Am Morgen erwachte Doug und sah vor seinem Fenster ein Winterwunderland. Der Anblick war schön. Über Nacht hatte es geschneit, und Grundstück und Veranda, Bäume und Sträucher waren von reinem Weiß bedeckt.
Nur dass die Luft warm und feucht war und der Himmel wolkenlos. Die elfenbeinfarbene Decke, die die Welt draußen verhüllte, schien völlig glatt zu sein und wirkte seltsam künstlich.
Doug öffnete die Hintertür und blickte hinaus.
Der Boden war nicht von Schnee bedeckt.
Der Boden war von Umschlägen bedeckt.
Doug konnte es nicht fassen. Die Briefe lagen mit der Vorderseite nach unten, Kante an Kante nebeneinander. Ihre Ränder schlossen in gerader Linie perfekt mit der Hauswand ab und zogen sich über die hintere Veranda, über den Geräteschuppen, über die Manzanitabüsche und die Bäume fort. Das schiere Ausmaß einer solchen mühseligen Arbeit war überwältigend, und die Tatsache, dass sie in einer einzigen Nacht durchgeführt worden war, direkt vor seinem Haus, während er drinnen geschlafen hatte, ohne etwas zu bemerken, war Furcht erregend.
Doug war froh, dass Trish die Nacht bei Billy im Krankenhaus verbracht hatte und dies hier nicht sah.
Behutsam bückte sich Doug und hob den Umschlag auf, der der Tür am nächsten lag. Er drehte ihn um. Der Brief kam von seiner Mutter und war an ihn adressiert. Er hob den Umschlag auf, der daneben lag. Er war von seinem Vater. Der Brief daneben kam von seiner Tante Lorraine.
Er hatte das Gefühl, dass der Postbote die Umschläge in einer besonderen Ordnung gruppiert hatte und dass sich sein ganzer Stammbaum von diesem Punkt des Musters aus in den Absendern wiederfinden würde.
Doug stand auf. Anfangs hatte er gedacht, die ganze Stadt sei mit Post bedeckt, nun aber sah er, dass hinter der weißen Decke, die Bäume und Sträucher in seinem Garten bedeckte, das Grün des Spätsommers leuchtete. Er schlüpfte in seine Sandalen und ging auf die hintere Veranda. Das Papier knisterte unter seinen Füßen, doch er wollte feststellen, wie weit der Postbote gegangen war. Als er zum ersten Busch kam, dessen Blätterhülle vollständig unter den Umschlägen verborgen war, streckte er vorsichtig eine Hand aus, denn er war neugierig darauf, wie die Umschläge aneinander befestigt worden waren.
Die Kuppel aus Papier fiel in sich zusammen.
Ein Kartenhaus. Der Postbote hatte die Umschläge benutzt, um ein Kartenhaus zu bauen, für das er keinen Klebstoff benötigte.
Doug ging über den weißen Boden zum ersten Baum und berührte ihn.
Auch die Umhüllung des Baumes fiel in einem Regen aus Briefen zusammen.
Im Haus klingelte das Telefon; das Geräusch war in der Stille des Morgens laut zu hören. Doug wusste, dass wahrscheinlich Trish anrief, doch er bewegte sich zwischen den Bäumen und Sträuchern hindurch immer weiter weg vom Haus, wobei er wahre Brieflawinen auslöste. Er musste sehen, wie weit die weiße Landschaft sich ausdehnte.
Doug war nicht überrascht, als er feststellte, dass die weiße Decke genau an seiner Grundstücksgrenze endete. Rasch lief er zum Haus zurück. Er verspürte ein perverses Vergnügen, während die Umschläge unter seinen Füßen raschelten und knisterten. Das Telefon klingelte immer noch. Doug eilte ins Schlafzimmer und nahm den Hörer ab, während er sich aufs Bett fallen ließ.
»Hallo?«
»Briefe ... Briefe ...«, sang der Postbote in einer grottenschlechten Parodie auf einen Las-Vegas-Nightclubsänger. »Wir haben Briefeee ...«
Doug, dessen Hand plötzlich schwitzte, legte so plötzlich auf, als hätte er sich die Finger verbrannt. Sein Herz schlug heftig, und nicht nur von der Anstrengung des Laufens. Einen Augenblick blieb er so liegen, atmete keuchend und dachte nach. Dann nahm er den Hörer wieder ab, um Mike anzurufen.
»Briefeee«, sang der Postbote in den Hörer.
Wieder legte Doug hastig auf. Der Postbote blieb in der Leitung, hielt sie offen und ließ ihn weder Anrufe tätigen noch annehmen.
Wie du willst, dachte Doug und presste entschlossen die Lippen aufeinander. Wenn der Postbote es auf die harte Tour haben wollte, konnte er es haben.
Doug zog das Telefonkabel heraus. Zuerst würde er zu Billy und Trish ins Krankenhaus fahren. Dann zur Polizeiwache. Dann würde er im Haushaltswarengeschäft ein paar zusätzliche Mülleimer kaufen.
Dann würde er hierher zurückkehren, den Garten harken und all diese verdammten Briefe wegwerfen.
Trish sagte, sie würde in der kommenden Nacht zu Hause bleiben und ihm Gesellschaft leisten, wenn Doug es wünschte. Billy ging es besser, berichtete sie, und er wollte nicht, dass seine Eltern jede Sekunde des Tages bei ihm wachten, als wäre er noch ein Baby. Aber Doug bestand darauf, dass Trish bei ihrem Sohn blieb, weil es für den Jungen wichtig sei. Er selbst musste mit Mike eine Strategiesitzung leiten; es gab einiges zu diskutieren und zu planen.
Also blieb Trish im Krankenhaus.
Das war eine kluge Entscheidung, denn am nächsten Tag war das Grundstück wieder von Post bedeckt, wenn auch die rein weißen Umschläge des vorigen Morgens durch eine merkwürdige Mischung von seltsam geformten Paketen, schlampig eingewickelten Päckchen und schmuddeligen Bündeln frankierter Briefe ersetzt worden waren. Wie zuvor war jeder Quadratzentimeter des Grundstücks bedeckt. Irgendwie hatte der Postbote es hinbekommen, die Stücke dieses Sammelsuriums wie die Teile eines riesigen Puzzles lückenlos zusammenzusetzen.
Doug öffnete die Tür und trat hinaus. Der Geruch traf ihn wie ein Keulenschlag - ein ranziger, übler Gestank nach Verwesung und Zerfall. Durch die aufgerissene Ecke eines der Päckchen in seiner Nähe sah er ein Bündel verschimmelter Trauben. Das Päckchen war an Trish adressiert, offensichtlich eine der Lieferungen von ihrem Fruit-of-the-Month Club. Daneben war ein unregelmäßig geformtes, seltsam eingewickeltes, von Briefmarken übersätes Objekt, das nur eine Katze sein konnte. Durch das braune Packpapier war Blut gesickert. Auch dieses Paket war an Trish adressiert.
Doug ging über das Grundstück, und eine furchtbare Angst stieg in ihm auf. Offensichtlich klappte sein Plan nicht. Die ganze Stadt sollte die Post völlig ignorieren, sollte nichts schicken und nichts in Empfang nehmen, und Mike zufolge hielten sich alle daran. Und doch hatte der Postbote Kraft genug, Hunderte Päckchen voller Perversitäten zu produzieren oder zu sammeln und sie binnen einer einzigen Nacht auf Dougs Grundstück zu schaffen und zu einem Mosaik des Grauens zusammenzufügen. Wie konnte er auch nur darauf hoffen, eine Kreatur bekämpfen zu können, die so etwas Gewaltiges zustande brachte?
Aber vielleicht war genau das der Punkt.
Vielleicht wollte der Postbote, dass sie genau das dachten. Vielleicht hatte er Angst, saß in der Klemme und holte nun seine stärksten Geschütze hervor, um die Einwohner von Willis zu demoralisieren und zur Aufgabe zu treiben.
Oder lag es daran, fragte sich Doug, dass er die Briefe vom Vortag beseitigt hatte? War es möglich, dass jegliche Beschäftigung mit Post, sogar ihre Beseitigung, den Postboten mit Energie versorgte?
Doug eilte ins Haus zurück, zog sich an und fuhr in die Stadt, um mit Mike zu sprechen. Er bat den Polizisten, seine Leute anzuweisen, jedermann zu sagen, die Post auf gar keinen Fall anzurühren, was immer auch geschah. Die Leute sollten die Post nicht verbrennen, nicht wegwerfen, gar nichts damit machen. Sie sollten zulassen, dass die Post sich anhäufte, sie aber auf keinen Fall anfassen.
Auch Doug rührte die Pakete in seinem Garten nicht an und verbrachte die Nacht bei Billy und Trish im Krankenhaus. Als er am folgenden Nachmittag nach Hause kam, war der Garten gesäubert. Sämtliche Päckchen waren verschwunden.
Doug lächelte. Das war ein taktischer Fehler des Postboten gewesen, da war er sicher. Denn der Gestank und die Seuchengefahr durch die verwesenden Früchte, Tiere und was sonst noch in den Päckchen gewesen war, hätten Doug letztendlich gezwungen, den Garten zu säubern und dadurch dem Postboten Energie zu verschaffen. Stattdessen war der Postbote seinerseits gezwungen gewesen, Kraft darauf zu verwenden, die Päckchen zu beseitigen.
Die Anzeichen waren unmerklich, aber sie waren da.
Der Postbote bekam Angst.
Er wurde schlampig.
Es ging abwärts mit ihm.
Sie mussten ihn nur weiterhin auflaufen lassen.