»Lass mich Wasser zu ihnen bringen.« sagte sie.
Ihre Beine waren wunderschön. Sie hatte langes dunkles Haar. Es war kein Wunder, dass sie einmal in einer Taverne gedient hatte. Die kurze, enge Arbeitstunika ließ viel von ihr sehen.
Unsere Füße steckten bis zu den Knöcheln im Sand. Ich trat zurück. Ich würde mich nicht mit ihr um die Arbeit streiten. Ich fürchtete mich davor, dieser Gruppe von vielleicht fünfzig Männern zu nahe zu kommen.
»Nein«, lehnte der Wächter grinsend ab, »Tuka.«
Zehn Tage war ich jetzt schon bei der »Schwarzen Kette des Ionicus«, aber noch nie war ich dieser Gruppe zugeteilt worden. Gewöhnlich gehören zwei Mädchen zu jeder Gruppe. Die »Schwarze Kette« bestand aus mehreren solchen Gruppen von jeweils ungefähr fünfzig Männern. Die anderen Ketten des Ionicus, die »Rote Kette«, die »Gelbe Kette« und so weiter, arbeiteten an anderen Orten, nicht in der Nähe von Venna.
Ionicus war einer der größten Herren von Arbeitskolonnen. Er selbst wohnte, wie ich gehört hatte, in Telenus, der Hauptstadt von Cos, wo seine Gesellschaft ihren Sitz hatte. Seine Arbeitskolonnen waren jedoch politisch neutral und begriffen das Handelrecht als flexibles Instrument. Dementsprechend kam es vor, dass sie in einem Konflikt für beide Seiten arbeiteten. Der Gold-Tarsk bedeutet Männern wie Ionicus alles.
Ich sah hinunter auf den Platz, wo die Männer arbeiteten. Sie verluden Sand, der später für die Herstellung von Mörtel verwendet werden sollte. Die Vennaer waren dabei, ihre Mauern zu reparieren und zu erhöhen.
»Zögerst du etwa?« fragte der Wächter.
»Nein, Herr, natürlich nicht, Herr.« antwortete ich schnell.
»Nimm dich in Acht.« sagte eines der Mädchen.
Mein Körper und besonders meine Beine schmerzten unter dem Gewicht des Wassersacks, der an einem Riemen über meiner Schulter hing. Ich würde mich freuen, wenn der Inhalt ausgegossen war, aber dann musste ich schon bald zum Holztank zurückeilen, den Sack erneut untertauchen und ihn unter dem Geblubber der aufsteigenden Luftblasen erneut füllen. Während des ganzen Tages durfte ich nicht aus dem Wassersack trinken, nur am Holztank war mir das erlaubt.
Normalerweise war es so, dass ein Mädchen zum Tank zurückkehrte, während das andere die Mannschaft versorgte. So wurde sichergestellt, dass immer Wasser verfügbar war, es sei denn, die Wachen wollten die Männer bestrafen. In diesem Fall mussten wir vielleicht mit den prallen Wassersäcken neben uns vor ihnen niederknien, so dass sie uns sehen konnten, wir durften ihnen das Wasser aber nicht bringen. Manchmal verboten die Wachen auch den Männern das Trinken, tranken selbst aber vor ihren Augen, spuckten das Wasser manchmal auch aus oder gossen es sich über den Kopf oder den Körper. Manchmal leerten sie dann einen Wassersack vor ihnen in den Sand.
Um meinen Hals hatte ich an einer langen Schnur eine Metalltasse hängen. Sie hing bis einige Zoll unterhalb meines Nabels. Das war ein Scherz der Herren. Damit ich besser dienen konnte, war ich jetzt anders gefesselt, als ich ins Lager gebracht wurde. Die senkrechte Kette, die Fuß- und Handgelenksketten verbunden hatte, war entfernt worden. Die Fußkette war jetzt zwei Fuß lang. Dieser Abstand verhinderte offenbar ausreichend, dass ich rennen konnte, machen es den Wachen aber andererseits bequemer, mich auf dem Rücken liegend zu benutzen, wenn sie das wollten.
Meine Handgelenke waren ebenfalls zusammengekettet, aber von einer etwas kürzeren Kette. Damit konnte ich meine Hände benutzen, außer wenn die Hände hinter meinem Rücken gefesselt wurden. Das war die normale Fesselung der weiblichen Arbeitssklaven in der »Schwarzen Kette des Ionicus«. Der einzige Unterschied zwischen unseren Ketten war die Anzahl der Kettenglieder zwischen unseren Knöcheln, die von der Länge unserer Beine abhing.
»Du weißt, dass er dort unten bei den anderen ist.« sagte das Mädchen, das neben mir gefesselt im Sand auf dem kleinen Hügel stand, mit dem Wassersack an einem Riemen über ihrer Schulter.
»Ja.« flüsterte ich verängstigt.
Ihn fürchtete ich am meisten von allen.
»Nimm dich in Acht.« sagte das Mädchen noch einmal.
Ich nickte, krank vor Angst.
»Fürchte dich nicht.« sagte der Wächter. »Es ist unwahrscheinlich, dass sie versuchen, dich umzubringen, während sie in Ketten sind. Wie sollten sie entkommen? Und wenn sie es doch versuchen, greife ich vielleicht ein. Es könnte sogar sein, dass ich noch rechtzeitig komme.«
»Ja, Herr.« flüsterte ich verängstigt.
Ich wusste, wenn sie mich töten wollten, könnten sie das ziemlich schnell erledigen. Der Wächter, der gewöhnlich auf dem Hügel stand, würde auf jeden Fall zu spät kommen. Mir konnte in einem Augenblick der Hals gebrochen werden oder sie würden mich erwürgen. Ich sah ängstlich zu dem anderen Mädchen. Sie war wie ich in Samnium verkauft, jedoch direkt an einen Agenten Ionicus’, und zur Schwarzen Kette geschickt worden, die zu dieser Zeit in Torcadino stationiert war. Mit der Kette war sie in den Osten nach Venna gekommen. Der Agent in Samnium hatte sie, wie ich von einem anderen Mädchen erfahren hatte, das gemeinsam mit ihr verkauft worden war, für siebzig Kupfer-Tarsks gekauft. Ich hatte fünfzig gebracht. Das Mädchen selbst, das mir das alles erzählt hatte, war für nur vierzig verkauft worden.
Es schien, als wären wir alle sehr billig gewesen. Sicher, wir waren gestohlene Sklavinnen gewesen. Die Übergangszeit war natürlich vorbei gewesen, jetzt wir waren natürlich vollständig und in jeder Hinsicht legales Eigentum unseres Herren, Ionicus aus Cos. Ich ärgerte mich etwas, dass ich für 20 Kupfer-Tarsks weniger verkauft worden war als die andere. Ich war bestimmt genauso schön wie sie, oder vielleicht sogar schöner. Auf jeden Fall waren wir beide, da war ich sicher, aufregende Sklavinnen. Vielleicht lag es an dem einzelnen Mann und wie sehr wir ihn interessierten? Vielleicht war ich verkauft worden, bevor der Agent auf dem Markt eingetroffen war? Außerdem hatte mein früherer Herr, Gordon, fünfzig Kupfer-Tarsks für mich bezahlt, was für ihn zweifellos viel Geld gewesen war. Er war schließlich nur ein umherziehender Musikant gewesen und kein Agent von so etwas ähnlichem wie einer internationalen Gesellschaft mit beträchtlichem Kapital!
Ich war sicher, dass ich schöner war als sie oder dass mich einige Männer, nein, viele Männer so einschätzen würden! Bestimmt stand ich auf einigen der Bäderlisten höher als sie!
Ich ging langsam durch den Sand den Hügel hinunter. Langsam ging ich nicht nur, weil ich Angst hatte, sondern auch weil der Weg steil war und ich wegen meiner Ketten nicht stolpern wollte. Es war kurz nach der zehnten Ahn, dem goreanischen Mittag. Mein Schatten vor mir auf dem heißen Sand war kurz. Hier und da wuchs hartes, raues Gras oder ein Unkraut auf dem Sand. Ich drehte mich einmal nach dem Wächter und dem Mädchen um, die oben auf dem kleinen Hügel standen. Dann erreichte ich die Gruppe der Arbeiter. Sie arbeiteten im Sand in einem kleinen Tal zwischen flachen Hügeln. Ihr Tal war durch den Hügel nebenan von den anderen Gruppen getrennt. Zuerst machte ich mir darüber keine Gedanken. Meine Hauptsorge war, dass der Wächter sehen konnte, was passierte. Ich lief durch den tiefen Sand des Tales, was besser ging als im Sand des Hügels.
Dann blieb ich stehen. Die halbnackten, schwitzenden, muskulösen Männer, deren Füße aneinandergekettet waren, drehten sich zu mir um. Seit ich zur Kette gekommen war, hatte ich am meisten gefürchtet, diese Gruppe bedienen zu müssen. Bis letzte Nacht war ich ihr noch nie zugeteilt worden. Als ich mich vor einigen Tagen dem Aufseher präsentieren musste, hatte ich gehofft, er würde Interesse an mir finden und mich in seinem Zelt behalten, als seine persönlichen Schlampe. Aber nicht mich hatte er gewählt.
Als ich vor ihn gebracht wurde, kniend mit meinen Ketten, meine Tunika über meine Schultern zurückgeschlagen, war schon ein Mädchen neben seinem Stuhl. Es war die, die die erste an der Sklavenkette und einmal eine reiche Frau gewesen war. Sie war immer noch gefesselt auf allen vieren. Ihre Arbeitstunika war entfernt worden und ein kleines Stück Seide hing an einen Lederriemen um ihre Taille geknotet vor ihr hinunter. Unsere Augen begegneten sich. Sie sah nach unten. Der Aufseher hatte seine Wahl schon getroffen. Seitdem hatte auch ich, genauso wie andere Mädchen, das Stück Seide in seinem Zelt getragen. Er konnte jede von uns haben.
Ich würde jetzt mit gesenktem Kopf zu den Männern gehen.
Ich würde jeden fragen: »Wasser, Herr?«
Vor denen, die Wasser wollten, würde ich niederknien und ihnen eine Tasse eingießen. Es war selbstverständlich, dass ich niederkniete, ich war schließlich eine Sklavin und sie waren freie Männer, auch wenn sie jetzt gefesselt und, zu Recht oder nicht, Zwangsarbeiter waren. Eine Sklavin kniet gewöhnlich vor freien Männern, wenn sie ihnen etwas serviert.
»Wein, Herr?« ist ein verbreiteter Ausdruck. Damit bietet die Sklavin dem Herrn nicht nur ein Getränk an, sondern damit verbunden auch den Wein ihrer Liebe, ihres Körpers und ihrer Schönheit. Ich hatte gebettelt, nicht diese Gruppe bedienen zu müssen. Meine Bitten waren ignoriert oder verhöhnt worden. Wenn sie schon keine Rücksicht auf meine Gefühle nahmen, dann würden sie sich vielleicht auch nicht darum sorgen, das Eigentum ihres Arbeitgebers einem solchen Risiko auszusetzen? Dann erinnerte ich mich daran, dass Ionicus aus Cos für mich sehr viel mehr gezahlt hatte, als für einen weiblichen Arbeitssklaven üblich ist und dass er das zu seinem »Vergnügen« getan hatte.
Ich sah zur Gruppe und schauderte. Es waren fünfzig Männer an der Kette. Dreiundzwanzig von ihnen waren mit meiner Hilfe in Argentum entführt worden. Langsam ging ich durch den Sand zu ihnen. Dann blieb ich wieder stehen und blickte zurück auf den Hügel. Konnte mir keine Geste der Gnade zuteil werden, dass ich zurücklaufen durfte über den losen Sand, zurück in die Sicherheit des Hügels und der Peitsche und des Schwertes des Wächters? Der Wächter machte aber keine Bewegung. Das Mädchen, das neben ihm stand, schien sehr ängstlich.
»Wieso muss ich dir immer wieder begegnen?« hatte sie wütend ausgerufen, als ich zum ersten Mal in das Gehege gekommen war, noch in den Ketten, in denen ich zum Lager gebracht worden war. Ich hatte sie soweit als möglich gemieden. Jetzt aber konnte ich das nicht mehr.
Wir waren derselben Gruppe zugeteilt. Ich glaube, ihr war das mittlerweile genauso egal wie mir. Sie hatte Angst, aber nicht so sehr um mich, sondern vor dem, was einer der Männer hier unten tun könnte, etwas, für das er bestraft oder sogar getötet werden könnte. Während ich gebettelt hatte, dieser Gruppe nicht zugeteilt zu werden, hatte sie schon vor Wochen, wie ich gehört hatte, darum gebeten, hier bedienen zu dürfen. Sicher hatte sie hier nicht mehr als jedes andere Mädchen zu befürchten. Ich dagegen hatte sehr viel zu fürchten. Die Wachen hatten ihrer Bitte entsprochen. Sie arbeitete scheinbar sehr hart, um ihren Posten in dieser Gruppe zu behalten, transportierte unermüdlich und geduldig Wasser, manchmal sogar in Doppelsäcken und diente am Abend eifrig und mit Raffinesse den Wachen. In den Gehegen wurde wegen der Häufigkeit, mit der sie zu den Wachen gerufen wurde, geflüstert, dass sie nicht immer eine gewöhnliche Arbeitssklavin gewesen war. Es wurde vermutet, dass sie einmal Vergnügungssklavin in einer Taverne, dass sie sogar Erstes Mädchen gewesen war.
Ich war jetzt wenige Fuß von dem ersten Mann entfernt. Ich erinnerte mich an ihn aus Argentum. Er war Metallarbeiter und ich hatte vorgegeben, auch seiner Kaste anzugehören. Der, den ich jedoch am meisten fürchtete, befand sich am Ende der Kette. Ich betrachtete die Werkzeuge, die die Männer in der Händen hielten. Jede dieser Schaufeln konnte mir mit einem einzigen Schlag den Kopf vom Körper trennen. Ich wusste, dass ich schnell, sehr schnell getötet werden konnte. Ich sah von einem Gesicht zum anderen und bemerkte, dass diese Männer mich wahrscheinlich überhaupt nicht schnell töten wollten. Wenn sie mich umbringen wollten, würden sie das wahrscheinlich lieber langsam tun.
Ich wollte diese Gruppe nicht bedienen. Seit Tagen hatte ich mich davor gedrückt. Dann war letzte Nacht ein Mädchen plötzlich weggebracht worden. Ich vermutete, sie sollte ihren Platz für mich freimachen. Ich wusste nicht, warum, aber so war es gewesen.
»Wasser, Herr?« fragte ich.
Die Männer waren nur am Fuß zusammengekettet. Ihre Hände waren frei. Sie hatten Werkzeuge.
»Ja.« sagte der Mann.
Ich kniete mit gesenktem Kopf im Sand vor ihm nieder. Ich streifte die Metalltasse an ihrer Schnur über meinen Kopf. Mein Hals war vor ihm entblößt. Ich füllte die Tasse und verschloss den Wassersack wieder. Ich hatte Angst, dass der Mann mich in den Sand stoßen würde. Ich küsste die Tasse, hielt sie mit beiden Händen und bot sie ihm mit erhobenen Armen und gesenktem Kopf an. Er nahm sie, trank und gab sie mir zurück.
»Ich danke dir, Herr.« flüsterte ich.
Ich lebte noch!
Ich ging zum nächsten Mann und zum nächsten. Je weiter ich in der Reihe kam, umso dankbarer und erleichterter wurde ich. Jeder der Männer nahm Wasser von mir. Es schien, als wäre ich für sie wie jedes andere Wassermädchen auch. Es war unmöglich, meine Erleichterung zu beschreiben. Es schien, als würden die Männer mir nicht nachtragen, dass ich bei ihrer Entführung beteiligt gewesen war. Vielleicht wussten sie, dass ich hilflos gewesen war, dass ich als goreanische Kajira keine Wahl gehabt hatte, als zu gehorchen. Wie erstaunlich es war, dass sie keinen Groll gegen mich hegten! Wie dankbar ich ihnen für ihr Verständnis war!
Dann kniete ich vor dem letzten Mann der Kette, den ich am meisten fürchtete und doch am Besten kannte, der in Brundisium so freundlich zu mir gewesen war und den ich in Argentum so geschickt hereingelegt und in seine derzeitige Lage gebracht hatte.
»Wasser, Herr?« fragte ich.
»Ja.« sagte er.
Ich goss ihm das Wasser ein und bot ihm die Tasse auf die gleiche Art wie den anderen vor ihm an. Er nahm sie, trank aber nicht, sondern sah mich mit Hass in den Augen an, drehte die Tasse und schüttete das Wasser langsam in den Sand. Ich erschrak. Es schien eine Art Signal für die anderen zu sein. Ich fand mich plötzlich in der Mitte der Männer wieder, kniend, zitternd, klein, in der Mitte eines unerbittlichen Kreises.
»Ihr Herren?« fragte ich verängstigt.
Sicher kam jetzt die Wache schon den Hügel hinunter, um sie zu schlagen und zurückzupeitschen. Aber wie ich so in ihrer Mitte kniete, konnte ich keine Wache sehen.
»Ihr Herren?« fragte ich wieder.
Sie sagten nichts. Wo war die Wache?
»Bitte, ihr Herren«, sagte ich, »ich bin nur eine Sklavin. Bitte seid freundlich zu einer Sklavin.«
»Sie täuscht ihr Erschrecken gut vor.« sagte einer der Männer.
»Sie ist eine gute Schauspielerin.« kommentierte ein anderer.
»Bitte, ihr Herren!« flehte ich.
Der, vor dem ich kniete, warf die Tasse zur Seite in den Sand. Der Wassersack wurde mir abgenommen und neben die Tasse geworfen. Ich wagte es nicht, mich von meinen Knien zu erheben. Ich war eine Sklavin. Es war mir nicht erlaubt worden.
»Du warst ein ausgezeichnetes Ködermädchen.« bemerkte einer der Männer.
»Ich danke dir, Herr.« wisperte ich.
Selbst wenn ich gewagt hätte, aufzustehen, ich wusste nicht, ob ich in meinem Schrecken überhaupt die Kraft dazu gehabt hätte. Aber auch wenn ich die Kraft gefunden hätte, ich hätte ihnen nicht entkommen können. Sie waren überall um mich herum. Außerdem konnte ich, gefesselt wie ich war, nicht rennen.
»Sie hat mich raffiniert getäuscht.« stellte ein Mann fest.
»Und mich.«
»Und mich.«
»Verzeiht mir, ihr Herren!« flehte ich.
Die Wache erschien nicht.
»Hilfe!« schrie ich. »Hilfe! Hilf mir, Herr! Bitte hilf! Hilf, Herr!«
Aber nur Stille antwortete auf meine Schreie.
»Ist es dir erlaubt zu sprechen?« fragte ein Mann.
»Nein, Herr.« flüsterte ich. »Verzeih mir, Herr.«
Der Mann, vor dem ich kniete und ein anderer, muskulöser Mann hoben mich an den Armen hoch. Ein anderer Mann schlug mich zweimal. Dann wurde ich zurück auf den Sand geworfen, auf alle vier, eine bestrafte Sklavin.
»Lasst sie versuchen, wegzulaufen.« sagte der Mann, vor dem ich gekniet hatte.
Ich sah wild um mich. Ich schmeckte Blut in meinem Mund. Der Mann hinter mir trat zu Seite und machte eine Gasse zum Hügel frei. Ich sah den an, vor dem ich gekniet hatte. Ich erhob mich auf die Füße, kauerte mich halb zusammen und kroch vorsichtig rückwärts weg von ihm, bis ich die Kette hinter mich gelassen hatte. Dann drehte ich mich wild um und versuchte, zu rennen. Ich fiel wieder und wieder hin und begann dann, den sandigen Abhang zu erklimmen. Immer wieder rutschte ich zurück, behindert durch meine Ketten. Dann war ich oben.
Hier war nicht nur der Wächter und die andere Arbeitssklavin, die jetzt mit dem Kopf im Sand kniete, sondern auch der Aufseher und eine Sänfte mit acht Trägern und einem Mann in Seidenroben, fett und kahl, der darin zurückgelehnt saß, ein kurzstieliges Lorgnon in seiner rechten Hand haltend. Schnell kniete ich vor der Sänfte nieder, mit Sand bedeckt, in meinen Ketten und erwies meine Ehrerbietung.
»Sieh hoch.« befahl der Aufseher.
Der Mann betrachtete mich durch das Lorgnon.
»Das«, sagte der Aufseher, »ist das Mädchen, Tuka, das deinem Lieferanten, Tyrrhenius aus Argentum, diente. Wir haben sie deinem Befehl gemäß gekauft, für ein Tarsk-Stück über ihrem früheren Verkaufspreis. Wir haben sie zur Schwarzen Kette hergebracht, weil wir dachten, das würde dich erfreuen. Wir freuen uns, dass das so gut mit deiner Inspektionsreise zusammengepasst hat.«
Der Aufseher machte eine Geste zum Wächter, der meine Tunika öffnete und sie zurückschlug. Ich sah, wie sich das Lorgnon etwas hob.
»Wie du sicher schon vermutest«, sagte der Aufseher, »war sie ein ausgezeichnetes Ködermädchen. Sie war an der Entführung von dreiundzwanzig Gefangenen dort unten beteiligt.«
Ich zitterte und kniete in dem weichen, warmen Sand, der meine Schenkel bedeckte.
»Begrüße deinen Herrn.« sagte der Aufseher zu mir.
»Ich grüße dich, Herr.« sagte ich.
Der Mann in der Sänfte machte eine winzige Bewegung mit dem Lorgnon. Der Wächter griff von hinten an meine Oberarme und schleuderte mich nach hinten, so dass ich den sandigen Abhang hinunterrutschte und rollte, bis ich wieder am Fuß des Hügels lag. Dort packten mich zwei muskulöse Männer an den Armen, schleppten mich durch den Sand und zwangen mich vor dem, den ich am meisten fürchtete, auf die Knie. Ich sah wild hinter mich nach oben, doch dort sah ich nur die Gruppe, die mich ohne eine Bewegung beobachtete.
Jetzt begriff ich, warum mir die Wache vorhin nicht geholfen hatte. Ich begriff auch, warum die Gruppe gerade hier arbeitete, wo sie vom Hügel beobachtet werden konnte, außerhalb der Sicht der anderen Gruppen. Ich warf mich vor dem, den ich am meisten fürchtete und der der Letzte an der Kette der fünfzig Männer war in den Sand auf meinen Bauch. Ich wäre auf dem Bauch zu seinen Füßen gekrochen, um meine blutigen Lippen darauf zu pressen, aber meine Füße wurden festgehalten.
»Herr«, schluchzte ich, »verzeih mir!«
Aber als ich hochsah, mit Sand bedeckt, mit Sand im Haar, sah ich keine Vergebung in seinen Augen. Auf eine Handbewegung von ihm, der der Anführer der Männer zu sein schien, wurde ich auf meine Knie gezogen. Ich wollte meine Tunika schließen, doch einer der Männer zog sie wütend wieder auf.
»Lasst sie uns töten.« forderte einer der Männer.
Ich schauderte.
»Töte sie.«
»Töte sie.«
»Ja.« stimmten die Männer zu.
Aber eine kleine Geste ihres Anführers, vor dem ich kniete, brachte sie zum Schweigen.
»Sind deine Hüften immer noch so beweglich?« fragte er. »Schwingst du sie immer noch so gut?«
Ich sah ihn wild an. Er hatte mir in Argentum dieselbe Frage gestellt, bevor er mich liebevoll in seinen Armen zurück zum Durchgang getragen hatte.
»Herr?« fragte ich.
Ich versuchte umsonst zu erraten, was er beabsichtigte zu tun. Er betrachtete mich.
»Mein gegenwärtiger Herr benutzt mich nicht als Tänzerin.« sagte ich.
Genauso hatte ich auch in Argentum geantwortet. Er machte eine Handbewegung, dass ich auf meine Füße gezogen werden sollte.
»Tanze.« befahl er.
»Herr?« fragte ich überrascht.
»Muss der Befehl wiederholt werden, Sklavenmädchen?«
»Nein, Herr.« rief ich.
Ich wickelte die Kette um meine Handgelenke, damit sie nicht so herunterhing. Ich konnte sie und ihre unterschiedliche Länge dann beim Tanzen einsetzen. Ich hob meine Hände über meinen Kopf, die Handrücken berührten einander. Ich beugte meine Knie. Manchmal wird einer Frau erlaubt, sogar einer freien Frau, zwischen den Feuern einer brennenden Stadt mit dem roten Glanz der Flammen auf ihrer Haut, vor den Herren als nackte Sklavin zu tanzen. Sie muss hoffen, ansprechend gefunden zu werden, damit ihr Schicksal nur das Brandzeichen, Ketten und der Kragen wird. Sie tanzt verzweifelt und hilflos. Sie hofft, dass sie den Herren gefällt. Sie tanzt um ihr Leben. Und er gab mir diese Chance! Er musste immer noch etwas für mich empfinden!
»Ich danke dir, Herr.« rief ich.
Diese Männer, das wusste ich, hatten schon lange keine Frau mehr gehabt, und sie waren Goreaner. Sie mussten vor Begierde halbverrückt sein. Und viele von ihnen hatten mich aufregend gefunden und mich haben wollen, sonst hätte ich sie nicht in die Falle locken können. Außerdem war ich als Tänzerin ausgebildet worden und ich war schön, jedenfalls hatte man mir das gesagt. Viele Männer dieser Welt würden mich attraktiv und begehrenswert finden und nicht zögern, mich dienen zu lassen, ohne Vorbehalte, wie man es mit einer Sklavin macht.
Ich tanzte. Ich sah in ihre Gesichter. Viele dieser Männer, wusste ich, meinten, dass sie noch eine Rechnung mit mir offen hatten. Ich hoffte, sie würden sie als beglichen ansehen, nicht mit meinem Blut, sondern mit einer so kleinen und unschuldigen Sache wie meiner Unterwerfung, meiner vollständigen Hingabe und Unterwerfung. Ich hoffte, dass sich diese Männer mit dieser Vergeltung zufrieden geben würden.
Sicher, ich hatte sie in eine Falle gelockt. Aber ich hatte das eigentlich nicht tun wollen. Bestimmt würden sie das verstehen! Aus eigenem Willen hätte ich so etwas nie getan! Und nun tanzte ich vor ihnen um mein Leben, hilflos, verzweifelt bemüht, ihnen zu gefallen, von Schrecken erfüllt. Was konnten sie mehr von mir wollen als diesen eifrigen Dienst, den eine Sklaventänzerin ihren Herren bieten kann?
Ich tanzte. Ich sah, wie sich Wut und Hass in Begierde verwandelte. Ich setzte die Ketten ein. Ich begann zu spüren, furchtsam und hoffnungsvoll und mit wachsendem Vertrauen und Stolz, dass die Männer Interesse an mir fanden.
»Hei!« schrie einer von ihnen, sich auf den Schenkel schlagend.
»Herr!« rief ich ihm dankbar zu und tanzte im Sand weg von ihm.
Andere hielten ihn davon ab, mir zu folgen und mich zu packen. Dann tanzte ich am Rand des Kreises. Mehr als einer der Männer streckten gierig ihre Hände nach mir aus.
»Du bist ganz sicher nicht von den Metallarbeitern!« lachte der Mann, der in dieser Kaste war.
»Nein, Herr.« versicherte ich ihm.
»Keine Frau meiner Kaste kann sich so bewegen!« schrie er.
»Sei da nicht so sicher, Herr.« dämpfte ich ihn.
Ich sah Schweiß auf seiner Stirn und seine Fäuste ballten sich, als er sich vielleicht an einige Frauen seiner Kaste erinnerte. Selbstverständlich konnten auch Frauen seiner Kaste lernen zu tanzen, zu lecken und zu küssen und zu dienen und das genauso großartig, so dass sie die Männer wild machten und mit Begierde erfüllten. Schließlich waren sie nur Frauen. Ich hatte zwei Sklavinnen gekannt, die einmal Mitglied seiner Kaste gewesen waren, Corinne, im Haus meiner Ausbildung, und Laura , in Hendows Taverne. Beide waren ausgezeichnete Sklavinnen. Selbstverständlich waren sie als Sklavinnen nicht mehr Mitglied seiner Kaste. Tiere haben keine Kaste.
Ich tanzte vor einem anderen Mann. Ich hoffte verzweifelt, den Zorn der Männer und ihren Wunsch nach Vergeltung in Interesse, Begierde und Leidenschaft umzuwandeln.
»Töte mich nicht, Herr«, bettelte ich einen anderen, »lass mich leben, ich bitte dich, um dir zu dienen und dich zu erfreuen, mit der ganzen Fülle meiner Weiblichkeit!«
»Vielleicht.« entgegnete er und leckte sich die Lippen.
Ich tanzte weiter. Es gibt viele Arten von Versöhnungstänzen, die von Sklavinnen getanzt werden. Manche haben feste Formen, die durch Sitte und Tradition vorgegeben werden, wie der »Reuetanz« aus Turia. Manche Arten der Versöhnungstänze erlernt eine Sklavin während ihrer Ausbildung. Ihr wird aber nicht gesagt, wann ein solcher Tanz notwendig werden könnte.
Obwohl ich für eine neue Sklavin relativ gute Fertigkeiten im Tanzen hatte, war meine Tanzausbildung in meinem Haus doch beschränkt gewesen. Aber das hatte ich wenigstens gelernt, dass die Form des Versöhnungstanzes, die ein Mädchen lernt, gewöhnlich von ihr selbst abhängt. Ich zum Beispiel hatte nie den prächtigen »Reutanz« aus Turia gelernt. Es wurde angenommen, dass mein Körper für einen verzweifelteren, begehrlicheren, lasziveren Tanz geschaffen war. Mir war zum Beispiel beigebracht worden, auf den Knien zu tanzen und noch flehentlicher auf dem Rücken und dem Bauch.
Die meisten Versöhnungstänze haben keine feste Form, sondern sind »freie« Tänze, in denen die Tänzerin auf die Situation reagiert, auf den einzelnen Herrn, die Art seiner Verärgerung, die Schwere ihres Vergehens und ähnlichem, in denen sie improvisiert und ihr Bestes gibt, um den Ärger ihres Herrn zu besänftigen, ihn um Verzeihung zu bitten, ihm ihre Reue zeigt und ihren Wunsch, sich zu bessern.
»Hier gibt es keinen Müll, auf dem du dein Bett aufschlagen könntest.« sagte einer der Männer. »Und ich habe gemerkt, dass du auf jeden Fall weniger wert als so etwas bist.«
»Ja, Herr.« entgegnete ich.
»Und ich habe jetzt auch keinen Mantel zum Unterlegen, um die Härte der Pflastersteine unter deinem Rücken zu dämpfen.«
»Heißer Sand tut es auch, Herr«, antwortete ich, »und Ketten, die meine Glieder umschließen.«
»Ja.« stimmte er zu.
Ich merkte, dass ich ihn nicht zu fürchten brauchte, außer in der Weise, in der jede Sklavin ihren Herrn fürchten muss. Ich tanzte dann zu denen, deren Augen am härtesten waren. Einige von ihnen waren nicht von mir in die Falle gelockt worden, sie hatten nur davon gehört, was ich getan hatte. Einige konnten so unschuldig sein wie die, die ich geködert hatte, andere konnten Mörder und Räuber sein, die ihre Strafe verbüßten und legal unter Ionicus’ Aufsicht standen, der für sie auf Verfügung eines Praetors die Gefangenengebühr bezahlt hatte.
Ich tanzte unterwürfig. Ich tanzte mitleiderregend. Ich tanzte bettelnd. Ich tanzte so gut, wie ich nur konnte. Ich konnte nicht mehr tun. Entweder erfreute ich sie oder nicht. Mein Schicksal lag in ihrer Hand.
»Sie ist hübsch.« sagte einer von ihnen.
»Ja.« stimmte ein anderer zu.
Hoffnung wurde in mir entfacht. Ich versuchte, den nächsten Mann mit der Hilflosigkeit und dem Flehen meines Körpers zu überzeugen.
»Bist du eine gute Sklavin?« fragte en Mann.
»Ich hoffe, dass ich dich erfreue, Herr.« antwortete ich. »Ich werde mich bemühen, eine zu sein.«
Er grinste.
»Sie sieht aus wie eine Hure, die gut in den Fellen ist.« lachte ein Mann.
Ich hörte, wie sich die Kette in der schweren Klammer an seinem Bein bewegte.
»Hier sind aber keine Felle.« lachte ein anderer.
Felle hatten mein Körper zuletzt an einem kühlen Abend vor fünf Nächten im Zelt des Aufsehers gespürt. Ich hatte das Stück roter Seide getragen, mit dem er gewöhnlich die Sklavinnen, die er gerade benutzte, kennzeichnete. Es wird an einen Lederriemen über dem Bauch des Mädchens geknotet, so dass es leicht beiseite geschoben oder entfernt werden kann. Ich hoffte, dass ich ihn erfreut hatte. Gegen Morgen hatte er mich mit Händen und Füßen an einen Pfahl zu seinen Füßen gefesselt, wo ich ihn nicht erreichen konnte. Ich stöhnte eine Zeitlang, doch ein Tritt seines Fußes hatte mir befohlen, still zu sein.
»Sie ist eine ausgezeichnete Tänzerin.« bemerkte ein Mann, einer von denen, die in Argentum von mir in die Falle gelockt worden waren.
»Ja.« stimmte ein anderer zu, auch einer, der mir seine Ketten verdankte.
Ich bemerkte wieder einmal, wie schon manchmal vorher, welche unglaubliche Macht eine Sklavin haben konnte, wie hilflos Männer vor ihr werden und was sie mit ihnen machen konnte.
»Ah.« seufzte einer der Männer leise, mit beobachtend.
Ich wiederholte die Bewegung.
»Ja.« sagte ein anderer.
»Ja.«
›Wie paradox es doch ist‹, dachte ich, ›dass die, die gebrandmarkt und im Kragen ist, die Eigentum ist und nichts gilt, solch eine Macht hat!‹
»Tanz, Schlampe, tanz!« sagte ein Mann.
Und ich tanzte, hilflos, mitleiderregend, ihre Gunst erheischend, verzweifelt bestrebt, den Männern zu gefallen. Am Ende gehört die Macht doch dem Herrn, vollständig und vorbehaltlos, und nicht der Sklavin. Die Sklavin gehört ihm.
»Ausgezeichnet«, sagte ein Mann, »ausgezeichnet.«
Ich tanzte. Ich tanzte auf eine Weise, als ob ich den Traum einer freien Frau träumen würde, aufgerüttelt, schwitzend, schutzlos, erschrocken, mit ängstlichen Fingerspitzen prüfend, ob nicht schon ein Kragen ihren zitternden Hals ziert. Wie konnte sie, eine freie Frau, solche Träume haben? Was bedeutete das? Und was würden die Männer mit ihr machen, wenn sie kommen, um sie in die Arme zu nehmen? Sie erwacht, von Schrecken erfüllt. Vielleicht zündet sie schnell ein Licht in ihrem Zimmer an. Die vertraute Umgebung beruhigt sie. Sie hatte schon früher solche Träume gehabt. Was bedeuteten sie? Nichts, natürlich. Nichts! Solche Träume mussten bedeutungslos sein! Sie mussten es sein! Aber was, wenn nicht? Sie schaudert. Vielleicht krümmt sie sich dann erschrocken zusammen, am Fußende ihres Bettes, in ihrem langen seidenen Nachthemd. Was konnte das wieder bedeuten? Sie weiß es nicht. Bestimmt bedeutet es auch das nichts. Aber was, wenn doch? Sie liegt dort, aufgewühlt, aber irgendwie auch getröstet, sich irgendwie in dieser Pose sicher fühlend. Irgendwie scheint es ihr, als ob sie so dort hingehört.
»Großartig.« sagte ein Mann.
Ich sah, dass die meisten von ihnen sich an mir erfreuten. Ich spürte, dass ich verschont werden könnte, wenn ich sie im Sand genügend erfreute. Ich hatte viele von ihnen geködert, aber jetzt tanzte ich vor ihnen, um ihnen zu gefallen, um um mein Leben zu flehen, tanzte hilflos vor ihnen, ihrer Gnade ausgeliefert, mein Leben hing von ihrer Gunst ab, als ob ich ihre eigene Sklavin wäre. Und zu meiner Freude sah ich, dass die meisten der Männer anstatt meines Blutes meine Schönheit, meine Erniedrigung, mein unterwürfiges und vorbehaltloses Dienen akzeptierten. Diese Rache würde ihnen genügen. Wie stark sie waren und wie freundlich! Ich würde ihnen eine perfekte Sklavin sein müssen und ihnen völlige Ehrerbietung bezeugen. Wie dankbar war ich dem, den ich am meisten gefürchtet hatte, dem letzten an der Kette, der mir diese Chance gegeben hatte, mein Sklavenleben zu retten!
Aber er als einziger weigerte sich, mich tanzen zu sehen. Er drehte mir den Rücken zu, hatte die Hände verschränkt und sah weg. Ich hatte schon viele Male vor ihm getanzt, mich hinter ihm im Sand bewegt, er aber hatte sich nicht umgedreht. Er ließ sich nicht dazu herab, auf mich zu schauen.
Dann, fast am Ende meines Tanzes, an seinem Höhepunkt, war ich auf meinen Knien im Sand, krümmte mich, beugte mich vor, bis mein Haar im Sand lag, bog mich wieder zurück, bot meinen Körper den Männern dar, meine Schenkel, mein Bauch, meine Brüste und meinen Hals, meine Hände flehten um ihre Aufmerksamkeit, und dann streckte ich mich, lag auf meinem Rücken und dann auf meinem Bauch, drehte mich, hob ihnen meine Arme entgegen und flehte um ihre Gunst, flehte kläglich um Gnade. Dies war mir vor langer Zeit im Haus meiner Ausbildung beigebracht worden, aber ich glaube, selbst wenn ich es nie gelernt hätte, unter diesen Umständen konnte ich nur so tanzen und nicht anders. Vielleicht hat jede Frau diesen Instinkt.
Ich hatte, als ich einem Goreaner gehörte, dem Musiker, einmal in einer Gasse in Samnium eine frühere freie Frau gesehen, die neu in ihrem Kragen war und solch eine Vorstellung für ihren Herrn gegeben hatte, der sie mit der Peitsche in der Hand dazu ermutigte. Sie war gut gewesen. Sie hatte schaudernd und noch halb im Schock begriffen, dass sie für einige Zeit geschont werden würde. Er begann sie dann zu lehren, wie sie einen Mann zu erfreuen hatte. Sie folgte ängstlich und aufmerksam ihren Lektionen.
Am Ende meines Tanzes war ich wieder auf meinen Knien hinter ihm. Ich hob meine Hände auf zu ihm.
»Herr, bitte!« flehte ich. »Sieh mich an!«
Er aber drehte sich nicht um. Mit Freudenschreien kamen die Männer zu mir. Ich wurde hochgezogen und in den Sand zurückgeworfen. Meine Beine wurden angehoben und die Knie zurückgebogen. Die Kette meiner Handfessel wurde nach vorn und über meine Füße gezogen. Dann wurde sie hinter mich gezogen, so dass ich meine Hände nicht mehr bewegen konnte. Ich war hilflos. Meine Knöchel wurden jeder von einem Mann ergriffen und auseinander gezogen, bis die Fußkette straff gespannt war. Meine geöffnete Tunika wurde an beiden Seiten zurückgeschlagen. Ich war halb im Sand begraben, reckte meinen Kopf nach hinten und sah zum Hügel. Ich konnte Gestalten sehen und die Sänfte, scheinbar weit über mir, scheinbar weit entfernt. Ich vermutete, dass mein Herr Ionicus durch sein Lorgnon zusah.
»Oh!« schrie ich auf, als der erste Mann mich nahm.
»Bist du in Ordnung?« fragte Tupita.
»Ja.« entgegnete ich, im Sand liegend.
»Die Gruppe ist weg.« sagte sie. »Die Männer sind weggebracht worden.«
Ich nickte, steif vor Schmerzen. Ich hatte bemerkt, wie sie gegangen waren. Etwas später war Tupita den Abhang heruntergekommen.
»Leg dich auf die Seite.« sagte sie. »Zieh die Beine an. Nimm die Knie so nah an den Bauch, wie du kannst.«
Sie zog die Kette hinter meinem Rücken hervor, drückte meine Knöchel hinunter, was mich zusammenzucken ließ und zog meine Hände an der Kette wieder nach vorn.
»Setz dich hin.« befahl sie.
»Ja, Herrin.« sagte ich.
Sie war nicht das »Erste Mädchen« der Arbeitssklavinnen, nicht einmal das Erste Mädchen in unserem Gehege. Aber von uns zweien, die wir dieser Kette zugeteilt waren, war sie natürlich das »Erste Mädchen«.
»Bist du sicher, dass du in Ordnung bist?« fragte sie erneut.
»Ja, Herrin.« antwortete ich.
Ich drehte mich um und sah nach oben zum Hügel.
»Sie sind gegangen.« sagte sie.
»Ja.« flüsterte ich.
»Kannst du gehen?«
»Ich glaube schon.«
»Ich denke, wir sollten der Gruppe jetzt folgen.«
»Mirus hat mein Leben gerettet.« sagte ich.
Sie schwieg.
»Was ist los?« fragte ich.
»Ich denke, wir sollten der Gruppe folgen.« wiederholte sie.
»Was ist los?« fragte ich noch einmal.
»Es ist so einsam hier.« sagte sie.
»Ich verstehe nicht.«
»Ich hörte sie auf dem Hügel reden.« antwortete sie. »Es ist etwas passiert.«
»Was?«
Die Sonne schien immer noch hell. Es war später Nachmittag. Der Himmel war sehr blau. Ein lauer Wind blies zwischen den dünenartigen Hügeln und bewegte das dürre Gras.
»Es ist nur einen Pasang oder so vor den Mauern Vennas passiert«, sagte sie, »näher an Venna als unser Lager ist.«
»Was?« fragte ich unruhig.
»Eine Leiche ist gefunden worden, die eines Beamten aus Venna, ich glaube, eines Aedilen.«
»Das tut mir leid.« sagte ich. »Ich nehme an, er wurde ausgeraubt?«
»Anscheinend wurde er ausgeraubt«, bestätigte sie, »entweder vom Angreifer oder jemand anderem. Sein Geldbeutel war verschwunden.«
»Bedauerlich.« sagte ich.
»Die Leiche«, erzählte sie weiter, »war halb aufgefressen.«
Ich schauderte.
»Sie war in Stücke gerissen«, fuhr sie fort, »die Eingeweide waren weg und Knochen waren zerbissen.«
Ich zuckte zusammen.
»Es ist schrecklich«, sagte sie, »sich die Kraft der Kiefern vorzustellen, die so etwas tun können.«
»Es gibt einen Sleen in der Gegend.« vermutete ich.
Ich dachte an Borko, den Jagdsleen meines früheren Herrn, Hendow aus Brundisium.
»Die Spuren wiesen nicht auf einen Sleen hin.« widersprach sie.
»Vielleicht waren es Panther«, spekulierte ich, »oder Bestien, die Larle heißen. Das sind sehr gefährliche Tiere.«
»Soweit ich weiß, hat es seit mehr als hundert Jahren keinen Panther oder Larl in der Gegend von Venna gegeben.«
»Die Bestie ist vielleicht weit außerhalb seines Reviers unterwegs. Vielleicht hat es Hunger oder Durst.«
»Es waren keine Spuren von Panthern oder Larlen.«
»Dann«, sagte ich, »muss es doch ein Sleen gewesen sein.«
»Sleen haben keine Verwendung für Gold.« widersprach sie unruhig.
»Sicher hat jemand die Leiche gefunden und den Geldbeutel genommen.«
»Vielleicht.« gab sie nach.
»Es muss ein Sleen gewesen sein«, sagte ich, »eine andere Erklärung gibt es nicht.«
»Die Spuren«, erinnerte sie, »waren nicht die eines Sleen.«
»Was waren es dann für Spuren?«
»Das ist ja das Schreckliche.« sagte Tupita. »Sie wissen es nicht. Jäger sind gerufen worden, aber selbst sie kannten diese Spuren nicht.«
Ich sah sie an.
»Die Jäger konnten sehr wenig über diese Spuren sagen, aber eines war klar.«
»Was?«
»Die Bestie ging aufrecht.«
»Das ist nicht natürlich.«
»Ist das so überraschend«, fragte sie, »dass eine Bestie aufrecht gehen kann?«
Ich sah sie an.
»Oder dass sie sogar stolz und kraftvoll laufen kann?«
»Ich verstehe nicht.« sagte ich.
»Unsere Herren, diese Bestien, diese Tiere, die uns in Kragen stecken, die uns niederknien lassen, die, von deren Großzügigkeit es abhängt, ob wir einen Lumpen bekommen, um uns zu bedecken, tun das.« sagte Tupita.
»Ja«, flüsterte ich, »sie tun es.«
Unsere Herren, diese herrlichen Bestien, die so mächtig, frei und männlich sind, so prächtig in ihrer ungezügelten Männlichkeit, so kompromisslos zu uns, sie taten es.
»Aber dieses Ding, glaube ich«, fuhr sie fort, »ist nicht solch eine Bestie, keine menschliche Bestie, kein Mann in der ganzen Macht seiner Intelligenz, Vitalität und Tierhaftigkeit, es war eine andere Bestie, eine, die völlig anders ist und doch genauso wie ein Mann.«
»Ich hätte Angst davor.«
»Ich zweifle, ob du solch eine Bestie mit deiner Schönheit besänftigen könntest.« sagte sie.
»Bin ich schön?«
»Ja«, sagte sie, »ich, die ich deine Rivalin war und vielleicht noch immer bin, muss dir das zugestehen. Du bist sehr schön.«
»Du bist auch sehr schön.« entgegnete ich und setzte dann plötzlich hinzu: »Und zweifellos viel schöner als ich!«
»Ich glaube, das stimmt nicht«, entgegnete sie, »aber es ist nett von dir, das zu sagen.«
»Ich bin sicher, dass es stimmt.« widersprach ich.
»Wir sind beide schöne Sklavinnen.« sagte sie. »Ich glaube, wir sind gleich schön, wenn auch auf unterschiedliche Weise. Ich denke, wir würden beide einen hohen Preis bringen, nackt auf einem Verkaufsblock. Darüber hinaus hängt es sowieso von dem jeweiligen Mann ab.«
»Du bist nett.« antwortete ich.
»Hast du mich damals wegen der Pastete verraten?«
»Nein«, sagte ich, »ihr Fehlen wurde bemerkt. Das Küchenpersonal erinnerte sich, dass du in der Nähe gewesen warst. Du wurdest festgenommen. Beim Lecken an deinen Fingern wurde Zucker festgestellt.«
»Ich bin ganz schön ausgepeitscht worden dafür.« sagte sie schaudernd.
»Das tut mir leid.«
»Wie ich dich dafür gehasst hab!«
»Das tut mir leid.«
»Ich war das Erste Mädchen und du die Letzte im Gehege.« sagte sie. »Jetzt sind wir beide nur noch Arbeitssklavinnen, beide nur noch gewöhnliche Schlampen der Schwarzen Kette des Ionicus.«
»Du bist immer noch das Erste Mädchen von uns zwei.«
»Das stimmt.« lächelte sie.
»Darf ich dich trotzdem beim Namen nennen?«
»Nicht, wenn Herren zuhören«, sagte sie, »ich habe keine Lust, eine Woche auf dem Bauch zu schlafen.«
»Nein!« lachte ich.
Sie konnte nicht lesen und schreiben, aber sie war eine schöne, hochintelligente Frau. Außerdem spürte ich, dass sie sich seit Brundisium und Samnium sehr verändert hatte. In den letzten Tagen hatte sie sich um mich gesorgt. Mir war nicht ganz klar, wie das gekommen war. Vielleicht hatte sie Mitleid mit mir, die ich nur eine Sklavin war, genauso hilflos wie sie, aber wegen der Arbeit für meinen früheren Herrn, Tyrrhenius aus Argentum, viel gefährdeter. Aber ich glaube, es hatte mehr mit demjenigen zu tun, der der letzte an der Kette war, der einmal der zweite unter unserem früheren Herrn, Hendow von Brundisium, gewesen war, mit Mirus.
»Wir sollten vielleicht die Gruppe wieder einholen.« sagte ich unruhig.
Sie sah sich um.
»Ja«, stimmte sie zu, »hier ist es so einsam.«
Ich erhob mich mühsam und holte die Tasse wieder, die ich an ihrem Strick um meinen Hals hing. Ich würde sie im Tank säubern. Dann warf ich mir den Wassersack an ihrem Riemen auf den Rücken.
»Da ist noch etwas.« sagte sie.
»Was denn?«
»Es wurden auch zwei Mädchen gestohlen.«
»Mädchen wie wir?«
»Ja.«
»Arbeitssklavinnen?«
»Ja.« sagte sie.
»Aber sie sind nicht gefressen worden?«
»Soweit ich weiß nicht.«
»Irgend jemand könnte auch uns stehlen.« sagte ich.
Sie zuckte zusammen.
»Ich nehme an«, sagte sie dann, »dass unsere Herren ihr Eigentum schützen werden.«
»Die Vorfälle haben sicher nichts miteinander zu tun.« sagte ich.
»Vielleicht nicht.« stimmte sie zu.
»Lass uns losgehen.« forderte ich sie auf.
»Soweit ich es verstanden habe«, sagte sie, »sind in Venna viele wegen des Mordes und der mysteriösen Fußspuren besorgt. Manche glauben, es wäre ein Omen oder eine Warnung. Der Regent hat schon Auguren befragt, was die Zeichen zu bedeuten haben.«
Ich wartete im Sand auf sie.
»Sie machen sich natürlich auch Sorgen wegen der illegalen Dinge, die geschehen sind.« redete Tupita weiter. »Zum Beispiel sollen die in der Kette, die keine Verbrecher sind und für die Ionicus keine Gefängnispapiere hat, erst einmal aus der Gegend weggebracht werden. Das würde viele der Herren unserer Kette betreffen.«
Ich nickte. Das schien mir verständlich zu sein. Der Regent von Venna war sicher interessiert daran, sein Haus in Ordnung zu bringen, bevor er Schutz beanspruchte. Er würde gerade unter dem Gesichtspunkt der Beruhigung möglicher Besorgnisse in seiner Wählerschaft eine Politik der peinlich genauen Korrektheit besonders in einer solchen Situation befolgen.
»Wohin gehen wir?« fragte ich.
»Wahrscheinlich nicht weit und nur eine Woche oder so, bis die Spuren identifiziert sind.« antwortete sie. »Unsere Kette soll wahrscheinlich in der Nähe der Viktel Aria südlich von Venna Gräben säubern und vertiefen. Wir werden später zurückkehren, wenn sich die Dinge beruhigt haben.«
»Wie weit südlich?«
»Wahrscheinlich nicht weit.«
»Hinter der Verteidigungslinie?«
»Wahrscheinlich nicht.« sagte sie. »Warum? Hast du Angst, gestohlen zu werden?«
»Eigentlich nicht.«
»Wenn ich du wäre«, sagte sie, »würde ich mir wünschen, gestohlen zu werden. Du gehörst nicht in eine Arbeitstunika. Du solltest eine Seidenschnur tragen und die Füße eines Mannes küssen und lecken.«
Ich lächelte.
»Willst du denn gestohlen werden?« fragte ich.
»Nein«, antwortete sie, »ich würde, jedenfalls zur Zeit, lieber bei der Kette bleiben.«
»Ich verstehe.« lächelte ich.
Sie rückte den Wassersack auf ihrer Schulter zurecht. Es würde ein steiler Anstieg aus dem Tal werden.
»Wenn wir außerhalb der Verteidigungslinie oder in ihrer Nähe sein werden«, fragte ich, »besteht da nicht die Gefahr, dass die Kette angegriffen wird?«
»Warum?« antwortete sie. »Wegen des Vertiefens von Gräben?«
»Es klingt sicher verrückt.« räumte ich ein.
»Männer greifen Arbeitskolonnen selten an.«
»Es freut mich, das zu hören.«
»Etwas anderes wäre es, wenn wir Belagerungsgräben ausheben oder die Mauern einer belagerten Stadt reparieren würden.«
»Das ist verständlich.« sagte ich.
»Ich bin fertig«, verkündete sie, »lass uns gehen.«
Unter Schwierigkeiten wegen der Wassersäcke und unserer Ketten stapften wird durch den Sand den Hügel hinauf. Ich kam als erste oben an und reichte Tupita meine Hand, die sie ergriff und sich daran hochzog, bis sie neben mir stand.
»Du bist verletzt.« stellte sie fest.
»Es ist nichts.«
»Morgen wirst du steifer und wunder sein als heute.«
Ich zuckte mit den Schultern. Von unserem Standpunkt aus konnten wir Männer sehen, den Tank und das Zelt des Aufsehers auf seinem Hügel, unsere Gehege am Fuß des Hügels und den Drahtzaun um das Lager. Ich glaube, wir waren beide froh über diesen vertrauten Anblick.
»Wie geht es deinem Rücken?« fragte Tupita.
»Er ist in Ordnung.«
»Der Sand schließt die Wunden.« sagte sie.
Als die Kette zwischen meinen Armen hinter meinem Rücken gewesen war, hatte sie dort eingeschnitten, weil ich mich gewehrt und versucht hatte, um mich zu schlagen. Als ich die Nässe des Blutes bemerkt hatte, hatte ich dann versucht, die Hände an meiner Seite zu halten und mit ihnen zu kratzen und zuzugreifen, aber dann, als wäre ich außerstande, mich unter Kontrolle zu halten, hatte ich doch wieder versucht, die Körper der Männer zu erreichen. Das hatte die Kette wieder in meinen Rücken einschneiden lassen. In der Agonie meiner Unterwerfung, als ich, eine Sklavin mich aus den tiefsten Tiefen meines Bauches den Herren hingab, hatte ich die Schmerzen nicht gespürt. Und wenn ich sie ganz schwach und weit weg doch verspürte, hatte ich sie, glaube ich, bereitwillig akzeptiert, in meiner Frustration und meiner Lust bei den Versuchen, die Männer zu erreichen und doch hilflos in ihrer Hand zu sein. Ich konnte mich aber nicht mehr sehr deutlich erinnern, was alles geschehen war.
»Da ist ein wenig Blut hinten an deiner Tunika.« sagte sie.
Ich sah sie an.
»Keine Angst«, sagte sie, »ich glaube, das lässt sich am Tank auswaschen. Außerdem ist es ja nicht deine Schuld.«
»Es werden keine Narben zurückbleiben, oder?«
»Ja, eitle Sklavin.« lächelte sie.
Solche Narben können natürlich, wenn sie dauerhaft sind, den Wert eines Mädchens auf dem Sklavenblock mindern. Ich schaute zurück in das sandige Tal.
»Denkst du, ich werde oft für das Vergnügen der Kette benutzt werde?« fragte ich.
»Nein.« antwortete sie. »Unser Herr, Ionicus, hat sein Vergnügen gehabt. Du wirst jetzt vermutlich mehr dazu benutzt werden, die Männer der Kette zu frustrieren, als sie zu vergnügen. Die Wache hat gesehen, wie du getanzt und versucht hast, ihnen zu gefallen. Das wird sich im Lager herumsprechen. Sei also nicht überrascht, wenn sie jetzt öfter Gebrauch von dir machen. Ich wäre auch nicht überrascht, wenn du dich in ein oder zwei Nächten mit Lederriemen und Seide im Zelt des Aufsehers wieder findest.«
Ich sah hinüber zum Aufseherzelt. Es war etwa einen halben Pasang entfernt. Er hatte Gewalt über alle Frauen des Lagers. Und natürlich konnte er uns jedem beliebigen anderen Mann zuteilen, so lange er wollte.
»Es ist natürlich klar«, fuhr Tupita fort, »dass wir von Zeit zu Zeit als Belohnung den Ketten zur Verfügung gestellt werden können.«
Ich nickte. So wie Männer uns manchmal Gebäck oder Bonbons zuwarfen, konnten wir natürlich auch anderen zur Verfügung gestellt werden.
»Weißt du noch irgend etwas über die Bestie, die den Aedilen getötet hat?« fragte ich.
»Nein.«
»Oder über die zwei gestohlenen Sklavinnen?«
»Nein.«
»Vielleicht sind sie ja auch weggelaufen.« spekulierte ich.
Ich schauderte. Allein der Gedanke an die Strafen für solch eine Tat erfüllte mein Herz mit Schrecken. Außerdem gab es in dieser Kultur, in dieser eng beieinander stehenden Gesellschaft und mit ihrem Brandzeichen praktisch keine Fluchtmöglichkeit für ein goreanisches Sklavenmädchen.
»In Arbeitstuniken und in Ketten, über den Zaun?« fragte Tupita.
Ich schwieg.
»Wer, glaubst du, hat sie dann gestohlen?« fragte ich.
»Ich weiß nicht.« antwortete Tupita.
»Das Tier?«
»Das glaube ich nicht«, sagte sie, »aber wer weiß?«
»Es wird dunkel.« bemerkte ich.
»Heute Nacht«, sagte Tupita, »werde ich froh sein, hinter den Toren unseres Geheges eingeschlossen zu werden.«
»Ich auch.« stimmte ich schaudernd zu.
»Komm mit.« sagte sie.
»Tupita?«
»Ja?«
»Nenn mich bei meinem Namen.«
»Was ist dein Name?«
»Tuka.«
Das war der Name, den die Herren mir gegeben hatten. Es war mein Name, so wie ein Hund einen Namen hat, oder eine Sklavin.
»Tuka.« sagte sie.
»Du liebst Mirus.« sagte ich.
»Ich würde darum betteln, seine Peitsche küssen zu dürfen.« sagte sie.
»Liebt er dich?«
»Ich denke nicht, dass er weiß, dass es mich gibt – jedenfalls auf diese Weise.«
»Er ist freundlich und ein wunderbarer Mann.« sagte ich.
»Du hast ihm gefallen.« bemerkte sie.
»Aber ich glaube nicht, dass ich mehr für ihn war, wirklich«, sagte ich, »als ein weiteres Mädchen zu seinen Füßen.«
»Ich bin sicher, er betrachtete mich nie als mögliche Liebessklavin.« fuhr ich fort.
Sie sagte nichts.
»Ich bin nicht einmal Goreanerin.« sprach ich weiter. »Ich bin nur eine Schlampe, die von der Erde hierher gebracht wurde, um einen Kragen zu tragen und meinen Herren bestens zu dienen.«
»Denkst du wirklich, dass er freundlich ist?« fragte sie.
»Ja.«
»Und denkst du, dass er so wunderbar ist?«
»Natürlich.«
»Und denkst du, dass er dich immer noch mag?«
»Ich weiß, dass er es tut.« antwortete ich.
Ich sah zurück, hinunter in das sandige Tal.
»Ich habe ihn in Argentum in eine Falle gelockt.« sagte ich und meine Stimme brach, als mir die Ungeheuerlichkeit dieser Tat bewusst wurde. »Ich köderte ihn, von dem ich wusste, wie freundlich er zu mir gewesen war, wie er mir vertraut hatte und brachte ihm Ketten und Knechtschaft und an diesem Nachmittag rettete er mir das Leben.«
Sie schwieg.
»Ich werde ihm immer dankbar dafür sein.« sprach ich weiter. »Wäre er nicht gewesen, wäre ich getötet worden.«
»Hüte dich vor ihm.« sagte sie.
»Warum?«
»Warum, glaubst du, hat er dein Leben gerettet?«
»Weil er besorgt um mich war.«
»Nein.« sagte sie.
»Dann aus Mitleid?«
»Nein.«
»Aus Begierde?«
»Nein.«
»Ich verstehe nicht.« sagte ich.
»Er wollte nicht, dass die anderen dich töten.«
»Natürlich nicht.«
»Er ist Goreaner.« erklärte sie. »Ich weiß nicht, ob du solche Männer wirklich verstehst. Er hat ein langes Gedächtnis. Außerdem, wo du betroffen bist, ist er es nicht. Ich glaube, wenn es um dich geht, reagiert er halb verrückt.«
»Das verstehe ich nicht.« flüsterte ich.
»Halt dich von ihm fern.« sagte sie.
»Ich würde nie versuchen, ihn dir wegzunehmen.« sagte ich.
»Er ist ein entschlossener, intelligenter Mann.« sagte sie. »Er wird abwarten, bis die Gelegenheit günstig erscheint.«
»Du brauchst wirklich nichts zu befürchten.« sagte ich.
»Ich sage das dir zuliebe«, entgegnete sie, » nicht mir zuliebe.«
»Er hat nicht zugelassen, dass die Männer mich töten.«
»Warum nicht?«
»Ich weiß es nicht.«
»Ich schon.« sagte sie.
»Warum?«
»Er will dich selbst töten.«
»Da irrst du dich ganz bestimmt.« flüsterte ich.
»Hat er Wasser von dir angenommen?«
»Nein.« gab ich zu. »Er schüttete es auf den Boden.«
»Hast du nicht bemerkt, dass er dich beim Tanzen nicht einmal ansehen wollte?« fragte sie. »Hast du nicht bemerkt, dass er dich als einziger nicht genommen hat?«
»Warum nicht?«
»Er wollte nicht weich werden.«
Ich sah sie erschrocken an.
»Deshalb wollte er nicht, dass andere dich töten«, sagte sie, »weil er es selbst tun will.«
Ich brach beinahe im Sand zusammen.
»Aber er ist in Ketten.« beruhigte sie. »Ich glaube nicht, dass du wirklich etwas zu fürchten hast. Versuche nur, ihm nicht in die Hände zu fallen.«
Ich nickte schaudernd.
»Ich habe nicht völlig verstanden, was du ihm angetan hast«, fuhr sie fort, »und wie du ihn dazu gebracht hast, so zu werden. Er ist ganz anders als in Brundisium.«
»Ja«, stimmte ich ihr bei, »wenn das zutrifft, was du sagst.«
»Ich habe ihn geliebt in Brundisium«, redete sie weiter, »aber ich wusste nicht, wie weit wir uns seitdem voneinander entfernt haben.«
»Wir sind Sklavinnen.« sagte ich. »Wir können gekauft und verkauft und genommen werden, wenn der Herr das so will. Unsere Bestimmung muss nicht mit unserem eigenen Willen übereinstimmen. Unsere Begierden und unsere Gefühle zählen nicht.«
»Dann merkte ich, dass er in der Schwarzen Kette war.« fuhr sie fort. »Was für ein Schmerz mir sein Schicksal bereitete! Ja, und wie klopfte mein Herz, ihn so nah zu wissen! Er war so nah und doch so weit entfernt! Ich liebe ihn so. Aber ich kann nicht mehr tun, als ihm Wasser zu bringen. Ich kann nicht mehr tun, als seine Füße ohne Erlaubnis der Wachen zu küssen. Wenn ich mich in seine Arme werfen würde, könnte er ausgepeitscht oder erschlagen werden. Außerdem hat er sich sehr verändert. Er ist jetzt ein verbitterter Mann, der so sehr vom Wunsch nach Rache erfüllt ist, der so sehr nach dem Blut des Mädchens dürstet, dass ihn betrogen hat, dass er keine Zeit hat, sich um andere zu kümmern, schon gar nicht um jemand, die liebend gern für ihn sterben würde.«
Ich sah sie an.
»Ja«, bekräftigte sie, »er ist mein Liebesherr.«
»Weiß er es?«
»Nein.«
»Wenn die Wache nicht hinsieht«, sagte ich, »musst du es ihm sagen. Wirf dich vor ihm auf den Bauch, wo wir vor solchen Männern hingehören. Lecke und küsse seine Füße, mit Tränen in den Augen. Gestehe ihm, dass er in deinem Herzen dein Liebesherr ist. Er kann dich dafür höchstens mit den Füßen treten.«
Tränen traten ihr in die Augen.
»Tu es.« drängte ich.
»Nein.« flüsterte sie. »Er ist jetzt in Ketten. Er kann mich jetzt nicht besitzen. Er ist jetzt nicht frei. Es ist nicht so, dass er, wenn er es denn wollte, mich in die Arme nehmen und mich nehmen könnte, um Anspruch auf mich zu erheben. Er ist Gefangener der Schwarzen Kette. Er könnte es sogar für einen Trick der Wachen halten und mir mit seinem Fuß vor Wut den Hals brechen. Vielleicht würde er das Ganze als eine Beleidigung oder einen üblen Scherz betrachten.«
»Wenn ich du wäre, würde ich es trotzdem tun.« sagte ich.
»Du bist eben keine Goreanerin.«
»Ich würde alles für einen Liebesherrn riskieren.«
»Du weinst ja.« sagte sie.
»Nein.« bestritt ich, »Nein.«
»Du hast doch einen Liebesherrn.« sagte sie.
»Nein.« schluchzte ich. »Nein! Nein!«
Ich dachte an Teibar, der mich vor langer Zeit zur Sklavin gemacht hatte. Ich hatte ihn nie vergessen.
»Wie erbärmlich wir doch sind, wie hilflos, nichts als Sklavinnen!« weinte Tupita.
»Möchtest du etwas anderes sein?«
Sie sah mich erschrocken an.
»Nein«, sagte sie, »du etwa?«
»Nein, ich auch nicht.«
»Es wird dunkel«, stellte Tupita unter Tränen lächelnd fest, »wir sollten unseren Haferbrei nicht verpassen.«
Aber ich blieb still auf dem Hügel stehen und sah ins Tal hinunter. Ich war barfuss. An meinen Knöcheln waren Eisenringe. Sie waren durch eine Kette miteinander verbunden, die halb mit Sand bedeckt war. An meinen Handgelenken waren zusammengeschmiedete Reifen. Auch sie verband eine Kette. Ich trug die Reste einer Arbeitstunika, hatte eine Metalltasse an einer Schnur um den Hals hängen und trug den Wassersack an seinem Riemen über der Schulter. Er war halbvoll. Ich konnte spüren, wie sich das Wasser darin bewegte und gegen meinen Rücken schwappte. Ich sah zum Himmel mit seinen drei Monden.
»Du bist eine sehr schöne und begehrenswerte Sklavin, Tuka.« sagte Tupita.
Ich antwortete nicht.
»Wenn du weniger schön und begehrenswert sein würdest«, fuhr sie fort, »wärst du vielleicht nicht auf diese Welt gebracht worden.«
»Vielleicht.« entgegnete ich.
»Wünschst du dir manchmal, weniger schön und begehrenswert zu sein?«
»Nein.«
»Es wird spät.« forderte sie mich auf. »Lass uns zum Tank und dann zu unserem Gehege zurückgehen.«
»Ja.« stimmte ich zu.
»Vielleicht solltest du deine Tunika schließen.« sagte sie.
»Nein«, lehnte ich ab, »die Männer sollen mich ruhig sehen.«
»Du bist eine Sklavin.«
»Ja.«
»Sind alle Frauen deiner Welt Sklavinnen?«
»Ich weiß nicht.« sagte ich.
Sie öffnete ihre eigene Tunika.
»Ich sehe, dass du auch eine Sklavin bist.« sagte ich.
»Ja.«
»Aber du bist Goreanerin.«
»Ich bin eine Frau.«
»Wir sind beide Frauen.«
»Und Sklavinnen.«
»Ja«, stimme ich zu, »wir sind beide Frauen und Sklavinnen.«