»Seht!« schrie ein Mann. »Seht!«
»Die fünfte Schlampe!« schrie ein anderer. »Seht!«
»Sie ist es!« schrie ein anderer. »Seht!«
»Kennst du sie?« fragte ein anderer Mann.
»Wir kennen sie gut.« sagte jemand mit grimmiger Befriedigung.
Ich stolperte fast in den Ketten. Meine Füße schmerzten auf dem heißen Kies. Die Sonne brannte heiß auf meine nackten Arme und Beine. Ich konnte nur kleine Schritte machen, weil meine Knöchel gefesselt waren, die Kette zwischen ihnen war nur acht oder zehn Zoll lang. Eisen schmückte auch meine Handgelenke. Ich trug Handfesseln. Mit fachkundigen Schlägen waren sie auf einem Amboss zusammengeschmiedet worden, so dass dort, wo die Enden zusammentrafen, nur eine feine Ritze blieb. Die Handfesseln waren mit einer sieben oder acht Zoll langen Kette verbunden. Eine weitere drei Fuß lange Kette verband die Mitte der Fußkette mit der Kette zwischen den Handgelenken. Wenn ich aufrecht stand, konnte ich deshalb meine Hände nicht anheben, nicht einmal um zu essen. Ich war das fünfte Mädchen an der Sklavenkette. Eine Kette verband außerdem einen Ring an der Rückseite meines Kragens mit einem Ring an der Vorderseite des Kragens des Mädchens hinter mir.
»Sie ist es.« verkündete ein anderer Mann.
»Bewegt euch, Kajiras.« befahl der Mann mit der Peitsche.
»Ja.« sagte ein anderer Mann beifällig.
Ich sah schreckerfüllt wild um mich. Ich hörte das Klatschen der Peitsche und wir eilten zusammen vorwärts in die Umfriedung zu dem viereckigen Zelt, dem Zelt der Aufseher. Die Männer an unserem Weg, halbnackt, die Knöchel mit Ketten gefesselt, unterbrachen ihre Arbeit um uns vorbeihasten zu sehen.
»Du bist das, nicht wahr«, fragte das Mädchen vor mir flüsternd über ihre Schulter, »nach der diese Bestien rufen?«
»Ich fürchte es.« stöhnte ich.
»Woher kennen sie dich?« fragte das Mädchen hinter mir.
»Aus Argentum.« sagte ich.
»Wehe uns«, sagte das Mädchen vor mir, »das sind brutale Kriminelle, Mörder, Strolche, Räuber, gefährliche Männer, die Zwangsarbeit verrichten müssen. Wir haben Glück, wenn wir nicht umgebracht werden!«
»Die Wachen müssen uns beschützen.« sagte das dritte Mädchen.
»Aber wie kommen wir in die Unterkunft?« weinte das zweite Mädchen.
»Wenn du länger Sklavin wärst, würdest du die Antwort kennen.« sagte das dritte Mädchen.
Das zweite Mädchen stöhnte auf. Sie war naiv. Sie hatte ihr Brandzeichen noch nicht lange. Wir waren weibliche Arbeitssklaven. Die werden innerhalb der Ketten zum Wassertransport benutzt. Und auch andere Verwendungsmöglichkeiten kamen für sie, wie man sich denken kann, in Frage.
»Ich habe Angst.« sagte das zweite Mädchen.
»Seht!« rief ein Mann, an dem wir gerade vorbeiliefen. »Sie! Sie ist es, ich bin sicher!«
»Ja!« rief ein anderer. »Du hast recht! Ich erkenne sie auch!«
Ich schauderte.
»Nicht alle diese Männer sind Verbrecher.« sagte ich zum zweiten Mädchen.
»Wie kann das sein?« fragte das Mädchen hinter mir.
»Manche sind ehrenwerte Männer«, sagte ich, »die gefangen und zur Arbeit gezwungen wurden.«
»So etwas gibt es doch nicht.« sagte das Mädchen vor mir.
»Du irrst dich.« sagte ich zu ihr.
»Das gibt es durchaus«, sagte das Mädchen hinter mir, »manchmal werden Ködermädchen dafür benutzt.« Dann sagte sie: »Vielleicht weiß Tuka etwas darüber.«
Ich blieb still.
»Du bist sehr hübsch, Tuka.« bemerkte das Mädchen hinter mir.
Ich antwortete nicht.
»Wahrscheinlich hübsch genug für ein Ködermädchen.« setzte sie hinzu.
Ich sagte nichts.
»Ich würde kein Ködermädchen sein wollen, das in die Hände ihrer Opfer fällt.« bemerkte sie. »Sie könnten es in Stücke reißen.«
Ich schauderte.
»Was ist los, Tuka?« fragte sie.
»Nichts.«
»Ich denke, diese Männer hier draußen haben außer dem Graben, der Arbeit und der Peitsche wenig, wofür sich zu leben lohnt«, bemerkte sie, »außer vielleicht ihrer Rache.«
Ich zitterte in den Ketten.
»Hab keine Angst, Tuka«, sagte sie, »du hast nichts zu befürchten, denn du warst ja nie ein Ködermädchen.«
Hinter dem Zaun konnte ich in der Ferne die Mauern einer Stadt sehen. Mir war gesagt worden, dass das Venna sei. Das Mädchen, das jetzt das Erste an der Kette war, hatte das gesagt. Sie hatte sie einmal vor langer Zeit, als sie eine reiche, verwöhnte und schöne freie Frau gewesen war, in der Robe der Verhüllung von ihrer Sänfte aus gesehen. Dann war sie in die Hände von Sklavenhändlern gefallen. Danach war sie nicht länger reich und verwöhnt und trug auch keine verzierte Verhüllungsrobe mehr. Sie trug nun die gleiche ärmellose, kurze, enge Arbeitstunika wie wir. Aber dafür war sie jetzt zweifellos viel aufreizender und schöner als sie es je als freie Frau gewesen war. Das lag natürlich nicht nur am Brandzeichen und Kragen, so wichtig diese Dinge dafür auch waren, sondern an der Ausstrahlung der Veränderung ihrer Weiblichkeit, die in der Sklaverei aufblühen konnte, weil sie nun ihren Platz in der natürlichen Ordnung einnahm.
»Herr«, rief ich die Wache an, »Herr, darf ich sprechen?«
»Was willst du?« fragte der Mann, der neben mir lief und seine Peitsche aufwickelte.
»Ist das Venna?« fragte ich.
»Ja.«
Ich war verwirrt.
»Ich bin an eine Kette des Ionicus verkauft worden.« sagte ich.
»Ja?«
Als ich vor Tagen außerhalb Argentums gehört hatte, dass ich an eine Kette des Ionicus verkauft worden war, war ich vor Angst beinahe zusammengebrochen.
»Welche Kette, ihr Herren?« hatte ich gebettelt. »Welche Kette? Bitte, ihr Herren, welche Kette?«
Aber meine Fragen hatten mir nur Schläge eingebracht. Erst als sie mich zusammen mit vier anderen Mädchen in ein Transportnetz verluden, das unter einen Tarn gehängt wurde, jede in einen hohen, engen Ledersack gesperrt, der den Kopf freiließ und unter dem Kinn zusammengeschnürt war, erst da fand ich heraus, was mein Schicksal sein sollte.
»Wohin werden wir gebracht, Herr?« hatte ich den Mann gefragt, der den führenden Tarn flog.
»Zum Umladehafen von Aristodemus«, hatte er geantwortet, »außerhalb der Verteidigungsanlagen von Venna.«
»Ich danke dir, Herr.« hatte ich freudig erregt gerufen.
Venna ist eine kleine, schöne Stadt, ein Ferienort nördlich von Ar an der Viktel Aria. Sie ist für ihre Tharlarionrennen bekannt. Außerdem ist sie ein beliebter Platz für die Villen der Reichen, besonders aus Ar. Ich hatte befürchtet, dass wir nach Torcadino gebracht würde, einer Stadt, die gerade von Cosianern und ihren Verbündeten belagert wurde und wo Ionicus’ »Schwarze Kette« bei den Belagerungsarbeiten beim Ausheben von Erkundungsgräben und Erdwällen eingesetzt wurde. Dieser Kette hatte ich als Ködermädchen bei der »Rekrutierung« einiger ihrer Mitglieder geholfen.
Vor zwei Tagen waren wir in den »Häfen von Aristodemus« angekommen. Der Transport mit Tarn war wegen des Krieges in der Umgebung von Venna gegenwärtig stark eingeschränkt und ich nahm an, dass das in der Umgebung von Ar nicht anders war. Der Grund lag wahrscheinlich darin, dass man die Aufklärung aus der Luft erschweren und den Himmel wenigstens teilweise kontrollieren wollte. Ein unbefugter Flug in diesem Gebiet, besonders am Tag, würde so leichter zu entdecken sein. Außerdem flogen Tarnsmänner häufig Patrouille. Dadurch wurde nicht nur die Wahrscheinlichkeit erhöht, Plünderer oder Spione zu entdecken, sondern auch der Einsatz der Kräfte der Verteidiger. Plünderer können sich natürlich nicht schnell fortbewegen und sind so Kriegern am Himmel ausgeliefert.
In den »Häfen von Aristodemus« wurden wir in Arbeitstuniken gesteckt. Uns wurden auch die Ketten, die wir jetzt trugen angelegt, wir wurden aber noch nicht an der Sklavenkette befestigt. Zusammen mit anderen Mädchen kamen wir in Sklavenwagen, die anscheinend auf unsere Ankunft gewartet hatten, um uns ins Arbeitslager zu bringen. Auf diesen Wagen wurden unsere gefesselten Knöchel an einen Mittelbalken gekettet und angeschlossen. Auf diese Weise mussten wir im Wagen bleiben, bis es den Herren einfiel, uns herauszulassen. Als wir innerhalb der Umzäunung des Arbeitslagers ankamen, wurden wir eine nach der anderen vom Wagen geholt und an die Sklavenkette gelegt. Dann machten wir uns auf den Weg durch das Lager zum Aufseherzelt, neben dem, um es ihm bequemer zu machen, unsere Gehege lagen. Ich sah mich an und die lange Kette. Ich hatte Angst.
»Welche Kette ist das, Herr?« fragte ich.
»Die Schwarze Kette.« antwortete der Wächter.
Ich schrie vor Angst auf.
»Was ist los?« grinste er.
Ich bin sicher, dass er es genau wusste.
»Die schwarze Kette«, sagte ich, »ist doch aber in Torcadino. Sie ist in Torcadino!«
»Sie war in Torcadino«, widersprach er, »jetzt aber nicht mehr. Sie ist hierher verlegt worden, nach Venna.«
Ich taumelte an der Kette. Die Dinge schienen sich plötzlich um mich herum zu bewegen und es schien schwarz um mich her zu werden Die Kette, die an der Vorderseite meines Kragens befestigt war, zog mich weiter.
»Die Belagerungsarbeiten bei Torcadino«, fuhr er fort, »oder jedenfalls der größte Teil der schweren Arbeiten dort sind schon vor Monaten beendet worden.«
Ich fühlte mich elend, musste aber an der Kette weiterstolpern.
»Du bist vielleicht die Schlampe Tuka.« sagte der Wächter.
Ich sah ihn elendig an. Er hatte meinen Namen gehört. Ich trug immer noch den Namen, den mir mein früherer Herr, Tyrrhenius aus Argentum, gegeben hatte. Ich hatte keinen neuen Namen bekommen. Jetzt begann ich erschrocken zu vermuten, warum. Er sah mich an.
»Ja, Herr«, gab ich zu, »ich bin die Schlampe Tuka.«
»Das dachte ich mir schon.« sagte er. »Du hat viele Freunde an der Kette.«
»Beschütze mich«, bettelte ich, »beschütze mich!«
»Vielleicht.« lächelte er.
»Ich diene dir so unterwürfig wie die niedrigste Schlampe auf Gor.« versprach ich ihm weinend.
»Du musst mir sowieso dienen«, lachte er, »du bist eine Sklavin.«
»Ja, Herr.« stöhnte ich.
»Die Wachen haben gehört, dass du ein ausgezeichnetes Ködermädchen warst.« sagte er. »Sie vermuten deshalb, dass du ziemlich gut bist und freuen sich darauf, dich auszuprobieren.«
»Ja, Herr.«
Ich würde versuchen, ihnen perfekt zu dienen.
Wir kamen nun oben an dem viereckigen Aufseherzelt an. Dahinter und links davon, am Fuß des Hügels befanden sich die Gehege für die weiblichen Arbeitssklaven. Ich konnte ein Stück davon sehen, als wir auf den Hügel stiegen.
»Mir wurde gesagt, Herr«, sagte ich, »dass ich an meinen Herrn, Ionicus, für fünf Silber-Tarsks und ein Tarsk-Stück verkauft wurde.«
»Ich habe davon gehört.« entgegnete er.
»Ist das nicht ein zu hoher Preis für einen weiblichen Arbeitssklaven?« fragte ich.
»Unter normalen Umständen wäre es für eine normale Arbeitssklavin ziemlich viel.« sagte er amüsiert. »Aber Ionicus kann einen guten Spaß würdigen. Er ist ein Mann, der viel dafür bezahlt, sich zu amüsieren.«
»Ich verstehe.« flüsterte ich.
»Haltet hier an.« rief er der Sklavenkette zu.
Wir waren nun auf oben auf dem Hügel angekommen, am dem flachen, offenen Platz vor dem Zelt.
»Dies, meine Damen«, erklärte er, »ist das Zelt des Aufsehers. Viel wird davon abhängen, wie ihr ihn zufrieden stellt.«
Ängstliches Murmeln war in der Kette zu hören.
»Ihr werdet von der Kette genommen und einzeln zu ihm gebracht.« sagte er. »Ich gebe euch den Rat, vorher eure Tuniken zu öffnen.«
Eine nach der anderen, beginnend mit dem Ersten Mädchen, wurden wir von der Sklavenkette gelöst. Jede von uns kauerte sich dann hin, damit sie mit den gefesselten Händen den oberen Teil ihrer Tunika erreichen konnte und öffnete sie.
»Lass mich dir helfen.« sagte der Wächter.
Ich stand vor ihm auf. Er riss meine Tunika vorn auf und schlug sie über meine Schultern zurück.
»Ausgezeichnet.« sagte er.