28 Der Brunnen

»Bist du in Ordnung?« fragte Tupita.

»Tupita!« sagte ich erstaunt.

»Ja.« flüsterte sie und strich mir beruhigend über die Stirn. »Ruh dich aus. Versuche nicht, aufzustehen. Du würdest ausgepeitscht werden.«

»Wo bin ich?« fragte ich.

»Sieh hoch.« sagte sie.

Ich sah blinzelnd hoch zum Licht. Hoch über mir, wie am Ende eines senkrechten Tunnels konnte ich eine runde, vielleicht sieben oder acht Fuß breite Öffnung sehen. Quer darüber lag ein Rundholz, um das ein Seil gewickelt war. Einige Fuß unter dem Rundholz schwankte ein Eimer an diesem Seil. Oberhalb der Öffnung waren die Überreste von etwas zu sehen, das vielleicht einmal ein kleines Dach gewesen war. Durch diese Trümmerreste konnte ich den blauen Himmel sehen und interessanterweise, wie kleine Punkte, auch Sterne. Sie waren trotz des Sonnenlichts, das sie aus dieser Perspektive nicht überstrahlte, sogar jetzt, am Tage, zu sehen. Ich erhob mich auf die Knie inmitten trockenen Laubes und Kies.

»Tela!« sagte ich.

»Tuka.« meldete sie sich flüsternd.

Tela kniete einige Fuß neben mir. Sie trug immer noch das kleine, jetzt beschmutzte Stück roter Seide, das sie in Aulus’ Zelt getragen hatte. Es war außer dem Kragen die einzige Kleidung, die Aulus den Frauen, die in seinem Zelt dienten, erlaubte.

»Bist du in Ordnung?« fragte ich.

»Ja.« flüsterte sie.

Ich küsste Tupita und Tela.

»Das«, erklärte Tupita, auf zwei an der Seite sitzende Mädchen zeigend, »sind Mina und Cara.«

Sie trugen Reste von Arbeitstuniken. An ihren Knöcheln hatten sie Eisenringe, die durch eine Kette miteinander verbunden waren, so dass sie nicht rennen konnten, die aber die Wachen von nichts abhielten. Geschmiedetes Eisen trugen sie auch um ihre Handgelenke, die durch eine etwa achtzehn Zoll lange Kette verbunden waren.

»Sind sie die Mädchen, die als erste gestohlen wurden?« fragte ich Tupita.

»Ja.« bestätigte sie.

»Das ist Tuka.« stellte sie mich dann den beiden Mädchen vor.

Sie nickten kaum merklich. Sie waren sehr still, beide schienen ängstlich, fast als stünden sie unter Schock.

»Begrüßt sie.« befahl Tupita.

»Ich grüße dich, Tuka.« wisperte eine.

»Ich grüße dich, Tuka.« flüsterte auch die andere.

Sie bewegten sich etwas, was ihre Ketten leise klirren ließ.

»Mina.« sagte ich.

Sie sah hoch.

»Hast du gesehen, was dich weggenommen hat?« fragte ich.

Sie schüttelte den Kopf.

»Cara?«

»Nein.« antwortete Cara schaudernd.

»Es war wahrscheinlich die Bestie, oder mehrere von ihnen.« sagte Tupita. »Die beiden wissen nichts. Sie wurden von einem Augenblick auf den anderen von hinten bewusstlos geschlagen. Ich weiß nicht einmal, ob sie mir das mit der Bestie glauben. Tela sah sie am Zelt, nachdem sie sie geknebelt hatte, bevor sie sie auf den Bauch drehte und fesselte. Ich sah sie auch, vor zwei Tagen, aber nur kurz im Dunklen, als ich von Pietro Vacchis Zelt zum Mädchengehege zurückging. Sie sprang hervor und ergriff mich. Bevor ich schreien konnte, war ich schon geknebelt. Und einem Augenblick später war ich schon gefesselt.«

»Du bist in Pietro Vacchis Zelt benutzt worden?«

»Vor zwei Tagen.«

»Du bist von der Kette befreit worden.« sagte ich.

»Die meisten Männer sind befreit worden.« berichtete sie. »Natürlich mussten ich und die Mädchen der anderen Ketten nur abwarten, wer unser nächster Herr sein würde.«

»Natürlich«, sagte ich, »schließlich sind wir Kajiras.«

»Gibt es die Bestie?« fragte mich Mina.

»Ja.«

»Hast du sie gesehen?«

»Ja.«

»Unser Essen, Brote und Obst, wird nachts zu uns hinuntergeworfen«, berichtete Tupita, »auch Wasser wird nachts im Eimer hinuntergelassen. Dann wird er wieder hochgezogen.«

»Wir dürfen nur einmal am Tag trinken?« fragte ich.

»Ja«, bestätigte sie, »trink also, soviel du kannst.«

»Wie bin ich hier hinunter gekommen?«

»Deine Handgelenke waren zusammengebunden«, erklärte sie, »und ein Doppelseil war hindurch gezogen. Als du in unserer Reichweite warst und wir dich festhalten konnten, wurde das eine Seilende hinuntergeworfen und am anderen Ende hochgezogen. Wir haben dann deine Fesseln gelöst.«

»Wie war ich gefesselt?«

»Mit Stricken.« antwortete Tupita.

»Ist es nicht merkwürdig, dass eine Bestie Stricke hat?«

»Das stimmt.«

»Was ist das für ein Ort hier?« fragte ich weiter, mich umsehend.

»Es ist wahrscheinlich ein ausgetrockneter Brunnen«, sagte Tupita, »er ist aber verändert worden.«

»Wie?«

»Der Boden unter uns ist mit großen Felsbrocken und mit Sand aufgefüllt. Darunter kommt Fels.«

Ich nickte. Das hier war nicht einfach ein ausgetrockneter Brunnen. Er war in ein Gefängnis umgebaut worden.

»Wenn es diese Bestie gibt«, fragte Mina, »was will sie von uns?«

»Es ist zweifellos so ein Ding«, sagte Tupita, »das die Aedilen außerhalb Vennas fütterten.«

»Dann will es uns vielleicht fressen.« flüsterte Mina.

»Vielleicht.«

Wir schauderten. Es war durchaus möglich, dass dies unsere Bestimmung war. Dies hier könnte eine Speisekammer sein.

»Aber soweit ich weiß«, sagte Tupita, »ist von hier noch niemand zum Fressen geholt worden.«

»Vielleicht hebt sie sich uns für später auf.« sagte Mina.

»Mina und Cara wurden schon vor Tagen gefangen.« sagte Tupita. »Die Übergangszeit für gestohlene Sklaven ist für sie sicher schon vorbei. Jeder, der sie gefangen hat, kann jetzt Anspruch auf sie erheben.«

Sicher waren sie immer noch Sklavinnen des Ionicus, aber diese Eigentümerschaft musste jetzt einem neuen Anspruch weichen. Dieses goreanische Gesetz gab es anscheinend deshalb, damit ein Sklave immer einen Eigentümer hat. Im Falle des Todes eines Herren geht der Sklave wie jeder andere Besitz in das Eigentum der Erben über, oder, wenn es keinen Erben gibt, in das Eigentum des Staates.

»Sie sind nicht gefressen worden.«

»Noch nicht.« zweifelte Mina.

»Du musst daran denken«, sagte Tupita, »dass wir alle hier weiblich sind. Das ist doch interessant.«

»Ja«, stimmte ich zu, »es kann durchaus sein, dass die Bestie auch den Aedilen bestohlen hat.«

»Das ist sicher möglich.« sagte Tupita.

»Wenn man an unseren Wert denkt, macht das Sinn« , bemerkte ich, »und an manche Art, wie man uns benutzen kann.«

»Ja.« sagte Tupita.

»Außerdem war ich mit Stricken gefesselt, als ich zu euch heruntergelassen wurde.«

»Das stimmt«, antwortete Tupita, »die Bestie ist wirklich da.«

»Worüber sprecht ihr eigentlich?« fragte Mina.

»Wir überlegen«, entgegnete Tupita, »ob ich mich nicht geirrt haben könnte. Obwohl dieses Ding vielleicht Menschen frisst, kann es sein, dass wir nicht als Nahrung hierher gebracht wurden.«

»Ich verstehe nicht.« sagte Mina.

»Die Bestie arbeitet vielleicht mit Männern zusammen.« erklärte Tupita. »Wenn das stimmt, sind es vielleicht Sklavenhändler.«

»Aber du weißt das nicht sicher!« gab Mina zu bedenken.

»Nein.« gab Tupita zu. »Aber sieh dich doch um. Du findest hier nichts außer uns, was von Interesse sein könnte. Meinst du nicht, dass wir alle für Männer von Interesse sind?«

Ich sah verlegen zu Boden. Ich war als einzige der Mädchen im Brunnen nackt. Mina und Cara hatten Reste ihrer Arbeitstuniken an und Tupitas Tunika war noch fast unversehrt, sie war nur ein wenig eingerissen, vielleicht hatte die Bestie sie dort zerfetzt. Und Tela hatte das verschmutzte kleine Seidentuch.

»Für mich ist es am Wahrscheinlichsten«, fuhr Tupita fort, »dass wir nicht gestohlen wurden, um als Nahrung zu dienen, obwohl solch eine Bestie uns sicher fressen könnte, sondern um an Sklavenhändler übergeben zu werden.«

»Ich erinnere mich jetzt«, unterstützte ich sie, »dass die Bestie im Dunklen, bevor sie mich bewusstlos schlug, mich vor ihr niederknien ließ.«

»Ausgezeichnet!« sagte Tupita zufrieden. »Dann schlage ich vor, wir knien vor den Bestien nieder, wie wir es vor Männern tun würden. Sie scheinen uns als weibliche Sklaven anzusehen. Deshalb werden sie Unterwürfigkeit von uns erwarten.«

Wir küssten uns hoffnungsvoll.

»Was gibt es jetzt zu tun?« fragte Mina.

»Du trägst Ketten und einen Kragen.« entgegnete Tupita. »Du bist eine Kajira. Was denkst du, wirst du tun?«

Mina sah sie an.

»Du wirst warten.« sprach Tupita weiter.

»Wie konnte das Ding in das Arbeitslager kommen?« fragte ich.

»Es grub sich unter dem Zaun hindurch.« erklärte Tela. »Es hat mich nicht im Zelt bewusstlos geschlagen, vielleicht weil es befürchtete, dass der Herr oder du das hören könnten. Ich wurde unter dem Zelt in die Nacht gezerrt. Nach einiger Zeit räumte das Ding einen Busch beiseite, der den Tunnel verbarg und zerrte mich dort hindurch. Auf der anderen Seite des Zaunes vergewisserte es sich, dass niemand da war und schlug mich bewusstlos.«

»Was hast du mitbekommen?« fragte mich Tupita.

»Ich kam mit Aulus zu Pietro Vacchis Lager«, antwortete ich, »wo er die Verhandlungen über die gestohlenen Ketten beenden wollte. Ich war an seinen Steigbügel gekettet.«

»Das erklärt, warum du nackt bist.«

»Ja.«

»Du hast bestimmt wunderschön ausgesehen, so an den Steigbügel gekettet.« bemerkte Tupita.

»Genauso schön wie du.« antwortete ich.

»Was für Bestien mögen das sein, die Vergnügen daran haben, uns so zu zeigen?« fragte sie.

»Sie sind Herren.« entgegnete ich.

»Ich wette, du warst stolz darauf, am Steigbügel angekettet zu sein.«

»Natürlich.« lachte ich.

»Sklavin.« sagte Tupita.

»Natürlich bin ich eine Sklavin.« sagte ich. »Bist du keine Sklavin, keine vollkommene Sklavin?«

»Doch«, lächelte sie, »ich bin auch eine Sklavin und wie du, liebste Tuka, eine vollkommene.«

»Du hast gesagt, dass du in Pietro Vacchis Zelt gedient hast.« fragte ich sie.

»Ja.«

»Du musst wunderschön gewesen sein«, stellte ich fest, »um für dieses Zelt ausgewählt zu werden.«

»Wenn du an Aulus’ Steigbügel ins Lager gekommen bist«, antwortete sie, »dann wette ich, dass du auch mit der Halskette des Pietro Vacchi vertraut bist.«

Ich sah nach unten.

»Nein«, lächelte ich, »sie ist mir nicht unbekannt.«

»Er hat mich vor Lust zum Schreien gebracht.« sagte Tupita.

»Mich auch.« lächelte ich.

»Ich war selten in den Armen eines solchen Mannes.« sagte sie.

»Ich auch.«

»Er ist Soldat und Kapitän«, fuhr sie fort, »er weiß sehr gut einer Frau ihren Kragen nahe zu bringen.«

»Das ist wahr.«

»Ich war auf dem Rückweg zum Mädchengehege, als mich die Bestie gefangen nahm.«

»Es war also sicher wegen dir, dass er mir eine Wache mitgab, um mich zum Gehege zu begleiten.« schlussfolgerte ich. »Er deutete an, dass vor kurzem etwas mit einem Mädchen passiert war, dass sie verschwand oder unter seltsamen Umständen gestohlen worden war, vielleicht auf dem Weg vom Zelt zum Gehege.«

»Das war möglicherweise ich.« sagte Tupita.

»Zweifellos.«

»Es ist interessant, dass wir beide in Vacchis Zelt dienen mussten und jetzt beide hier sind.«

»Was meinst du damit?« fragte ich. »Denkst du, Vacchi ist in unsere Entführung verwickelt?«

»Sicher nicht.« sagte sie. »Wenn er gewollt hätte, hätte er jede von uns in seinen Kragen stecken können. Wer hätte ihm das inmitten seiner Söldner verwehren können?«

»Das ist wahr.«

»Aber«, fuhr sie fort, »das ist mehr als ein Zufall. Kann es nicht sein, dass die Bestie, die ja nicht von unserer Art ist, Vacchis Wahl benutzt hat, um sicherzustellen, dass die Entführten für menschliche Männer attraktiv genug sind?«

»Ja«, stimmte ich ihr zu, »das ist möglicherweise der Grund. Und Tela war die erste von der Kette, die im Aufseherzelt dienen musste! Das könnte die Bestie davon überzeugt haben, dass sie ein geeignetes Opfer war.«

»Was ist mit mir und Cara?« fragte Mina.

»Hast du in der Nähe des Zauns gedient?« fragte ich. »War deine Kette kurz vor deiner Entführung dort?«

»Ja.«

»Vielleicht wurde die Bestie durch Männern auf dich als geeignete Beute aufmerksam gemacht.«

»Der Aedile kam der Bestie vielleicht unerwartet dazwischen.« vermutete Tupita.

»Möglich.« sagte ich. »Aber vielleicht hatte sie einfach Hunger.«

»Könnte sie nicht für Gold getötet haben?« fragte Mina.

»Mit Sicherheit.« sagte ich. »Aber das eine schließt das andere ja nicht aus.«

»Das ist wahr.« sagte Mina schaudernd.

»Tuka.« wandte sich Tupita an mich.

»Ja.«

»Wie geht es dem Herrn?«

»Dem Herrn?«

»Aulus.«

»Soweit ich weiß, ist er in Ordnung.« sagte ich.

»Gut.« sagte sie, sich erleichtert auf den Knien zurücklehnend.

Ich sah sie scharf an und sie senkte ihren Kopf. Da vermutete ich, dass ihr Bauch seinen Liebesherrn gefunden hatte. Sicher, wir Sklavinnen müssen uns nach der Berührung jedes Mannes sehnen. Ich sah keinen Grund, ihr von der »Hofdame« zu erzählen, zu deren Ausbildung zur Frau Aulus beitragen sollte.

»Du weißt, dass die meisten Männer der Ketten befreit wurden?« fragte Tupita.

»Ja.« antwortete ich.

»Er ist Richtung Venna gegangen.« sprach sie weiter.

»Ich weiß.«

»Er tat nichts, um mich zu bekommen.«

»Das tut mir leid.«

»Vielleicht«, fuhr sie fort, »ist ihm dein Blut wichtiger als meine Liebe.«

»Glaubst du, er will mich immer noch umbringen?«

»Ich weiß es.« antwortete sie.

Ich schauderte. Ich war hilflos auf dem Boden eines Brunnens gefangen. Wenn er mich hier fand, wie sollte ich entkommen? Vielleicht würde er den Eimer für die anderen herunterlassen, für mich aber nicht? Vielleicht warf er große Steine auf mich? Vielleicht warf er giftige Insekten oder Schlangen in den Brunnen? Vielleicht ließ er mich hier verhungern?

Tupita begann, ihre Tunika am Saum zu zerreißen.

»Was tust du?« fragte ich.

»Du sollst auch etwas zum Anziehen haben, wenn du willst.«

»Deine Tunika reicht doch kaum für dich.«

Sie hatte schon einen schmalen Streifen abgerissen.

»Das ist ein Gürtel für dich.«

Dann riss sie ein größeres Stück Stoff ab.

»Tupita!« protestierte ich.

»Wir werden beide barbusige Sklavinnen sein.« sagte sie. »Schämt ihr früheren Erdenfrauen euch etwa der Schönheit eurer Brüste?«

»Nein.«

»Hier.« sagte sie und gab mir den schmalen, verknoteten Streifen, den sie vom Saum ihrer Tunika abgerissen hatte. »Roll ihn auf und drehe einen Strick daraus. Damit hält er mehr aus. Genau so. Das ist es. Jetzt kannst du ihn um deine Hüften legen.«

Ich legte den schmalen, improvisierten Gürtel um meine Hüften und knotete ihn auf der linken Seite mit einer Schleife zusammen, so dass ein Herr ihn mit einem Ruck öffnen konnte.

»Hier.« sagte sie noch einmal und gab mir das größere Stück Stoff.

Ich befestigte es sorgfältig und so, dass es ein reizvolles Bild ergab, über meinem Bauch am Gürtel.

»Wie ich sehe, weißt du, wie man einen Sklavenrock an einer Bauchkordel befestigt.« sagte Tupita zufrieden.

»Natürlich.« sagte ich.

»Lass dich jetzt mal ansehen«, fuhr sie fort, »in deinem Kragen und angezogen.«

Sie betrachtete mich.

»Ich nehme an, du bist eine niedrige Sklavin«, sagte sie dann, »wegen deiner nackten Brüste und der schlechten Qualität des Gürtels und des Tuchs, das du trägst.«

»Ja, Herrin.« lächelte ich.

»Und trotzdem bist du hübsch.« stellte sie fest.

»Ich danke dir, Herrin.« lächelte ich.

»Und deine Kleidung, abgesehen von ihrer Qualität, steht dir gut. Sie kann leicht ausgezogen werden.«

»Ja, Herrin.«

Das Tragen solcher Tücher und Tuniken, die leicht ausgezogen werden können, dient unterschiedlichen Zwecken. Zum Beispiel ist es ein Schutz für die Trägerin. Andererseits steigert es, weil diese Kleidung soviel enthüllt und weil sie nur mit Erlaubnis eines Mannes getragen werden kann, das Bewusstsein der Trägerin für die Bloßstellung ihrer Reize und ihre Verletzbarkeit. Sie wird ständig daran erinnert, dass sie eine Sklavin ist. Die Kleidung zwingt sie natürlich auf einer tiefen psychologischen und physiologischen Ebene auch dazu, egal, was ihre Wünsche in dieser Hinsicht sind, sich in ihr erotisch zu bewegen. Sie zwingt sie in eine tiefere Abhängigkeit von den Männern. Es ist sehr schwer, wie eine Sklavin gekleidet zu sein und sich nicht, selbst wenn man eine freie Frau ist, auch wie eine Sklavin zu fühlen. Und es ist nicht ungewöhnlich, eine freie Frau als ersten Schritt ihrer Versklavung wie eine Sklavin zu kleiden.

»Kann ich so ins Lokal gehen?« fragte ich.

Das Erste Mädchen einer Taverne kontrolliert ihre Untergebenen oft, bevor sie ihnen erlaubt, das Lokal zu betreten.

»Jetzt schon«, lächelte Tupita, »aber du würdest es vielleicht auch im Heu mit einem groben Viehtreiber machen.«

Ich lachte und Tupita lachte auch, aber dann sahen wir uns an und die glatten Wände des Brunnens um uns herum und die weit entfernte Öffnung über uns. Ich bemerkte wieder, dass wir merkwürdigerweise am Nachmittag die Sterne in dieser Öffnung sehen konnten. Wir setzten uns dann ruhig auf den Boden aus trockenen Blättern und Kies, mit dem Rücken an die Brunnenwand gelehnt. Wir wussten nicht, wie sich unser Schicksal gestalten würde.

»Gibt es eigentlich nur eine Bestie oder mehrere?« fragte Tela.

»Wir wissen es nicht.« antwortete Tupita.

»Wir werden in Unkenntnis gehalten.« rief Tela aus. »Sie lassen uns nichts wissen! Wir wissen nicht, wo wir sind! Wir wissen nicht, wer uns entführt hat und noch nicht einmal, wieviele es sind! Wir wissen nicht, was sie mit uns tun wollen! Sie behandeln uns wie … wie …«

»Wie Sklavenmädchen?« fragte Tupita.

Tela sah sie an und schlug mit ihren kleinen Fäusten frustriert auf ihre Schenkel.

»Ja!« schluchzte sie.

»Du bist keine freie Frau mehr, Lady Liera Didiramache aus Lydius.« sagte Tupita. »Du bist jetzt Tela, eine Sklavin. Sie behandeln uns, wie sie wollen! Genauso wie sie es mit ihren Tharlarion, ihren Tarsks oder ihren anderen Tieren machen.«

»Ja.« flüsterte Tela und wich verängstigt zurück.

Doch einen Augenblick später begann sie immer schneller zu zittern. Dann lag sie in ihrem Kragen und ihrem Stück Seide dort, an der Brunnenwand, zitternd und unsere Augen meidend.

Dann waren wir alle sehr ruhig. Wir wussten nicht, was unser Schicksal sein würde. Wir mussten abwarten.

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