spiel haben würde.

Er sieht keine Bedrohung. Sein Fehler.

Vol’jin, der sich zusammengekauert hatte, während der Troll den kleinen Hügel herunterstürmte, sprang nun wieder auf und schwang seine Gleve in einem Bogen. Der Zandalari blockte die Waffe mit seinem Schwert ab, aber seine Bewegung kam zu spät und zu langsam. Vol’jin verlagerte seinen Griff und schob die obere Klinge nach vorne, dann drehte er sie herum und hieb zu. Während die Geschwindigkeit seines Gegners ihn weiter den Hügel hinabtrug, sank der geschwungene Stahl tief in seinen Hals, und als Vol’jin die Spitze freiriss, ergoss sich eine Fontäne hellen Blutes aus der Schlagader.

Der Zandalari starrte ihn an, während er umkippte. „Warum?“

„Bwonsamdi hat Hunger.“ Vol’jin stieß den Troll mit dem Fuß von sich und schlich den Hügel hinauf, wo er mit einem tiefen Schlag die Beine eines weiteren Feines aufschlitzte. Noch in derselben Bewegung richtete er sich auf und hieb seine Gleve nach unten, sodass die Waffe den Schädel des Trolls zerschmetterte.

Der Zandalari ächzte, und seine Augen wurden glasig, bevor er fiel und durch das Gras rollte.

Trotz allem musste Vol’jin lächeln. Der Geruch von warmem Blut erfüllte die Luft, Zischen und Stöhnen und Schreien und das Klirren von Waffen zogen ihn in die Schlacht hinein. Wenn er seinen Feinden auflauerte, fühlte er sich mehr zu Hause, als er es je im friedlichen Kloster tun würde, und auch wenn diese Erkenntnis Taran Zhu mit Grauen erfüllt hätte, der Dunkelspeertroll kam sich dadurch lebendig vor. Lebendiger, als er sich je in Pandaria gefühlt hatte.

Zu seiner Rechten schoss der Mensch einen Pfeil ab, und ein Zandalari ging um die eigene Achse wirbelnd zu Boden. Ein schwarzer Schaft mit roter Befiederung ragte zitternd aus seinem Brustbein. Tyrathan gab seinem Gegner den Rest, indem er ihm einen Dolch über die Kehle zog, dann nahm er dem Toten einige Zandalari-Pfeile ab und bewegte sich lautlos weiter durch das Gebüsch. Er war der Tod auf Tigerpfoten, unbemerkt, bis er zuschlug.

Die Mönche links und rechts von ihnen bewegten sich auf merkwürdige Weise mit der Landschaft, ohne jedoch wirklich mit ihr zu verschmelzen. Abgesehen von der Rüstung hätte der Pandaren, der Vol’jin am nächsten war, ebenso gut hier sein können, um Kräuter zu pflücken. Er bewegte sich nicht im Rhythmus der Schlacht, war noch nicht im Kampf versunken, aber viel länger würde er sich diese Distanziertheit nicht leisten könnten.

Ein Zandalari-Krieger griff ihn an, das Schwert zum tödlichen Stoß erhoben. Der Mönch drehte sich nach links weg, und die Klinge zischte an ihm vorbei, aber nur, um in einem Kreuzhieb erneut auf ihn zuzurasen. Da packte der Pandaren das Handgelenk des Trolls und wirbelte herum, sodass sie beide in dieselbe Richtung blickten. Der Schwertarm des Zandalari war nun ausgestreckt vor dem Bauch des Mönchs gefangen, und als der Pandaren das Handgelenk seines Feindes verdrehte, gaben die Knie des Trolls nach. Doch bevor er ins Gras kippen konnte, sauste der Ellbogen des Mönchs nach oben. Der Zandalari keuchte, als der Schlag seinen Kiefer zerschmetterte und seine Kehle zermalmte.

Einen Moment später huschte der Mönch weiter, als wäre nichts gewesen. Vol’jin eilte hastig zu ihm hinüber und riss seine blutige Klinge hoch. Der Pandaren wusste nicht, wie schnell Trolle sich von nicht tödlichen Angriffen erholen konnten, darum hatte er das Rascheln hinter sich als Todeszuckungen interpretiert. Doch es war vielmehr das Geräusch eines wütenden Trolls, der zu seinem nächsten Hieb ansetzte.

Da schnitt Vol’jins Gleve sauber von vorne durch den Hals des Zandalari. Der Kopf des Wesens wurde abgetrennt und hing noch in der Luft, als der Körper unter ihm schlaff in sich zusammensackte, dann fiel auch der Schädel und landete auf der Brust des toten Trolls. Vol’jin setzte sich wieder in Bewegung, während hinter ihm die echten Todeszuckungen begannen.

Gemeinsam mit den Mönchen duckte er sich tiefer hinter die Büsche und schlich in eine kleine grasbewachsene Senke hinab, die parallel zum Fluchtweg verlief. Anschließend stürmte Vol’jin ohne langes Zögern den nächsten Hügel hinab und mitten in die von Zandalari geführte Feindgruppe hinein. Selbst wenn er erst innegehalten hätte, um darüber nachzudenken, hätte er genauso gehandelt. Er wusste schließlich schon, dass er es nur mit leicht gepanzerten Scharmützlern zu tun bekommen würde, die vorausgeschickt worden waren, um etwaige Flüchtlinge abzuschlachten. Sein schneller Angriff hatte auch nichts mit Zorn zu tun, sondern allein damit, dass er solche Truppen verachtete. Sie hatten keine Ehre, waren nicht Soldaten, sondern Metzger, und ziemliche ungeschickte obendrein.

Ein Gurubashi stürmte auf ihn ein, das Schwert hoch erhoben, aber der Dunkelspeer beschrieb eine Handbewegung, die Lippen vor Abscheu zurückgezogen, und Schattenmagie ließ den anderen Troll taumeln. Sie nagte an seiner Seele, lähmte ihn für einen Moment, aber noch bevor Vol’jin ihn erreicht hatte, sauste ein Shado-Pan-Mönch durch die Luft, und sein fliegender Tritt knickte den Schädel des Trolls nach hinten, sodass er tot zusammenbrach.

Vol’jins Doppelklinge surrte durch die Luft, als das Schlachtengedränge sich verdichtete. Das rasiermesserscharfe Metall schnitt durch bloßliegendes Fleisch, klirrte gegen abwehrend erhobene Schwerter und federte zischend von Paraden zurück. Jeder Aufprall, der die eine Klinge aufhielt, ließ die andere vorschnellen, sodass sie sich hinter ein Knie einhaken oder nach oben durch eine Achselhöhle hacken konnte. Heißes Blut spritzte, Körper sackten mit verkrümmten Gliedmaßen zu Boden, und letzte Atemzüge blubberten aus klaffenden Brustwunden.

Da traf ihn etwas mit großer Wucht zwischen die Schulterblätter. Vol’jin kippte nach vorne, rollte sich ab und drehte sich um, noch während er wieder auf die Beine kam. Er wollte seinen Zorn und seinen Stolz in einer Herausforderung herausbrüllen, aber seine schmerzende Kehle verweigerte ihm den Dienst. Also wirbelte er seine Gleve herum, dass Blut in einem weiten Bogen von der Klinge spritzte, und ging in die Hocke, die Waffe hinter seinem Rücken, bereit zuzuschlagen.

Er stand einem Zandalari gegenüber, der selbst die meisten seiner Art überragte und auch entschieden breiter war. In den Händen hielt er ein Langschwert, ein Relikt aus einer anderen Schlacht. Er kam schnell näher – schneller, als Vol’jin erwartet hatte, und riss seine Klinge in seinem Überhandschlag nach unten. Der Schattenjäger blockte den Schlag mit seiner Gleve ab, aber die Wucht des Schlages riss ihm die Waffe aus der Hand.

Der Zandalari sprang auf ihn zu und rammte Vol’jin die Stirn ins Gesicht, sodass der Dunkelspeertroll einen Schritt nach hinten taumelte. Anschließend warf er sein Langschwert beiseite und schnellte vor, um den Schattenjäger an der Brust zu packen. Er riss ihn vom Boden hoch und grub die Daumen in die Mitte von Vol’jins Brust, dann drückte er fest zu und schüttelte den Troll.

Als seine eisernen Finger sich in die Rippen des Dunkelspeers pressten, loderten alte Schmerzen wieder auf; die Daumen bohrten sich sogar durch die Brustplatte und zerrissen die Seide darunter. Mit einem Brüllen, trotzig und voller Zorn, schüttelte der Zandalari sein Opfer noch heftiger hin und her, die Zähne gebleckt, und dann hob er den Kopf.

Ihre Blicke trafen sich.

Dieser Moment schien sich unendlich hinzuziehen. Die Augen des Zandalari weiteten sich, verrieten seine Fassungslosigkeit, dass er sich in diesem Kampf einem Troll gegenübersah, und Vol’jin konnte klar und deutlich erkennen, wie Zweifel seine Stirn furchten.

Er wusste, was er tun musste.

So wie Taran Zhu es ihm gezeigt hatte, ballte er seine Faust. Seine Augen wurden schmal, als er sich die Zweifel des Zandalari vorstellte, ein schimmernder Ball, der durch das Gesicht des Trolls schwebte, und als er direkt hinter seinen Augen verharrte, schlug Vol’jin mit geblähten Nasenlöchern zu. Seine Hand stieß geradewegs durch die Züge seines Feindes, dass Knochen splitterten, und zerschmetterte den Zweifel.

Der Griff des Zandalari erschlaffte, und Vol’jin fiel auf die Knie. Mit einer Hand fing er sich, die andere schlang er um seine Brust, dicht vor seine Rippen. Als er tief einzuatmen versuchte, spürte er ein mahlendes Gefühl in seiner Seite, dann durchzuckte ihn ein scharfer Stich. Er legte die Hand auf die schmerzende Stelle, doch er konnte sich nicht ausreichend konzentrieren, um die Heilung einzuleiten.

Tyrathan hakte eine Hand unter seinen Arm. „Komm! Wir brauchen dich.“

„Ist jemand entkomm’n?“

„Ich weiß es nicht.“

Langsam stand Vol’jin auf, und er bückte sich nur noch kurz, um seine Waffe aufzuheben und sich die blutige Hand an einer Leiche abzuwischen. Als er sich wieder aufrichtete, blickte er sich in der Senke um. Die Spuren der Schlacht waren nicht zu übersehen. Die blaue Pandaren-Einheit, die den Ziegenpfad entlanggeeilt war, hatte die Zandalari angegriffen, die oben auf dem Hügel im Hinterhalt lagen; die roten Mönche hatten die feindlichen Krieger, welche den südlichen Weg abriegeln sollten, überrannt; und Vol’jin und die anderen waren den Invasoren in die Seite gefallen und hatten ihnen den Rest gegeben.

Der Troll löste sich aus dem Griff des Menschen und eilte, so schnell er konnte, hinter ihm her. Als sie den Hügel zur Straße hinaufgestiegen waren, sahen sie Chen mit einer Pandaren reden, die eine Gruppe von Flüchtlingen anführte.

„Das sind die ersten, Onkel. Aber es gibt noch mehr, die wir holen müssen. Sie sind schon in der Vergangenheit von Trollen angegriffen worden, und sie wollen schnellstens hier weg.“

Chen, von dessen Fell bereits Zandalari-Blut tropfte, schüttelte entschieden den Kopf. „Du gehst nicht zurück, Li Li. Auf keinen Fall.“

„Ich muss.“

Vol’jin streckte den Arm aus und legte seine Hand auf ihre Schulter. „Du musst auf ihn hör’n.“

Sie sprang zurück und ging geduckt in Verteidigungshaltung. „Er ist einer von ihnen.“

„Nein, er ist mein Freund. Vol’jin. Du erinnerst dich doch noch an ihn.“

Li Li musterte ihn genauer. „Du siehst besser aus, jetzt wo dein Ohr wieder dran ist.“

Der Schattenjäger richtete sich zu seiner ganzen Größe auf und streckte den Rücken durch. „Du musst diese Leute nach Süd’n bringen.“

„Aber es werden mehr Trolle kommen, und jemand muss die anderen retten.“

Chen deutete in Richtung Meer. „Die meisten von ihnen haben ihr Dorf noch nie verlassen. Du musst sie zum Tempel des Weißen Tigers bringen, Li Li.“

„Werden sie dort denn sicher sein?“

„Zumindest sind sie dort besser geschützt.“ Vol’jin winkte den Flugmeister herüber. „Du musst die Leute fortbring’n. Die, die nicht rennen können. Die Blauen werden sie herbringen.“

„Guter Plan.“ Tyrathan blickte zur roten Einheit hinüber. „Ich werde derweil mit diesen Mönchen die Zandalari aufhalten.“

„Du?“

Der Mensch nickte. „Du bist verletzt.“

„Du humpelst, und meine Wunden heilen schnell.“

„Vol’jin, was wir hier brauchen, ist meine Art der Kriegsführung. Sie verlangsamen. Ihnen kleine Stiche versetzen. Ihnen wehtun. Wir werden euch die Zeit verschaffen, die ihr braucht, um diese Leute in Sicherheit zu bringen.“ Tyrathan tätschelte einen Köcher voller Zandalari-Pfeile. „Einige Scharmützler haben die hier fallen gelassen, und ich habe vor, sie zurückzugeben.“

„Sehr freundlich von dir.“ Vol’jin lächelte. „Ich werde dir helf’n.“

„Was?“

„Das sind viele Pfeile, und die Flüchtlinge vertrauen auch den anderen. Wir geb’n ihnen Deckung.“ Der Troll nickte den beiden Gruppen von Mönchen zu. „Bringt alle Leute, Pfeile und Bögen her, die ihr find’n könnt. Wir werden uns nach Süd’n und Ost’n zurückfallen lassen. So lock’n wir sie von den anderen fort.“

Tyrathan grinste. „Wir machen uns ihren Stolz zunutze, um sie abzulenken.“

„Die Zandalari braucht’n schon immer eine Lektion in Demut.“

„Richtig. Hört zu, platziert Pfeile und Bögen an aufrecht stehenden Steinen wie denen da, den ganzen Weg bis in die Berge.“ Der Mensch warf Vol’jin ein angedeutetes Lächeln zu. „Ich bin bereit zu sterben, wenn du’s bist.“

„Dann wirst du noch ’ne lange Weile wart’n müssen.“ Der Schattenjäger wandte sich an Chen. „Du übernimmst das Kommando über die Blauen.“

„Du übernimmst die linke Seite, er die rechte. Ich sollte mich um die Mitte kümmern.“

„Dieser Kampf wird uns durstig mach’n, Chen Sturmbräu.“ Vol’jin legte beide Hände auf die Schultern des Pandaren. „Und du bist der Einzige, der etwas brauen kann, um diesen Durst zu stillen.“

„Ohne mich werdet ihr euch bestimmt schrecklich einsam fühlen.“

„Was er sagen will, Chen, ist, dass wir nicht kämpfen, damit du hier draußen mit uns stirbst.“

Der Pandaren blickte Tyrathan an. „Und was ist mit euch beiden?“

Der Mensch lachte. „Wir kämpfen aus reinem Trotz. Für ihn wäre es die größte Schande, wenn er vor mir sterben würde, und mir geht es genauso. Und wir werden durstig sein. Sehr durstig.“

Vol’jin nickte in Richtung der Flüchtlinge. „Außerdem brauchen sie die Führung eines Pandaren, Chen.“

Der Braumeister zögerte einen Moment, dann seufzte er. „Da finde ich einen Ort, den ich mein Zuhause nennen möchte, und doch seid ihr beide es, die ihn verteidigen.“

Der Troll ließ sich von einem Mönch einen zandalarischen Kriegsbogen und einen Köcher geben. „Wenn man selbst kein Zuhause hat, dann ist das Beste, was man tun kann, für das Zuhause eines Freundes zu kämpfen.“

„Die Schiffe haben Anker geworfen. Sie lassen Boote zu Wasser.“

„Gehen wir.“

Einen Moment lang fühlte es sich für Vol’jin eigenartig an, eine gepflasterte Straße entlangzugehen, die zu beiden Seiten mit Pandaren-Mönchen gesäumt war, und einen Menschen neben sich zu haben. Der gesamte Erfahrungsschatz seines Lebens hatte ihn nicht auf das hier vorbereiten können. Gejagt und von Schmerzen geplagt, ohne Heimat und von vielen für tot gehalten fühlte er sich dennoch völlig lebendig.

Er blickte zu Tyrathan hinüber. „Die Größten von ihnen sollt’n wir zuerst erschießen.“

„Gibt es dafür einen besonderen Grund?“

„Größere Ziele.“

Der Mann lächelte. „Es sind übrigens viereinhalb Fingerbreit.“

„Du weißt, ich werde nicht auf dich wart’n.“

„Erledige einfach nur den Kerl, der mich erledigt.“ Tyrathan winkte ihm zu und eilte dann nach Osten davon, der blauen Einheit nach, die zum Dorf ging.

Vol’jin ging geradeaus weiter, während die Roten erschrockene Pandaren aus Schatten und Türeingängen hetzten. Die Einheimischen hatten augenscheinlich schon Trolle gesehen, und nach der Art zu schließen, wie sie vor ihm zurückwichen, wohl meistens in ihren Albträumen. Vielleicht begriffen sie sogar, dass er hier war, um ihnen zu helfen, dennoch konnten sie nicht anders, als ihn zu fürchten.

Das gefiel Vol’jin. Der Grund dafür war aber ein anderer als bei den Zandalari, wie er erkannte; er wollte nicht durch Furcht herrschen, noch glaubte er, dass jeder Unterlegene ihn fürchten sollte. Vielmehr lag es daran, dass er sich ihre Angst verdient hatte. Er war ein Schattenjäger. Er war ein Schlächter von Menschen und Trollen und Zandalari. Er hatte seine Heimat befreit. Er führte seinen Stamm an, und er hatte den Kriegshäuptling der Horde beraten.

Garrosh selbst fürchtete mich so sehr, dass er mich ermorden ließ.

Einen Herzschlag lang erwog er, direkt zur Anlegestelle zu marschieren, auf die mehrere große Ruderboote der Zandalari zuhielten, und sich ihnen zu zeigen. Er hatte schon früher gegen sie gekämpft, aber er bezweifelte, dass seine Gegenwart hier sie überraschen könnte. Mehr noch, es würde ihnen zeigen, dass sie nur ein unvollständiges Bild von ihrem Feind hatten.

Ein Teil von ihm erkannte, dass er in der Vergangenheit dennoch genauso gehandelt hätte. So wie er Garrosh gegenübergetreten war und ihm gedroht hatte, als er die Dunkelspeertrolle aus Orgrimmar fortbrachte, hätte er den Zandalari seinen Namen entgegengebrüllt und sie herausgefordert, ihn zu holen. Er hätte ihnen gezeigt, dass er keine Angst hatte, auf dass seine Furchtlosigkeit die Tiefen ihrer Herzen mit Grauen erfüllte.

Er legte einen Pfeil an. Tief in ihren Herzen müssen sie Angst haben. Er zog die Sehne zurück, dann ließ er los, und der Pfeil mit der gezackten, Fleisch zerfetzenden Spitze flog davon. Sein Ziel war der Troll, der im Bug des vordersten Bootes saß und nur darauf wartete, an Land zu springen, sobald der Kiel über den Sand schabte. Er sah das Geschoss nicht einmal kommen, obwohl es direkt auf ihn zukam; ein tödlicher Fleck. Der Pfeil drang in seine Schulter ein, streifte die Rückseite des Schlüsselbeins und bohrte sich dann parallel zu seiner Wirbelsäule bis zur Befiederung in seinen Körper.

Der Troll brach zusammen und kippte auf die Bootswand, dann rutschte er darüber hinweg und fiel von Bord. Seine Füße waren das Letzte, was unter den Wellen verschwand, während das Ruderboot kurz aus dem Gleichgewicht geriet und nach Steuerbord krängte, bevor es sich wieder aufrichtete.

Gerade rechtzeitig, damit Vol’jins zweiter Pfeil den Troll am Ruder erwischte.

Nun duckte der Dunkelspeer sich wieder und drehte sich um. Sosehr es ihm auch gefiel, ratlose Soldaten in einem schwankenden Boot zu beobachten, hätte ihn dieser Luxus das Leben gekostet. Bereits jetzt bohrten sich vier Pfeile in die Wand, vor der er gestanden war, und zwei weitere zischten darüber hinweg.

Vol’jin zog sich zu den Ruinen des nächsten Gebäudes zurück, wo ein Mönch gerade einem alten Pandaren mit zerschmetterter Schulter half, unter den Trümmern hervorzukriechen. Weiter draußen in der Bucht war inzwischen auch das letzte Beiboot zu Wasser gelassen worden, aber da rammte sich ein Pfeil ins Ohr des Steuermannes, sodass er um die eigene Achse gewirbelt und von Bord geschleudert wurde.

Das vorderste Boot erreichte nun den Strand, und ein paar der Zandalari rannten in Deckung, während andere das Boot umdrehten und sich dahinter zusammenkauerten. Die beiden nächsten Beiboote kamen ebenfalls schnell näher, und auf dem letzten hatte eine tapfere Seele den Posten des Steuermannes übernommen, doch nur, um einen Pfeil in die Eingeweide zu bekommen. Der Troll krümmte sich, behielt die Hand aber auf dem Ruder und lenkte das Boot gen Strand, während die anderen Trolle mit aller Kraft ruderten.

Der Zandalari, der die Invasion von einem Schiff weiter draußen leitete, gab energisch Zeichen, woraufhin die Flotte im Hafen ihren Angriff mit den Belagerungsmaschinen wiederaufnahm. Steine flogen in hohem Bogen durch die Luft, und wo sie landeten, stob eine gewaltige Sandfontäne auf. Vol’jin hielt es zunächst für Verschwendung, doch dann rannte einer der Zandalari zu einem halb im Strand begrabenen Stein und warf sich dahinter auf den Boden.

Nun landete ein weiterer Felsbrocken, dann noch einer.

Und so begann das Spiel. Während die Zandalari vorrückten, schlich Vol’jin sich an ihrer Flanke entlang und schoss Mal um Mal. Die Späher an Bord der Schiffe richteten die Katapulte dann auf sein Versteck aus und zermalmten es zu Holzsplittern. Im Osten taten sie dasselbe mit Tyrathans Unterschlüpfen, obwohl Vol’jin nicht wusste, wie sie ihn jedes Mal entdeckten; er konnte den Menschen jedenfalls nicht sehen.

Jede Welle von Steinbrocken trieb den Dunkelspeer weiter zurück und ließ die Angreifer weiter vorstoßen. Von den Schiffen wurden noch mehr Boote zu Wasser gelassen, und einige der Zandalari nahmen sogar ihre Rüstung ab und tauchten durch die Bucht, ihre Pfeile und Bögen sicher in Öltuch eingewickelt. Während die Flotte also einen breiten Abschnitt im Zentrum von Zouchin in Schutt und Asche legte, erreichten mehr und mehr Truppen den Strand, um das Dorf einzunehmen.

Jeder Pfeil des Schattenjägers traf sein Ziel, aber nicht alle töteten es auch. Die Rüstungen schwächten einige Schüsse ab, und manchmal zeigten seine Feinde ihm auch nur einen Fuß, oder ein Fleck blauer Haut leuchtete im Gewirr eingestürzter Holztrümmer auf. Tatsache war aber, für jeden Pfeil in seinem Köcher hatten die Schiffe ein Dutzend Katapultsteine und ein halbes Dutzend Soldaten.

Also zog Vol’jin sich zurück. Dabei entdeckte er nur einen toten Mönch, eine Frau. Sie war von zwei Pfeilen durchbohrt worden, und den Fußspuren nach zu urteilen, die in südlicher Richtung davonführten, hatte sie zwei Kinder vor den Geschossen abgeschirmt, die ihr Leben forderten.

Er folgte der Spur der Kinder durch das Dorf, und gerade als die Fußabdrücke auf die offene Fläche hinter einem eingestürzten Stelzenhaus abbogen, hörte er plötzlich ein Scharren. Rasch wirbelte er herum, und ein Zandalari-Krieger tauchte in seinem Blickfeld auf. Vol’jin griff über die Schulter nach einem Pfeil, aber sein Gegner war schneller.

Das Geschoss bohrte sich ihm in die Seite und trat an seinem Rücken wieder hervor. Schmerzen pulsierten durch seine Rippen, ließen ihn taumeln, dennoch streckte er die Hand nach seiner Gleve aus, während er auf ein Knie stürzte und der Troll den nächsten Pfeil anlegte.

Der Zandalari grinste breit und triumphierend und zeigte dabei stolz seine Zähne.

Da bohrte sich ein Pfeil zwischen diese Zähne. Eine halbe Sekunde lang sah es aus, als würde der Troll Federn ausspeien, dann rollten seine Augen nach oben, und er kippte hintenüber auf den Boden.

Langsam wandte Vol’jin sich um und folgte der Flugbahn des Pfeils. Er blickte auf hohes Gras auf der Kuppe eines Hügels. Hat ihm in den Mund geschoss’n. Viereinhalb Fingerbreit. Und er wollte noch, dass ich den Kerl erledige, der ihn erwischt.

Langsam senkte sich Staub auf den zuckenden Zandalari. Vol’jin griff nach hinten und brach die Pfeilspitze ab, dann zog er den Schaft aus seiner Brust. Mit einem Lächeln sah er, wie die Wunde sich schloss, anschließend nahm er dem Toten seinen Köcher ab und setzte kämpfend seinen Rückzug fort.

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