9.

Doug war an der Reihe, das Frühstück zu machen. Er stöpselte das Waffeleisen und den Mixer mit dem Teig ein, während Trish nach draußen ging, um wie jeden Morgen die Pflanzen zu gießen. Geistesabwesend rührte Doug den Teig. Billys Schreien beunruhigte ihn. Der Junge hatte noch nie solch einen schlimmen Albtraum gehabt. Selbst nachdem sie ihn beruhigt und davon überzeugt hatten, dass er nur einen bösen Traum gehabt hatte, war Billy immer noch blass gewesen und hatte gezittert und wollte sie nicht gehen lassen. Und er hatte ihnen einfach nicht erzählen wollen, worum es in dem Albtraum ging. Doug hatte Billy bedrängt, bis Trish ihm mit einem leichten Ruck am Arm klargemacht hatte, dass diese Fragen bis zu einem günstigeren Zeitpunkt warten konnten. Billy hatte den Rest der Nacht auf der Couch im Erdgeschoss geschlafen.

Als der Teig gerührt war, ging Doug ins Wohnzimmer und blickte aus dem Fenster. Bevor Howard am Abend zuvor herübergekommen war, hatte er am Spätnachmittag einen Brief in den Postkasten gelegt, ein langes, ausführliches Schreiben an Don Jennings, der Don über die Meilensteine ihres Lebens während des vergangenen Jahrzehnts auf den neuesten Stand brachte. Der rote Wimpel am Kasten war jetzt unten, und Doug blickte auf die Uhr. Sechs Uhr dreiunddreißig. Die Post kam jeden Tag früher. Und das auch noch an einem Samstag.

Er ging nach draußen auf die Veranda, stieg die Stufen hinunter und schlenderte die Auffahrt entlang. Das Gewitter der letzten Nacht war über Willis hinweggezogen, ohne sich die Mühe zu machen, Hallo zu sagen, doch es hatte eine höllische Luftfeuchtigkeit zurückgelassen. Als Doug den Postkasten erreichte, schwitzte er bereits. Er öffnete die Metallklappe. Sein Brief war verschwunden; an seiner Stelle lag ein dünner weißer Umschlag mit blau gestreiftem Rand im Kasten, der an Trish adressiert war.

»Meine Tomaten!«

Doug konnte Trishs Aufschrei von der Straße aus hören. Er eilte die Auffahrt entlang zu der Stelle, wo sie im Garten stand, den Schlauch in der Hand. Sie blickte ihn an und zeigte auf die Pflanzen zu ihren Füßen.

»Die Javelinas haben schon wieder meine Tomaten erwischt!« Sie stampfte mit dem Fuß auf. »Verdammt!« Die Javelinas, auch Halsband-Pekaris genannt, hatten in den vergangenen drei Jahren jeden Sommer ihre Tomatenpflanzen gefressen. Letztes Jahr waren die Tomaten grünlich rot und fast reif gewesen, als die Wildschweine den Garten überfallen hatten. Dieses Jahr hatte Doug einen kleinen Zaun aus Maschendraht um den Garten gezogen, der die Tiere abhalten sollte, aber das hatte offensichtlich nicht funktioniert.

»Wie sieht es mit den anderen Pflanzen aus?«, fragte er.

»Die Radieschen sind okay, die Zucchini sind noch zu retten, die Gurken sind in Ordnung, der Koriander und die anderen Kräuter sind unberührt, aber der Mais ist ruiniert. Verdammt!«

»Brauchst du Hilfe?«

Sie nickte. »Wir retten nach dem Frühstück, was zu retten ist. Jetzt gieße ich erst mal zu Ende.«

»Wir könnten Fallen aufstellen, wenn du willst. Hobie weiß, wie das geht.«

»Keine Fallen«, sagte sie. »Und kein Gefängnis. Ich hasse die kleinen Bastarde, und ich wünschte, dass sie tot wären, aber ich will nicht diejenige sein, die sie umbringt.«

»Es ist dein Garten.« Doug ging zur Vorderseite des Hauses und stieg die Stufen zur Veranda hinauf. Als er die Gittertür öffnete, hörte er das Geräusch langsamer, müder Schritte auf dem Fußboden. Er stand bewegungslos da, den Mund vor gespielter Ungläubigkeit geöffnet, als Billy von der Couch in die Küche ging. »Ich glaube es nicht«, sagte er. »Wunder über Wunder!«

»Ja, ja«, maulte Billy.

»Du bist tatsächlich von selbst aufgestanden!«

»Ich muss ins Badezimmer«, murmelte Billy und ging über den Flur.

»Warte mal«, sagte Doug.

Billy drehte sich um.

»Alles in Ordnung?«

Der Junge starrte ihn einen Augenblick lang an; dann nickte er müde, ging ins Bad, schlug die Tür zu und schloss ab.

Doug legte den Brief auf den Tisch vor der Couch, öffnete den Kühlschrank und nahm Butter und Marmelade heraus. Aus dem Schrank holte er Honig und Erdnussbutter und stellte alles auf die Theke neben die Teller. Die schmutzigen Teller vom Vorabend standen noch in der Spüle. Er würde das gesamte Geschirr waschen, wenn sie mit dem Frühstück fertig wären. Doug öffnete das Waffeleisen, das nun heiß war, goss ein wenig Teig darauf, schloss das Eisen und roch den vertrauten, üppigen Duft von Buttermilch.

Die Toilette rauschte, und Billy kam heraus und ging geradewegs durch die Küche ins Wohnzimmer, wo er den Fernseher einschaltete.

»Fernsehen am Samstagmorgen?«, sagte Doug. »Das macht einen ja krank.«

Billy ignorierte ihn, zappte auf einen Zeichentrickfilm und machte es sich auf der Couch gemütlich.

Trish kam erhitzt und wütend herein, gerade als Doug die ersten vier Waffelquadrate vom Eisen abhob. »Möchtest du?«, fragte er.

Sie schüttelte den Kopf. »Gib sie Billy.«

»Warum machen wir heute nicht mal ein Picknick?«, schlug Doug vor und legte die Waffeln auf einen Teller. »Das haben wir schon ziemlich lange nicht mehr gemacht. Es wird heiß heute. Wir könnten nach Clear Creek.«

»Klingt gut«, sagte Billy aus dem Wohnzimmer.

Trish blickte ihren Sohn an, strich sich das Haar aus der Stirn und nickte dann zustimmend. »In Ordnung«, sagte sie.


Sie beschlossen, über den Pfad durch den Grüngürtel zu wandern, anstatt zu fahren oder den Weg über die Straße zu Fuß zu gehen. Über den Pfad ging es schneller, machte mehr Spaß und führte an einen Teil des Bachs, an dem es kaum Touristen gab. Trish machte für alle Salami-Käse-Sandwiches mit ihrem selbst gebackenen Brot, und Doug schleppte die Kühltasche, während sie und Billy die Klappstühle trugen. Zu ihrer Rechten ging der sanfte Hügel in einen steileren Anstieg über; Erde und heller Sandstein wichen dunklerem Granit. Die Vegetation wechselte von Kiefern und Manzanitas zu Espen und Akazien. Ranken wilder Erdbeeren wucherten über die Felsoberfläche, vermischt mit Farn, Zylinderputzer-Büschen und Giftsumach. Der Pfad selbst war von den winzigen roten Blüten der Indian Paintbrush gesäumt. Zur Linken fiel das Gelände zum Bach hin ab; der Pfad folgte diesem Abhang auf gemächliche Weise.

Sie hörten den Bach, ehe sie ihn sahen - ein leises, beständiges Gurgeln, das wie das Grummeln eines fernen Gewitters klang. Doch als sie näher kamen, konnten sie einzelne Geräusche unterscheiden; Vögel und Insekten waren zu vernehmen. Dieser Abschnitt des kleinen Flusses war von jungen Bäumen gesäumt - Espen, Pappeln und Platanen -, die in chaotischer Üppigkeit zwischen den Felsblöcken wuchsen, die sich am Ufer reihten. Billy und seine Eltern mussten ein ganzes Stück um die Flussbiegung herumwandern, ehe sie einen Flecken fanden, der dicht genug am Wasser war, um das Lager aufzuschlagen.

Sie stellten die Kühltasche zwischen den Klappstühlen ab. Billy trug seine abgeschnittenen Jeans, sodass er sofort in den Bach sprang, um sich abzukühlen, nachdem er sich eine Coladose geschnappt hatte. Der Wasserspiegel war niedrig. Billy spritzte eine Weile wild herum. Dann langweilte es ihn, und er watete den Bach aufwärts.

»Geh nicht zu weit weg«, rief Trish.

»Nee!«, rief er zurück.

Doug setzte sich auf seinen Stuhl. Er hatte sich den neuesten Roman von Joyce Carol Oates mitgebracht. Als Menschen fand er Oates großspurig und verlogen, und die meisten ihrer Bücher fand er langweilig und viel zu lang. Doch sie hatte etwas Bezwingendes; er konnte nicht anders, als ihre Romane und Kurzgeschichten-Sammlungen zu lesen, sobald sie erschienen. Er mochte weder sie noch ihr Werk, war aber trotzdem ein Fan. Hobie stand mehr auf Filme und war ein eingefleischter Fan von Clint Eastwood, obwohl er die Filme als solche nicht so toll fand. Es war paradox.

Genau wie mit dem Postboten: Doug hasste den Mann, aber der Bursche hatte ihm die erfreulichste Post zugestellt, die er je bekommen hatte. Natürlich hatte der Bote nichts mit dem Inhalt der Post zu tun - wenn man dem Überbringer keine Schuld an einer schlechten Nachricht geben konnte, konnte man ihm ebenso wenig für gute Nachrichten danken -, aber irgendwie brachte man beides doch in Verbindung.

Doug warf einen Blick zu Trish hinüber, die den Blick friedvoll über den Bach und die Klippen dahinter schweifen ließ. Er war überrascht, dass sie keine echte Abneigung gegen den Postboten verspürt hatte - dass sie nicht die Unnatürlichkeit bemerkt hatte, die ein Teil seiner Persönlichkeit zu sein schien. Für gewöhnlich war Trish die bei weitem Sensiblere von ihnen, bemerkte sofort jedes abweichende Verhalten und fällte spontan und intuitiv Urteile, die in der Regel zutreffend waren. Doug begriff nicht, weshalb sie diesmal so blind war.

Warum hatte er in letzter Zeit so viel über diesen Postboten nachgedacht? Es grenzte fast schon an Besessenheit. Er musste sich zwingen, damit aufzuhören. Er musste aufhören, herumzusitzen und sich Sorgen zu machen. Er musste etwas anderes finden, mit dem er seine Zeit ausfüllen konnte. Anstatt über den Postboten nachzudenken, sollte er sich an den Bau dieses verdammten Geräteschuppens machen.

Aber Howard mochte den Postboten auch nicht ...

Nun, das bedeutete gar nichts. Er und Howard mochten den Typen nicht, aber das hieß längst nicht, dass er böse war.

Böse.

Böse.

Da. Er hatte es gedacht, wenn auch nicht gesagt. Denn das war das Wort, das ihm seit dem Tag des Begräbnisses, als er den Postboten zum ersten Mal gesehen hatte, im Hinterkopf herumgeisterte. Es war ein schlichtes, ein vereinfachendes Wort, doch es beschrieb am besten, was er dem Postboten gegenüber fühlte.

Der Mann war böse.

»Was denkst du?«, fragte Trish.

Überrascht und verlegen, bei seinen dunklen Gedanken ertappt zu werden, blickte Doug auf. »Nichts«, log er und widmete sich dem Buch auf seinem Schoß.

»Nun sag schon.«

»Nichts.« Ihm war bewusst, dass sie ihn anstarrte, er zog es aber vor, ihren Blick zu ignorieren. Stattdessen konzentrierte er sich auf die Worte vor ihm, auf die Bedeutung hinter den Worten, auf die Gedanken hinter der Bedeutung und versuchte, sich in der Prosa zu verlieren. Schließlich gelang es ihm. So wie er als Kind immer eingeschlafen war, wenn er zu schlafen vorgegeben hatte, als seine Eltern nach ihm schauten, begann er nun zu lesen, als er zu lesen vorgab.

Zehn oder fünfzehn Minuten später hörte er Billys Stimme, kaum lauter als der Gesang des Bachs. Er blickte von seinem Buch auf.

»Dad!«

Billy kam platschend durch die Mitte des Bachs auf sie zu. In der Hand hielt er einen nassen, durchgeweichten Umschlag. Wasser triefte von Billys Jeans und von seinen nackten Armen. Auf seinem Gesicht lag der Ausdruck des aufgeregten Entdeckers, als hätte er gerade die Lost Dutchman Goldmine gefunden oder irgendeinen lange vergrabenen Schatz ausgebuddelt.

»Dad!«

Doug markierte die Stelle im Buch und legte es auf einen großen, trockenen Felsen neben sich. »Was gibt's?«

»Komm her. Du musst herkommen.«

Fragend sah er Trish an.

»Unternimm doch ausnahmsweise mal etwas mit deinem Sohn«, sagte sie. »Erinnerst du dich, worüber wir gesprochen haben? Sitz nicht nur rum und verplempere deine Zeit mit Lesen.«

Doug stand auf. »Das hat er von dir«, sagte er und winkte ermahnend mit dem Zeigefinger in ihre Richtung. »Das ist Teil des Anti-Intellektualismus, der durch dieses Land fegt. Wenn aus ihm mal nichts wird, ist es meine Schuld. Dabei habe ich mein Bestes versucht.« Er nahm seine Brieftasche aus der Hosentasche und legte sie oben aufs Buch; dann ging er über das Gestrüpp und die Steine zu Billy. Bei jedem Schritt sprangen Dutzende von kleinen braunen Grashüpfern hoch.

»Was ist los?«, fragte er Billy. »Und warum hast du diesen Brief da in der Hand?«

»Das kann ich dir nicht sagen. Ich muss es dir zeigen.«

»Wo?«

»Nur ein Stück den Bach entlang.«

»Muss ich mich nass machen?«

Billy lachte. »Hab dich nicht so. Komm schon.«

Doug machte einen vorsichtigen Schritt ins Wasser. Es war kalt.

»'ne irre Sache«, versprach Billy und wedelte verlockend mit dem Umschlag. »Wo der herkommt, gibt es noch mehr. Das ist dein einziger Hinweis.«

Doug stieg ins Wasser. Es war kalt, reichte ihm aber nur bis zur Mitte der Waden. Billy ging los und winkte seinem Vater, ihm zu folgen, und so watete Doug hinter ihm her.

Sie folgten einer Flussbiegung, dann noch einer. Die Hänge an den Ufern wurden steiler. Das Wasser war hier ein wenig tiefer, und die Steine im Bachbett waren rutschig. Auf dem Grund konnte Doug kleine schwarze Flecken auf einigen Steinen entdecken. Blutegel. »Ich wusste nicht, dass du durch so eine Umgebung wanderst«, sagte er. »Das gefällt mir nicht. Es ist gefährlich. Von jetzt an bleibst du näher bei mir und Mom.«

»So schlimm ist das nicht.«

Doug rutschte beinahe aus und konnte sich gerade noch mit einer Hand an einem Felsen festhalten. Billy hingegen watete geradewegs und sicher durchs Wasser.

»Dann geh wenigstens nicht so weit weg, dass wir dich nicht mehr sehen können. Du könntest dir den Schädel einschlagen, und wir würden es niemals erfahren.«

Billy war an einer weiteren Flussbiegung stehen geblieben und zeigte um die Kurve. »Da ist es.«

Doug schloss zu ihm auf.

Und blieb stehen.

Beide Ufer des Bachs waren von Umschlägen übersät, weiß und gelb, braun und beige. Hunderte von Umschlägen. Sie waren überall, wie rechteckige Schneeflecken oder irgendein bizarrer Pilz, der in präzisen geometrischen Mustern wuchs, alles bedeckte, sich an Büschen festklammerte und zwischen den Felsen hervorlugte. Die meisten Umschläge waren nass, hatten sich voll Wasser gesogen und steckten im Schlamm am Bachufer. Weitere Briefe hingen in den Zweigen der Bäume in der Nähe.

»Irre, was?«, sagte Billy aufgeregt. Er zog einen Umschlag aus den Zweigen eines jungen Baums neben ihm.

Doug hob die beiden Umschläge auf, die ihm am nächsten waren. Rechnungen. Er erkannte sie sofort an der gedruckten Rücksendeanschrift und dem Adressfenster mit Name, Hausnummer, Straße, Stadt, Staat und Postleitzahl des Empfängers. Er ließ den Blick schweifen. Nahezu alle Umschläge schienen das kurze rechteckige Format aufzuweisen, in dem sich normalerweise Rechnungen oder Steuerbescheide befinden. Nur wenige hatten das längliche Format weniger formeller Schreiben oder die kleinen, hübschen Umschläge persönlicher Korrespondenz.

Fassungslos starrte Doug auf die dreißig oder vierzig Umschläge, die aussahen, als würden sie auf Bäumen wachsen.

Der Postbote hatte die Post im Bach entsorgt.

Es war eine logische Schlussfolgerung; dennoch hatte Doug ein seltsames Gefühl, sich dies einzugestehen. Warum sollte der Mann so etwas tun? Was für einen Sinn hätte es? Was könnte der Grund dafür sein? Schon die Merkwürdigkeit der Sache als solche war Furcht erregend. Doug verstand einfach nicht, was der Postbote dadurch zu gewinnen hoffte. Es war verrückt. Wenn der Mann die Briefe einfach hätte loswerden wollen, hätte er sie verbrennen oder vergraben oder an einer bequemeren Stelle abladen können.

Doug sah sich um. Der Ort war so weit von den ausgetretenen Wegen entfernt, dass er nicht einmal wusste, woher der Postbote ihn kannte. Von der Straße aus hätte der Mann zweieinhalb Kilometer weit gehen müssen, um hierher zu gelangen, und dabei hätte er den Postsack schleppen müssen, da es keinen Weg hierher gab, der breit genug war, ihn mit dem Auto befahren zu können.

Doug blickte zu seinem Sohn hinüber. Als Billy den Ausdruck auf seinem Gesicht sah, ließ er den Umschlag fallen, den er in der Hand gehalten hatte. Die Erregung verschwand aus seinen Augen und wurde durch einen Ausdruck des Begreifens verdrängt.

Und der Angst.


Trish saß auf ihrem Stuhl, den Kopf in den Nacken gelegt, und blickte zum Himmel. Sie liebte es, die Wolken zu beobachten und deren vergängliche Gestalten mit konkreten Gegenständen zu beschreiben. Und nirgendwo war der Anblick der Wolken dramatischer als in Arizona. In Kalifornien, wo sie aufgewachsen war, hatte es immer einen Überfluss oder einen Mangel an Wolken gegeben. Entweder existierten sie gar nicht, oder sie bedeckten den gesamten Himmel bis zum Horizont. Nur selten hatte Trish dort die riesigen, sich verschiebenden Formen gesehen, die sie hier in Arizona beobachten konnte - Wolken so weiß vor dem blauen Himmel, dass sie künstlich aussahen.

»Trish!«

Beim Klang von Dougs Stimme setzte sie sich kerzengerade auf. Sein Ton war unerwartet ernst, und ihr erster Gedanke war, dass er oder Billy ausgerutscht und hingefallen waren und sich etwas gebrochen hatten. Mit Erleichterung sah sie, dass sie beide durchs Wasser auf sie zukamen, ohne sich den Arm oder das Handgelenk zu halten. Sie entspannte sich ein wenig, obwohl ihr auffiel, dass Billy nicht so aufgeregt war wie vorher. Er sah aus, als hätte er Angst.

»Was ist los?«, fragte sie.

»Das musst du sehen!« Doug kam aus dem Bach auf sie zu.

Trish stand auf und zog sich die Shorts zurecht. »Muss ich?«, fragte sie im Scherz, doch die einzige Reaktion, die sie bekam, war ein klägliches Lächeln. Irgendetwas stimmte nicht. »Was ist denn?«

»Ich muss es dir zeigen. Komm mit.«

Trish ahnte Böses und folgte Doug in den Bach. Sie klammerte sich fest an seinen Arm, während die drei über die schlüpfrigen Steine flussaufwärts wateten und sich über kleine Untiefen mit Stromschnellen bewegten. Der Bach wurde schmaler; Zweige streiften über ihre Gesichter.

»Ich bin nicht verrückt«, stellte Doug fest, als sie um die Kurve bogen. Ehe Trish sich fragen konnte, was zum Teufel er mit dieser rätselhaften Bemerkung meinte, sah sie es. Ihr Herz machte einen kleinen Satz, als sie auf die Umschläge starrte, Tausende, wie es schien, die an beiden Ufern des Bachs verstreut waren. Sie lagen auf den Felsen, hingen in Bäumen und Sträuchern und steckten im Schlamm. Es sah beinahe aus wie in einem Märchenland, wie ein Ort, der durch Magie verzaubert oder verflucht war. Sie stand da wie angewurzelt, während das Wasser über ihre Tennisschuhe und Fußknöchel floss. Der Anblick war so verrückt, dass sie nicht wusste, was sie davon halten sollte. Sie schaute Doug an. Ihr wurde klar, dass seine Angst sie angesteckt hatte. Kein angenehmes Gefühl, aber wenigstens war sie damit nicht allein.

Sie standen nebeneinander und hielten sich an den Händen. Billy, der ihnen ein paar Schritte voraus war, war still, und Trish erkannte an seinem Gesichtsausdruck, dass auch er sich fürchtete.

»Es gibt keine Straße zu diesem Ort«, stellte Doug fest. »Er musste hierher laufen, musste all die Säcke schleppen, wie viele es auch waren.« Er zeigte auf den Steilhang am Ufer. »Ich nehme an, er hat sie von da oben fallen lassen. Es ist die einzige Möglichkeit, wie sie in die obersten Zweige kommen konnten.«

»Aber warum?«, fragte Trish.

Doug schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht.«

Eine leichte Brise bewegte die Bäume, und mehrere Umschläge flatterten von den Zweigen in den Bach. Billy und seine Eltern standen schweigend da, bewegungslos, während die Umschläge um ihre Beine wirbelten und flussabwärts trieben.

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