12

Don Merriam flog bereits seit einer Viertelstunde mit fast drei Sekundenkilometer Geschwindigkeit durch das Innere des Mondes. Der violett und gelb schimmernde Streiten war anfangs rasch breiter geworden und veränderte sich jetzt nicht mehr, was eigentlich ein schlechtes Zeichen war. Aber Don konnte nichts anderes tun, als weiter durch den Spalt zu rasen, der sich plötzlich in der Oberfläche des Mondes aufgetan hatte. Er zündete die Haupttriebwerke in regelmäßigen Abständen, legte sie wieder still und steuerte den ›Baba Yaga‹ mit den kleinen Düsen.

Plötzlich zeigte der vordere Bildschirm nur noch völlige Dunkelheit, so daß Don schon glaubte, der Spalt habe sich wieder geschlossen, bevor er das Mondinnere verlassen hatte. Aber dann sah er zu seiner Überraschung Sterne und sogar die gute alte Sonne vor sich — und den neuen Planeten, nach dessen Licht er bisher gesteuert hatte. Jetzt erkannte er auch, daß die Dunkelheit deshalb so plötzlich gekommen war, weil der Planet ihm die Nachtseite zuwandte. In diesem Augenblick wurde ihm auch klar, was die Ereignisse der vergangenen drei Stunden verursacht hatte.

Er steuerte sein Schiff in achtzig Kilometer Höhe in einer weiten Kurve über die zerklüftete Oberfläche des Mondes. Die Felsen unter ihm schienen in Bewegung geraten zu sein, so daß er den Eindruck hatte, auf ein stürmisches Meer hinabzusehen. Um nicht wieder zurückzustürzen, mußte er seine letzten Treibstoffvorräte für einen langen Feuerstoß verbrauchen. Dieses Manöver brachte den ›Baba Yaga‹ in eine enge Kreisbahn um den fremden Planeten.

Don wußte, daß die Sonne für ihn bald untergehen würde, so daß der Mond nur noch als dunkler Schatten am Himmel stand, während Erdtrabant und Raumschiff in die geheimnisvolle Nacht im Schatten des Unbekannten eintraten.


Paul, Margo und ihre neuen Freunde saßen zwanzig Meter von dem Tor entfernt im Sand, als ein zweites Beben den Strand unter ihnen erschütterte. Es war eigentlich harmlos, denn sie wurden nur gründlich durchgeschüttelt. Der Soldat kam aus dem Turm gerannt, blieb stehen und ging dann wieder zurück. Er antwortete nicht, als Doc ihm fröhlich zurief: »He, war das aber eine Wucht!«

Fünf Minuten später flüsterte Ann: »Mommy, jetzt habe ich wirklich allmählich Hunger.«

»Ich auch«, meinte Harry McHeath.

»Wir wollten nach der Mondfinsternis Kaffee und Sandwiches servieren«, erklärte der kleine Mann. »Der Kaffee war in vier großen Thermosflaschen — ich habe sie selbst mitgebracht. Jetzt liegen sie am Strand.«

Wanda richtete sich auf dem Liegebett auf, obwohl die hagere Frau sie zurückhalten wollte.

»Was hat der rote Lichtschein dort drüben zu bedeuten?« fragte sie mürrisch.

Hunter wollte ihr schon sarkastisch erklären, daß der neue Planet leider so hell sei, aber dann fiel ihm auf, daß am Horizont wirklich ein rötlicher Lichtschimmer glühte.

»Vielleicht ein Buschfeuer«, meinte Wojtowicz.

»Mein Gott, das auch noch!« jammerte die hagere Frau. »Dabei haben wir doch schon genügend Sorgen.«

Hunter beherrschte sich gerade noch rechtzeitig. »Wahrscheinlich brennt dort Los Angeles«, hatte er eben sagen wollen.

»Was bedeutet das Wort ›Planet‹ eigentlich wirklich, Mister Brecht?« fragte Ann plötzlich.

»Wanderer, Liebling«, sagte Rama Joan.

»Das ist auch die richtige Bezeichnung dafür«, meinte der kleine Mann.

Zwei große gelbe Augen tauchten aus der Dunkelheit hinter dem Stacheldrahtzaun auf. Gleichzeitig röhrte ein Motor, als der Jeep mit halsbrecherischer Geschwindigkeit die schlechte Straße hinabraste.

»Alles auf!« befahl Paul. »Jetzt kommt endlich Leben in die Bude.«



Barbara Katz stand mit dem Rücken zu dem anderen Ozean, der die amerikanische Küste ungefähr fünftausend Kilometer von den Untertassen-Beobachtern umspülte, und sah begeistert zu dem Wanderer auf. Dabei bedauerte sie, daß sie nicht mehr sehen würde, wie der Mond auf der anderen Seite wieder zum Vorschein kam. Im Osten zeichnete sich bereits die Morgenröte ab, die an der Westküste erst in drei Stunden zu erwarten war.

»Ich bin jetzt wirklich müde ...«, sagte Knolls Kettering III. mit einer Stimme, die Barbara bisher noch nicht gehört hatte. »Bitte ...«

Sie griff nach seinem Arm, als er schwankte, und wäre fast erschrocken zusammengezuckt, weil der Alte so federleicht war. Aber dann fiel ihr ein, daß er ihr privater Millionär war, den sie sich mühsam genug geangelt hatte. Deshalb stützte sie ihn jetzt vorsichtig, damit er nicht fiel.

Die ältere Negerin, die wie die jüngere ein taubengraues Kleid mit weißem Kragen und gestärkten Manschetten trug, kam aus dem Haus und griff nach Ketterings anderem Arm. Das schien den Alten zu irritieren.

»Hester«, sagte er und lehnte sich gegen Barbara. »Ich habe Benjy, Helen und dir doch schon vor Stunden gesagt, ihr solltet ins Bett gehen.«

Hester lachte leise. »Als ob wir Sie die ganze Nacht lang mit Ihrem Teleskop allein im Park lassen würden! Ganz langsam und vorsichtig, Mister K. Vergessen Sie nicht, daß der Nagel in Ihrer Hüfte bestimmt weniger als Sie aushält.«

Knolls Kettering III. stützte sich auf die beiden Frauen und ließ sich von ihnen in sein riesiges Schlafzimmer führen.

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