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Der Thunderbird und der Lieferwagen der Untertassen-Beobachter rollten im Licht ihrer Scheinwerfer langsam und vorsichtig die Bergstraße entlang, an der in regelmäßigen Abständen Wegweiser nach Vandenberg zwei standen. Schon zweimal hatten die übermüdeten Fahrgäste aussteigen und schaufeln müssen, weil kleine Erdrutsche die Straße versperrten; die Hindernisse waren allerdings nie so groß gewesen, daß es sich gelohnt hätte, die letzte Ladung der Energiepistole auf sie zu vergeuden. Hunter war fest davon überzeugt, daß schon im nächsten Augenblick wieder ein neuer Erdrutsch im Scheinwerferlicht des Sportwagens auftauchen würde, der die Spitze übernommen hatte. Hinter ihm rasselte der Lieferwagen auf seinen Ketten einher.

Der Ostwind, der über die Berge hinter ihnen strich, war ausgesprochen warm — ein Glück für die völlig übermüdeten Menschen in dem Thunderbird und auf der Ladefläche, die dem Wetter ausgesetzt waren. Nur die beiden Hixons und Pop, die im Führerhaus des Lieferwagens saßen, merkten wenig davon.

Bisher war das einzige Geräusch von den Motoren und den Reifen gekommen, aber jetzt wurde von vorn ein leises rhythmisches Zischen und Brausen hörbar.

Der Wanderer war zwei Stunden nach Sonnenuntergang erschienen und zog jetzt langsam über den bleigrauen Himmel im Osten. Sein warmes purpurrotes und goldenes Licht erzeugte die Illusion, er sei die Ursache der freundlich warmen Brise. Der Wanderer war allerdings nicht mehr ganz kreisrund, sondern eher etwas ausgebaucht — wie der Mond zwei Tage nach Vollmond. Um seinen Äquator herum hingen die blitzenden und glitzernden Trümmer des Erdtrabanten, den er zerstört hatte, und bildeten einen Ring, der aus Diamanten zu bestehen schien.

Die Straße führte jetzt leicht ansteigend zu einem breiten Sattel hinauf, an dessen beiden Seiten grasbewachsene Abhänge bis an die Felsen reichten, die den Hügelrücken markierten. Der Thunderbird erreichte den höchsten Punkt des Sattels, bog nach rechts an den Straßenrand ab, hielt mit vier Huptönen und wartete mit ausgeschalteten Scheinwerfern. Der Lieferwagen hielt dicht dahinter und löschte seine Lichter ebenfalls.

Die meisten Mitglieder der Gruppe hatten im Laufe ihres Lebens schon einmal Gelegenheit gehabt, nachts von einem Flugzeug oder einem Berggipfel aus auf Bodennebel oder eine niedrige Wolkenschicht herabzusehen, aus der Berge und Hügel herausragten. Sie hatten sich dabei vielleicht sogar darüber gewundert, wie weit sich diese helle Schicht erstreckte — ein wahres Wolkenmeer. Jetzt hatten diese Menschen zwei oder drei oder mehr Sekunden lang den Eindruck, wieder den gleichen Augenblick vor sich zu haben — diesmal allerdings nicht bei Mondschein, sondern im Licht des Wanderers.

Dieser illusorische nächtliche Wolkenozean begann kaum hundert Meter weiter und nicht mehr als zwanzig Meter unter ihnen. Er erstreckte sich bis an den Horizont im Westen und folgte dabei genau den Konturen der Hügel. Innerhalb des scheinbaren Wolkenmeeres war nur eine Insel sichtbar — sie war niedrig und flach, aber doch so groß, daß sie die dunklen Hügel im Norden zu berühren schien. Rote und weiße Lichter blinkten an manchen Stellen der Insel auf, und im Licht des Wanderers wurden helle Gebäude mit ebenso hellen Dächern sichtbar. Als die Mitglieder der Gruppe die Insel noch verwundert anstarrten, wurden sie auf ein leises Brummen aufmerksam. Sekunden später tauchten ein rotes und ein grünes Licht aus der Dunkelheit auf und näherten sich der Insel — ein Flugzeug, das dort landete. Das Festland war durch einen etwa vierhundert Meter breiten Kanal von der Insel getrennt.

Dann verschwand die Illusion allmählich, als den Untertassen-Beobachtern nacheinander klar wurde, daß sie nicht auf ein Wolkenmeer herabsahen, das sich bis zum Horizont erstreckte. Sie hatten weder Nebel noch Wolken vor sich, sondern den Pazifik, dessen Wellen sich hundert Meter vor ihnen an den Abhängen und der Straße brachen. Jetzt erkannten sie, daß die Insel in Wirklichkeit Vandenberg zwei war; und daß der Kanal zwischen Festland und Insel unter anderem die Küstenstraße bedeckte, wo sie an dem Luftwaffenstützpunkt entlang landeinwärts führte, der das Mondprojekt beherbergte.

Hunter, der noch immer unbeweglich am Steuer des Sportwagens saß, spürte plötzlich eine Hand auf seiner rechten Schulter. Er legte seine darauf, drehte sich um und lächelte Margo zu, die sein Lächeln erwiderte.

Ohne seine Hand von ihrer zu nehmen, rief er zu Hixon zurück: »Wir übernachten hier. Wenn die Ebbe kommt, fahren wir weiter nach Vandenberg.«


Don Merriam sah durch den Fahrstuhlschacht nach oben und stellte fest, daß am Himmel des Wanderers ein Sturm rotschwarze Wolken durcheinander wirbelte, als seien die Farben absichtlich deshalb ausgesucht worden, weil sie zu dem Pelz seines Begleiters paßten, der schweigend neben ihm stand.

Der Kreis wurde zunächst langsam, aber dann immer rascher größer. Dann hielt der Fahrstuhl an, und sein Boden war wieder nicht mehr von der Oberfläche des Planeten zu unterscheiden.

Nichts schien sich verändert zu haben. Weit vor Don erhob sich noch immer die geheimnisvolle Röhre, durch die das zertrümmerte Gestein des Mondes in das Innere des Wanderers transportiert wurde. Etwas näher standen die seltsamen plastischen Strukturen, die an eine Armee abstrakter Statuen erinnerten. Und der Schacht, aus dessen Tiefe Lichter blitzten, hatte sich ebenfalls nicht sichtbar verändert.

Dann sah Don, daß nur noch eine Untertasse — mit dem violett-gelben Yin-Yang auf der Außenseite — über dem ›Baba Yaga‹ schwebte. Sein eigenes Mondschiff glänzte wie frisch poliert und hatte statt einer Leiter eine mannsdicke Röhre unter dem Einstieg hängen, die teleskopartig zusammengeschoben zu sein schien.

Hinter dem ›Baba Yaga‹ stand das russische Schiff — ebenfalls wie neu glänzend und mit einer ähnlichen Röhre vor der Luftschleuse, die bei dem russischen Modell allerdings am Bug lag.

Der Tiger berührte Don leicht an der Schulter und sagte langsam: »Wir begleiten dich jetzt zu einem deiner Freunde von der Erde. Dein Schiff ist wieder vollkommen flugtüchtig und wird dir später übergeben, aber zuerst fliegen wir in meinem. Du kannst später im Raum umsteigen. Keine Angst, wir haben für alles gesorgt.«


Paul Hagbolt öffnete langsam die Augen und zuckte gleichzeitig erschrocken zusammen. Tigerishka fauchte ihn an: »Wach auf und zieh dich an! Wir bekommen Besuch!«

Seine Reflexbewegung hatte im freien Fall bewirkt, daß er zwei Meter weit vom Fenster fortgetragen wurde, so daß er im Augenblick nur hilflos durch den Raum schwebte.

Die unsichtbare Sonne leuchtete wie zuvor, und die Fensterflächen waren wieder rosa, so daß das Innere der Untertasse — nicht zuletzt wegen der Blumen — an eine Mischung aus Schaltzentrale und Boudoir erinnerte.

Tigerishka holte einige Gegenstände aus einer Klappe in der Wand vor Paul. Dann warf sie ihm die Sachen entgegen.

Irgend etwas verhakte sich in ihren Krallen. Sie riß es wütend los und schleuderte es hinter den anderen Gegenständen her.

Paul — oder vielmehr sein Körper — fing die Sachen ohne große Mühe auf, denn Tigerishka hatte gut gezielt. Es handelte sich dabei um sein Hemd, seine Hose und seine Schuhe, die er ausgezogen hatte, weil ihm sonst zu warm gewesen wäre. Hemd und Hose waren sauber gewaschen, aber die Hose hatte keine Bügelfalten mehr. Paul starrte sie verständnislos an und murmelte schlaftrunken: »Aber Tigerishka, ich ...«

»Keine Widerrede!« unterbrach sie ihn wütend. »Hier ist noch etwas.« Pauls Jacke folgte ihren Worten. Dann setzte sich plötzlich der rosa Fußboden in Bewegung, so daß Paul sich in sitzender Stellung wiederfand. Sie rief: »Ich habe deine gewohnte Schwerkraft eingestellt, damit du dich endlich anziehen kannst! Hoffentlich beeilst du dich jetzt ein bißchen!«

»Tigerishka«, sagte Paul, während er auf dem Boden saß und langsam seine Hose anzog, »du hast mir gegenüber einmal mit deiner Fähigkeit geprahlt, meine Gedanken lesen zu können. Dein Verstand arbeitet bestimmt wesentlich rascher als meiner. Vermutlich besitzt du sogar ein eidetisches Gedächtnis für alle Ereignisse — und für das, was du in meinen Erinnerungen liest. Aber als ich gestern vier Himmelsfotografien erwähnt habe — Aufnahmen eines Planeten, der in den Normalraum übertritt, wie mir unterdessen klar ist —, hast du mir versichert, daß es nur zwei geben dürfte: in der Nähe von Pluto und in unmittelbarer Umgebung der Venus.

Du kannst glauben, was du willst, aber ich weiß sicher, daß es insgesamt vier Aufnahmen waren, die nicht zwei, sondern vier Übertritte zeigen.« An dieser Stelle spürte Paul, daß Tigerishka in seine Gedanken eindrang. Trotzdem fuhr er ruhig fort: »Es handelt sich um die zweite und die vierte Fotografie, die Übertritte in der Nähe des Jupiters und unseres Mondes darstellen.«

Ihre Antwort überraschte ihn, denn sie sagte nur: »Du hast völlig recht. Ich muß mich sofort mit dem Wanderer in Verbindung setzen. Vielleicht ist es das, wovor wir uns ... fürchten.« Tigerishka drehte sich um und ging auf das Kontrollpult zu. Unter der jetzt herrschenden Schwerkraft ging sie wie Paul aufrecht auf den Hinterbeinen. »Du kannst unseren Besucher begrüßen!« rief sie ihm noch zu.

Eine runde Klappe öffnete sich im Boden vor Paul. Dann tauchten Kopf und Schultern eines Mannes darin auf, der die Uniform der amerikanischen Luftwaffe trug; der Unbekannte kehrte Paul vorläufig noch den Rücken zu. Als das künstliche Schwerefeld ihn erfaßte, stützte er die Ellbogen auf das Deck, aber dann hatte er sich offenbar an die veränderten Verhältnisse gewöhnt, denn er schob seinen Körper rasch weiter in die Untertasse hinein.

Paul, der eben erst sein Hemd angezogen hatte, stand ebenfalls rasch auf und konnte noch einen Blick in eine mannsdicke Röhre werfen, bevor die Klappe sich wieder schloß.

Der Besucher, der zunächst nur Tigerishka angestarrt hatte, drehte sich jetzt um.

»Don!«

»Paul!«

»Ich dachte, du seist mit dem Mond verschollen. Wie bist du ...«

»Und ich dachte, du seist ... ich weiß selbst nicht mehr. Aber wie ...«

Beide schwiegen verlegen und warteten darauf, daß der andere etwas sagen würde. Dann merkte Paul, daß Don ihn neugierig von Kopf bis Fuß betrachtete. Er knöpfte rasch sein Hemd zu und stopfte es in die Hose.

Don schüttelte verständnislos den Kopf und begann dann zu grinsen.

Paul wußte, daß er rot geworden war. Er ärgerte sich über sich selbst.

Tigerishka drehte sich rasch nach den beiden Männern um und sagte: »Willkommen, Donald Barnard Merriam! Du mußt entschuldigen, daß der Affe sich so komisch benimmt — er schämt sich, weil er nicht vollständig bekleidet war. Aber ich nehme an, daß du an seiner Stelle ähnlich reagieren würdest. Ihr solltet es beide wirklich einmal mit Pelz versuchen!«

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