»Komm mit.« befahl er.
Ich schrie leise auf und stolperte vorwärts, barfuss auf der schmutzigen Straße, der Stahl des Kragens schnitt hart in mein Genick ein.
»Beeil dich.« befahl er.
»Ja, Herr!« antwortete ich.
»Wir müssen zu zehnten Ahn auf dem Platz sein.«
»Ja, Herr.«
Ich war an einer Leine. Die Leine war eine dünne Kette. Die zehnte Ahn war der goreanische Mittag. Der Platz würde zu dieser Zeit überfüllt sein. Natürlich ist er zu verschiedenen Tageszeiten unterschiedlich gefüllt. Am Morgen bieten die Bauern ihre Erzeugnisse an, dann werden viele Einkäufe erledigt. Später entfernen die Stände und Läden rund um den Platz ihre Rollläden und Blenden und öffnen. Danach kommen Männer, um Gerüchte und Neuigkeiten auszutauschen. Manche besuchen die Tempel, opfern Münzen, kaufen Weihrauch und verbrennen es, bitten die Priesterkönige um eine gute Ernte oder um Erfolg bei einem Geschäft, um Glück für sich und Unglück für ihre Feinde. Goreanische Bitten an die Priesterkönige scheinen insgesamt sehr konkret und sehr praktisch zu sein.
Die meisten Goreaner stehen einem Leben nach dem Tode sehr skeptisch gegenüber oder begnügen sich jedenfalls damit, abzuwarten und dann selbst zu sehen. Die einzige Kaste, die, soweit ich weiß, offiziell an ein Leben nach dem Tode glaubt, ist die der Wissenden, und die glauben, so scheint es, nur für sich selbst daran, weil es ihrer Meinung nach von solchen Dingen abhängt wie der Durchführung geheimer Riten, dem Erwerb von (hauptsächlich mathematischem) Wissen und der Vermeidung bestimmter Nahrungsmittel. Die Wissenden sind gewöhnlich weiß gekleidet und rasieren ihre Köpfe. Sie enthalten sich angeblich und vielleicht sogar tatsächlich völlig des Alkohols und der Frauen. Sie zählen zu den fünf Hohen Kasten, die anderen sind die Ärzte, die Schriftgelehrten, die Hausbauer und die Krieger. In einigen Städten sind die Wissenden ziemlich mächtig, in anderen leben sie eher am Rande der Gesellschaft.
Ich war noch nie in einem dieser Tempel. Sklaven sind, wie andere Tiere auch, dort nicht zugelassen. Es heißt, sie würden einen solchen Platz entweihen. Sie müssen in speziellen, kleinen, von Mauern umgebenen Bereichen außerhalb der Tempel, normalerweise dahinter oder an der Seite, warten, wo ihre Gegenwart von freien Personen nicht als anstößig empfunden wird. In einige Tempel hatte ich von der Straße aus durch große geöffnete Tore oder geöffnete Kolonnaden hineingesehen, sie sind überdacht, aber aus irgendeinem Grund nicht von Mauern umgeben. Manche sind prunkvoll verziert, andere erscheinen sehr streng. Ich glaube, das hängt von der Stadt ab oder vom Geschmack der Gemeinschaft der Wissenden, die für den Tempel sorgen. Der Anführer der Wissenden in Ar beansprucht die Führerschaft über alle Wissenden aller Städte, aber dies wird scheinbar nicht überall anerkannt.
Ich nehme an, dass es in den Tempeln keine Stühle oder Bänke gibt, außer für die Wissenden in der Nähe des Altars. Goreaner führen ihre Riten und Gebete im Stehen aus. Sie neigen dazu, die Priesterkönige nicht so sehr als Herren denn als Verbündete zu betrachten, die sich durch Geschenke geschmeichelt fühlen und umworben werden müssen. Auf dem Hochaltar jedes Tempels gibt es angeblich einen großen goldenen Kreis als Symbol der Priesterkönige, als Symbol der Ewigkeit, einer Sache ohne Anfang oder Ende. Das »Zeichen der Priesterkönige« besteht folgerichtig aus einer geschlossenen, kreisförmigen Bewegung. Die Lehren der Wissenden, ihre Empfehlungen und Ermahnungen schienen am ehesten von den niederen Kasten angenommen zu werden.
Viele Männer sitzen übrigens gern bei den Gerichtsverhandlungen und lauschen dort den Disputen und Rechtshändeln. Manche arbeiten in den Jurys mit. Andere genießen nur das Wechselspiel und die Logik, applaudieren oft einem scharfsinnigen Argument eines der Advokaten.
Später am Nachmittag gehen viele Männer in die Bäder. In vielen goreanischen Städten sind die Bäder wichtige soziale Zentren. Manche sind privat und nur für einen begrenzten Personenkreis, aber die meisten sind öffentlich und ihre Einrichtungen sind gegen eine Gebühr für alle freien Personen zugänglich. Natürlich baden die Geschlechter getrennt. Das schließt aber die Anwesenheit weiblicher Bademeister im Männerbad oder von Seidensklaven im Frauenbad nicht aus.
Am späten Nachmittag, nach dem Bad, gehen die Männer gern nach Hause und freuen sich auf ihr Abendmahl. Manchmal folgen »Kunden« reichen Männer in ihr Haus. Sie treffen sie am Morgen außerhalb des Hauses und begleiten sie manchmal den ganzen Tag über. Goreaner lieben es, Essen und Parties zu geben. Sie sind ein geselliges Volk. Wenn man keine eigenen Sklaven besitzt oder zu wenige, kann man für solche Gelegenheiten welche mieten. Die Vereinbarungen dazu werden normalerweise tagsüber getroffen, günstigerweise in der unmittelbaren Umgebung des Hauses. Wenn Feiertage anstehen, trifft man solche Vereinbarungen klugerweise einige Tage im Voraus. Manchmal gibt es an den Abenden oder gegen Ende der Woche Unterhaltungsangebote wie Schauspiele oder Konzerte. Dinge wie Rennwettbewerbe oder Spiele finden, wenn die Stadt sie sich leisten kann, regelmäßig am gleichen Tag im Jahr nachmittags, unter natürlichem Licht statt.
»Beeile dich!« befahl der Mann.
Ich stolperte, von der Kette gezogen, vorwärts. Ich konnte, obwohl meine Hände frei waren, die Leine nicht entfernen. Sie war mit einem Schnappschloss an meinem Kragen befestigt.
»Beeile dich!« wiederholte er und lief schneller vor mir her.
»Ja, Herr!« keuchte ich.
Ich war in ein Ta-Teera oder Sklavenfetzen gekleidet, ein kleines Stück Tuch, das an verschiedenen Stellen eingerissen war und mich mehr enthüllte als bedeckte. Wir waren auf den Straßen von Markt von Semris. Ich war hier einmal verkauft worden. Wir waren aus Samnium gekommen, das südöstlich von Brundisium liegt. Ich war dort in den Besitz meines derzeitigen Herrn gekommen. Ich hatte ihn nur fünfzig Kupfer-Tarsk gekostet, das ist ein halber Silber-Tarsk. Die Männer, die mich verkauften, hatten nicht lange feilschen wollen. Ich hatte sie nichts gekostet. Sie mussten für mich nicht viel herausschlagen. Außerdem schien es, als wollten sie ihre Mädchen schnell loswerden, und wir waren einige, die in Tarnkörben schnell nach Samnium gebracht worden waren. Ich erfuhr nicht, an wen Tupita verkauft wurde, sie war aber zweifellos als einfachere Sklavin weggegangen, als sie vorher gewesen war.
Auf meinen Rücken war eine zusammengerollte Strohmatte gebunden. Um meinen Hals hing ein Kupferkessel. Er war mir an einem durch ein kleines Loch im Kessel gezogenen Lederriemen umgehängt worden. Mein Herr hatte sich eine Doppelflöte auf den Rücken geworfen. Er war Gordon, ein umherziehender Musiker.
»Ist sie gut?« fragte ein Bursche, der wie wir die staubige Straße entlangeilte.
»Komm her und sieh selbst.« antwortete mein Herr.
Wir mussten dem Platz schon nahe sein, es schienen viel mehr Leute auf der Straße unterwegs zu sein. Außerdem war die Straße jetzt gepflastert und Häuser standen an beiden Seiten. Die Straße war etwa zehn Fuß breit. Sie hatte für regnerisches Wetter Trittsteine an den Ecken. Diese Steine waren so angeordnet, dass die Räder eines Wagens die Straße überqueren konnten. Auf dem Platz waren wahrscheinlich Barrieren gegen den Verkehr errichtet. Dort waren nur Fußgänger erlaubt, Sklaventräger transportierten gegen eine Gebühr die Waren. Der Rinnstein der Straße war eine lange, enge Rinne in der Mitte. Eine freie Frau, die mich mit Abscheu ansah, wechselte die Seite, damit ihre prunkvolle Robe mich nicht berührte, wenn ich an ihr vorbeiging.
»Oh« sagte ich erschrocken.
Ein Mann hatte mich im Vorbeigehen getätschelt.
»Hier.« sagte mein Herr zufrieden.
Ich blinzelte in das Licht des offenen Platzes.
Markt von Semris ist keine große Stadt, sie ist hauptsächlich für ihren Tarskmarkt, für »vierbeinige« und »zweibeinige« Tarsks bekannt, aber wie in den meisten goreanischen Städten war ihr zentraler Platz, so klein er auch war, eine Quelle des Bürgerstolzes. Er war mit einem komplizierten Muster aus flachen Steinen belegt. An den Seiten befanden sich Läden. An jeder der vier Ecken sprudelte ein Springbrunnen. Der Tempel, ein geschlossener Tempel mit Säulen, einem Giebeldreieck und einem Fries war beeindruckend. Die öffentlichen Gebäude wie der Gerichtshof, das »Haus des Verwalters« und die öffentlichen Büros waren ähnlich angelegt und geschmückt. Gedenksäulen standen hier und da an den Rändern des Platzes.
Wir traten zwischen den senkrechten Pfosten hindurch und gingen an der Trägerstation vorbei. Ein geöffnetes Barbiergeschäft mit fünf Stühlen war an der einen Seite. Alle Stühle waren besetzt. Drei Männer ließen sich ihr Haar schneiden, einer wurde mit einem Rasiermesser rasiert und einer ließ sich den Bart stutzen. Anderes Volk stand wartend daneben. Ich folgte meinem Herrn an meiner Leine.
Ich war unglaublich begeistert davon, über diese Steine zu laufen. Es schien mir wie ein Wunder. Ich hatte von solchen Dingen nur geträumt. Es war, als wäre ich durch Zauberhand in die Vergangenheit transportiert worden, nur dass es hier, an diesem Platz, die Gegenwart war und ich war tatsächlich hier, wenn auch in einem Kragen. Ich wusste, dass ich an einem solchen Platz, zwischen diesen Leuten, perfekt gehorchen musste. Ich war eine Sklavin und ihrer Gnade kompromisslos ausgeliefert. Doch trotz dieser Tatsache hätte ich die schöne Welt von Gor gegen nichts eintauschen wollen, obwohl ich hier weniger als das niedrigste und bedeutungsloseste Tier galt.
An der Seite stand, vielleicht als Erinnerung an einen Sieg, eine Gruppe von fünf heroischen männlichen Skulpturen mit Schilden, Helmen und Speeren und zu ihren Füßen knieten, inmitten von Beutestücken, zwei nackte Frauen, vielleicht Gefangene oder Sklavinnen. Oberhalb des Sockels gab es einen umlaufenden gezeichneten Fries.
»Bitte, Herr!« bettelte ich. »Bitte lass mich das ansehen. Lass es mich ansehen!«
Er blickte zurück und sah mich an. Meine Augen bettelten. Ich wusste, dass ich seiner Entscheidung folgen müsste. Er war kein nachgiebiger Herr, aber er war intelligent und er konnte sehen, wie aufgeregt ich war. Solche Plätze erregten mich sehr. Er ließ mich dann, angeleint wie ich war, den umlaufenden Fries betrachten.
Es gab fünf Hauptabschnitte. Im ersten schienen wütende Herolde oder Botschafter vor einem Thron zu stehen, auf dem eine gelassene Tatrix ruhte, die sie vielleicht gerade beleidigt hatte. Im zweiten waren Armeen auf einer Ebene vor einer Stadt dargestellt. Im dritten Abschnitt war ein furchtbarer Kampf im Gange. Im vierten schienen demütige Vertreter der Verlierer vor dem Lagerthron des siegreichen Generals zu erscheinen. Sie überbrachten ihm scheinbar Friedens- und Versöhnungsgeschenke. Darunter waren exotische Bestien, Korngarben, Truhen gefüllt mit wertvollen Gaben und nackte, in Ketten gelegte Frauen. Außerdem kniete die Tatrix mit ihrer Tiara, vollständig bekleidet, aber in Ketten gelegt, vor dem Thron des siegreichen Generals. Im fünften Abschnitt sahen wir ein Siegesfest. Nackte Mädchen, zweifellos zu den Verlierern gehörend, bedienten an niedrigen Tischen und tanzten zwischen ihnen. An der Seite des siegreichen Generals saß als sein Gast die Tatrix, immer noch mit ihrer Tiara, aber bis zur Taille entblößt, als nächstes würde ihre Tiara zweifellos entfernt werden. Sklavenmädchen brauchten so etwas nicht. Sicher würde sie bald auch nackt sein und bedienen und tanzen und wie jede andere Sklavin hoffen, dass sie ihre Herren zufrieden stellen würde.
»Interessant«, bemerkte mein Herr, »dieses Denkmal feiert einen Sieg, mit dem Markt von Semris nur indirekt verbunden war. Es erzählt die Geschichte eines Krieges, der im Nordwesten stattfand, auf dem Olni, zwischen Port Olni und Ti, zweithundert Jahre vor der Vereinigung der Salarischen Konföderation. Ti war damals siegreich. Es gibt ein größeres Original dieses Denkmals in Ti. Dies hier ist eine Kopie. Es steht hier, weil Markt von Semris während der Zeit dieses Krieges ein wichtiger Verbündeter und eine Nachschubbasis Tis war.
»Ja, Herr.«
»Das meiste davon, was ich dir erzählt habe, steht auf der Plakette auf der rechten Seite.«
»Ja, Herr.«
Ich konnte nicht lesen.
»Komm weiter.« befahl er zum Klang der Kette, als er an der Leine ruckte.
»Eine kurvenreiche Sklavin.« stellte ein Mann anerkennend fest.
Ich wusste nicht, ob er mich damit meinte. Vielleicht. Ein Ta-Teera überlässt nur wenige Reize eines Mädchens der Phantasie. Ich eilte meinem Herrn hinterher, um die Leine nicht zu straff werden zu lassen. Ich konnte mich irren, doch ich fühlte, wie mir Männer hinterhersahen. Vielleicht hatten sie die Doppelflöte auf dem Rücken meines Herrn bemerkt und sie hatten einen zusätzlichen Blick auf mich geworfen, der mehr war als die übliche Abschätzung reizvollen Sklavenfleisches durch goreanische Herren und unabhängig davon, ob sie Interesse daran hatten, uns zu folgen oder nicht.
»Hier.« sagte mein Herr schließlich und hielt an einer schattigen Ecke des Platzes an.
»Ja, Herr.«
Es gab ein Haus dort. In der Wand waren einen Fuß über dem Boden vier oder fünf Sklavenringe eingelassen. So etwas ist auf goreanischen Plätzen sehr verbreitet. Sie ermöglichen den Herren, ihre Sklaven festzubinden. Manche Männer versammeln sich dort. Ich lockerte die Schnüre, mit denen die Matte auf meinen Rücken gebunden war, nahm sie ab und legte sie auf den Boden. Ich öffnete die Schnüre, die sie zusammengerollt hielten und rollte sie auseinander. Sie lag links vom nächsten Sklavenring. Ich nahm den Kupferkessel von meinem Hals und stellte ihn neben die Matte. Mein Herr zog sein Ende nun zu den nächsten zwei Sklavenringen und sicherte es dort, indem er ein schweres Vorhängeschloss durch die zwei Ringe zog. Dann wurde ich an den Sklavenring angebunden. Ich kniete neben dem Kessel nieder und senkte den Kopf. Mein Herr nahm die lange Doppelflöte vom Rücken. Ich machte mich bereit. Ich glaube, jeder auf dem Platz konnte die Musik hören.
Mein Herr spielte dann zwei oder drei Minuten lang sanfte, melodische Stücke, sinnliche und einladende Melodien. Männer begannen, sich in größerer Zahl um uns zu versammeln. Es war bald eine kleinere Menge. Ich hielt den Kopf gesenkt. Mein Herr würde entscheiden, wann die Menge groß genug war. Ich dachte an das Denkmal, an die heroischen Figuren und die Frauen zu ihren Füßen, die zweifellos erbeutet worden waren. Ich dachte auch an den Fries, der den Sockel bedeckte, besonders an die hochmütige Tatrix auf ihrem Thron am Beginn des Frieses und dann an die Prozession derer, die mit Friedens- und Versöhnungsgeschenken gekommen waren, mit Tieren, Kostbarkeiten, Frauen und solchen Dingen. Ich dachte an die Tatrix, wie sie vollständig bekleidet, in Ketten vor dem Sieger kniete. Und ich dachte auch an den letzten Teil des Frieses, wo sie neben dem Sieger saß, in ihrer Tiara und halb ausgezogen seine Siegesfeier verschönte, während die Frauen ihrer Stadt völlig nackt bedienten und tanzten.
Der Fries hatte mich erregt. Als Sklavin erregten mich auch die Männer um mich herum. In der Gegenwart von Männern wurde mir manchmal zu meiner Bestürzung und Verlegenheit warm und heiß zwischen meinen Beinen. Das war mir natürlich gestattet, weil ich nur eine Sklavin war. Die Frauen auf dem Fries waren, wenigstens zu dieser Zeit, wahrscheinlich freie Frauen gewesen. Ich zweifelte aber nicht daran, dass ihre Freiheit sich bald verflüchtigt hatte und sie unter den Siegern aufgeteilt oder mit Gewinn auf dem Sklavenmarkt verkauft worden waren. Ich fragte mich, wenn der General die Tatrix für sich beansprucht hatte, ob er sie verkauft oder für sich behalten hatte, vielleicht als die Geringste unter seinen Sklavinnen.
Aber ich war keine freie Frau. Ich war nur eine Sklavin. Ich liebte die Freiheit und die Befreiung, die es mir ermöglichte, eine ganze Frau zu sein.
Dann ertönte der musikalische Wirbel, den ich so gut kannte. Ich erhob mich graziös und stand vor den Männern. Ich hörte, wie einige von ihnen vor Erwartung leise Atem holten. Wie mächtig ich mich dann fühlte, obwohl ich nur eine an einen Ring gekettete Sklavin war. Während die Musik der Doppelflöte im Hintergrund spielte, zog ich das Ta-Teera aus und legte es beiseite.
»Ah!« sagte ein Mann.
»Wunderbar.« sagte ein anderer.
Ich verrückte die Kette, so dass sie zwischen meinen Brüsten hing. Sie lag in einer Spirale am Boden und schlängelte sich dann zurück zum Ring. Sie war mit Absicht sehr lang. Ich zog sie an meinem Kragen etwas nach unten. Ich tat das, damit die Männer sahen, dass sie dort gut befestigt war. Ich wusste, das würde sie erregen, genauso wie es mich erregte. Außerdem stellte es sicher, dass sie an der Vorderseite des Kragens zog. Ich beugte meine Knie. Ich hob meine Hände mit den Rückseiten der Handgelenke zueinander anmutig über den Kopf. Mein Herr ließ mich vier oder fünf Minuten tanzen, bis die Männer rasend vor Begierde waren. Ich vollführte sogar, was »Bodenbewegungen« genannt wird, für sie. Ich sah ihre Augen blitzen. Das ist die Macht der Tänzerin. Als die Musik endete kniete ich vor ihnen, mich als weiblicher Sklave hingebend und hob dann, immer noch kniend, meinen Kopf.
»Darf ich sprechen, ihr Herren?« fragte ich.
»Ja.« riefen einige der Männer.
»Ich möchte jetzt von einem Mann angefasst werden.« sagte ich. »Ich bitte um die Berührung eines Mannes. Wer fasst mich an?«
Diese Worte waren mir beigebracht worden als Bitte eines Sklavenmädchens, das vor Herren spricht. Aber ich war wirklich erregt. Sie waren Männer und ich war eine Sklavin. Ich sehnte mich danach, dass sie mich anfassten. Die einzige sexuelle Aufmerksamkeit, die mein Herr mir widmete war eine gelegentliche Vergewaltigung; er wollte mich für seine Zuschauer in ständiger Erregung halten. Und schon wurde ich an den Oberarmen gepackt, halb hochgehoben und auf die Matte zurückgeworfen. Ich hörte, wie eine kleine Münze, ein Kupfer-Tarskstück, im Kupferkessel klingelte. Ich riss den lüsternen, brutalen Kerl verzweifelt und dankbar an mich! Ich war heiß und offen und fühlte die Begierde einer Sklavin!
Im Nu war er mit mir fertig. ich richtete mich halb auf, wurde aber gepackt und zurück auf die Matte geschleudert. Ich hörte, wie die nächste Münze in den Kessel geworfen wurde. Dankbar schloss ich meine Augen.
An diesem Nachmittag diente ich oft den Männern und fünfmal tanzte ich für sie. Manchmal baute ich die Kette in meinen Tanz ein; manchmal tat ich so, als würde ich mich gegen sie wehren, ein Kampf, den ich verlieren musste; oder ich tat so, als würde ich nicht verstehen, was sie bedeutete, sah die Männer dann an, als dächte ich, sie würden es mir erklären, sie taten es auch mit rauen Schreien; manchmal benutzte ich sie, um mich damit zu streicheln, worauf ich mit einem Wimmern reagierte; manchmal schien ich mich streng, hilflos und erbarmungslos damit zu fesseln; manchmal küsste und streichelte ich sie und drückte meine Freude darüber aus, dass ich mich endlich an dem mir zustehenden Platz der natürlichen Ordnung befand – man kann vieles mit einer Kette tun.
Einmal kam eine freie Frau und sah für einen Moment zu. Ich traute mich nicht, ihr in die Augen zu sehen, unterbrach meinem Tanz aber auch nicht, ich wollte versuchen, ihr von Frau zu Frau zu zeigen, was eine Frau sein konnte, auch eine niedrige Sklavin, gerade eine niedrige Sklavin. Sie ging schnell wieder, zitternd unter ihren Roben. Ich fragte mich, ob sie nicht auch manchmal einen Kragen tragen und sich so vor Männern bewegen wollte.
Dann, am späten Nachmittag, lag ich auf der Strohmatte. Ich konnte das Stroh unter mir knistern hören. Im Kupferkessel lagen einige Münzen. Während des Nachmittags hatte mein Herr von Zeit zu Zeit welche herausgenommen. Man lässt normalerweise nur so viele im Kessel, dass sie als Einladung für neue Münzen dienen können, aber nicht so viele, dass man suggerieren könnte, es wären schon genügend darin.
»Wieviele haben dich heute gehabt?« fragte mein Herr.
»Herr?« fragte ich zurück, auf der Seite auf der Matte liegend, mit der Kette am Hals.
»Ich glaube, ich habe dich noch nie so lüstern und heiß gesehen.« bemerkte er.
»Meine Begierden werde größer, Herr.« erklärte ich.
Das stimmte. Aber heute lag es auch daran, dass ich den Platz, die Gebäude und die Leute von Markt von Semris gesehen hatte. Es war, als wäre ich in die Vergangenheit gereist und zwar in eine Vergangenheit, deren Bedingungen ich hilflos ausgeliefert war und denen ich perfekt gehorchen musste. Markt von Semris hätte eine Stadt in Hellas oder im Römischen Reich sein können.
Ich war begeistert, hier sein zu dürfen, wenn auch nur als Sklavin. Ich hätte die schöne, wunderbare Welt von Gor mit all ihren Gefahren gegen nichts eintauschen wollen. Außerdem konnte ich das Denkmal mit seinem Fries nicht vergessen. Ich würde es niemals mehr vergessen. Es hatte mich sehr erregt, sein Stil, seine Schönheit, seine Bilder und die einfache, unbestrittene, direkte öffentliche Präsentation natürlicher biologischer Beziehungen, wenn auch in einem politischen und historischen Zusammenhang.
»Sklavin.«
»Herr?«
Ich drehte mich auf den Rücken. Ich sah seine Begierde. Ich lächelte ihn an, begierig darauf, ihn zu befriedigen. Ich hob ihm meine Arme entgegen.
»Auf den Bauch.« befahl er.
Ich gehorchte. Er würde mich auf meinen Platz verweisen. Mein Herr war Gordon, ein umherziehender Musikant. Ich war eine Straßentänzerin. Als er fertig war, stand er auf.
»Deine Sklavin«, bemerkte ein Mann, ein großer Kerl in wallenden Gewändern, »ist nicht uninteressant.«
Ich kniete natürlich sofort nieder, weil ich Gegenstand der Aufmerksamkeit eine freien Mannes war. Er hatte uns den ganzen Nachmittag über beobachtet, mich aber nicht benutzt.
»Du bist eine Erdenschlampe, nicht wahr?« fragte er.
»Ja, Herr.« bestätigte ich.
»Ihre Ohren sind durchstochen.« bemerkte er.
»Ja.« sagte mein Herr.
»Für eine Straßentänzerin tanzt sie ausgezeichnet.« fuhr der Mann fort.
Mein Herr zuckte mit den Schultern.
»Sie hat vielleicht nicht immer auf der Straße getanzt.« vermutete der Mann.
»Vielleicht.« antwortete mein Herr und warf sich seine Flöte wieder auf den Rücken.
Normalerweise beginnt man auf der Straße zu tanzen und kommt dann in eine Taverne und nicht umgekehrt. Wenn eine Straßentänzerin gut genug ist, wird sie natürlich versuchen, von einem Tavernenbesitzer gekauft zu werden. Es wird gesagt, dass viele der besten Tavernentänzerinnen auf den Nebenstraßen an der Leine angefangen haben.
»Hat sie einmal in einer Taverne getanzt?« fragte der Mann nun direkt.
»Vielleicht«, entgegnete mein Herr, »ich weiß es nicht.«
Er machte Anstalten zu gehen.
»Ich glaube, sie ist eine gestohlene Tavernentänzerin.« sagte der Mann.
»Ich habe sie legal gekauft.« entgegnete mein Herr.
»Hast du ihre Papiere?«
»Nein.«
»Du hast gestohlene Ware gekauft.«
»Soviel ich weiß nicht.«
»Eine Untersuchung könnte trotzdem beweisen, dass du sie nicht legal besitzt.«
»Bist du ein Friedensrichter oder Agent eines Praetors?« erkundigte sich mein Herr knapp.
»Nein.«
Mein Herr entspannte sich sichtlich.
»Aber ich könnte jederzeit eine Bürgeranfrage einbringen und die Angelegenheit untersuchen lassen.«
»Was willst du?«
»Sie ist eine heiße Sklavin, kurvenreich und schön.«
»So?«
»Sie tanzt gut und ihre Ohren sind durchstochen.«
»So?«
»Was hast du für sie bezahlt?«
»Das ist meine Sache.«
»Nicht viel, vermute ich.« sagte der Mann. »Gestohlene Sklaven bringen selten hohe Preise, es sei denn, sie werden an private Händler auf Vertrag geliefert oder an Sklavenhändler, die wissen, wohin sie sie weiterverkaufen können.«
»Sie gehört mir«, sagte mein Herr, »ich habe sie schon ausreichend lange in meinem Kragen.«
»Ich bin bereit, das zu akzeptieren«, sagte der Mann, »sie scheint eindeutig in deinen Kragen zu passen. Die offizielle Übergangszeit ist zweifellos schon vorbei.«
»Dann ist unsere Unterhaltung zu Ende.« sagte mein Herr wütend.
»Nichtsdestoweniger scheint es, als würdest du immer noch als jemand gelten, der gestohlene Ware besitzt.«
»Wenn überhaupt, dann nicht wissentlich.« wandte mein Herr ein.
»Unwissenheit über die Herkunft der Ware«, entgegnete der Mann, »entlastet dich in einer solchen Angelegenheit nicht von persönlicher Schuld.«
Mein Herr zuckte mit den Schultern.
»Es könnte für einen Praetor immer noch von Interesse sein«, fuhr der Mann fort, »zu hören, wie du deine Unschuld beteuerst. Er könnte sich auch dafür interessieren, von wem du diese Sklavin gekauft hast und vielleicht sogar dafür, woher sie eigentlich stammt.«
»Was willst du?« fragte mein Herr wütend.
»Ich bin bereit, großzügig zu sein.« sagte der Mann.
»Sie ist nicht zu verkaufen.« entgegnete mein Herr.
»Ich bin aus Argentum gekommen.« sagte der Mann. »Ich bin hierher nach Markt von Semris gekommen, um nach einem bestimmten Typ Sklavin zu schauen. Ich glaube, dein Mädchen ist genau das, was ich suche.«
»Bist du Sklavenhändler?«
»Nein.«
Der Mann sah zu mir herunter.
»Du bist eine aufregende Schlampe.« bemerkte er.
Ich senkte meinen Kopf. Ich wollte damit nichts zu tun haben. Vor goreanischen Gerichten müssen Sklaven gewöhnlich unter der Folter aussagen.
»Sie ist nicht zu verkaufen.« sagte mein Herr wieder.
»Ich gebe dir fünf Silber-Tarsks für sie.«
Mein Herr schien fassungslos, als er diese Summe vernahm. Ich konnte auch kaum glauben, was ich gehört hatte. Solch ein Preis wurde für Straßentänzerinnen nicht gezahlt.
»Gemacht!« stimmte mein Herr zu.
Ich sah erschrocken auf. Ich war verkauft worden. Ich sah, wie die Münzen den Besitzer wechselten.
»Was ist dein Name, meine Liebe?« erkundigte sich mein neuer Herr.
»Welcher immer dem Herrn gefällt.« antwortete ich.
»Wie wurdest du genannt?«
»Tula.«
Das war der Name, den mir mein früherer Herr, der umerziehende Musikant, gegeben hatte.
»Jetzt bist du Tuka.« bestimmte er.
»Ja, Herr.«
»Wie ist dein Name?« fragte er nach.
»Tuka, Herr.«
Ich war jetzt Tuka.
»Wessen Sklavin bist du?«
»Deine Sklavin, Herr.«
Er zeigte auf seine Füße. Ich bückte mich und leckte und küsste sie.
»Auf alle vier, Tuka.« befahl er.
Ich erhob mich auf alle vier. Tula und Tuka waren sehr gebräuchliche Sklavennamen auf Gor, genauso wie Lita und Dina. Es gibt sogar ein Brandzeichen, das »Dina« genannt wird, es ähnelt der Dina, oder Sklavenblume, einer kleinen, rosenähnlichen Blume. Mädchen, die dieses Zeichen tragen, werden oft Dinas genannt und haben auch diesen Namen. Namen wie Tula und Tuka werden oft für zusammengehörende weibliche Sklaven verwendet, weil sie gut zusammenpassen. Ein anderes solches Paar ist Sipa und Sita. Aber natürlich werden solche Namen auch einzeln verwendet. Zweifellos hatte ich den Namen »Tuka« wegen seiner Ähnlichkeit zu meinem früheren Namen bekommen. Das zeigte, dass mein neuer Meister kein großes Interesse daran hatte, wie er mich nannte. Er hatte nur irgend etwas festgelegt, mit dem er mich rufen konnte. Trotzdem war es ein guter Sklavenname. Ich nahm an, er mochte ihn, sonst hätte er ihn mir nicht gegeben. Vielleicht hatte er einmal ein Mädchen mit dem Namen Tuka gekannt, eine Sklavin oder möglicherweise eine freie Frau, die er gemocht hatte.
Mein früherer Herr schob seinen Kragen mit der angehängten Kette an meinem Hals höher, näher zum Kinn. Er hatte den Schlüssel in der Hand. Mein neuer Herr schloss seinen Kragen unterhalb des früheren um meinen Hals. Ich hatte jetzt zwei Kragen. Mein früherer Herr entfernte dann seinen Kragen. Ich war nicht einen Augenblick ohne Kragen gewesen.
Mein neuer Herr drehte sich mit wehende Robe um und begann, über den Platz davonzugehen. Ich eilte ihm nach. Natürlich war ich nackt. Ich hatte das Ta-Teera zum Tanzen ausgezogen und danach nicht wieder angelegt. Mein neuer Herr hatte mich und nicht das Ta-Teera gekauft. Das blieb bei meinem früheren Herrn. Vermutlich würde es bald ein neues Mädchen tragen, wie andere vor mir.
Ich hoffte, dass mir mein neuer Herr Kleidung erlauben würde, wenigstens in der Öffentlichkeit. Für ein Mädchen sind sogar die winzigen Sklaventuniken oder die skandalösen Ta-Teerae ein Schatz. Außerdem schätzt sie es, wie diese Kleidung ihre Reize unterstreicht.
»Darf ich sprechen, Herr?« rief ich hinter ihm, während ich ihm nacheilte.
»Ja.«
»Darf ich mich nach dem Namen meines Herrn erkundigen?«
»Den erfährst du schon noch früh genug.«
»Ja, Herr.«
Der Name stand sicher auf meinem Kragen, aber ohne Spiegel konnte ich ihn nicht lesen, da der Kragen um meinen Hals abgeschlossen war. Und selbst wenn ich einen Spiegel hätte, ich konnte gar nicht lesen.
Mein neuer Herr schritt rasch und entschlossen aus. Er hatte fünf Silber-Tarsks für mich bezahlt. Das war eine Menge Geld. Mein früherer Herr würde keine Schwierigkeiten haben, dafür ein neues Mädchen oder mehr als eines zu bekommen.
»Der Herr hat viel Geld für mich bezahlt.« bemerkte ich.
»Ja.«
»Bin ich so viel wert?«
»Ich glaube schon.«
»Darf ich fragen, für welchen Zweck der Herr mich gekauft hat?«
»Das erfährst du schon noch früh genug.«
»Ja, Herr.«
»Neugier steht einer Kajira nicht zu.« erinnerte er mich.
»Ja, Herr.« sagte ich erschrocken.
Aber er drehte sich nicht um, um mich zu schlagen. Ich eilte weiter hinter ihm her. Es war jetzt spät am Nachmittag. Der Platz war nicht mehr überfüllt. Die öffentlichen Plätze und die Bäder würden bald schließen. Ich sah noch mehr Männer, manche mit Kunden in ihrem Kielwasser, den Platz verlassen. Ich drehte mich kurz um. Der Platz war sogar zu dieser Tageszeit sehr schön. Ich sah meinen früheren Herrn nicht mehr. Er hatte den Platz anscheinend verlassen. Ich drehte mich wieder um und eilte noch schneller hinter meinem neuen Herrn her. Ich wollte nicht zu weit zurückbleiben.