Kapitel 33
Blick von oben
Er lächelte, während er fiel.
So also war Fliegen! Er spürte die Winterluft kühl über seine heißen Wangen streichen und das war überraschend angenehm. Ein Gefühl, als würde er vom Himmel herabstürzen. Seine Augen waren geschlossen, seine Arme seitwärts ausgestreckt. Es stimmte also, was er gehört hatte. Das ganze Leben leuchtete blitzartig vor den Augen auf. Alles war da, in keiner bestimmten Reihenfolge – unzählige kleine Bilder und jedes für sich eine Erinnerung an tausend verschiedene Dinge.
Jetzt war er wieder im Wald. Die Blätter waren braun und feucht und er konnte den modrigen Geruch riechen. Er hörte ein Schwein wühlen und schon stach ihm der beißende Geruch nach verbranntem Fleisch und angesengten Haaren in die Nase. Auch dieser fremde Wanderer tauchte auf, verschwand und an seine Stelle trat Hectors wissbegieriges Gesicht.
Viel Glück, dachte er und spreizte die Finger, um den Wind hindurchwehen zu lassen.
Er drehte sich in der Luft, sehr langsam seinem Gefühl nach, und fiel weiter. Warum dauerte es so lange? Im Schweben konnte er jede Kleinigkeit genau erkennen, was ihm seltsam vorkam, weil es spätabends war und nur die fernen Sterne und der Vollmond den Himmel erhellten. Er wusste auch, dass er in Wirklichkeit mit hoher Geschwindigkeit fallen musste, und doch konnte er jedes Ding gründlich ansehen und in sich aufnehmen: das Moos zwischen den Mauersteinen, ein Insekt, das über die rauen Steine krabbelte, Regenwasser, das sich als grünes Rinnsal einen gewundenen Weg an der Mauer abwärtsbahnte.
In einem Chaos von Gefühlen wirbelte alles in ihm durcheinander: Trauer, Bedauern, Wut, Enttäuschung. Hatte es denn nicht einen einzigen Glücksmoment gegeben? Und dann erschien sie. Sie lächelte, streckte ihm ihre Hand entgegen, wie sie es Hunderte Male getan hatte. Er spitzte die Lippen, wie um ihre Hand zu küssen, aber sie entzog sie ihm, und ihr Blick wurde kalt.
Was bin ich für ein Narr gewesen, dachte er. Was für ein Dummk…
Er schlug auf dem Boden auf und blieb zusammengekrümmt auf der Seite liegen. Eine dunkelrote Blutlache breitete sich um ihn aus. Und das Letzte, was Bovrik sah, war sein eigenes Spiegelbild in der davonrollenden glitzernden Kugel.