Neunzehn

Delta Pavonis-System

2566


Sie zogen sich auf die Brücke zurück.

Sylveste hatte bei seinem letzten Besuch Hunderte von Stunden in diesem Raum verbracht, aber er fand ihn immer noch beeindruckend. Durch die vielen ansteigenden Sitzreihen, die ringsum in konzentrischen Kreisen bis zur Decke reichten, kam man sich fast vor wie in einem Gerichtssaal, in dem ein schwerer Fall zur Verhandlung anstand. Gleich würden die Geschworenen kommen und ihre Plätze einnehmen. Das Urteil hing schon in der Luft und wartete nur darauf, ausgesprochen und in Kraft gesetzt zu werden. Sylveste ging in sich, aber sein Gewissen war rein, und so versetzte er sich nicht in die Rolle des Angeklagten. Dennoch spürte er eine Last auf seinen Schultern. Vielleicht die gleiche Last, wie sie auch ein Vertreter der Justiz zu tragen hatte; die Verantwortung für eine Aufgabe, die nicht nur vor den Augen der Öffentlichkeit, sondern auch so zu erledigen war, dass sie höchsten Ansprüchen genügte. Wenn er versagte, litte nicht nur seine Selbstachtung Schaden. Auch eine lange und kunstvoll geschmiedete Kette von Ereignissen, die unvorstellbar weit in die Vergangenheit zurückreichte und ihn an diesen Punkt geführt hatte, würde durchtrennt.

Er sah sich um und entdeckte die Kugelprojektion im geometrischen Zentrum des Raums. Seine Augen waren nur mit Mühe imstande, die Abbildung zu erkennen, aber eine Reihe von anderen Anhaltspunkten verriet ihm, dass es sich um eine Echtzeit-Darstellung von Resurgam handelte.

»Sind wir noch im Orbit?«, fragte er.

»Nachdem wir Sie an Bord haben?« Sajaki schüttelte den Kopf. »Wozu? Wir haben mit Resurgam nichts weiter zu schaffen.«

»Befürchten Sie, die Kolonisten könnten irgendwelche Dummheiten machen?«

»Ich gebe zu, dass sie uns lästig werden könnten.«

Für einen Moment trat Schweigen ein, dann sagte Sylveste: »Resurgam selbst war für Sie nie von Interesse, nicht wahr? Sie haben die lange Reise nur meinetwegen unternommen. Ich finde, so viel Zielstrebigkeit grenzt schon an Monomanie.«

»Es ging allenfalls um ein paar Monate.« Sajaki lächelte. »Aus unserer Sicht natürlich. Sie brauchen sich nicht einzubilden, ich hätte Sie jahrelang verfolgt.«

»Obwohl Sie natürlich aus meiner Sicht genau das getan haben.«

»Nicht Ihre Sicht ist es, die zählt.«

»Aber die Ihre? Wollten Sie das sagen?«

»Wir haben den… weiteren Blick. Das muss ein gewisses Gewicht haben. Aber um Ihre Frage von vorhin zu beantworten, wir haben den Orbit verlassen, sobald Sie an Bord waren. Seither entfernen wir uns von der Ekliptik.«

»Ich habe Ihnen noch nicht gesagt, wohin ich fliegen möchte.«

»Nein. Wir hatten lediglich vor, etwa eine AE Abstand von der Kolonie zu gewinnen, um dann bei konstantem Schub in Warteposition zu gehen und eine Denkpause einzulegen.« Sajaki schnippte mit den Fingern, und schon schwebte ein Robotersitz zu ihm herab. Er setzte sich und wartete, bis vier weitere Sitze für Sylveste, Pascale, Hegazi und Khouri eingetroffen waren. »Wir hatten natürlich damit gerechnet, dass Sie sich in dieser Zeit mit dem Captain beschäftigen würden.«

»Habe ich das abgelehnt?«

»Nein«, sagte Hegazi. »Aber Sie haben uns eine Menge Kleingedrucktes präsentiert, mit dem wir nicht gerechnet hatten.«

»Sie können mir nicht verbieten, aus einer verfahrenen Situation das Beste zu machen.«

»Das hatte auch niemand vor«, versicherte Sajaki. »Aber es wäre hilfreich, wenn Sie Ihre Forderungen etwas klarer formulieren könnten. Das ist doch nicht mehr als recht und billig?«

Sylvestes Sitz schwebte neben dem von Pascale. Sie sah ihn ebenso erwartungsvoll an wie die Besatzung, die ihn entführt hatte. Nur wusste sie sehr viel mehr, dachte er, fast alles, was es zu wissen gab — oder zumindest so viel, wie er wusste, auch wenn das nur ein unbedeutender Bruchteil der Wahrheit sein mochte.

»Kann ich von hier aus eine Karte des Systems abrufen?«, fragte Sylveste. »Ich meine, ich weiß natürlich, dass es prinzipiell möglich ist — aber ich bräuchte Ihre Einwilligung sowie einige Angaben.«

»Die neuesten Karten wurden während unseres Anflugs erstellt«, sagte Hegazi. »Sie können sie aus der Schiffsdatenbank anfordern und in das Display projizieren.«

»Dann zeigen Sie mir, wie das geht. Ich gedenke die nächste Zeit nicht nur als Passagier auf diesem Schiff zu verbringen — also gewöhnen Sie sich daran.«

Etwa eine Minute später waren die richtigen Karten gefunden und nach weiteren dreißig Sekunden in der passenden Zusammensetzung in der von Sylveste gewünschten Form in die Projektionssphäre eingefügt. Das neue Bild, eine Projektion des Sternsystems, legte sich über die Echtzeitdarstellung von Resurgam und löschte sie aus. Die Bahnen der elf Planeten und der größeren Kleinplaneten und Kometen erschienen als elegante farbige Linien, die Körper selbst wurden in ihrer aktuellen relativen Position gezeigt. Wegen des großen Maßstabs drängten sich die erdähnlichen Planeten — Resurgam eingeschlossen — in der Mitte eng zusammen; ein dichtes Netzwerk konzentrischer Bahnen um den Stern Delta Pavonis. Dahinter beherrschten die Kleinplaneten, gefolgt von Gasriesen und Kometen, das Mittelfeld des Systems. Zwei Gas weiten, etwas kleiner als Jupiter, kaum noch als Riesen zu bezeichnen, schlossen sich an, danach kam eine Pluto-ähnliche Welt — nicht viel mehr als ein ausgebrannter Komet, den sich das Zentralgestirn eingefangen hatte. Der Kuipergürtel aus ursprünglichem Kometenmaterial erschien im Infrarotbereich wie eine verschobene Sandbank mit einem kugeligen Ende, das nach außen zeigte. Und dann kam über zwanzig AE, im Umkreis von mehr als zehn Lichtstunden von der Sonne selbst nichts mehr. Was hier an Materie noch vorhanden war, hatte nur eine schwache Bindung an den Stern; zwar spürte sie sein Schwerkraftfeld noch, aber sie bewegte sich auf jahrhundertelangen Bahnen, die auch von anderen Himmelskörpern leicht zu stören waren. Die schützende Hülle des Sonnenmagnetfelds reichte nicht so weit nach draußen, hier wurden alle Objekte von den ewigen Stürmen der galaktischen Magnetosphäre herumgeschleudert, dem großen Windsystem, in das die Magnetfelder aller Sterne eingebettet waren wie kleine Strudel in einen riesigen Zyklon.

Dennoch waren diese ungeheuren Weiten nicht völlig leer. Zunächst sah man nur einen Körper — doch das lag daran, dass die voreingestellte Vergrößerung zu hoch war, um die Dopplung zu zeigen. Das zweite Objekt befand sich in der Richtung, in die der Kuipergürtel zeigte; sein Schwerkraftsog hatte den an sich kugelförmigen Halo derart verformt. Nur damit verriet es seine Existenz, denn zu sehen war es mit bloßem Auge nicht, es sei denn, man käme auf eine Million Kilometer heran — und dann hätte man mit Sicherheit andere Sorgen, als es zu betrachten.

»Sie werden davon gehört haben«, sagte Sylveste. »Auch wenn es bisher nicht allzu viel Aufmerksamkeit erregt haben mag.«

»Es ist ein Neutronenstern«, sagte Hegazi.

»Gut. Wissen Sie noch etwas darüber?«

»Nur, dass er einen Begleiter hat«, sagte Sajaki. »Was aber an sich nicht ungewöhnlich ist.«

»Eigentlich nicht, nein. Viele Neutronensterne haben Planeten — angeblich die kondensierten Reste verdampfter Binärsterne. Möglicherweise blieb der Planet auch aus irgendeinem Grund verschont, als bei der Supernova-Explosion eines schwereren Sterns der Pulsar entstand.« Sylveste schüttelte den Kopf. »Trotzdem nicht ungewöhnlich, nein. Warum also — die Frage ist berechtigt — interessiere ich mich dafür?«

»Eine vernünftige Frage«, sagte Hegazi.

»Weil etwas daran merkwürdig ist.« Sylveste vergrößerte das Bild, bis der Planet, der auf seiner Bahn unnatürlich schnell um den Neutronenstern raste, deutlich zu erkennen war.

»Dieser Planet war für die Amarantin von außergewöhnlicher Bedeutung. Je näher man dem Ereignis kommt — der Sonnenfackel, die sie auslöschte —, desto häufiger taucht er auf den Fundstücken der Spätphase auf.«

Das hatte eingeschlagen. Die Drohung, das Schiff zu zerstören, hatte den Selbsterhaltungstrieb angesprochen, doch jetzt waren die Ultras auf intellektueller Ebene gefesselt. Sylveste hatte nie bezweifelt, dass er hier leichter Gehör finden würde als bei den Kolonisten. Sajakis Mannschaft sah die Dinge ohnehin schon von der kosmischen Warte.

»Was steckt dahinter?«, fragte Sajaki.

»Ich weiß es nicht. Aber Sie werden mir helfen, es herauszufinden.«

»Sie glauben, auf dem Planeten könnte etwas zu finden sein?«

»Oder in seinem Innern. Um das zu ergründen, müssen wir sehr viel näher heran, nicht wahr?«

»Es könnte eine Falle sein«, sagte Pascale. »Ich denke, wir sollten diese Möglichkeit nicht ausschließen — besonders, wenn Dan den Zeitablauf richtig beurteilt.«

»Was hat das mit dem Zeitablauf zu tun?«, fragte Sajaki.

Sylveste legte die Fingerspitzen dachförmig aneinander.

»Ich habe den Verdacht — nein, es ist kein Verdacht, sondern eine Schlussfolgerung —, dass die Amarantin in ihrer Entwicklung irgendwann so weit kamen, dass sie in den Weltraum aufbrachen.«

»Nach allem, was ich auf Resurgam erfahren habe«, sagte Sajaki, »liefern die Fossilien dafür keine Anhaltspunkte.«

»Aber das wäre doch ganz normal, nicht wahr? Technische Produkte sind naturgemäß weniger haltbar als Erzeugnisse aus primitiveren Epochen. Keramik hält sich. Mikroschaltkreise zerfallen zu Staub. Außerdem brauchte man eine Technik, die unserer heutigen in etwa vergleichbar ist, um die Stadt unter dem Obelisken zu vergraben. Wenn die Amarantin dazu fähig waren, spricht absolut nichts mehr dagegen, dass sie auch bis an die Grenzen ihres Sonnensystems fliegen konnten — vielleicht sogar in den interstellaren Raum.«

»Sie glauben doch nicht etwa, die Amarantin hätten andere Sonnensysteme erreicht?«

»Ich schließe es jedenfalls nicht aus.«

Sajaki lächelte. »Und wo sind sie dann? Ich kann mir vorstellen, dass eine technisch hochentwickelte Zivilisation spurlos verschwindet, aber nicht, wenn sie sich über viele Welten ausgebreitet hatte. Dann hätten sie doch etwas zurückgelassen.«

»Vielleicht haben sie das ja getan.«

»Die Welt um den Neutronenstern? Sie glauben, dort finden Sie die Antwort auf Ihre Fragen?«

»Wenn ich das so genau wüsste, bräuchte ich nicht hinzufliegen. Ich will es herausfinden, das ist alles, und deshalb bitte ich Sie, mich hinzubringen.« Sylveste stützte das Kinn auf die Fingerspitzen. »Sie fliegen mich möglichst nahe an den Planeten heran und sorgen gleichzeitig für meinen Schutz. Notfalls müssen Sie mir eben gestatten, die schmutzigeren Tricks, die dieses Schiff bietet, zum Einsatz zu bringen.«

Hegazi war fasziniert und entsetzt zugleich. »Sie glauben, wir könnten dort auf etwas stoßen — wofür wir die Waffen brauchen?«

»Vorsicht kann nicht schaden, oder?«

Sajaki wandte sich an den zweiten Triumvir. Für einen Moment schienen die beiden allein auf der Brücke zu sein. Sie verständigten sich zunächst so schnell wie zwei Maschinen, nur mit einem flackernden Blick. Dann erst sprachen sie, als wollten sie auch Sylveste zugänglich machen, was sie eben erörtert hatten. »Was er über den Fremdkörper in seinen Augen sagte — ist das möglich? Ich meine, wir wissen, welche technischen Möglichkeiten Resurgam hat. Könnte man vor Ablauf unseres Ultimatums ein solches Implantat eingesetzt haben?«

Hegazi ließ sich Zeit mit der Antwort. »Ich glaube, wir sollten die Möglichkeit ernsthaft in Erwägung ziehen, Yuuji-san.«

Volyova — oder der größte Teil von ihr — war im Aufwachraum der Krankenstation zu sich gekommen. Man brauchte ihr nicht zu sagen, dass sie über viele Stunden bewusstlos gewesen war. Wenn sie in sich hineinhorchte, hatte sie das Gefühl, jahrhundertelang in einem tiefen Traum befangen gewesen zu sein, und daran erkannte sie, wie schwer ihre Verletzungen und wie langwierig ihre Genesung gewesen sein mussten. Manchmal hatte man zwar schon nach einem kurzen Nickerchen den Eindruck, ein ganzes Leben geträumt zu haben, aber ihre Träume waren so lang und so vollgepackt mit Ereignissen wie eine breit ausgewalzte Saga aus prätechnischer Zeit. Es war, als hätte sie im Fieberwahn viele verstaubte, aber unsterbliche Geschichtenbände durchlebt.

Dennoch war ihr nur wenig in Erinnerung geblieben. Zuerst war sie auf diesem Schiff gewesen und dann war — irgendwo anders, aber wo, war ihr noch nicht klar — etwas Schreckliches geschehen. Nur der Lärm, die blinde Wut waren ihr noch gegenwärtig — aber was hatten sie zu bedeuten? Und wo war sie gewesen?

Ganz schwach — zunächst hielt sie es noch für einen Teil ihres Traums — stieg ein Bild von Resurgam vor ihr auf. Und dann kehrten die Ereignisse langsam zurück, nicht wie eine Flutwelle oder wie ein Erdrutsch, sondern wie eine träge schmatzende Schlamm-Masse: die Eingeweide der Vergangenheit. Sie hatten nicht einmal so viel Anstand, in chronologischer Reihenfolge aufzutreten. Doch als sie die einzelnen Episoden zu ihrer Zufriedenheit geordnet hatte, hörte sie erstaunt, wie jemand aus dem Orbit mit ihrer Stimme der wartenden Welt da unten ein Ultimatum nach dem anderen verkündete. Dann kam das Warten im Sturm und schließlich diese schreckliche Hitze und danach eine ebenso schreckliche Kälte im Magen. Sie sah, wie Sudjic sich über sie beugte und Schmerzen austeilte.

Die Tür ging auf; Ana Khouri trat ein — allein.

»Sie sind wach«, sagte sie. »Das dachte ich mir. Ich hatte das System angewiesen, mich zu benachrichtigen, wenn Ihre Neuralaktivität jene Stufe erreichte, die mit bewusstem Denken gleichgesetzt wird. Schön, Sie wieder unter den Lebenden zu haben, Ilia. Leute mit gesundem Verstand sind derzeit Mangelware.«

»Wie lange…?« Volyova brach ab — die Worte klangen abgehackt und undeutlich — und fing noch einmal an. »Wie lange bin ich schon hier? Und wo sind wir jetzt?«

»Der Angriff erfolgte vor zehn Tagen, Ilia. Und wir sind… dazu komme ich später. Es ist eine lange Geschichte. Wie fühlen Sie sich?«

»Ich habe schon Schlimmeres erlebt.« Warum sage ich das, fragte sie sich. Sie konnte sich nicht erinnern, sich jemals so elend gefühlt zu haben wie jetzt. Aber die Umstände verlangten eben eine solche Antwort. »Was für ein Angriff?«

»Sie haben wohl nicht sehr viel mitbekommen?«

»Ich hatte Sie etwas gefragt, Khouri.«

Khouri war näher getreten. Der Raum fuhr neben dem Bett einen robusten Stuhl für sie aus. »Sudjic«, sagte sie.

»Sie hat versucht, Sie zu töten, als wir auf Resurgam waren — das wissen Sie doch noch?«

»Eigentlich nicht.«

»Wir waren hinunter geflogen, um Sylveste an Bord zu holen.«

Volyova schwieg einen Moment. Bei dem Namen klirrte es in ihrem Kopf, als sei ein Skalpell zu Boden gefallen. »Sylveste, ja richtig. Ich weiß noch, dass wir ihn abholen sollten. Hat es denn geklappt? Hat Sajaki bekommen, was er wollte?«

Khouri überlegte. »Ja und nein«, sagte sie dann.

»Und Sudjic?«

»Sudjic wollte Sie töten — Nagornys wegen.«

»Man kann es einfach nicht allen recht machen.«

»Ich glaube, sie hätte immer irgendeinen Vorwand gefunden. Sie wollte mich übrigens mit hineinziehen.«

»Und?«

»Ich habe sie getötet.«

»Wenn ich mich nicht irre, heißt das, Sie haben mir schon wieder das Leben gerettet.« Volyova hob zum ersten Mal den Kopf vom Kissen; es fiel ihr so schwer, als sei er mit Gummiseilen am Bett festgebunden. »Sie sollten damit aufhören, Khouri, sonst wird es noch zur Gewohnheit. Aber wenn wir einen weiteren Todesfall hatten… müssen Sie damit rechnen, dass Sajaki Fragen stellt.« Eine Warnung wie diese hätte jeder Vorgesetzte gegenüber einem Untergebenen aussprechen können. Mehr wagte sie im Moment nicht zu sagen. Bis jetzt verriet — für jemanden, der mithörte — noch nichts, dass Volyova mehr über Khouri wusste als die anderen Triumvirn.

Aber die Warnung war ernst gemeint. Zuerst eine Tote im Trainingssaal… dann eine zweite auf Resurgam. In beiden Fällen war Khouri nicht der Anlass gewesen, aber für Volyova war schon ihre Anwesenheit verdächtig, und Sajaki würde erst recht misstrauisch werden. Wenn er sich darauf beschränkte, ihr Fragen zu stellen, wäre das übrigens noch eine eher milde Form des Verhörs. Der Triumvir könnte sich auch zu einer Folterung entschließen… oder gar zu einem gefährlichen Trawl im Tiefengedächtnis. Selbst wenn er Khouri dabei nicht das Gehirn verschmorte, könnte er zumindest in Erfahrung bringen, dass sie ein Infiltrator war, der sich an Bord geschmuggelt hatte, um die Weltraumgeschütze zu stehlen. Als Nächstes würde er sicher wissen wollen, wie viel Volyova von alledem bekannt war. Und wenn er es dann für aussichtsreich hielt, auch Volyova einem Trawl zu unterziehen…

Dazu darf es nicht kommen, dachte sie.

Sobald sie wieder auf den Beinen war, musste sie mit Khouri den Spinnenraum aufsuchen. Dort konnten sie offen sprechen. Im Moment war es sinnlos, über Dinge nachzugrübeln, die sie doch nicht ändern konnte.

»Wie ging es dann weiter?«, fragte sie.

»Nachdem Sudjic den Löffel abgegeben hatte? Sie werden es nicht für möglich halten, aber es lief alles nach Plan. Sylveste musste immer noch an Bord gebracht werden und Sajaki und ich waren unverletzt geblieben.«

Das hieß, dass sich Sylveste jetzt irgendwo auf dem Schiff aufhielt. »Dann hat Sajaki doch bekommen, was er wollte?«

»Nein«, sagte Khouri vorsichtig. »Das dachte er nur. Die Wirklichkeit war ein klein wenig anders.«

In der folgenden Stunde schilderte sie Volyova, was geschehen war, seit man Sylveste zum zweiten Mal auf das Lichtschiff gebracht hatte. Was sie sagte, war auf dem ganzen Schiff bekannt; sie konnte es Volyova unbedenklich erzählen, ohne Ärger mit Sajaki fürchten zu müssen. Volyova wiederum vergaß nie, dass Khouri die Ereignisse so darstellte, wie sie sie erlebt hatte. Ihr Bericht war gefärbt und nicht unbedingt vollständig oder in allen Punkten glaubwürdig. Gewisse politische Untertöne hätte sie sicher nicht mitbekommen; die hörte man nur heraus, wenn man seit Jahren an Bord war. Letzten Endes war es dennoch eher unwahrscheinlich, dass sie wissentlich oder nicht größere Teile der Wahrheit ausgespart hatte. Und was Volyova erfahren hatte, klang ganz und gar nicht gut.

»Sie glauben, er hat gelogen?«, fragte Khouri.

»Was den heißen Staub angeht?« Volyova deutete ein Achselzucken an. »Durchaus möglich. Zugegeben, Remilliod hat der Kolonie heißen Staub verkauft — den Beweis dafür haben wir gesehen —, aber mit dem Zeug umzugehen ist kein Kinderspiel. Und wenn sie bis nach dem Angriff auf Phoenix gewartet hatten, was ich für wahrscheinlich halte, blieb ihnen nicht viel Zeit, um es ihm in die Augen einzusetzen. Andererseits — kann man nicht einfach davon ausgehen, dass er lügt. Das Risiko wäre zu groß. Und wenn man versucht, den heißen Staub mit einem Fernscan zu orten, riskiert man eine Explosion… Damit steckt Sajaki in einem echten Dilemma. Er kann nicht davon ausgehen, dass Sylveste nicht die Wahrheit sagt. Er muss sich auf sein Wort verlassen, sonst setzt er alles aufs Spiel. Wenn er ihm glaubt, bleibt das Risiko gerade noch berechenbar.«

»Sie betrachten Sylvestes Ansinnen als berechenbares Risiko?«

Volyova schnalzte mit der Zunge. Die Forderungen waren wirklich erstaunlich. Sie war in ihrem ganzen Leben einer potenziell fremden Kultur, einer Welt, die potenziell so außerhalb ihrer Erfahrung lag, noch nie so nahe gekommen. Sicher konnte man daraus einiges lernen — Lektionen über Lektionen. Sylveste hätte sich die Drohung eigentlich sparen können…

»Wie kann er uns nur einen so verlockenden Köder unter die Nase halten?«, fragte sie. »Dieser Neutronenstern fasziniert mich, seit wir in das System eingetreten sind, wussten Sie das? Ich hatte beim Anflug ganz in der Nähe etwas entdeckt — eine schwache Neutrinoquelle. Sie scheint um den Planeten zu kreisen, der seinerseits den Neutronenstern umkreist.«

»Was könnte die Neutrinos erzeugen?«

»Vieles — aber Neutrinos dieser Energie? Da fallen mir nur Maschinen ein. Technisch sehr hoch entwickelte Maschinen.«

»Die von den Amarantin zurückgelassen wurden?«

»Das wäre doch eine Möglichkeit?« Volyova rang sich ein Lächeln ab. Sie hatte genau den gleichen Gedanken gehabt, aber sie durfte ihre Wünsche nicht so offen aussprechen. »Wenn wir erst dort sind, lässt sich das sicher herausfinden.«


Neutrinos sind fermionische Elementarteilchen, Leptonen. Sie treten je nach den nuklearen Reaktionen bei ihrer Entstehung in drei Formen oder Flavours auf: als Elektronen, Mu- oder Tau-Neutrinos. Aber Neutrinos haben Masse — weil sie sich knapp unter Lichtgeschwindigkeit bewegen — und wechseln im Flug die Flavours. Als die Schiffssensoren die Neutrinos auffingen, traten sie in einer Mischung von drei möglichen Flavour-Zuständen auf, die schwer voneinander zu trennen waren. Aber je mehr sich der Abstand zum Neutronenstern und damit die Zeit verringerte, in der die Neutrinos von ihrem Anfangszustand in andere Zustände oszillieren konnten, desto mehr wurde die Flavour-Mischung von einem Neutrino-Typ beherrscht. Auch das Energiespektrum war leichter zu bestimmen und die zeitabhängigen Schwankungen in der Stärke der Quelle ließen sich sehr viel besser verfolgen und interpretieren. Als sich Schiff und Neutronenstern einander auf ein Fünftel AE — etwa zwanzig Millionen Kilometer — angenähert hatten, konnte Volyova schon sehr viel klarer erkennen, was den stetigen Teilchenstrom verursachte, der vom schwersten Neutrino-Flavour, dem Tau-Neutrino dominiert wurde.

Es war eine Entdeckung, die sie sehr beunruhigte.

Aber sie beschloss zu warten, bis sie noch näher kamen, bevor sie dem Rest der Besatzung ihre Befürchtungen mitteilte. Immerhin standen immer noch alle unter Sylvestes Einfluss; und dass sie sein Handeln mit ihren Sorgen entscheidend beeinflussen konnte, war nicht anzunehmen.

Khouri gewöhnte sich allmählich an den Tod.

Störend an Volyovas Simulationen fand sie unter anderem, dass sie unweigerlich über den Punkt hinausgingen, wo jeder reale Beobachter entweder tot oder zumindest so schwer verletzt gewesen wäre, dass er die folgenden Ereignisse nicht mehr hätte verfolgen und erst recht nicht hätte beeinflussen können. So war es auch diesmal. Eine nicht näher definierte Waffe von beliebig großer Zerstörungskraft war von Cerberus auf das Lichtschiff zugerast und hatte es einfach in Stücke gerissen. Nichts hätte diesen Angriff überlebt, aber Khouris körperloses Bewusstsein blieb hartnäckig an Ort und Stelle und sah den scharfkantigen Trümmern nach, die im rosigen Schein ihrer eigenen ionisierten Eingeweide träge davontrieben. Vermutlich war das Volyovas Art, Salz in die Wunden zu streuen.

»Noch nie was von Stärkung der Moral gehört?«, hatte Khouri gefragt.

»Gehört schon«, sagte Volyova. »Aber ich halte nicht viel davon. Möchten Sie lieber glücklich und tot sein oder Angst haben und leben?«

»Aber ich sterbe doch trotzdem. Warum sind Sie eigentlich so überzeugt, dass wir dort auf Schwierigkeiten stoßen werden?«

»Ich rechne nur mit dem Schlimmsten«, sagte Volyova düster.

Am nächsten Tag fühlte sich Volyova kräftig genug, um mit Sylveste und seiner Frau zu sprechen. Als die beiden die Krankenstation betraten, saß sie aufrecht im Bett, hatte ein Notepad auf dem Schoß und ging eine Unmenge von Angriffsszenarien durch, die sie später an Khouri ausprobieren wollte. Sie schloss das Programm sofort und rief etwas weniger Bedrohliches auf, obwohl ihre Simulationen in einem Geheimcode gehalten waren, mit dem Sylveste wohl ohnehin nichts hätte anfangen können, empfand sie die Kritzeleien doch selbst oft wie eine fremde Sprache, die sie nur ungenügend beherrschte.

»Sie sind geheilt«, sagte Sylveste und setzte sich mit Pascale an ihr Bett. »Das ist gut.«

»Weil Ihnen mein Wohlergehen am Herzen liegt oder weil Sie meine Fachkenntnisse brauchen?«

»Natürlich Letzteres. Wir beide konnten uns noch nie ausstehen, Ilia, wozu sich also etwas vorspielen?«

»Ich denke gar nicht daran.« Sie stellte das Notepad beiseite. »Ich habe mit Khouri über Sie gesprochen. Ich finde — genau wie sie — wir sollten uns an den Grundsatz ›Im Zweifel für den Angeklagten‹ halten. Sie können also zunächst davon ausgehen, dass ich davon ausgehe, alles, was Sie uns erzählt haben«, sie legte den Finger an die Stirn, »sei die reine Wahrheit. Wobei ich mir natürlich das Recht vorbehalte, meine Meinung jederzeit zu ändern.«

»Diese Einstellung sollten wir uns am besten alle zu eigen machen«, schlug Sylveste vor. »Im Übrigen versichere ich Ihnen unter Wissenschaftlern, dass ich tatsächlich die Wahrheit sage. Nicht nur, was meine Augen angeht.«

»Auch über den Planeten.«

»Cerberus, ja. Ich nehme an, man hat Sie informiert.«

»Sie glauben dort etwas zu finden, das mit der Ausrottung der Amarantin in Zusammenhang stehen könnte. Ja, so viel ist mir bekannt.«

»Sie wissen über die Amarantin Bescheid?«

»Ich kenne die orthodoxe Theorie.« Sie nahm das Notepad wieder an sich und rief eine Reihe von wissenschaftlichen Arbeiten auf, die von Cuvier überspielt worden waren. »Natürlich stammt nur wenig aus Ihrer Feder. Aber ich habe auch die Biografie. Und darin ist ein Großteil Ihrer Spekulationen enthalten.«

»Dargestellt aus dem Blickwinkel einer Skeptikerin«, bemerkte Sylveste und sah dabei Pascale an — Volyova erkannte es daran, dass er ihr das Gesicht zuwandte, seine Augen verrieten nicht, wohin er den Blick richtete.

»Selbstverständlich. Dennoch lässt sich im Wesentlichen erkennen, welche Ansicht Sie vertreten. Und ich stimme Ihnen zu, dass Cerberus/Hades von gewissem Interesse ist… innerhalb dieses Paradigmas.«

Sylveste nickte. Er war sichtlich beeindruckt, dass sie die korrekte Nomenklatur für das Doppelsystem aus Planet und Neutronenstern behalten hatte. »Irgendetwas hat die Amarantin vor ihrem Untergang dorthin gezogen. Ich möchte wissen, was es war.«

»Und es beunruhigt Sie nicht, dass dieses Etwas in irgendeinem Zusammenhang mit dem Ereignis stehen könnte?«

»O doch, das beunruhigt mich sehr.« Mit dieser Antwort hatte sie nicht gerechnet. »Aber es würde mich noch mehr beunruhigen, wenn wir es vollkommen ignorierten. Immerhin könnte die Gefahr auch für uns bestehen. Und wenn wir etwas darüber erfahren, haben wir wenigstens eine Chance, einem ähnlichen Schicksal zu entgehen.«

Volyova legte nachdenklich den Finger an die Unterlippe. »Die Amarantin könnten ebenso gedacht haben.«

»Dann ist es umso besser, die Situation aus einer Position der Stärke anzugehen.« Wieder sah Sylveste seine Frau an. »Ich will ganz ehrlich sein, Ihr Kommen war ein Geschenk der Vorsehung. Cuvier hätte von hier draußen unmöglich eine Expedition finanzieren können, selbst wenn es mir gelungen wäre, die Kolonie von ihrer Wichtigkeit zu überzeugen. Und auf keinen Fall hätten wir etwas aufgeboten, das mit dem Angriffspotenzial dieses Schiffes zu vergleichen wäre.«

»Die kleine Demonstration unserer militärischen Stärke war also gar keine so gute Idee?«

»Mag sein — aber ohne sie wäre ich womöglich niemals freigelassen worden.«

Sie seufzte. »Das ist leider genau das, was ich sagen wollte.«

Fast eine Woche später — das Schiff war auf zwölf Millionen Kilometer an Cerberus/Hades herangekommen und in einen Orbit um den Neutronenstern gegangen — berief Volyova ein Treffen der gesamten Besatzung und der Gäste auf der Brücke ein. Sie fand, jetzt sei der Moment gekommen, um zu offenbaren, dass ihre schlimmsten Befürchtungen tatsächlich gerechtfertigt waren. Sie konnte es selbst kaum fassen. Wie würde Sylveste die Nachricht aufnehmen? Was sie ihm gleich sagen wollte, bestätigte nicht nur, dass sie sich einer Gefahr näherten, es berührte auch etwas, das für ihn von tiefer, persönlicher Bedeutung war. Menschen zu beurteilen war wirklich nicht ihre Stärke — und Sylveste war ein besonders vielschichtiger Charakter, der sich nur schwer analysieren ließ —, aber sie sah doch voraus, dass ihre Nachricht ihn schmerzlich treffen musste.

»Ich habe etwas gefunden«, sagte sie, als alle ihr zuhörten. »Sogar schon vor längerer Zeit: eine Neutrinoquelle unweit von Cerberus.«

»Wann war das?«, fragte Sajaki.

»Schon bevor wir Resurgam erreichten.« Sie sah, wie sich seine Miene verfinsterte, und fügte hinzu: »Es gab nichts Sinnvolles zu berichten, Triumvir. Wir wussten damals noch nicht einmal, dass wir hierher fliegen würden. Und man konnte nicht feststellen, von welcher Art die Quelle war.«

»Und jetzt?«, fragte Sylveste.

»Jetzt habe ich eine… klarere Vorstellung. Als wir uns Hades näherten, stellte sich heraus, dass die Emissionen an der Quelle aus reinen Tau-Neutrinos eines ganz bestimmten Energiespektrums bestanden; genauer gesagt, es handelte sich um menschliche Technik mit einer einmaligen Signatur.«

»Dann haben Sie da draußen etwas gefunden, das mit der Menschheit zu tun hat?«, fragte Pascale.

»Davon gehe ich aus.«

»Einen Synthetiker-Antrieb«, sagte Hegazi, und Volyova nickte.

»Ja«, sagte sie. »Nur Synthetiker-Antriebe erzeugen solche Tau-Neutrino-Signaturen wie die Quelle um Cerberus.«

»Das heißt, da draußen gibt es ein Schiff?«, fragte Pascale.

»Das dachte ich zuerst auch«, sagte Volyova verlegen. »Und der Verdacht ist auch nicht völlig falsch.« Sie flüsterte Befehle in ihr Armband, die Display-Kugel im Zentrum erwachte zum Leben und leitete eine vorprogrammierte Routine ein, die sie kurz vor dem Treffen ausgearbeitet hatte. »Aber es war wichtig zu warten, bis wir nahe genug waren, um die Quelle visuell identifizieren zu können.«

Die Sphäre zeigte Cerberus. Die mondgroße Welt war eine weniger einladende Variante von Resurgam: einförmig grau mit vielen Kratern. Außerdem war sie dunkel: Delta Pavonis war zehn Lichtstunden entfernt, und Hades, die zweite Sonne in der Umgebung, spendete kein nennenswertes Licht. Der kleine Neutronenstern war zwar bei einer Supernova-Explosion entstanden und unerträglich heiß gewesen, doch nun war er schon seit langem bis in den Infrarotbereich abgekühlt. Mit bloßem Auge war er nur wahrzunehmen, wenn sein Gravitationsfeld wie eine Linse das Licht dahinter liegender Sterne ablenkte. Doch selbst wenn Cerberus in helles Licht getaucht gewesen wäre, es gab dort nichts, was die Amarantin hätte anlocken können. Freilich hatte Volyova selbst mit ihren besten Scans die Oberfläche nur mit einer Auflösung im Kilometerbereich erfasst, so dass in diesem Stadium noch kaum etwas auszuschließen war. Das Objekt im Orbit um Cerberus hatte sie jedoch sehr viel genauer studiert.

Jetzt holte sie es näher heran. Anfangs war es nur ein leicht ovaler, weißlich-grauer Fleck vor einem Hintergrund von Sternen. An einer Seite ragte ein Stück von Cerberus ins Bild. So hatte es bereits vor Tagen ausgesehen, bevor das Schiff alle seine Radioteleskope ausgefahren hatte. Schon damals hatte sich ihr Verdacht nur schwer von der Hand weisen lassen. Und mit jedem neuen Detail wurde es noch schwieriger.

Die Umrisse des Flecks wurden jetzt klarer; er entpuppte sich als festes Gebilde. Von der Form her war er annähernd konisch wie ein Glassplitter. Volyova legte ein Dimensionsraster um das Objekt, um seine Größe ungefähr zu bestimmen. Es war von einem Ende zum anderen auf jeden Fall drei bis vier Kilometer lang.

»Bei dieser Auflösung«, sagte Volyova, »lassen sich deutlich zwei Quellen für die Neutrino-Emission unterscheiden.« Sie zeigte auf zwei graugrüne Flecken zu beiden Seiten des dickeren Konus-Endes. Bei detailgenauer Abbildung sah man, dass die Flecken beidseitig des eigentlichen Splitters an eleganten rückwärts gepfeilten Tragholmen angebracht waren.

»Ein Lichtschiff«, sagte Hegazi. Und so war es; selbst bei dieser vergleichsweise groben Auflösung konnte daran kein Zweifel bestehen. Sie hatten ein Schiff vor sich, das ihrem eigenen sehr ähnlich war. Die Neutrino-Emissionen gingen von den Synthetiker-Triebwerken zu beiden Seiten des Rumpfes aus.

»Die Triebwerke arbeiten nicht«, sagte Volyova. »Aber sie geben auch dann einen stetigen Neutrino-Strom ab, wenn das Schiff nicht unter Schub steht.«

»Können Sie das Schiff identifizieren?«, fragte Sajaki.

»Das ist nicht nötig«, sagte Sylveste. Alle waren überrascht von der tiefen Ruhe in seiner Stimme. »Ich weiß, um welches Schiff es sich handelt.«

Eine letzte Vergrößerungswelle flimmerte über die Projektion. Nun füllte sie fast die ganze Sphäre, und man sah, was vorher nicht so deutlich gewesen war. Das Schiff war beschädigt, zerstört, von großen, kugelförmigen Einschlägen entstellt. Weite Flächen des Rumpfes waren aufgerissen, und darunter kamen in Ekel erregender Komplexität die vielen tieferen Schichten zum Vorschein, die nie dem Vakuum hätten preisgegeben werden dürfen.

»Nun«?, fragte Sajaki.

»Es ist das Wrack der Lorean«, antwortete Sylveste.

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