Es kam nur selten vor, dass Meister Taran Zhu Emotionen zeigte, und die Art, wie sich in seiner verkniffenen Miene Missfallen und ernste Bedenken vermischten, ließ nichts Gutes erahnen, dennoch konnte Chen nicht anders, als zu lächeln. Sein Herz platzte schier vor Stolz und Freude, und beides wurde noch verstärkt durch die Tatsache, dass Taran Zhu seinem Plan zugestimmt hatte.
Ein großer Teil seiner Freude rührte aus dem Wissen, dass Yalia Weisenwisper den alten Mönch zu dieser Entscheidung überredet hatte. Während der Arbeit in Zouchin und auf dem Rückweg hatte er die Zutaten für ein wundervolles Gebräu gesammelt, und er war sicher, dass es für Pandaren das sein würde, was Gute Besserung für Vol’jin gewesen war. Bei seiner Rückkehr wollte er es sofort mit den anderen teilen, und wie ihm jetzt klar wurde, war es vermutlich gerade dieser Enthusiasmus, der Taran Zhu stutzig gemacht hatte.
Dass Yalia Fürsprache für ihn geleistet hatte, berührte ihn zutiefst. Er mochte sie, hatte sie schon immer gemocht, und während ihrer Reise hatte er noch mehr Liebenswertes an ihr gefunden. Inzwischen wagte er sogar zu hoffen, dass sie seine Zuneigung zumindest ein Stück weit erwiderte. Wie weit, das wusste er nicht, aber jedes Quäntchen war ihm recht, schließlich wuchsen auch aus den kleinsten Eiern die größten Schildkröten.
Niemand in Zouchin hatte sie erkannt, und dass sie nicht sofort ihre Familie aufsuchte, gab ihm Rätsel auf. Li Li und einige andere hatten ihr schließlich von den Weisenweiden erzählt, und sie wusste, dass es ihnen gut ging. Sogar ihre Großmutter lebte noch. Doch Yalia blieb ihnen fern, und ein Teil dieser Reserviertheit ließ sie auch zu Chen auf Abstand gehen.
Es fiel ihm schwer, zu verstehen, warum sie diese Distanz suchte – nicht einmal unbedingt zu ihm, sondern mehr zu ihrer Familie. Er war in Pandaria immer wieder auf Elemente des Zuhauses gestoßen, das er vermisst hatte, und Zouchin schien sich nahtlos in dieses Bild einzufügen. Die nötigen Ressourcen für eine kleine Brauerei waren in Hülle und Fülle vorhanden, und noch während er das Dorf zum ersten Mal erblickte, fasste er den Entschluss, hier ein Brauhaus zu bauen – weil es der perfekte Ort war und weil es ihn Yalia näherbringen würde.
In dieser ersten Nacht, nachdem er ihnen Tee gemacht hatte, sprach er sie auf ihre Familie an.
Yalia starrte in die Tiefen ihrer Tasse. „Sie haben ihr eigenes Leben, Meister Chen. Ich habe sie verlassen, damit sie Frieden finden konnten. Ich will nicht Chaos über sie bringen.“
„Glaubt Ihr denn nicht, es würde ihnen noch mehr Frieden schenken, wenn sie wüssten, dass es Euch gut geht und dass Ihr hoch angesehen seid?“ Er zuckte mit den Schultern und setzte ein Lächeln auf. „Ich mache mir Sorgen, wann immer ich Li Li nicht sehen kann. Eure Familie macht sich sicher ähnliche Sorgen, oder …“ Da fiel ihm etwas ein, und er unterbrach sich.
Sie blickte auf. „Oder?“
„Es war kein würdiger Gedanke, Schwester Yalia.“
„Teilt ihn doch bitte trotzdem mit mir. Selbst wenn ich zu dem Schluss käme, dass er in der Tat unwürdig ist, wären wir zumindest ehrlich miteinander.“ Sie legte die Pfote auf seinen Unterarm. „Bitte, Meister Chen.“
Einen Moment lang unterbrach nur das Knistern und Knacken des kleinen Lagerfeuers die Stille zwischen ihnen, dann nickte er. „Ich habe mich gefragt – und nur weil ich dasselbe manchmal über Li Li denke –, ob es vielleicht Euer Friede ist, den Ihr wahren wollt, nicht ihrer.“
Ihre Pfote kehrte an ihre Tasse zurück. Yalia hielt sie so, dass Chen die Reflexion der Sterne im Tee sehen konnte. „Das Kloster hat mir tiefen Frieden geschenkt.“
„Man kann nie voraussehen, wie andere reagieren. Ich denke, Eure Familie wäre froh, Euch zu sehen. Vielleicht wird eine kleine Schwester Euch übelnehmen, dass sie all Eure Pflichten erledigen musste, vielleicht wird Eure Mutter beklagen, dass sie keine Enkel hat, die sie verwöhnen könnte. Doch selbst wenn dem so wäre, in meinen Augen sind das nur kleine Verstimmungen verglichen mit der Freude, zu wissen, dass Ihr lebt und glücklich seid.“
„Machen eine stille Nacht und warmer Tee schwierige Weisheiten angenehmer?“
„Keine Ahnung. Meine Nächte sind nur selten still, und ich werde auch nur selten beschuldigt, weise zu sein.“ Er trank etwas Tee und ließ ein wenig von seiner Schnauze tröpfeln, um sie zum Lächeln zu bringen.
Sie streckte die Pfote aus und wischte die Tropfen fort. „Ihr seid weise genug, den Faxenmacher zu spielen, wenn es nötig ist. Das macht es leichter, Eure Ideen zu akzeptieren. Und die Wahrheit darin zu erkennen.“
Chen konnte sein Lächeln nicht verbergen, aber er hielt es zumindest so schmal, dass es nicht stolz wirkte. „Dann werdet Ihr also Eure Familie besuchen.“
„Ja, aber erst morgen. Im Moment möchte ich nur eine weitere friedliche Nacht mit warmem Tee und einem aufmerksamen Freund genießen. Außerdem muss ich nachdenken. Ich möchte nicht versuchen müssen, ihnen zu erklären, warum ich nicht bin, was ich in ihren Augen sein sollte, sondern einfach nur mit ihnen teilen, was ich bin.“
Der nächste Tag brach warm und hell an, was Chen als gutes Omen interpretierte, als er gemeinsam mit Yalia ihre Familie aufsuchte. Die Weisenweiden waren natürlich schockiert über die Rückkehr ihrer Tochter, und einen Teil dieser Überraschung überspielten sie, indem sie Chen umso herzlicher willkommen hießen, weil er der Onkel der berühmten wilden Hündin Li Li war. Augenscheinlich hatte sie seinen Namen erwähnt und die Rettungsmannschaften angespornt, indem sie ihnen beschrieb, wie hart er sie bestrafen würde, falls sie unter seinem Kommando bei der Arbeit trödelten.
Yalias Vater, Tswen-luo, durchschaute diese Geschichte beinahe sofort, da er sich als Leiter der Fischerflotte hinter einer ganz ähnlichen Maske verstecken musste. Die beiden teilten außerdem eine Vorliebe für Bier, und wie männliche Pandaren es eben so tun, waren sie schon bald dabei, einander unter den Tisch zu trinken. Zwischen zwei Gläsern stimmte Tswen-luo schließlich zu, dass Chen in Zouchin eine Sturmbräu-Brauerei eröffnen sollte, und bot an, das Unternehmen zu finanzieren, im Gegenzug für einen bescheidenen Anteil am Gewinn und lebenslang Freibier.
Obwohl er die meiste Zeit mit ihrem Vater verbrachte, beobachtete Chen doch auch, wie Yalia auf ihre Familie reagierte. Ihre Nichten und Neffen hatte sie schnell für sich gewonnen, indem sie mit einem Schlag oder einem Tritt Bretter zertrümmerte. Mit den Holztrümmern in den Händen rannten die Kleinen dann durchs Dorf, und als sie zurückkamen, hatten sie einen Haufen weiterer Kinder im Schlepptau, die eine weitere Demonstration sehen wollten. Einige von ihnen waren die Kinder der beiden Pandaren, die einst um ihre Gunst gestritten hatten. Chen erkannte einen Anflug von Melancholie auf Yalias Gesicht, als man ihr die Kinder vorstellte – aber die Kleinen hatten augenscheinlich keine Ahnung, wer sie war.
Ihre Mutter und ihre Schwestern tadelten sie, aber erst nach viel Kreischen und Umarmen und Weinen. Ihre Brüder schlossen sie gefasster in die Arme, dann stahlen sie sich davon, um zu ihrer Arbeit zurückzukehren oder ein paar Bier mit Chen zu trinken. Und während alldem blieb Yalia gefasst und ruhig.
Doch dann stand sie ihrer Großmutter gegenüber. Die alte Pandaren war im Alter schwach geworden, sie ging gebückt, das Fleisch hing von ihrem Körper, und sie musste sich auf einen Stock stützen. Dabei hielt sie sich zwar besser, als Tyrathan an seinen schlechtesten Tagen, aber nicht um allzu viel. Die Jahre hatten ihre dunklen Augen getrübt, und so hob sie die Pfote an Yalias Gesicht und betastete es.
„Bist du die Enkelin, der ich meinen Schal geliehen habe?“
„Ja, Ama.“
„Hast du ihn mitgebracht?“
Yalia blickte zu Boden. „Nein, Ama.“
„Dann bring ihn bei deinem nächsten Besuch mit, Enkelin. Ich habe ihn vermisst.“
Die alte Pandaren lächelte, dass man ihre Zahnlücken sehen konnte, und umarmte Yalia. Schweigen breitete sich ringsum aus, als die Großmutter in Yalias Armen verschwand. Ihre Körper bebten unter lautlosem Schluchzen, und alle taten so, als würden sie es nicht registrieren.
Wohl aus diesem Grund rülpste Tswen-luo in diesem Moment laut: um die Aufmerksamkeit der anderen durch diese unangebrachte Geste auf sich zu lenken. Chen, der ein guter Gast sein wollte und außerdem seinen Ruf als Rülpswunder verteidigen musste, brachte einen Moment später die Dachsparren zum Beben. So verhinderte er, dass die Frauen ihre Emotionen in einer Schimpfkanonade auf den Patriarchen entluden, und zugleich hatten Yalia und ihre Großmutter ein wenig mehr Privatsphäre inmitten der empörten Rufe.
Nach zwei Tagen waren die Aufräumarbeiten im Dorf beendet, und man begann mit den Vorbereitungen für den Bau der Brauerei. Chen machte Li Li zu seiner Stellvertreterin und heuerte die Steinacker-Brüder – die gerade zu dem Zeitpunkt mit der Essenslieferung eintrafen, die sie versprochen hatten – als Maurer an. Die beiden waren ohnehin nicht fürs Bauersein geschaffen, wenn man bedachte, dass es auf ihren Feldern mehr Steine als Rüben gab, und da sie genug Zeit damit verbracht hatten, diese Steine von ihren Äckern zu schleppen, schien die Maurerarbeit genau das Richtige für sie zu sein.
Chen nahm sich derweil etwas Zeit, um Kräuter aus der Gegend zu sammeln und in einem hölzernen Fässchen eine Testmischung vorzubereiten. Als sie sich auf den Rückweg zum Kloster machten, band er sich dieses Fass auf den Rücken, sodass die Flüssigkeit darin hin und her schwappte. Regelmäßig rührte er sie um, dann gab er wieder Wasser und eine Prise von diesem oder jenem Kraut hinzu.
Als Yalia am Beginn eines Serpentinenweges Rast machte, zog er die Brauen zusammen. „Ich glaube, ich muss mich entschuldigen, Schwester Yalia.“
„Wofür denn nur?“
„Dass ich mich in Zouchin niedergelassen habe.“
Sie schüttelte den Kopf. „Ihr habt nach einem Zuhause gesucht, und Zouchin hat sich für Euch wie eines angefühlt. Warum solltet Ihr Euch dafür entschuldigen müssen?“
„Es ist Eure Heimat, und ich will nicht in Eure Privatsphäre eindringen.“
Yalia lachte, ein Laut, den Chen ungemein genoss. „Lieber Chen, das Kloster ist mein Zuhause. Ich mag Zouchin sehr – und jetzt noch mehr, wo Ihr es ebenfalls so liebt. Aber Ihr als Wanderer solltet doch eigentlich wissen, dass man das echte Gefühl von Heimat in seinem Inneren trägt. Wenn man an einem stillen Abend mit einer Tasse Tee keinen Frieden finden kann, dann kann einem auch kein geografischer Ort diese Ruhe schenken. Wir suchen uns nur deshalb eine Heimstatt, weil das Gefühl dadurch verstärkt wird. Der Ort zeigt uns eine andere Facette dieses Gefühls und wirft es auf uns zurück.“
Sie deutete über die Schulter in die Ferne. „Indem ich Zouchin durch Eure Augen sehen konnte und weil ich auf Euren Ratschlag hin mit meiner Familie in Kontakt getreten bin, habe ich jetzt einen zweiten Ort, der den Frieden in meinem Innern verstärkt. Aber Ihr solltet wissen, dass ich den größten Frieden noch immer an einem ruhigen Abend fühle, wenn ich mit einem Freund Tee trinke.“
Hätte sie sich in diesem Moment in einen Baum verwandelt und Wurzeln geschlagen, hätte Chen sich nie wieder weiter von ihr entfernt, als der Schatten ihrer Äste reichte. Das konnte er natürlich nicht sagen, und sein Lächeln vermochte dieses Gefühl auch nicht zu vermitteln. Also ging er zu ihr hinüber, wobei er sich wünschte, das Gebräu auf seinem Rücken würde nicht so laut hin und her schwappen, und nickte.
„Ob der Abend nun leise oder laut ist und ob es Tee oder Bier oder einfach nur kühles Wasser gibt, an der Seite meines Freundes würde ich auch Frieden spüren.“
Schüchtern wandte sie das Gesicht von ihm ab, aber ihr Lächeln konnte sie nicht verbergen. „Dann lasst uns zu der Heimat abseits unserer Heimat zurückkehren und diesen Frieden genießen.“
Erst nachdem Taran Zhu ihm gut zugeredet hatte, gab der alte Pandaren Chen die Erlaubnis, sein neues Gebräu mit ein paar ausgewählten Mönchen aus dem Kloster zu teilen. Yalia gehörte nicht zu ihnen – Taran Zhu hatte fünf der Ältesten für diese Kostprobe bestimmt. Chen war sich nicht sicher, ob das nun daran lag, dass der Meister fürchtete, es könnte zu einem wilden Saufgelage kommen, oder ob er einfach nur glaubte, dass diese Mönche sich über die neue Erfahrung freuen würden. Doch hätte er wetten müssen, hätte er sein Geld eher auf Ersteres als auf Letzteres gesetzt.
Vol’jin und Tyrathan schlossen sich der Gruppe ebenfalls an, auch wenn sie getrennt erschienen. Die Steifheit und Förmlichkeit zwischen den beiden stach Chen unwillkürlich ins Auge. Es war nicht so, als würde eine große Kluft zwischen ihnen liegen, doch verglichen mit der Nähe, die er zu Yalia fühlte, waren die beiden wie auseinanderdriftende Kontinente.
Der Braumeister schenkte jedem Gast eine kleine Portion seiner neuesten Erfindung ein. „Vergesst bitte nicht, dass das nicht die finale Formel ist. Ich habe viele Dinge zusammengemischt, einschließlich einiger übrig gebliebener Zutaten des Frühlingsbiers, das ich vor einer Weile gebraut habe. Ich werde Euch nicht sagen, wie das Getränk sein soll, und ich möchte auch nicht von Euch wissen, wie es schmeckt. Sagt mir stattdessen, wie es sich anfühlt. Ihr werdet natürlich den Geschmack und den Geruch wahrnehmen, aber diese Eindrücke sollten Erinnerungen wachrufen.“
Chen hob seine eigene Schale. „Auf die Heimat und die Freunde!“ Er verbeugte sich tief, erst vor Taran Zhu, dann vor Vol’jin und dann der Reihe nach vor den anderen am Tisch. Anschließend tranken sie alle, mit Ausnahme des Klostermeisters.
Chen ließ das Gebräu über seine Zunge schwappen. Sofort schmeckte er einzelne Beeren und einen Hauch von Herzensruhe heraus, aber die anderen Zutaten hatten sich zu einem Geschmack vermischt, der manchmal süß und manchmal sauer war, mit nur einem Hauch von Schärfe. Er schluckte und genoss das Kratzen, das seine Kehle hinunterwanderte, bevor er die Schale absetzte.
„Mich erinnert es an eine Zeit und ein Land jenseits des Nebels. Damals hatten mich drei ausgehungerte Oger zum Abendessen eingeladen. Nun, nicht wirklich eingeladen – ich war das Abendessen. Sie stritten sich darüber, wie ich wohl munden würde. Wegen meiner Flecken glaubte einer, dass mein Fleisch wie das eines Hasen schmecken müsste, und ich sagte: ‚Nah dran.‘ Der zweite tippte aus offensichtlichen Gründen auf Bär, und ich sagte: ‚Wieder nah dran.‘ Der dritte meinte nur Krähe – er hatte eine merkwürdige Delle in seinem Schädel. Auch dazu sagte ich: ‚Ganz nah dran.‘ Und so stritten sie sich weiter.“
Einer der Mönche lächelte. „Und Ihr habt die Gelegenheit zur Flucht genutzt.“
„Nah dran.“ Chen lächelte und nahm noch einen Schluck. „Ich bot ihnen an, diesen Streit durch einen Wettstreit zu entscheiden, und sogar einen Preis versprach ich ihnen. Zunächst trug ich ihnen auf, einen Hasen, einen Bären und eine Krähe zu fangen und sie zu kochen, damit sie den Geschmack dieser Tiere im Mund hätten, denn nur so würden sie wirklich sagen können, wonach ich schmecke. Ich würde derweil ein Gebräu für jede Mahlzeit zubereiten und noch eines, das wir alle gemeinsam genießen könnten. Also zogen sie davon und machten sich auf die Jagd nach dem Tier, das sie genannt hatten. Anschließend kochten sie ihre Beute, ich braute ihnen ein Bier, und sie aßen. Dabei warf ich die Frage ein, welches Bier wohl mit welchem Fleisch am besten schmeckte, und das löste einen erneuten Streit aus. Sie tauschten also reihum ihre Speisen und Getränke aus. Und nachdem sie die ganze Nacht gegessen und getrunken hatten, konnte ich als einzig Nüchterner am nächsten Morgen einfach davonspazieren.
Dieses Gebräu erinnert mich daran, wie sich die Freiheit im Licht des Sonnenaufgangs anfühlte.“
Die Mönche lachten und applaudierten, und selbst Tyrathan grinste. Allein Taran Zhu und Vol’jin ließen sich von der Geschichte nicht rühren. Der Troll nahm einen Schluck und nickte, dann setzte er die Schale ab. „Mich erinnert es an den Fried’n, den ich spüre, wenn ich den Schädel meiner Feinde zertrümmere – wenn ihre Träume mit ihnen sterb’n und die eigene Zukunft dadurch viel klarer wird, wie ein Morg’n nach dem Regen. Es ist knackig wie das Echo von brechenden Knoch’n. Die Süße ist wie die Freude, wenn man ihr letztes Ächz’n hört. Davon abgeseh’n schmecke auch ich Freiheit.“
Nach der Geschichte des Trolls herrschte erst mal Stille, und die Mönche starrten ihn aus weiten Augen an. Nun trank Tyrathan, und er lächelte. „Für mich ist es wie der Herbst, wenn die letzten Blätter sich braun und golden färben. Wenn man die letzte Ernte einholt, die letzten Beeren sammelt, wenn alle zusammenarbeiten, um Vorräte für den kommenden Winter anzulegen. Es ist eine Zeit der Einheit und der Freude; man bereitet sich auf die Ungewissheit des Winters vor, aber jeder weiß, dass harte Arbeit letzten Endes belohnt wird. Also schmeckt es auch für mich wie Freiheit.“
Chen nickte. „Ja, ihr beide habt die Freiheit gefunden. Gut.“ Er blickte zu Taran Zhu hinüber, der seine Schale noch nicht angerührt hatte. „Und Ihr, Meister Taran Zhu?“
Der älteste Mönch blickte in seine Schale und nahm sie dann vorsichtig mit beiden Pfoten auf. Er roch an ihr und nahm einen kleinen Schluck. Er schnupperte noch einmal, trank dann wieder ein wenig und setzte die Schale schließlich wieder ab.
„Für mich ist das keine Erinnerung. Es ist ein Bild der Gegenwart. Ein Bild vom Zustand der Welt.“ Langsam beugte er den Kopf. „Ein Bild von Freiheit, von Veränderung. Es deutet den kommenden Wandel an. Das Erschlagen von Feinden, vielleicht. Ein bevorstehender Winter, sicher. Aber genauso, wie Ihr dieses Getränk nie wieder auf genau dieselbe Weise brauen könnt, wird auch die Welt nie wieder einen Moment genau wie diesen erleben. Und leider auch nie wieder einen solchen Frieden.“