20 Der Schlüssel im Gürtel

»Bitte Herr,« sagte ich und kniete schnell neben dem Beginn des Durchgangs nieder, »mein Herr ist von seinem Geschäft in Anspruch genommen und vernachlässigt mich.«

Der große, starke Mann blieb stehen, um mich zu betrachten. Ich war eine Frau, die für goreanische Männer scheinbar nicht ohne Interesse war.

»Bitte Herr,«, bat ich, »hab Mitleid mit einer Sklavin, die an ihrer Begierde verzweifelt.«

»Du bist nackt.« bemerkte er.

»Mein Herr hat mich bestraft«, entgegnete ich, »weil er es satt war, dass ich so oft vor ihm auf dem Bauch kroch und nur noch an Liebe denken konnte.«

»Ich glaube nicht, dass ich eine Sklavin wie dich nackt auf die Straße schicken würde.«

»Herr?«

»Sie könnte belästigt werden.«

»Ja, Herr.«

Er lachte. Ich sah nach unten, als wäre ich verwirrt und verlegen.

»Wie lange ist es her, seit du angefasst worden bist?«

»Zwei Wochen.«

»Unglaublich.«

»Ich danke dir, Herr.« flüsterte ich.

»Dein Herr hat sicher viele Frauen.« spekulierte er.

»Nein«, antwortete ich, »nur mich.«

»Dann«, sagte er, »ist es wirklich unglaublich.«

»Ich danke dir, Herr.« sagte ich schüchtern.

»Um sich eine Sklavin wie dich leisten zu können«, fuhr er fort, »muss er wohlhabend sein.«

»Er ist reich.«

»Warum hat er dann nicht viele Frauen?«

»Er kümmert sich mehr um Geschäfte als um Frauen.«

»Du bist ziemlich schön.« stellte er fest und bewunderte mich mit der Offenheit und Aufrichtigkeit goreanischer Herren.

»Ich danke dir, Herr.« antwortete ich und errötete unter seinem Blick.

»Hast du es wirklich so nötig?«

»Ja, Herr.«

Es stimmte. Mein Herr achtete darauf, dass ich ständig sexuell ausgehungert blieb. Er schien zu glauben, dass meine Begierden, wenn sie so stark waren, mich in dieser Art von Vorstellungen überzeugender machten. Vielleicht hatte er sogar recht damit. Wenn ein goreanischer Mann geübt darin war, Frauen zu durchschauen, und viele waren es, dann würde er sich in dieser Hinsicht sicher nicht täuschen lassen. Ich wand mich nackt und auf den Knien vor ihm.

»Ich bedauere.« sagte er.

Ich legte meinen Kopf auf den Boden. Ich wünschte wirklich, dass er sich mit mir abgeben würde. Goreanische Männer lassen übrigens selten eine Gelegenheit zum Sex ungenutzt, vor allem wenn es mit dem Zweck verbunden werden kann, das Mädchen zu bestrafen, ihre Begierden weiter zu steigern oder sie vielleicht richtig heiß zum Verkauf auf dem Sklavenblock zu machen. Einer Frau den Sex bewusst vorzuenthalten ist auf Gor fast undenkbar. So etwas wird, glaube ich, eher auf der Erde als auf Gor praktiziert, und auf der Erde interessanterweise nicht an Sklavinnen sondern an freien Frauen.

In der Tat scheint so etwas einer der großen Unterschiede zwischen Sklavinnen und ihren freien Schwestern zu sein. Das soll nicht heißen, dass eine Sklavin nicht gelegentlich um Sex bettelt. Wenn sie es tut, hilft ihr das, zu verstehen, dass sie sexuelle Begierden hat, dass deren Befriedigung aber allein von ihrem Herrn abhängt. Eine manchmal gebrauchte Formulierung ist: »Ich bezeuge eindeutig und ohne Vorbehalt meine sexuellen Begierden. Ich möchte sie befriedig bekommen. Dich, Herr, bitte ich, sie zu befriedigen.« Das heißt, das eine Sklavin durchaus um sexuelle Befriedigung bitten kann. Es wird vollkommen akzeptiert, wenn sie so etwas tut. Es ist unnötig zu sagen, dass ihr Herr solchen Bitten seiner Sklavin im Allgemeinen entspricht. Wenn er selbst Sex will, wird er seine Sklavin natürlich einfach nehmen. Ihr Wille bedeutet dann nichts. Und sie wird sich bemühen, ihn vollständig zufrieden zu stellen. Er ist der Herr und sie ist die Sklavin. Für eine freie Frau wäre so etwas natürlich völlig undenkbar.

»Ich bin einsam, vernachlässigt und ich brauche es.« sagte ich. »Mein Herr kümmert sich mehr um seine Geschäfte als um seine Sklavin.«

»Ich bedauere.« wiederholte er.

»Du bist stark und du bist ein Mann.« drängte ich, zu ihm aufschauend. »Ich bin klein und schwach und eine Frau und ich bin heiß.«

Er sagte nichts.

»Ich würde für dich den Sklavenknoten in meinem Haar binden.« bot ich ihm an.

»Bietest du etwa einem Mann, der nicht dein Herr ist, an, dich anzufassen?« fragte er.

»Oh nein, Herr.« antwortete ich schnell.

Er lächelte.

»Verachtest du mich für meine Hilflosigkeit?« fragte ich.

»Nein.«

»Du bist freundlich zur Sklavin.« flüsterte ich.

»Auf jeden Fall«, sagte er, »trägst du einen Eisengürtel.«

»Herr«, sagte ich schnell und leise, »aus diesen Grund knie ich doch vor dir. Mein Herr hat in seinem Ärger und weil er so in seine Geschäfte vertieft war, vergessen, den Schlüssel abzuziehen, als er meinen Gürtel verschlossen hat. Er steckt immer noch im Schloss. Ich fühle ihn hinter meinem Rücken.«

»Oh?« sagte er interessiert.

»Ja.« flüsterte ich.

»Er muss wirklich sehr beschäftigt gewesen sein.«

»Er war auch ärgerlich.« sagte ich. »Er zog mich aus, legte mir den Gürtel an und schickte mich zu einer Besorgung aus dem Haus. Ich glaube, er achtete nicht sehr darauf, was er tat.«

Dies schien mir der schwächste Teil der Geschichte zu sein: dass ein goreanischer Mann vergessen könnte, einen Schlüssel aus dem Schloss zu ziehen. Das wird eigentlich schon aus Gewohnheit gemacht. Ich hatte einen Briefzylinder, einen geschlossenen, schmalen Lederzylinder, der für den Transport von Notizen, Botschaften verwendet wird, an einem Strick über meinem Kragen am Hals hängen.

»Also kann der Gürtel dir leicht abgenommen«, folgerte der Mann, »und später wieder angelegt werden.«

»Ja.«

Ich konnte sehen, dass er an mir interessiert war. Er fand mich sichtlich begehrenswert. Sicher konnte ein Schlüssel in einem Schloss vergessen werden. So etwas konnte passieren. Sollte man solch ein Glück infrage stellen?

»Ich bin nicht dein Besitzer.« sagte er zögernd.

»Tu so, als wärest du es«, sagte ich, »für eine Ahn.«

»Hier ist es ungünstig.« sagte er.

»Nimm mich mit in den Durchgang.« antwortete ich. »Schütte Müll auf die Steine und lege mich darauf, denn ich bin eine Sklavin und bin es nicht wert, einem Herrn zu dienen. Mache den Müll zu meinem Bett.«

»Mein zusammengelegter Mantel tut es auch.« lächelte er.

»Dann hülle mich in ihn ein«, sagte ich, »als würdest du mich umarmen und ich werde dir meine weibliche Unterwerfung unter deine Männlichkeit schenken.«

Dann kniete ich langsam und anmutig vor ihm nieder, sah zu ihm auf und knüpfte den Sklavenknoten in mein Haar, der dann neben meiner rechten Wange hing.

»Geh voran.« sagte er freundlich.

Ich erhob mich anmutig und ging voran. Ich hätte es lieber gehabt, wenn er nicht so besorgt um mich gewesen wäre. Ich dachte an das Messer von einem der Männer meines Herrn, an die Stelle, an der es so leicht in meinen Bauch stechen, wie sich die Klinge drehen und mich wie ein Larma aufschlitzen konnte. Er breitete seinen Mantel aus, faltete ihn zusammen und legte ihn auf die Steine des Durchgangs. Ich kniete auf ihm nieder und legte meine Hände zusammengefaltet hinter meinen Kopf. Ich hoffte, dass die Männer meines Herrn weggegangen waren. Er kam zu mir, ich schmiegte mich an ihn und fühlte, wie er den Schlüssel im Schloss herumdrehte. Nach einem Augenblick war der Gürtel geöffnet und lag an der Seite.

»Du bist offen.« verkündete er.

»Ja, Herr.«

»Du bist sehr schön.«

»Ich danke dir, Herr.«

»Ist irgend etwas?«

»Nein, Herr.«

»Haben wir viel Zeit?«

»Ich weiß es nicht, Herr.«

»Wie lange dauert deine Besorgung?«

»Ich weiß es nicht, Herr.«

»Was ist es?«

»Ich weiß es nicht, Herr.«

»Es steht sicher auf einem Zettel im Briefzylinder.«

»Ja, Herr.«

»Bei wem solltest du die Besorgung machen?« fragte er. »Wer sollte den Zettel lesen?«

»Er wurde mir von den Männern meines Herrn gezeigt.«

»Kennst du seinen Namen?«

»Nein.«

»Aber du weißt, wer er ist?«

»Ja, Herr.«

»Wann sollst du den Zettel abgeben?«

»Ich habe es schon getan.«

»Du bist schon auf dem Rückweg?«

»Ich bin gerade da.«

»Ich verstehe nicht.«

»Die Botschaft ist für dich.« sagte ich.

Er sah mich verblüfft an. Dann öffnete er den Briefzylinder und holte ein Blatt zusammengerolltes Papier heraus. Er entrollte und las es. Er sprang auf die Füße, drehte sich herum, aber sie waren schon über ihm. Sie prügelten brutal auf ihn ein. Dann lag er zerschlagen zu ihren Füßen.

»Verzeih mir, Herr.« sagte ich.

»Leg den Gürtel wieder an.« befahl einer der Männer meines Herrn.

»Ja, Herr.« sagte ich gehorsam.

Der Schlüssel wurde wieder im Schloss gelassen. Das Blatt Papier wurde wieder zusammengerollt und in die Kapsel gesteckt. Die Botschaft darauf lautete, wie mir gesagt worden war: »Du bist gefangen genommen.«

»Wieder einer für die Schwarze Kette des Ionicus.« sagte einer der Männer.

Ionicus war Herr über Arbeitskolonnen. Er besaß mehrere, die »Rote Kette«, die »Grüne Kette«, die »Gelbe Kette« und so weiter, jede bestand aus einigen hundert Männern. Angeblich waren es freie Kolonnen, »frei« in dem Sinne, dass sie keine Sklaven beschäftigten.

Goreaner beschäftigen im Allgemeinen keine Sklaven bei solchen Arbeiten wie Straßenbau, Belagerungsarbeiten oder dem Errichten von Mauern. Genauso benutzen sie sie generell nicht für den Bau von Tempeln und öffentlichen Gebäuden. Meist werden solche Arbeiten von den freien Arbeitern einer Stadt ausgeführt, obwohl diese »freien Arbeiter« in Notfällen auch »zwangsverpflichtet« oder »einberufen« werden, etwa wie zum Militärdienst. Normalerweise werden die freien Arbeiter natürlich bezahlt und erhalten Kost und Logis aus privaten oder öffentlichen Mitteln. Jede Stadt, in der die freien Arbeiter ihren Lebensunterhalt durch Sklavenarbeit bedroht sehen, würde schwere Unruhen oder sogar eine Revolution riskieren. Außerdem haben die freien Arbeiter einer Stadt den gleichen Heimstein, wie die Aristokratie, die Hohen Kasten und die führenden Familien. Aus diesem Grund gibt es unter ihnen eine gemeinsame Liebe zur Stadt und einen gemeinsamen Bürgersinn, der ökonomische Kompromisse erleichtert und die Erhaltung der Arbeitskraft der freien Arbeiter garantiert.

Die meisten dieser Kompromisse sind dabei glücklicherweise eine Angelegenheit der kulturellen Tradition. Sie werden von allen Bürgern akzeptiert und ihre eigentlichen Ursprünge, manchmal ein für beide Seiten verlustreicher Bürgerkrieg oder Klassenkampf oder blutige Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Häusern, sind nicht selten vergessen und nur noch für Historiker von Interesse. Manche glauben, dass in solche Krisen der Heimstein erfunden wurde.

Natürlich gibt es mehrere Mythen über den Ursprung des Heimsteins. Eine beliebte Sage berichtet, dass ein früherer Held, Hesius, einmal große Arbeiten für die Priesterkönige verrichtete und ihm dafür eine Belohnung, die wertvoller als Gold und Silber wäre, versprochen wurde. Er erhielt jedoch nur einen flachen Stein, in den ein einzelner Buchstabe eingemeißelt war, der erste Buchstabe des Namens seines Heimatdorfes. Er beschuldigte die Priesterkönige daraufhin, sie wären geizig und hätten sein Vertrauen missbraucht. Ihm wurde aber gesagt, dass das, was er erhalten habe, in der Tat wertvoller als Gold und Silber sei, es sei ein »Heimstein«. Er kehrte in sein Heimatdorf zurück, in dem Krieg und Zwietracht herrschte. Dort erzählte er die Geschichte und legte den Stein auf den Markplatz.

»Wenn die Priesterkönige sagen, dies ist wertvoller als Gold und Silber«, sagte ein weiser Mann, »dann muss das auch stimmen.«

»Ja.« sagten die Leute.

»Unser Heimstein.« antwortete Hesius.

Die Waffen wurden daraufhin niedergelegt und Friede kehrte ein. Der Name des Dorfes aber war »Ar«. In der goreanischen Tradition wird allgemein akzeptiert, dass der Heimstein von Ar der älteste Heimstein auf Gor ist.

»Ja.« stimmte ein anderer Mann meines Herrn zu.

Mein Herr war Tyrrhenius aus Argentum, der die Taverne besaß. Selbstverständlich durfte ich dort nicht tanzen. Er wollte nicht, dass ich als eines seiner Mädchen bekannt wurde. Er hatte heimliche Geschäftsbeziehungen mit verschiedenen Herren von Arbeitskolonnen, unter ihnen war auch Ionicus.

Mein Herr hatte mich einmal, als ich ihm den Fuß leckte, dafür gelobt, dass ich solch ein ausgezeichnetes Ködermädchen wäre.

»Ich danke dir, Herr.« hatte ich geantwortet.

Ich war ein Sklavenmädchen. Wir mussten unseren Herren gehorchen.

»Hol den Karren.« befahl der erste der Männer meines Herrn.

»Ja, Herr.« entgegnete ich und eilte hinaus auf die Straße, wo wir den Handkarren gelassen hatten.

Während in den Städten die Rechte der Bürger am klarsten definiert sind, die Sitten und Traditionen eifersüchtig geschützt werden, der Einfluss des Heimsteins am meisten zu fühlen ist und freie Arbeiter etwas auf sich halten, konnte man das gleiche von den ländlichen Gegenden nicht sagen, besonders nicht von jenen, die außerhalb der Gerichtsbarkeit und des Einflusses von Städten gelegen waren. Man fühlt sich eben nicht als Bürger einer Stadt, wenn sie mehr als einen Tagesmarsch weit entfernt ist. Und wenn man als Bürger nicht effektiv am Leben seiner Stadt teilnehmen kann, wird man ihr auch nicht loyal gegenüberstehen und sich eher als Lokalpatriot seines Dorfes oder seiner Großfarm fühlen.

In den letzten Jahren hat sich die Institution der »Großfarm« mit ihrer eigenen Planung, Organisation, landwirtschaftlichen Sachkenntnis und ihren eigenen Sklaven auf Gor verbreitet. Manche goreanische Bauern besitzen das Land, das sie bewirtschaften, manche pachten es von ihrem Dorf. Beide bekommen oft Angebote von Agenten der Großfarmen, die manchmal Privatpersonen gehören und manchmal Gesellschaften. Oft werden diese großzügigen Angebote akzeptiert, mit dem Resultat, dass der Anteil der durch Großfarmen kultivierten Fläche wächst. Es wird erzählt, dass manchmal sogar durch Drohungen und dem Abbrennen der Ernte Druck auf Bauern und Dörfer ausgeübt wird, aber ich denke, das ist eher die Ausnahme. Da die Großfarmen ihre Ziele auch durch legale Geschäfte erreichen haben sie wenig Grund, illegale Methoden anzuwenden. Außerdem sind goreanische Bauern Meister des »Bauernbogens«, einer ungewöhnlich zielgenauen Waffe, mit der ein Mann schnell und kraftvoll schießen kann.

Wenn sie ihr Land an Großfarmen verkauft haben, suchen sich die Bauern gewöhnlich weit entfernt neues Land, um neu anzufangen. Selten gehen sie in die Städte, wo sie zum unzufriedenen städtischen Proletariat gehören würden. Ihre Kastenehre lehnt so etwas ab. Außerdem wären sie natürlich kein Bürger der Stadt und könnten ihr Kastenhandwerk nicht ausüben. Und die Städte sind im Allgemeinen nicht begeistert über den Zustrom von Armen, außer jenen Städten, die ein Interesse daran haben, ihre Bevölkerungszahl zu erhöhen. Der unkontrollierte Zustrom kann in einer Stadt ökonomische Not, Verrat und sogar den Fall der Stadt auslösen.

Ich glaube, dass Städte im Ganzen gemischte Gefühle gegenüber den Großfarmen hegen. Während sie die geringeren Preise der Produkte und die größere Vielfalt durchaus begrüßen, bedauern sie andererseits den Rückgang des lokalen Landvolks, das nicht nur viele Lieferanten und damit ein Stück des Wettbewerbs durch den freien Markt verschwinden lässt, sondern auch die Verteidigungskraft der Stadt schwächt. Wenn sich die Großfarmen organisieren würden, wären sie in der Lage, die Konkurrenz untereinander zu regulieren und höhere Preise durchzusetzen.

Dementsprechend waren viele Städte bereit, Bauern Anreize zu bieten wie die Erleichterung des Erwerbs der Bürgerrechte, die Übernahme von Verlusten, die Veranstaltung von Spielen, von Musik- und Theaterveranstaltungen, spezielle Ehrungen von Mitgliedern der Bauernkaste in den Städten und so weiter. Diese Anreize schienen in vielen Fällen Erfolg zu haben. Der Bauer hat es gern, wenn er geschätzt wird und die Wichtigkeit seiner Arbeit nicht unbemerkt bleibt. Er betrachtet seine Kaste als »den Ochsen, der den Heimstein trägt«. Außerdem zieht er es im Allgemeinen vor, dort zu bleiben, wo er ist. Er mag das Land, das er kennt.

Ich stellte mich zwischen die Griffstangen des Karrens und zog ihn zurück zum Durchgang. Der Mann war jetzt gefesselt und geknebelt. Er war gebunden, dass er so hilflos wie eine Frau und eine Sklavin war. Er war immer noch bewusstlos.

»Geh und pass auf.« befahl einer der Männer meines Herrn.

Ich drehte mich schnell um und rannte zum Ende des Durchgangs, wo ich die Straße in beiden Richtungen überblicken konnte.

Es gibt zwei Arten von nicht zu einzelnen Städten gehörenden Arbeitsgruppen, »freie Banden« und »freie Ketten«. Die einen umfassen freie einheimische Arbeiter einer Stadt, die anderen Sklaven, die gewöhnlich auf Großfarmen arbeiten. Die »freien Banden« bestehen aus freien Männern, die von einem Agenten angeworben werden und ihm ihre Arbeitskraft vermieten. Sie sind so etwas wie reisende Bautrupps. Viele sind gelernte oder angelernte Arbeiter, die kommen und gehen wie es ihnen beliebt. Sie reisen in Wagen umher. Viele sind raue, aber gutherzige Männer. Sie lieben es zu trinken, sich zu schlagen und Sklavinnen zu unterwerfen. In Brundisium war ich in den Händen einiger solcher Männer gewesen. Sie hatten mich dazu gebracht, ihnen gut zu dienen.

Die »freie Kette« dagegen besteht normalerweise, so wurde mir gesagt, aus verurteilten Kriminellen. Statt die Last zu tragen, die die Unterbringung dieser Menschen, von denen viele als gefährlich gelten, mit sich bringt, überlassen viele Städte sie gegen eine geringe Gebühr für die Dauer ihrer Strafe einer Arbeitskolonne zur Zwangsarbeit. Der Herr einer solchen Kolonne profitiert natürlich vom Gewinn seiner Kolonne, die er an verschiedene Privatpersonen oder Gruppen weitervermietet.

»Freie Ketten« arbeiten natürlich billiger als »freie Banden«. Sie können aber oft nur einfache Arbeiten durchführen und werden deshalb normalerweise zu beschwerlichen oder unangenehmen Arbeiten eingesetzt. Wenn ein Krimineller seine Strafe abgesessen hat, soll er vom Herrn seiner Kette weit entfernt von der Stadt, wo er seine Verbrechen begangen hat, freigelassen werden. Oft ist es aber so, dass der Herr die Männer seiner Kette verspätet freilässt, denn er müsste ja nochmals eine Gebühr zahlen, um Ersatz zu beschaffen. Das ist der Grund, warum Männer manchmal viel länger Zwangsarbeit verrichten müssen, als ihre Strafe eigentlich dauert. Der Herr erfindet dann kleinere Vergehen oder Verstöße gegen die Disziplin, um die Dauer der Strafe des betreffenden Arbeiters de facto zu verlängern. Die Hoffnung, freigelassen zu werden, hält natürlich im Allgemeinen die Kette »zahm«. Und gelegentlich wird auch einer der Arbeiter freigelassen. Die Arbeiter einer »freien Kette« unterstehen übrigens der »Sklavendisziplin«, was auf Gor bedeutet, dass sie so von der Gnade ihres Herrn abhängen, als wären sie Sklaven. Er kann sie zum Beispiel töten, wenn er das will.

Mein Herr, Tyrrhenius aus Argentum, von dessen Gnade und von der Gnade derer, die er dazu bestimmt hatte, meine Arbeit zu überwachen, ich abhing, hatte Vereinbarungen mit verschiedenen Herren von Arbeitskolonnen. Der bekannteste von ihnen war Ionicus aus Cos. Der Mann hinter mir, den die Männer meines Herrn gefesselt hatten und den sie gerade auf den Karren legten, war, wie ich gehört hatte, für die »Schwarze Kette« des Ionicus bestimmt. Diese Kette arbeitete im Norden an Erkundungsgräben für die Cosianer, die Torcadino belagerten.

Der Mann und die anderen, an deren Entführung ich beteiligt gewesen war, waren natürlich keine Kriminellen. Mein Herr, Tyrrhenius, bezeichnete seine Arbeit als »Rekrutierung«. Er »rekrutierte« Arbeiter für die Ketten von Kolonnenbesitzern. Natürlich musste er das im Geheimen tun. Wenn bekannt würde, was er da tat, wäre das ziemlich unangenehm für ihn. Richter, Magistrate und andere Beamte würden mit ihm nicht nachsichtig umgehen. Aber das Risiko war für ihn nicht so groß, wie es scheinen mag. Er war nicht persönlich an den Aktionen beteiligt. Die entführten Männer erfuhren nicht, wo sie gefangen gehalten, noch wohin sie in Ketten und unter der Sklavenhaube später hingebracht wurden. Mich, so nahm ich an, würde er, wenn ich genügend Männer in die Falle gelockt hatte, auf irgendeinem Markt verkaufen. Er würde dann ein neues Ködermädchen finden. Soweit ich wusste, verwendete er auch andere seiner Mädchen für diese grausame und betrügerische Aufgabe.

Ich fürchtete mich nicht vor einem erneuten Verkauf. Ich war schon einige Male verkauft worden. Der erste Verkauf eines Mädchens, jedenfalls der erste öffentliche Verkauf (für mich war er in Markt von Semris), wenn sie auf einem Block nackt den Käufern zur Schau gestellt wird, ist für sie wahrscheinlich der Schlimmste. Danach hat sie ein Gefühl dafür, wie es ist, als Ware verkauft zu werden. Eigentlich erregte mich der Gedanke, wieder verkauft zu werden. Ich wollte schön sein, Männer zufrieden stellen und auf dem Markt den höchsten Preis bringen.

Die Gefahr, dass ich einem der Männer, bei deren Gefangennahme ich beteiligt war, jemals wieder begegnen würde, war übrigens nicht sehr hoch. Es schien, als wären sie alle nördlich von Torcadino gebracht worden.

Ich dachte an Tyrrhenius. Er ging wirklich kein großes Risiko ein. Wer konnte schon beweisen, dass er in diese Dinge verwickelt war? Meine eigene Aussage wäre, selbst wenn sie mir auf der Streckbank abgezwungen werden sollte, nur die einer Sklavin; seine Männer würden ihn vermutlich nicht verraten; und er konnte immer behaupten, dass seine Taverne und ihr Keller ohne sein Wissen benutzt worden waren. Er konnte bestürzt und empört tun. Er war in Argentum angesehen. Er wohnte nicht einmal über der Taverne.

»Es kommt jemand!« warnte ich leise die Männer.

Sie warfen den gefesselten und geknebelten Mann auf den Karren. Sie würden ihn auf den Karren binden und ihn mit einer Plane abdecken.

»Nah?« fragte der erste der Männer.

Ich nickte.

»Halt ihn auf.« befahl jemand mit heftigem Flüstern.

Der Mann, der sich von links näherte, war noch etwa zehn oder fünfzehn Yards entfernt. Er trug einen kurzen Mantel, der mit einer Bronzenadel an der rechten Schulter zusammengehalten wurde, hohe, schuhähnliche Sandalen und einen breitkrempeligen Hut. Ein Sack hing an einem Stock, der über seiner Schulter lag. Unter seinem Mantel trug er an einem Riemen über der linken Schulter ein Schwert. Ich nahm an, dass er damit umgehen konnte. Der Hut verbarg unter der gegen die Sonne heruntergezogenen breiten Krempe sein Gesicht. Ich hielt ihn für einen Reisenden. Seine Kleidung war nicht untypisch für einen reisenden Mann auf Gor, oft wurde sie aber auch von Jägern getragen.

Mit gesenktem Kopf eilte ich herbei, kniete vor ihm nieder und versperrte ihm so den Weg. Ich legte meinen Kopf zu seinen Füßen. Auf diese Art kann eine Sklavin ihren Respekt vor einem freien Mann zeigen. Ich verkrampfte mich, denn ich erwartete, geschlagen oder gepeitscht zu werden, weil ich ihm den Weg versperrt hatte. Ich musste dann versuchen, seinen Knöchel oder sein Knie zu umklammern, um verzweifelte Begierde vorzutäuschen. Ich wusste, dass ich riskierte, mit seinem Stock verprügelt zu werden. Aber mir war befohlen worden, den Mann aufzuhalten und das würde ich tun, wenn ich konnte.

»Eine Sklavin mit verzweifelten Begierden bittet den Herrn, Mitleid mit ihr zu haben.« sagte ich.

Ich zitterte. Aber er trat mich weder mit seinem Fuß zur Seite in den Rinnstein, noch griff er mir in die Haare, um meinen Kopf wegzureißen. Er spuckte mich nicht einmal an oder schrie ärgerlich auf, verhöhnte mich nicht und befahl mir auch nicht, aus dem Weg zu gehen. Schnell begann ich, seine Füße zu küssen und abzulecken und ihm, einem Mann, meine Ehrerbietung zu bezeugen. Ich war etwas erstaunt. Dann bekam ich Angst. Goreanische Herren sind, wenn sie deren Bitten nach Sex erfüllen wollen, oft freundlich zu Sklavinnen, die ihre Begierde zeigen. Obwohl ich danach gierte, angefasst zu werden, hatte mein Herr, Tyrrhenius aus Argentum doch befohlen, dass ich keine sexuelle Erfüllung haben dürfte. Ich wollte nicht, dass dieser Mann, ein Fremder, den ich auf der Straße angesprochen hatte, mich benutzte. Die Männer meines Herrn waren in der Nähe.

»Du küsst und leckst gut wie immer, vielleicht sogar etwas besser, Doreen.« sagte der Mann. »Oder bist du gar nicht mehr Doreen?«

Ich sah erschrocken hoch.

»Ich bin jetzt Tuka, Herr.« stammelte ich.

»Ein ausgezeichneter Name für eine Sklavenschlampe wie dich.«

»Ich danke dir, Herr.«

»Du kennst mich, nicht wahr?« fragte er lächelnd.

»Ja, Herr.« flüsterte ich verängstigt.

»Wegen dir«, lachte er, »du kurvenreicher kleiner Urt, habe ich meinen Posten in Brundisium verloren.«

»Verzeih mir, Herr.« entgegnete ich.

Ich fürchtete, dass er mich peitschen würde.

»Ich werfe Hendow nicht vor, dass er eifersüchtig war.« sagte er. »Ein Mann kann bei einem Gesicht wie deinem und deinen Kurven schon wahnsinnig werden.«

»Ich danke dir, Herr.« flüsterte ich.

»Aber ich lehrte dich, was es bedeutet, Sklavin zu sein, oder?« fragte er.

»Ja, Herr.«

Das war nur zu wahr.

»Du bist gestohlen worden, nicht?«

»Ja, Herr.«

»Das habe ich in Brundisium gehört.« fuhr er fort. »Ich habe nicht geglaubt, dass Hendow dich gehe lassen hätte.«

»Vielleicht nicht, Herr.«

Ich wusste es nicht genau. Es erschien mir unwahrscheinlich, dass Hendow sich um mich gekümmert hätte. Er hatte mich nur einmal benutzt, und da hatte er keine Rücksicht genommen. Auf der Erde nehmen Schwächlinge, die von Frauen loskommen wollen, manchmal Zuflucht zu der bequemen Ausrede, »sie würden sie stark genug lieben, um sie gehen lassen zu können«. Diese Position, wie immer ihr moralischer und psychologischer Wahrheitsgehalt auch sein mag, war keine typisch gorea7nische Position, wenigstens dann nicht, wenn Sklavinnen gemeint waren. Die meisten Goreaner würden es für ziemlich absurd halten, einer Frau sein Interesse dadurch zu zeigen, dass man sie gehen lässt. Man zeigt sein Interesse dadurch, dass man sie behält. Und wenn nötig, kämpft man um sie. Welche Frau, fragte ich mich, würde ein solches Gejammer nicht durchschauen? Die meisten Frauen, so schien es mir, würden einen Mann bevorzugen, der genug Interesse an ihnen hat, auch um sie zu kämpfen und nicht jemanden, der »sie gehen ließe«.

»Anscheinend wurde Tupita zur selben Zeit gestohlen.« bemerkte er.

»Ja, Herr.«

Es schien mir nicht wichtig zu sein, ihm zu sagen, dass Tupita weglaufen wollte, und mein Verkauf ihr die Reise von Brundisium sichern sollte.

»Du bist nicht nach Argentum gekommen, um nach mir zu suchen, oder?« fragte ich.

»Wohl kaum.« lachte er.

»Oh.« sagte ich enttäuscht.

Ich hatte geglaubt, dass er wegen mir gekommen war. Ich war etwas verstimmt, weil es nicht so zu sein schien. Er lachte.

»Der Herr ist weit weg von Brundisium.« bemerkte ich.

»Ich bin nach Argentum gekommen, um mein Glück zu suchen.« sagte er. »Ich werde in den Dienst irgendeines Söldnerkapitäns treten.«

Ich war mir sicher, dass man einen solchen Dienst auch näher an Brundisium finden könnte.

»Was ist mit Tupita passiert?« fragte er. »Weißt du, was aus ihr wurde?«

»Wir wurden beide in Samnium verkauft.« antwortete ich. »Ich weiß nicht, wer sie gekauft hat. Ich weiß nicht, wohin sie ging.«

»Sie war hübsch.«

»Ja, Herr.« stimmte ich zu.

»Die Übergangszeit ist schon lange vorbei.« sagte er. »Ihr seid beide legales Eigentum eurer neuen Herren.«

»Ja, Herr.«

Ich hörte die Räder des Karrens, der jetzt vom Durchgang her heranrollte. Sicher lag der geknebelte Mann jetzt darauf, an Füßen, Bauch und Hals gefesselt und mit einer Plane bedeckt.

»Was ist los?« fragte er.

»Nichts, Herr.«

»Sind deine Hüften immer noch so beweglich?« fragte er weiter. »Schwingst du sie immer noch so gut?«

Ich warf einen ängstlichen Blick zurück zur Einmündung des Durchgangs in die Straße.

»Mein gegenwärtiger Herr benutzt mich nicht als Tänzerin.« sagte ich hinhaltend.

Die Männer meines Herrn tauchten mit dem Karren im Durchgang auf, einer zog den Karren, die anderen schoben ihn von hinten.

»Ich grüße dich, Bürger.« sagte der erste der Männer, er stand zwischen den Zugstangen des Karrens.

»Ich grüße dich.« entgegnete der Mann, vor dem ich kniete.

Er war natürlich kein Bürger von Argentum.

»Nimm dich vor ihr in acht«, grinste der Anführer der Männer, »sie treibt sich von Zeit zu Zeit hier herum und bettelt darum, angefasst zu werden.«

»Ich danke dir für die Warnung.« lachte der Mann, vor dem ich kniete.

Ich legte meinen Kopf auf den Boden, als so über mich gesprochen wurde. Denn ich spürte wirklich Begehren. Es schien, als wären meine sexuellen Bedürfnisse auf Gor tausendmal stärker geworden. Ich konnte nichts dagegen tun.

»Hast du sie schon gehabt?« fragte der, vor dem ich kniete.

»Nicht doch«, lachte der Anführer, »sie steckt doch im Kragen. Sie zählt nicht. Lass sie vor Geilheit auf dem Bauch kriechen und schreien. Das amüsiert uns.«

»Ich verstehe.« sagte der Mann, vor dem ich kniete.

Er schien nicht zu erfreut darüber zu sein, was er hörte.

»Außerdem«, fuhr der Anführer fort, »wie du siehst, ist ihr hübscher kleiner Körper mit einen Eisengürtel verschlossen.«

»Es scheint so.« entgegnete der Mann, vor dem ich kniete.

Dann setzten die Männer zu meiner Erleichterung langsam ihren Weg fort, einer zog den Karren, die anderen halfen hinten nach. Offenbar war er schwer.

»Ich muss jetzt gehen, Herr.« sagte ich.

Ich wollte aufspringen und gehen.

»Habe ich dir erlaubt, dich zu entfernen?« fragte er.

»Nein, Herr«, antwortete ich, »verzeih mir, Herr.«

Ich konnte sehen, dass zwei Männer meines Herrn stehen geblieben waren und scheinbar die Plane auf dem Karren ordneten.

»Der Schlüssel steckt ja noch im Gürtel.« sagte er. »Weißt du das?«

Es war für ihn nicht schwer gewesen, das zu entdecken, als ich mit dem Kopf auf den Boden zu seinen Füßen gekniet hatte.

»Ja, Herr.« sagte ich.

»Dein Herr scheint aber sehr unachtsam zu sein.«

»Ja, Herr.«

»Vielleicht schenkt er dir nicht soviel Aufmerksamkeit, wie er sollte.«

»Vielleicht, Herr.« flüsterte ich.

Ich spähte hinter ihn zu den Männern meines Herrn. Der Karren war jetzt schon einige Yard entfernt. Der Anführer der Männer blickte zu mir. Ein anderer tat so, als kontrollierte er eines der Räder.

»Der Herr hat sicher dringendere Angelegenheiten«, sagte ich, »er muss sich sicher wieder auf den Weg machen.«

»Nein«, sagte der Mann, »was ist los mit dir?«

»Nichts, Herr.«

»Ich glaube, du bist heiß.«

Ich spähte wieder hinter ihn. Ich sah, wie mir der Anführer der Männer ein Zeichen gab.

»Hier stimmt doch etwas nicht.« sagte der Mann, vor dem ich kniete.

»Nein, Herr.« flüsterte ich.

Der Anführer der Männer wurde ungeduldig. Als Zeichen, dass ich aufhören sollte zu trödeln, machte er eine ärgerliche Geste über seinem Bauch. Ich senke meinen Kopf in meine Hände und begann zu schluchzen.

»Du bist heiß.« stellte der Mann, vor dem ich kniete, fest.

Ich hob meinen Kopf und nahm die Hände von meinem Gesicht.

»Mein Herr«, sagte ich, »ist von seinem Geschäft sehr in Anspruch genommen und vernachlässigt mich.«

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