Natürlich waren Tuon und Selucia nicht die einzigen Frauen, die Mat Ärger machten. Manchmal hatte es für ihn den Anschein, als wären Frauen für die meisten Probleme in seinem Leben verantwortlich, was er überhaupt nicht verstehen konnte, wo er doch immer versuchte, sie gut zu behandeln. Selbst Egeanin hatte ihren Anteil daran, auch wenn es bei weitem der geringste Anteil war.
»Ich hatte Recht. Ihr glaubt, Ihr könntet sie heiraten«, sagte sie, als er sie um Hilfe bei Tuon bat. Sie und Domon saßen Arm in Arm auf der Treppe ihres Wagens. Aus Domons Pfeife stieg eine kleine Rauchwolke auf. Es war der Vormittag eines schönen Tages, obwohl sich Wolken sammelten, die später Regen versprachen, und die Artisten bereiteten sich für die Bewohner vier kleiner Dörfer vor, die zusammengenommen vielleicht an die Größe von Runniensbrücke herankamen. Mat hatte keine Lust, sich die Vorstellung anzusehen. Oh, er hatte noch immer seinen Spaß an den Verrenkungskünstlern und vor allem an Artistinnen, aber wenn man Feuerschlucker und Jongleure jeden Tag sah, wurden selbst Miyora und ihre Leoparden… nun, wenn auch nicht alltäglich, so doch immerhin weniger interessant.
»Es spielt keine Rolle, was ich glaube, Egeanin. Verratet Ihr mir, was Ihr über sie wisst? Es aus ihr herauszubekommen ist, als würde man mit einer Augenbinde fischen oder mit bloßen Händen einen Hasen in einem Dornbusch fangen wollen.«
»Mein Name ist Leilwin, Cauthon. Vergesst das nicht wieder«, sagte sie in einem Ton, der für die Befehle auf einem Schiffsdeck passend gewesen wäre. Ihre Blicke schlugen ihm den Befehl um die Ohren wie blaue Hämmer. »Warum sollte ich Euch helfen? Ihr greift zu hoch, als Euch zusteht, ein Maulwurf, der sich nach der Sonne sehnt. Ihr könntet hingerichtet werden, bloß weil Ihr sagt, Ihr wollt sie heiraten. Es ist widerlich. Davon abgesehen habe ich das alles hinter mir gelassen. Oder es hat mich zurückgelassen«, fügte sie bitter hinzu. Domon verstärkte den Druck seines Armes.
»Wenn Ihr das alles hinter Euch gelassen habt, was kümmert es Euch dann, wie widerwärtig mein Wunsch ist, sie zu heiraten?« Da. Er hatte es ausgesprochen. Jedenfalls teilweise.
Domon nahm die Pfeife lange genug aus dem Mund, um einen auf Mats Gesicht gezielten Rauchring zu blasen.
»Wenn sie Euch nicht helfen will, dann gebt es auf.« Er sagte es mit der gleichen Kommandostimme.
Egeanin murmelte etwas Unhörbares. Sie schien mit sich selbst zu streiten. Schließlich schüttelte sie den Kopf. »Nein, Bayle. Er hat Recht. Wenn man mich ausgesetzt hat, dann werde ich ein neues Schiff und einen neuen Kurs finden müssen. Ich kann niemals nach Seanchan zurückkehren, also kann ich das Tau auch genauso gut kappen und damit abschließen.«
Was sie über Tuon gehört hatte, waren hauptsächlich Gerüchte — anscheinend lebte die Kaiserfamilie ihr Leben hinter Mauern, und was sich hinter diesen Mauern abspielte, darüber flüsterte man nur hinter vorgehaltener Hand —, aber das reichte schon aus, damit Mat die Nackenhaare zu Berge standen. Seine zukünftige Frau hatte einen Bruder und eine Schwester umbringen lassen? Nachdem diese versucht hatten, sie zu töten, aber trotzdem! Was für eine Art von Familie brachte sich denn gegenseitig um? Nun, das seanchanische Blut und die Kaiserfamilie zum Beispiel. Die Hälfte ihrer Geschwister war tot, Attentaten zum Opfer gefallen, und die andere Hälfte vielleicht auch. Einiges von dem, was Egeanin — Leilwin — zu erzählen wusste, war unter den Seanchanern allgemein bekannt und kaum beruhigender. Tuon war von klein auf in der Kunst der Intrige geschult worden, im Kampf mit Waffen und ohne; sie wurde schwer bewacht, und doch erwartete man von ihr, dass sie selbst ihre letzte Verteidigungslinie war. Allen Blutgeborenen wurde beigebracht, sich nichts anmerken zu lassen, ihre Absichten und Ambitionen zu verschleiern. Beim Blut veränderte sich das Gleichgewicht der Macht ständig, manche stiegen auf, andere stiegen ab, und in der Kaiserfamilie war dieser Tanz nur schneller und gefährlicher. Die Kaiserin — Egeanin wollte »Möge sie ewig leben« hinzufügen und hustete beinahe, weil sie die Worte herunterschluckte, dann schloss sie einen langen Augenblick die Augen, bevor sie fortfuhr —, die Kaiserin hatte viele Kinder zur Welt gebracht, wie das jede Kaiserin tat, sodass unter den Überlebenden einer stark genug sein würde, um nach ihr zu herrschen. Es ging nicht an, dass ein Dummkopf oder ein Narr den Kristallthron bestieg. Tuon hielt man für keines von beiden. Beim Licht! Die Frau, die er heiraten würde, war so schlimm wie ein Behüter und eine Aes Sedai in einer Person. Und vielleicht genauso gefährlich.
Er führte mehrere Unterhaltungen mit Egeanin — er achtete sorgfältig darauf, sie Leilwin zu nennen, damit sie nicht mit dem Dolch auf ihn losging, aber in seinen Gedanken hieß sie Egeanin — und versuchte mehr zu erfahren, aber ihr Wissen über das Blut war größtenteils das einer Außenseiterin, und ihr Wissen über den Kaiserhof war laut ihres eigenen Zugeständnisses kaum größer als das eines Straßenjungen in Seandar. An dem Tag, an dem er Tuon die Stute schenkte, war er eine Weile neben Egeanins Wagen geritten und hatte eines dieser fruchtlosen Gespräche geführt. Eine Zeit lang hatte er Tuon und Selucia begleitet, aber sie sahen ihn ständig von der Seite an, wechselten dann einen Blick und kicherten. Ohne den geringsten Zweifel über das, was sie den Kesselflickerfrauen gesagt hatten. Ein Mann konnte so etwas nur eine bestimmte Zeit ertragen.
»Diese Stute war ein kluges Geschenk«, sagte Egeanin und beugte sich auf dem Kutschbock nach vorn, um an der Wagenreihe entlang nach vorn zu schauen. Domon hatte die Zügel übernommen. Sie tat es manchmal auch, aber ein Gespann zu lenken gehörte nicht zu den Fertigkeiten, die sie auf Schiffen gelernt hatte. »Woher habt Ihr das gewusst?«
»Was gewusst?«, fragte er.
Sie setzte sich wieder gerade hin und richtete die Perücke. Er vermochte nicht zu sagen, warum sie das Ding noch immer trug. Ihr schwarzes Haar war kurz, aber keinesfalls kürzer als Selucias. »Das mit den Werbungsgeschenken. Wenn man beim Blut um jemanden wirbt, der höhergestellt ist, macht man traditionellerweise ein Geschenk, das exotisch oder selten ist. Am besten ist es, wenn das Geschenk den Interessen des Empfängers entspricht, und es ist allgemein bekannt, dass die Hochlady Pferde liebt. Außerdem ist Euer Eingeständnis gut, dass Ihr nicht erwartet, ihr gleichgestellt zu sein. Nicht, dass das möglich wäre, wie Ihr verstehen müsst. Ich habe nicht die geringste Ahnung, warum sie noch immer hier ist, jetzt, da Ihr aufgehört habt, sie zu bewachen, aber Ihr könnt nicht ernsthaft glauben, dass sie die Worte tatsächlich sagen wird. Wenn sie heiratet, wird es zum Nutzen des Kaiserreichs sein, und nicht weil irgendein Vagabund ihr ein Pferd schenkt, das ihr ein Lächeln wert ist.«
Mat biss die Zähne zusammen, um nicht einen Fluch herauszubrüllen. Er hatte was eingestanden? Kein Wunder, dass ein Satz der verdammten Würfel verstummt war. Tuon würde ihn das nie vergessen lassen. Davon war er überzeugt.
Leilwin Schiffslos mochte ihm einen gewissen Ärger bereiten, aber die Aes Sedai übertrafen das mühelos. Aes Sedai taten nichts lieber. Er hatte sich damit abgefunden, dass sie in jedem Dorf und jeder Stadt, in der sie Halt machten, umherstreiften, Fragen stellten und was auch immer noch taten. Er hatte keine andere Wahl, als sich damit resigniert abzufinden, da er sie nicht daran hindern konnte. Sie behaupteten, sich in Acht zu nehmen — zumindest taten es Teslyn und Edesina; Joline fauchte ihn bloß an, er sei ein Narr, sich Sorgen zu machen —, aber eine Aes Sedai, die sich in Acht nahm, war immer noch eine bedeutende Persönlichkeit, gleichgültig, ob jemand sie erkannte oder nicht. Da ihnen das Geld für Seide fehlte, hatten sie in Jurador Ballen feiner Wolle gekauft, und die Näherinnen arbeiteten genauso hart für die Aes Sedai wie für Mats Gold, also stolzierten sie wie wohlhabende Kauffrauen und so selbstbewusst wie Adlige umher. Niemand sah sie fünf Schritte gehen, ohne zu wissen, dass sie erwarteten, dass die Welt ihnen Untertan war. Drei solche Frauen, die auch noch mit einem Wanderzirkus reisten, das würde mit Sicherheit Gerede geben. Immerhin ließ Joline wenigstens den Großen Schlangenring in ihrer Gürteltasche. Die anderen beiden hatten sie bei den Seanchanern verloren. Hätte Mat Joline mit dem Ding am Finger gesehen, wäre er vermutlich in Tränen ausgebrochen.
Er erhielt von den ehemaligen Sul'dam keine Berichte mehr über ihre Aktivitäten. Joline hatte Bethamin fest in der Hand; die hochgewachsene dunkelhäutige Frau rannte, wenn Joline es befahl, und sie sprang, wenn sie es befahl. Auch Edesina gab ihr Unterricht, aber aus irgendeinem Grund betrachtete Joline sie als ein persönliches Projekt. Soweit Mat es mitbekam, war sie niemals gemein, nicht nach den Ohrfeigen, aber man hätte denken können, dass sie Bethamin auf die Burg vorbereitete, und die ehemalige Sul'dam erwiderte es mit einer Art Dankbarkeit, die deutlich machte, dass sich ihre Loyalitäten verändert hatten.
Was nun Seta anging, die blonde Frau hatte eine solche Angst vor den Schwestern, dass sie es nicht länger wagte, ihnen zu folgen. Sie zitterte tatsächlich am ganzen Leib, als er es vorschlug. So seltsam es auch erschien, Seta und Bethamin hatten die Vorstellung, wie sich seanchanische Frauen, die die Macht lenken konnten, selbst sahen, so sehr verinnerlicht, dass sie allen Ernstes glaubten, Aes Sedai könnten nicht viel anders sein. Sie waren gefährlich, wenn sie von der Leine gelassen wurden, aber gefährliche Hunde konnten von jemandem beherrscht werden, der wusste, wie man es machte, und sie waren Expertinnen mit dieser besonderen Sorte von gefährlichen Hunden. Jetzt wussten sie, dass Aes Sedai gar keine Hunde waren. Sie waren Wölfe. Seta hätte sich einen anderen Platz zum Schlafen gesucht, wäre das möglich gewesen, und Mat erfuhr von Frau Anan, dass die Seanchanerin sich jedes Mal die Augen zuhielt, wenn Joline oder Edesina den Unterricht für Bethamin im Wagen abhielten.
»Ich bin überzeugt, sie kann die Gewebe sehen«, sagte Setalle. Mat hätte beinahe geschworen, dass sie neidisch klang, aber er bezweifelte, dass sie irgendjemanden beneidete. »Sie ist auf halbem Wege, das zuzugeben, oder sie würde sich nicht die Augen zuhalten. Früher oder später wird sie es einsehen und es auch lernen wollen.« Und jetzt klang sie doch irgendwie neidisch.
Mat hätte sich gewünscht, dass Seta eher früher als später dazu bereit war. Eine weitere Schülerin hätte den Aes Sedai weniger Zeit gelassen, ihm Ärger zu machen. Wann immer der Zirkus ein Gastspiel gab, konnte er sich nicht umdrehen, ohne Joline oder Edesina hinter einem Wagen oder Zelt in seine Richtung spähen zu sehen. Gewöhnlich wurde der Fuchskopf auf seiner Brust kühler. Er konnte nicht beweisen, dass sie ihn tatsächlich mit der Macht beeinflussen wollten, aber er war davon überzeugt. Er war sich nicht sicher, wer von ihnen das Schlupfloch seines Schutzes gefunden hatte, so wie es Adeleas und Vandene seinerzeit getan hatten, dass ihn etwas treffen konnte, das man mit der Macht schleuderte, aber danach konnte er kaum sein Zelt verlassen, ohne von einem Stein und später auch anderen Dingen getroffen zu werden, brennenden Funken wie aus einem Schmiedeofen, stechende Funken, die ihn springen und seine Haare sich sträuben ließen. Er war sich sicher, dass Joline dahintersteckte. Er sah sie niemals, ohne dass Blaeric oder Fen oder auch alle beide zum Schutz in der Nähe waren. Und sie lächelte ihn an wie eine Katze die Maus.
Er plante, wie er sie allein erwischte — entweder das oder sich ständig vor ihr zu verstecken —, als sie und Teslyn in einen lautstarken Streit gerieten, der Edesina fast genauso schnell aus dem weiß gestrichenen Wagen vertrieb wie Bethamin und Seta, und diese beiden stürzten heraus und blieben stehen, um den Wagen mit offenem Mund anzustarren. Die Gelbe Schwester machte ruhig damit weiter, ihr langes schwarzes Haar zu bürsten, hob es mit einer Hand an und führte die Holzbürste mit der anderen in gleichmäßigen Strichen nach unten. Als sie Mat entdeckte, lächelte sie ihn an, ohne mit dem Kämmen innezuhalten. Das Medaillon wurde kalt, und das Gebrüll verschwand wie mit dem Messer abgeschnitten.
Er erfuhr nie, was hinter dem mit der Macht gewobenen Schild gesagt wurde. Teslyn bevorzugte ihn zwar gewissermaßen, aber als er sie danach fragte, schenkte sie ihm einen jener Blicke und Schweigen. Das war Sache der Aes Sedai und nicht seine. Was auch immer dort vorgegangen sein mochte, das mit den fliegenden Steinen und den Funken hörte auf. Er versuchte, sich bei Teslyn zu bedanken, aber die wollte nichts davon hören.
»Wenn über etwas nicht gesprochen wird, dann wird nicht darüber gesprochen«, teilte sie ihm energisch mit. »Es wäre gut, wenn Ihr diese Lektion lernen würdet, wo Ihr Euch doch in Gesellschaft von Schwestern aufhaltet, und ich glaube, dass Euer Leben an die Aes Sedai gekettet ist, und wenn das zuvor nicht so war, dann ist es jetzt so.« Die Frau hatte wirklich Nerven, so etwas zu sagen.
Sie erwähnte sein Ter'angreal mit keinem Wort mehr, aber das konnte man über Joline und Edesina nicht sagen, nicht einmal nach dem Streit. Jeden Tag bedrängten sie ihn, es ihnen zu geben. Edesina baute sich allein vor ihm auf, Joline mit ihren Behütern, die ihn finster über die Schulter anstarrten. Ter'angreale waren von Rechts wegen der Besitz der Weißen Burg. Ter'angreale mussten ordentlich studiert werden, vor allem solche mit so seltsamen Eigenschaften. Ter'angreale waren eine potenzielle Gefahrenquelle und hatten nichts in den Händen von Uneingeweihten verloren. Zwar sagte keine, vor allem in Händen von Männern, aber Joline kam dem schon sehr nahe. Er fing an, sich Sorgen zu machen, dass die Grüne einfach Blaeric und Fen losschickte, um es ihm abzunehmen. Die beiden vermuteten noch immer, dass er etwas damit zu tun hatte, was mit ihr geschehen war, und den finsteren Blicken nach zu urteilen, die sie ihm zuwarfen, wäre ihnen jeder Vorwand recht gewesen, um ihn wie eine Trommel zu schlagen.
»Das wäre Diebstahl«, sagte Frau Anan in schulmeisterlichem Tonfall zu ihm und zog den Umhang enger. Das Sonnenlicht begann zu schwinden, und es wurde bereits kühl. Sie standen vor Tuons Wagen, und er hoffte, ihn rechtzeitig zum Essen betreten zu dürfen. Noal und Olver waren bereits drinnen. Setalle wollte offenbar die Aes Sedai besuchen, was sie häufig tat. »Das Burggesetz ist da ziemlich eindeutig. Es könnte beträchtliche… Diskussionen… geben, ob man es Euch zurückgeben muss, und ich glaube, dass man es am Ende nicht tun würde, aber Joline würde man trotzdem eine ziemlich heftige Buße auferlegen.«
»Vielleicht ist sie ja der Meinung, dass es eine Buße wert wäre«, murmelte er. Sein Magen knurrte. Die Finken im Topf und die Zwiebel in Soße, die Lopin so stolz zu Mittag präsentiert hatte, hatten sich zum Entsetzen des Taireners als verdorben erwiesen, was bedeutete, dass Mat seit dem Frühstück nicht mehr als einen Brotkanten gegessen hatte.
»Ihr wisst wirklich eine ganze Menge über die Weiße Burg.«
»Lord Mat, ich weiß nur, dass Ihr so ziemlich jeden Fehler begangen habt, den ein Mann bei einer Aes Sedai machen kann, ohne eine zu töten. Der Grund, warum ich Euch überhaupt begleitet habe, statt mit meinem Mann zu gehen, und warum ich eigentlich überhaupt noch hier bin, ist der Versuch, Euch von zu vielen Fehlern abzuhalten. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, warum mir überhaupt daran gelegen ist, aber das ist es nun einmal, und weiter gibt es dazu nichts zu sagen. Hättet Ihr Euch von mir anleiten lassen, hättet Ihr jetzt keinen Ärger mit ihnen. Ich weiß nicht, wie viel ich davon in Ordnung bringen kann, jedenfalls jetzt noch, aber ich bin noch immer bereit, es zu versuchen.«
Mat schüttelte den Kopf. Es gab nur zwei Methoden, mit Aes Sedai umzugehen, ohne sich die Finger zu verbrennen; entweder man ließ sie auf sich herumtrampeln oder ging ihnen aus dem Weg. Ersteres kam nicht für ihn in Frage, und das Zweite konnte er nicht tun, also musste er einen dritten Weg finden, und er bezweifelte, dass Setalles Rat ihm den aufzeigen würde. Was Aes Sedai anging, lief der Rat von Frauen grundsätzlich auf den ersten Weg hinaus, auch wenn sie das nie so ausdrückten. Sie sprachen von Entgegenkommen, aber es war nie die Aes Sedai, von der das Entgegenkommen erwartet wurde. »Eigentlich? Was ist es dann… ? Er grunzte, als hätte er einen Schlag in den Magen bekommen. »Tuon? Glaubt Ihr, man kann mir bei Tuon nicht vertrauen?«
Frau Anan lachte ihn aus, so richtig aus vollem Halse. »Ihr seid ein Schurke, mein Lord. Nun, manche Schurken geben prächtige Ehemänner ab, sobald man ihnen etwas die Flügel gestutzt hat — als ich meinen Jasfer kennen lernte, war er ein Schurke —, aber Ihr glaubt noch immer, Ihr könntet hier an einer Pastete knabbern und dann dort, und dann zur nächsten weitertanzen.«
»Von der kann man nicht wegtanzen«, sagte Mat und warf der Wagentür einen stirnrunzelnden Blick zu. Die Würfel rollten durch seinen Kopf. »Ich nicht.« Er war sich nicht sicher, ob er wirklich noch forttanzen wollte, aber er konnte sich das ja von ganzem Herzen wünschen und wollen, er war gefangen. Endgültig.
»Ist das so?«, murmelte sie. »Oh, da habt Ihr Euch eine Schöne ausgesucht, die Euch das Herz bricht.«
»Das mag ja so sein, Frau Anan, aber ich habe meine Gründe. Ich sollte besser reingehen, bevor sie mir alles wegessen.« Er wandte sich der Treppe an der Hinterseite des Wagens zu, und sie legte ihm eine Hand auf den Arm.
»Könnte ich es sehen? Nur sehen?«
Es gab keinen Zweifel, was sie meinte. Er zögerte, dann fischte er in seinem Kragen nach dem Leberband, an dem das Medaillon hing. Er hätte nicht zu sagen vermocht, warum er es tat. Schließlich hatte er Joline und Edesina selbst nur einen Blick darauf verwehrt. Es war eine prächtige Arbeit, ein silberner Fuchskopf fast so groß wie seine Handfläche. Nur ein Auge war zu sehen, und das Tageslicht reichte noch gerade eben so aus, um zu erkennen, dass die Pupille zur Hälfte verhüllt war, um das uralte Symbol der Aes Sedai zu formen. Ihre Hand zitterte leicht, als sie mit dem Finger die Konturen des Auges nachfuhr. Sie hatte gesagt, sie wollte es nur sehen, aber er ließ zu, dass sie es berührte. Ihr entfuhr ein langer Seufzer.
»Ihr seid einst eine Aes Sedai gewesen«, sagte er leise, und ihre Hand erstarrte.
Sie gewann ihre Fassung so schnell zurück, dass er es sich möglicherweise nur eingebildet hatte. Sie war die stattliche Setalle Anan, die Gastwirtin aus Ebou Dar mit den großen goldenen Ohrringen und dem Hochzeitsdolch, der mit dem Knauf nach unten in ihrem runden Dekollete baumelte, so weit von jeder Aes Sedai entfernt, wie das nur vorstellbar war. »Die Schwestern glauben, ich würde lügen, dass ich niemals in der Burg war. Sie glauben, dass ich als junge Frau dort Dienerin war und gelauscht habe, wo ich es nicht hätte tun sollen.«
»Sie haben nicht gesehen, wie Ihr das hier angesehen habt.« Er ließ den Fuchskopf auf der Hand hüpfen, bevor er ihn wieder ins Hemd steckte. Sie tat so, als wäre ihr das egal, und er tat so, als wüsste er nicht, dass sie nur so tat.
Ihre Lippen verzogen sich zu einem kurzen, wehmütigen Lächeln, als wüsste sie, was er dachte. »Die Schwestern würden es erkennen, wenn sie das nur zulassen könnten«, sagte sie so leichthin, als würden sie sich über das Wetter unterhalten, »aber Aes Sedai erwarten, dass… wenn gewisse Dinge geschehen… die Frau brav geht und kurz darauf stirbt. Ich bin gegangen, aber Jasfer fand mich halb verhungert und krank auf den Straßen von Ebou Dar und brachte mich zu seiner Mutter.« Sie' kicherte, bloß eine Frau, die erzählte, wie sie ihren Mann kennen gelernt hatte. »Er hat auch streunende Katzen aufgenommen. Nun, jetzt kennt Ihr einige meiner Geheimnisse, und ich kenne einige der Euren. Sollen wir sie für uns behalten?«
»Welche meiner Geheimnisse kennt Ihr?«, verlangte er zu wissen, augenblicklich auf der Hut. Einige seiner Geheimnisse waren ein gefährliches Wissen, und wenn zu viele sie kannten, waren es keine Geheimnisse mehr.
Frau Anan warf dem Wagen einen stirnrunzelnden Blick zu. »Dieses Mädchen spielt so sicher ein Spiel mit Euch, wie Ihr eines mit ihr spielt. Und nicht dasselbe Spiel, das Ihr spielt. Sie ist mehr wie ein General, der eine Schlacht plant, als wie eine Frau, der man den Hof macht. Aber sollte sie erfahren, dass Ihr verrückt nach ihr seid, wird sie den Vorteil erringen. Ich bin bereit, Euch eine gleichwertige Chance einzuräumen. Oder zumindest die Chance, die ein Mann bei einer Frau mit einem Funken Verstand hat. Haben wir eine Abmachung?«
»Das haben wir«, erwiderte er inbrünstig. »Das haben wir.«
Er wäre nicht überrascht gewesen, wenn die Würfel in diesem Augenblick verstummt wären, aber sie klapperten weiter.
Wäre die Fixierung der Schwestern auf sein Medaillon das einzige Problem gewesen, für das sie gesorgt hätten, hätten sie sich darauf beschränkt, überall Gerüchte zu streuen, wo der Zirkus anhielt, hätte er sagen können, dass diese Tage nicht mehr als erträglich schlecht gewesen wären. Unglücklicherweise hatten sie zur Zeit des Aufbruchs aus Jurador erfahren, wer Tuon war. Nicht dass sie die Tochter der Neun Monde war, aber dass sie eine seanchanische Hochlady war, jemand von Rang und Einfluss.
»Haltet Ihr mich für einen Narren?«, protestierte Luca, als Mat ihn beschuldigte, es ihnen verraten zu haben. Er baute sich neben seinem Wagen auf, die Fäuste in die Hüften gestemmt, ein großer, empörter Mann, bereit, deswegen zu kämpfen. »Das ist ein Geheimnis, das ich tief begraben will, bis… nun… bis sie sagt, dass ich den Schutzbrief benutzen kann. Er wird nicht viel nutzen, wenn sie ihn widerruft, weil ich etwas verrate, das sie geheim halten will.« Aber seine Stimme war eine Spur zu ernst, und er wich Mats Blick aus. Die Wahrheit war, Luca prahlte fast genauso gern, wie er Gold mochte. Er musste geglaubt haben, dass es sicher warsicher! —, es den Schwestern zu verraten, und den Schlamassel, den er angerichtet hatte, erst hinterher erkannt hatte.
Und es war ein Schlamassel, so verwickelt wie eine Schlangengrube. Die Hochlady Tuon, in unmittelbarer Nähe, bot eine Gelegenheit, der keine Aes Sedai hätte widerstehen können. Teslyn war genauso schlimm wie Joline und Edesina. Die drei besuchten Tuon täglich in ihrem Wagen und stürzten sich auf sie, sobald sie einen Spaziergang machte. Sie sprachen von Waffenstillstand und Verträgen und Verhandlungen, versuchten in Erfahrung zu bringen, welche Verbindungen sie zu den Anführern der Invasion hatte, versuchten sie davon zu überzeugen, Gespräche zu arrangieren, um die Kämpfe zu beenden. Sie boten ihr sogar an, ihr dabei zu helfen, den Zirkus zu verlassen und nach Hause zurückzukehren!
Es war ihr Pech, dass Tuon da keine Aes Sedai sah, Repräsentanten der Weißen Burg, die vielleicht größte Macht auf der Welt, nicht einmal nachdem die Näherinnen ihre Reitkleider geliefert hatten und sie die Lumpen ausziehen konnten, die Mat für sie aufgetrieben hatte. Sie sah zwei entkommene Damane und eine Marath'damane, und sie hatte keinerlei Verwendung für sie, bevor sie an die Leine gelegt waren. Das waren ihre Worte. Wenn sie zu ihrem Wagen kamen, verriegelte sie die Tür, und wenn es ihnen gelang, vorher einzudringen, ging sie. Wenn sie sie in die Ecke drängten oder es versuchten, ging sie einfach um sie herum wie um einen Baumstumpf. Sie redeten sich fast heiser. Und sie weigerte sich zuzuhören.
Jede Aes Sedai konnte einem Stein Geduld beibringen, wenn sie Anlass dazu hatte, aber sie waren es nicht gewohnt, einfach ignoriert zu werden. Mat konnte ihre wachsende Frustration sehen, die angespannten Augen und zusammengepressten Lippen, die immer länger brauchten, um sich wieder zu entspannen, die Hände, die sich in Röcke vergruben, um zu verhindern, dass sie Tuon packten und sie schüttelten. Es kam früher zur Explosion, als er erwartet hätte, und überhaupt nicht auf die Weise, mit der er gerechnet hatte.
Am Abend, nachdem er Tuon die Stute geschenkt hatte, aß er mit ihr und Selucia. Und natürlich mit Noal und Olver. Die beiden schafften es, genauso viel Zeit mit Tuon zu verbringen wie er. Lopin und Nerim, so förmlich, als wären sie in einem Palast statt in dem engen Raum, servierten eine typische frühe Frühlingsmahlzeit, zähes Lamm mit Erbsen, die getrocknet gewesen waren, und Rüben, die zu lange in jemandes Keller gelegen hatten. Es war noch zu früh, als dass etwas zur Ernte gereift gewesen wäre. Immerhin hatte Lopin Pfeffersoße für das Lamm gemacht, Nerim hatte Piniennüsse für die Erbsen gefunden, es gab genug, und nichts schmeckte merkwürdig, also war es eine Mahlzeit, die so gut war, wie unter den Umständen möglich war. Olver ging nach dem Essen, da er bereits mit Tuon gespielt hatte, und Mat tauschte mit Selucia den Platz, um Steine zu spielen. Auch Noal blieb trotz etlicher bezeichnender Blicke, erzählte weiter von den Sieben Türmen im untergegangenen Malkier, die angeblich alles in Cairhien überragten, und Shol Arbela in Arafel, der Stadt der Zehntausend Glocken, und allen möglichen Wundern der Grenzländer, seltsamen Turmspitzen aus Kristall härter als Stahl und einer Metallkuppel von hundert Schritten Durchmesser auf einem Hügel und dergleichen. Manchmal machte er Bemerkungen über Mats Spiel, dass er sich auf der linken Seite eine Blöße gab, dass er auf der rechten Seite eine schöne Falle aufstellte, und das in dem Moment, als Tuon bereit schien hineinzutappen. Eben diese Art Sachen. Mat enthielt sich jeden Kommentars und plauderte mit Tuon, aber er musste mehr als einmal die Zähne zusammenbeißen, um das zu schaffen. Tuon fand Noals Geschwätz unterhaltsam.
Mat studierte das Brett und überlegte, ob er eine kleine Chance hatte, einen Gleichstand zu erreichen, als Joline Teslyn und Edesina in den Wagen führte; die personifizierte Hochmut, Aes Sedai bis zu den Zehenspitzen. Joline trug ihren Großen Schlangenring. Sie drängten sich an Selucia vorbei und bedachten sie mit ausgesprochen kalten Blicken, als sie nur langsam zur Seite rückte, und bauten sich vor dem kleinen Tisch auf. Noal wurde ganz still und musterte die Schwestern von der Seite, eine Hand unter dem Mantel, so als würde der Narr glauben, dass seine Messer hier etwas ausrichten könnten.
»Es muss ein Ende haben, Hochlady«, sagte Joline und ignorierte Mat geflissentlich. Sie stellte etwas fest und bat nicht, verkündete, wie es ablaufen würde, weil es so sein musste. »Euer Volk hat einen Krieg in diese Länder gebracht, wie wir ihn seit dem Hundertjährigen Krieg nicht mehr erlebt haben, vielleicht sogar nicht mehr wie seit den Trolloc-Kriegen. Tarmon Gai'don nähert sich, und dieser Krieg muss enden, bevor es eintritt, weil es sonst zu einer Katastrophe für die ganze Welt werden wird. Es droht nicht weniger zu werden. Also wird Eure Verstocktheit ein Ende haben. Ihr werdet unser Angebot demjenigen überbringen, der bei Euch die Befehle gibt. Bis zu Eurer Rückkehr in Euer eigenes Land jenseits des Meeres kann Frieden herrschen, oder Ihr werdet mit der geballten Macht der Weißen Burg konfrontiert werden, der jeder Thron von den Grenzländern bis zum Meer der Stürme folgen wird. Der Amyrlin-Sitz hat sie vermutlich schon gegen Euch zusammengerufen. Ich habe von einem gewaltigen Grenzländerheer gehört, das schon im Süden ist, und andere Heere sind auf dem Weg. Aber es ist besser, das ohne weiteres Blutvergießen zu beenden. Also verhindert die Vernichtung Eures Volkes und helft Frieden zu schaffen.«
Mat konnte Edesinas Reaktion nicht sehen, aber Teslyn blinzelte bloß. Für eine Aes Sedai war das so gut wie ein Keuchen. Vielleicht war das nicht genau das, was sie von Joline zu hören erwartet hatte. Mat hingegen stöhnte leise.
Joline war keine Graue, so geschickt wie ein Jongleur, was Verhandlungen anging, so viel stand fest, aber das war er auch nicht, und er glaubte noch immer, dass sie den kurzen Pfad zu Tuons Wut gefunden hatte.
Aber Tuon faltete die Hände unter dem Tisch auf dem Schoß und saß sehr aufrecht da, blickte direkt durch die Aes Sedai hindurch. Ihre Miene war so streng, wie sie stets für ihn gewesen war. »Selucia«, sagte sie leise.
Die blonde Frau schob sich hinter Teslyn und bückte sich gerade lange genug, um etwas unter der Decke hervorzuziehen, auf der Mat saß. Als sie sich wieder aufrichtete, schien alles gleichzeitig zu passieren. Ein Klicken ertönte, und Teslyn schrie auf, fasste nach ihrem Hals. Der Fuchskopf auf Mats Brust verwandelte sich zu Eis, Joline riss den Kopf herum und starrte die Rote Schwester ungläubig an. Edesina drehte sich um und war mit zwei Schritten an der Tür, die ein Stück aufschwang und dann zuknallte. Dem Geräusch stürzender Männer auf der Treppe nach zu urteilen, gegen Blaeric und Fen knallte. Edesina kam ruckartig zum Stehen und stand stocksteif da, die Arme an die Seiten und die abgenähten Röcke an die Beine von unsichtbaren Fesseln geschnürt. Das alles nahm nur wenige Momente in Anspruch, und Selucia war nicht untätig geblieben. Sie beugte sich kurz über das Bett, auf dem Noal saß, dann ließ sie den Silberkragen eines weiteren A'dam um Jolines Hals zuschnappen. Mat konnte sehen, dass Teslyn das A'dam mit beiden Händen umklammert hielt. Sie unternahm keine Anstalten, es abzunehmen, hielt sich einfach nur mit weiß angelaufenen Knöcheln daran fest. Das schmale Gesicht der Roten war ein Bild der Verzweiflung, in ihren starren Augen lag ein gequälter Blick. Joline hatte die unerschütterliche Ruhe einer Aes Sedai zurückerlangt, aber sie berührte den aus Segmenten bestehenden Kragen um ihren Hals.
»Wenn Ihr glaubt, Ihr könnt das tun«, begann sie und verstummte abrupt, ihre Lippen wurden schmal. Ein wütendes Flackern lag in ihren Augen.
»Du musst wissen, das A’dam kann zur Strafe benutzt werden, auch wenn das nur selten geschieht«, sagte Tuon, und sie trug den Armreif eines A’dam an jedem Handgelenk, die funkelnden Leinen schlängelten sich unter die Decken auf den Betten. Wie beim Licht hatte sie es geschafft, sie in die Finger zu bekommen?
»Nein«, sagte Mat. »Ihr habt versprochen, meine Anhänger nicht anzurühren, mein Juwel.« Vielleicht nicht das Klügste, diesen Namen jetzt zu benutzen, aber es war zu spät, ihn wieder zurückzunehmen. »Bis jetzt habt Ihr Eure Versprechen gehalten. Brecht jetzt keines.«
»Ich habe versprochen, keinen Unfrieden unter deinen Anhängern zu stiften, Spielzeug«, sagte sie schnippisch, »davon abgesehen ist es eindeutig, dass diese drei nicht zu deinen Anhängern gehören.« Die kleine Schiebetür, die dazu benutzt wurde, um mit dem Kutscher zu sprechen oder Essen durchzureichen, wurde mit einem lauten Knall aufgeschoben. Tuon warf einen Blick über die Schulter, und sie knallte noch lauter wieder zu. Draußen fluchte ein Mann und fing an, gegen die Tür zu pochen.
»Das A’dam kann auch dazu benutzt werden, Vergnügen zu schenken, als große Belohnung«, erklärte Tuon Joline und ignorierte die hämmernde Faust hinter ihr.
Jolines Lippen öffneten sich, sie riss die Augen weit auf. Sie schwankte, und der von Seilen gehaltene Tisch schwankte, als sie mit beiden Händen einen Sturz vermied. Falls sie jedoch beeindruckt war, verbarg sie es gut. Sobald sie wieder aufrecht stand, glättete sie die dunkelgrauen Röcke, aber das musste nichts bedeuten. Ihr Gesicht war die personifizierte Aes Sedai-Beherrschung. Edesina, die über die Schulter sah, hatte den gleichen beherrschten Blick, obwohl sie nun das dritte A’dam um den Hals trug — und genau genommen war sie blasser als sonst —, aber Teslyn hatte angefangen, stumm und mit bebenden Schultern zu weinen, die Tränen strömten ihr die Wangen herunter.
Noal saß angespannt da, ein Mann, der bereit war, etwas Dummes zu tun. Mat versetzte ihm unter dem Tisch einen Tritt, und als Noal ihn anstarrte, schüttelte er den Kopf. Noals Miene wurde noch finsterer, aber er zog die Hand aus dem Mantel und lehnte sich an die Wand. Noch immer finster blickend. Nun, sollte er. Messer waren hier nutzlos, Worte vielleicht nicht. Es war viel besser, wenn man das mit Worten zu einem Ende bringen konnte.
»Hört zu«, sagte Mat zu Tuon. »Wenn Ihr nachdenkt, werdet Ihr hundert Gründe erkennen, warum das nicht funktionieren wird. Beim Licht, Ihr könnt selbst lernen, wie man die Macht lenkt. Ändert dieses Wissen nicht alles? Ihr seid nicht so viel anders als sie.« Der Aufmerksamkeit nach zu urteilen, die sie ihm schenkte, hätte er sich genauso gut in Rauch aufgelöst haben können.
»Versuche, Saidar zu umarmen«, sagte sie und blickte Joline streng an. Verglichen mit ihrem Blick klang ihre Stimme verhältnismäßig sanft, aber sie erwartete offensichtlich Gehorsam. Gehorsam? Sie sah aus wie eine verdammte Leopardin, die drei angebundene Ziegen anstarrte. Und seltsamerweise schöner als je zuvor. Eine wunderschöne Leopardin, die ihn möglicherweise genauso schnell mit den Krallen zerfetzen würde wie die Ziegen. Nun, er hatte sich schon öfters Leoparden entgegengestellt, und das waren seine eigenen Erinnerungen. Die Konfrontation mit einem Leopard brachte eine seltsame Art von Aufregung mit sich. »Mach schon«, fuhr sie fort. »Du weißt, dass die Abschirmung fort ist.« Joline gab ein überraschtes Grunzen von sich, und Tuon nickte. »Gut. Du hast das erste Mal gehorcht. Und gelernt, dass du die Macht nicht berühren kannst, während du das A’dam trägst, es sei denn, ich wünsche es. Aber jetzt wünsche ich, dass du die Macht hältst, und du tust es, obwohl du nicht versucht hast, sie zu umarmen.« Jolines Augen weiteten sich leicht, ein kleiner Riss in ihrer Ruhe. »Und jetzt«, fuhr Tuon fort, »wünsche ich, dass du die Macht nicht hältst, und sie ist fort in dir. Deine ersten Lektionen.« Joline holte tief Luft. Sie fing an, nicht… ängstlich auszusehen, aber unbehaglich.
»Blut und Asche, Frau«, knurrte Mat. »Glaubt Ihr, Ihr könnt sie an diesen Leinen herumführen, ohne dass es jemandem auffällt?« Die Tür dröhnte. Ein zweiter Schlag rief das Geräusch berstenden Holzes hervor. Wer auch immer gegen das Holzfenster hämmerte, hatte auch noch nicht damit aufgehört. Irgendwie verursachte das kein Gefühl der Dringlichkeit. Wenn die Behüter hereinkamen, was konnten sie schon tun?
»Ich werde sie in dem Wagen beherbergen, den sie benutzen, und nachts ausbilden«, fauchte sie gereizt. »Ich habe nichts mit diesen Frauen gemeinsam, Spielzeug. Nichts. Vielleicht könnte ich es lernen, aber ich habe mich entschieden, es nicht zu tun, so wie ich mich entschieden habe, nicht zu stehlen oder zu morden. Das ist der Unterschied.«
Sie brachte sich mit einer deutlich sichtbaren Willensanstrengung wieder unter Kontrolle, setzte sich hin und legte die Hände auf den Tisch, wieder ganz auf die Aes Sedai konzentriert. »Ich habe beträchtlichen Erfolg mit einer Frau wie dir gehabt.« Edesina keuchte und murmelte einen Namen, zu leise, um ihn verstehen zu können. »Ja«, sagte Tuon. »Du musst meine Mylen in den Zwingern oder beim Auslauf kennen gelernt haben. Ich werde euch alle genauso gut ausbilden wie sie. Ihr seid mit einem finsteren Makel verflucht worden, aber ich werde euch beibringen, den Dienst am Kaiserreich mit Stolz zu betrachten.«
»Ich habe die drei nicht aus Ebou Dar geschafft, damit Ihr sie zurückbringen könnt«, sagte Mat fest und schob sich über das Bett. Der Fuchskopf wurde noch kälter, Tuon gab ein überraschtes Geräusch von sich.
»Wie habt Ihr… das gemacht, Spielzeug? Das Gewebe… zerschmolz… als es Euch berührte.«
»Das ist eine Gabe, mein Juwel.«
Als er aufstand, setzte sich Selucia geduckt in Bewegung, die Hände flehentlich ausgestreckt. Furcht stand ihr ins Gesicht geschrieben. »Ihr dürft nicht«, setzte sie an.
»Nein!«, befahl Tuon scharf.
Selucia richtete sich wieder auf und wich zurück, auch wenn sie ihn nicht aus den Augen ließ. Seltsamerweise verschwand die Furcht aus ihrem Ausdruck. Er schüttelte erstaunt den Kopf. Er wusste, dass die vollbusige Frau Tuon aufs Wort gehorchte — schließlich war sie So’jhin, genau wie Tuons Pferd ein Stück Besitz, und sie hielt das auch für völlig richtig —, aber wie gehorsam musste man sein, um auf Befehl seine Furcht zu verlieren?
»Sie haben mich verärgert, Spielzeug«, sagte Tuon, als er nach Teslyns Kragen griff. Die Rote zitterte und weinte noch immer, und sie sah aus, als könnte sie nicht glauben, dass er das Ding tatsächlich entfernen würde.
»Sie ärgern mich auch.« Er legte die Finger auf den Kragen, drückte hier und da, und der Reifen öffnete sich mit einem Klicken.
Teslyn ergriff seine Hände und fing an, sie zu küssen.
»Danke«, schluchzte sie unablässig. »Danke. Danke.«
Mat räusperte sich. »Gern geschehen, aber es ist nicht nötig… Würdet Ihr damit aufhören? Teslyn?« Es kostete ihn einige Mühe, die Hände wieder freizubekommen.
»Ich will, dass sie aufhören, mich zu ärgern, Spielzeug«, sagte Tuon, als er sich Joline zuwandte. Bei jedem anderen hätte das trotzig geklungen. Die dunkelhäutige kleine Frau machte daraus eine Forderung.
»Ich glaube, hiernach werden sie damit einverstanden sein«, sagte er trocken. Aber Joline sah mit stur nach vorn geschobenem Kinn zu ihm hoch. »Ihr seid doch einverstanden, oder?« Die Grüne schwieg.
»Ich bin einverstanden«, sagte Teslyn schnell. »Wir alle sind einverstanden.«
»Ja, wir sind alle einverstanden«, fügte Edesina hinzu. Joline starrte ihn stumm und stur an, und Mat seufzte.
»Ich könnte mein Juwel Euch ein paar Tage lang behalten lassen, bis Ihr Eure Meinung geändert habt.« Jolines Kragen öffnete sich in seinen Händen. »Aber das werde ich nicht tun.«
Sie starrte ihm noch immer in die Augen und fasste sich an den Hals, als müsste sie sich vergewissern, dass der Kragen fort war. »Möchtet Ihr einer meiner Behüter sein?«, fragte sie und lachte dann leise. »Kein Grund, so ein Gesicht zu machen. Selbst wenn ich Euch gegen Euren Willen den Bund aufzwingen wollte, ich könnte es nicht tun, solange Ihr dieses Ter’angreal besitzt. Ich bin einverstanden, Meister Cauthon. Vielleicht macht das unsere beste Chance zunichte, die Seanchaner aufzuhalten, aber ich werde mir nicht länger die Mühe machen… mein Juwel.«
Tuon fauchte wie eine nass gespritzte Katze, und er seufzte erneut. Was man hier gewann, verlor man dort.
Er verbrachte einen Teil der Nacht damit, das zu tun, was er auf der Welt am wenigsten mochte. Arbeiten. Ein Loch zu graben, das tief genug war, um die drei A’dam zu vergraben. Er machte es selbst, weil Joline sie überraschenderweise haben wollte. Schließlich waren es Ter’angreale, und die Weiße Burg musste sie studieren. Das konnte schon sein, aber die Burg würde ihre A’dam eben woanders finden müssen. Er war sich ziemlich sicher, dass keine der Rotwaffen sie übergeben hätte, wenn er ihnen befohlen hätte, sie zu vergraben, aber er ging kein Risiko ein, dass die Aes Sedai auftauchten, um mehr Ärger zu machen. Es fing an zu regnen, bevor das Loch knietief war, ein kalter, harter Regen, und als er fertig war, war er bis auf die Haut durchnässt und bis zur Taille schlammverschmiert. Ein tolles Ende für einen großartigen Abend, und die Würfel klapperten in seinem Schädel umher.