12

Fenris starrte auf das kalte Gebäude und war verwirrt. Er war nicht sicher gewesen, was er sich unter der Gruft des Sargeras vorzustellen hatte, aber ganz bestimmt nicht das. Was er zuerst für Schnitzereien gehalten hatte, waren die Muscheln, Knochen und sonstigen Überreste von verschiedenen Meereskreaturen. Sie überzogen die äußeren Mauern. Es war, als würde man den Boden des Ozeans sehen, nur dass er an Land gehoben worden und in eine bewohnbare Struktur verwandelt worden war. Und die Tür zu diesem merkwürdigen Gebäude stand weit offen.

„Befindet sich das Artefakt dort drinnen?“, fragte Fenris stirnrunzelnd. Es fiel ihm schwer, das schäbige Aussehen des Ortes mit dem bedeutenden Artefakt, das Ner’zhul hier vermutete, in Einklang zu bringen.

Der Todesritter hatte keine Zweifel. „Es ist hier“, sagte Ragnok. „Ich spüre es, tief da drinnen.“

„Dann sollten wir reingehen!“, brüllte Tagar. „Was stehen wir hier noch herum? Je schneller wir drin sind, desto eher sind wir auch wieder draußen!“

Fenris schätzte Dinge oft anders ein als der Häuptling des Knochenmalmerklans. Aber in diesem Punkt stimmte er ihm zu.

Fenris wollte den Auftrag schnell hinter sich bringen. Er gab seinen Orcs Zeichen und folgte dann Ragnok, Tagar und dessen Kriegern. Allenthalben entdeckte er Hinweise darauf, dass das Gebäude Hunderte, wenn nicht gar Tausende Jahre unter Wasser gestanden hatte. Ecken und Kanten waren von Strömungen abgerundet; es gab Ablagerungen von Moos, Muscheln und Korallen. Hier und da stand immer noch etwas Wasser in Pfützen. Kein Licht drang ins Innere, das merkwürdige Gebäude hatte keine Fenster. Aber das war nicht seine Sorge.

Ragnok hob die Hand, und ein gelbliches Leuchten erschien über ihm. Es erschuf in den Gängen verstörende Schatten, erlaubte es aber immerhin, sehenden Auges weiterzugehen.

Während sie tiefer vordrangen, bemerkte Fenris, dass die Wände hier sauberer waren als in der Nähe des Eingangs. Und nicht nur weniger verschmutzt, sondern auch weniger verfallen. Die Schnitzereien, die jede Oberfläche bedeckten, waren nicht verwittert, und er sah immer wieder Stellen, die zeigten, wie der Tempel zu seiner Blütezeit ausgesehen haben mochte. Er musste großartig gewesen sein, von einer Schönheit und Eleganz, die Fenris niemals für möglich gehalten hätte.

Fenris fühlte sich im Vergleich dazu plump. Er konnte erkennen, dass der Rest seines Klans ähnlich dachte.

Tagar und seine Knochenmalmer-Orcs zeigten sich davon hingegen ungerührt. Aber sie hatten ja generell wenig übrig für etwas anderes als Tod und Zerstörung. Ragnok schien auf die bevorstehende Aufgabe konzentriert.

Vielleicht blieb ausgerechnet Tagar deshalb plötzlich stehen und wies auf eine Stelle an der Wand knapp über dem Boden. „Schaut dort!“, sagte der Häuptling.

Fenris folgte seiner Geste und bemerkte etwas Dunkles über den Schnitzereien. Es sah wie aus wie...

„Blut“, bestätigte Tagar. Er kniete sich hin, roch und leckte daran. „Orc-Blut“, stellte er fest und stand wieder auf. „Mehrere Jahre alt.“

„Vielleicht das Blut von Gul’dan oder einem seiner Hexenmeister“, sagte Ragnok. „Wir kommen näher!“

Das war kein angenehmer Gedanke, auch wenn es das Ende ihrer Suche bedeutete.

„Seid vorsichtig“, warnte Fenris seine Orcs, und sie nickten düster.

„Hast du Angst?“, zog ihn Tagar auf. „Angst vor dem, was wir vielleicht finden?“

„Natürlich, du Idiot!“, zischte Fenris. Seine Hauer kratzten über die Wangen des jüngeren Häuptlings. „Gul’dan war ein Verräter und ein Narr. Aber er war auch einer der mächtigsten Zauberer, den die Horde je hatte. Und etwas hier drin hat ihn und seine Anhänger getötet. Man muss krank oder dumm sein, um in Anbetracht dessen keine Furcht zu verspüren!“

„Nun, ich habe keine Angst!“, antwortete Tagar, was das Gelächter einiger von Fenris’ Kriegern weckte.

Fenris selbst schüttelte den Kopf. Er fragte sich erneut, warum man ihm einen solchen Idioten mitgegeben hatte. Aber eigentlich kannte er die Antwort. Manchmal brauchte es jemanden, der klug genug war, um zu wissen, wann was zu tun war. Und ein anderes Mal war jemand nötig, der dumm genug war, auch dann weiterzumachen, wenn es reiner Selbstmord war...

„Gut“, sagte Fenris und musste selbst schmunzeln. „Dann gehst du vor.“

Tagar grinste. Sein Kriegsschrei hallte von den Wänden zurück. Er ging voraus und führte sie ohne einen Moment des Zögerns an. Die anderen folgten ihm.

Der Zustand von Wänden und Boden wurde immer besser, je tiefer sie in den Tempel vordrangen. An einer Gangkreuzung blieb Ragnok verwirrt stehen. Er wandte sich erst der einen Richtung zu, dann der anderen. Fenris furchte die Stirn.

„Was ist los?“

„Nichts. Ich...“ Der Todesritter zögerte erneut, dann nickte er ihm zu und ging festen Schrittes einen Gang hinunter. Fenris schüttelte den Kopf, folgte ihm aber.

Der Gang mündete in einen großen Raum. Die Wände hier waren überraschenderweise leer, sauber und glatt. Der plötzliche Kontrast ließ den Raum rein und würdevoll wirken. Am Ende befand sich eine massive Tür aus glattem, schwarzem Eisen, die den größten Teil der Wand einnahm.

„Dort ist es“, flüsterte Ragnok. Er öffnete die Tür. Und erstarrte vor Schreck.

Hinter der Tür lag fast undurchdringliche Dunkelheit, als wäre die Nacht flüssig geworden und hätte sich hier versteckt, wo das Licht sie niemals finden würde.

In der Dunkelheit, genau hinter dem Durchgang, stand eine Kreatur, die aus einem Albtraum hätte stammen können. Sie überragte die Orcs und war so groß, dass sie sich in den Raum dahinter ducken musste. Ihre Haut war mit Schuppen übersät, die wirkten, als bestünde sie irgendwie aus Wasser. Stacheln standen von den Schultern, den Unterarmen, anderen Gliedmaßen und der Brust ab. Die überlangen Arme endeten in langen Klauen. Das Gesicht war am Ende zu schmal und an der Spitze zu breit, Die schräg stehenden Augen glühten in rauchigem Gelb, und irgendwie hatte eine riesige Anzahl von rasiermesserscharfen Zähnen in dem kleinen Maul Platz gefunden. Ein langer Schwanz wippte herum.

In einer der Klauenhände hielt das Wesen eine lange Stange, einem Speer ähnlich, mit einem hölzernen Schaft und gewirktem Silber am Ende. Die Spitze war eine Ansammlung von Stacheln, die um einen großen Edelstein angeordnet waren. Ein helles weißes Licht strahlte davon aus. Und dieses Licht hielt die Dunkelheit zurück. Kleine Blitze umtanzten den Edelstein, um schließlich in der Finsternis zu verschwinden.

Das Zepter des Sargeras... das Artefakt, das sie Ner’zhul mitbringen sollten!

Sie mussten es nur diesem Ding abnehmen, das Fenris für einen Dämon hielt.

„Du kommst nicht vorbei“, zischte die Kreatur. Ihre Stimme klang ölig. „Diese Gruft wurde schon einmal von Sterblichen entweiht! Das wird sich nicht wiederholen!“

„Wir wollen auch gar nicht vorbei“, antwortete Fenris. Er unterdrückte die Furcht und die Galle, die in seiner Kehle aufstieg. „Wir wollen nur dein Zepter haben.“

Der Dämon lachte. Es klang wie Knochen, die aneinander-rieben. Dann trat er vor. Die Klauen an seinen Füßen rissen tiefe Furchen in den Marmor des Bodens. „Dann versucht, es mir abzunehmen“, bot er ihnen an. „Und nachdem ihr gescheitert seid, werde ich eure Körper zerreißen und mich an euren Seelen laben.“

„Ich breche dir die Knochen und trinke danach das Mark!“, schleuderte Tagar dem Dämon in der Sprache, die dieser verstand, entgegen. Dann griff er mit erhobener Axt an.

Und obwohl er Tagar für einen Narren hielt und sich selbst für einen noch größeren, erhob auch Fenris die Waffe und stürzte sich in die Schlacht. Die über dreißig Donnerfürsten- und Knochenmalmer-Krieger waren direkt hinter ihm.

Aber selbst in Überzahl war es ein schwieriger Kampf. Der Dämon war stark, viel stärker als jeder von ihnen – und schneller! Seine langen Klauen zerteilten mit Leichtigkeit Haut, Knochen und Muskeln und schnitten durch die Orcs, als wären es trockene Blätter. Das Zepter war so schwer, dass es den Schädel eines Orcs zu zertrümmern vermochte, ohne eine Delle davonzutragen. Und auch der Schwanz war eine effektive Waffe. Tagar schrie vor Empörung, als die Kreatur einen der Knochenmalmer damit erwischte. Der lange Stachel ging spielend leicht durch die Brust des unglücklichen Orcs und trat im Rücken wieder aus. Blut tropfte herab.

Aber die schlimmste, die gefährlichste Attacke war sein Biss. Das unglaubliche Maul konnte sich weiter öffnen, als es hätte möglich sein sollen, und entblößte mehrere Reihen Zähne. Fenris sah, wie der Dämon den halben Kopf eines Kriegers abbiss. Und obwohl er im Kampfrausch war, fühlte er sich schlecht.

Es war dieser Kampfrausch, der sie rettete. Unter normalen Umständen verabscheute Fenris den Blutrausch, aber jetzt war er ein Segen. Ohne ihn wären viele Orcs, einschließlich ihm selbst, vor Angst weggelaufen. Aber weil ihre Schädel pochten, ihre Sicht verschwommen war und ihr Blut sang, griffen sie wieder und wieder an. Ja, der Dämon war schneller, nur kamen bei so vielen Angreifern immer wieder ein paar Treffer durch.

Der Dämon war stärker, doch weil er immer wieder Glieder verlor, wurde er nach und nach verkrüppelt.

Nachdem ihm der Schwanz, ein Arm und ein Teil des Beines fehlten und der andere Arm so zerschmettert war, dass er schlaff wie eine Schlange herabhing, schlugen Fenris und Tagar schließlich gemeinsam zu. Ihre Äxte drangen in den dicken Hals ein. Die Schläge trafen von entgegengesetzten Richtungen voller Kraft, und beide Häuptlinge bekamen dünne Schnitte an den Händen ab, wo die Klinge des jeweils anderen sie gestreift hatte. Aber der Dämon fiel zu Boden, sein Hals war von beiden Seiten durchtrennt, der Kopf landete zu Ragnoks Füßen.

Fenris bückte sich und hob das Zepter auf. Es war leichter, als er gedacht hatte. Doch er konnte ein Gefühl der Macht spüren, die es durchströmte.

„Wir haben, was wir wollten“, sagte er und wandte sich um. „Lasst uns gehen.“

„Was?“ Überraschenderweise protestierte Ragnok. „Aber das hier ist die Gruft des Sargeras! Und du hast gerade den Wächter getötet!“

„Das war nur einer der Wächter“, antwortete Fenris. „Es gibt noch andere, glaub mir.“ Er hielt das Zepter hoch, sodass sich das Licht darin spiegelte. „Glücklicherweise müssen wir hier nicht tiefer eindringen.“

„Du verstehst nicht“, fuhr Ragnok fort. Er trat an Fenris heran. „Wir haben das Zepter, wir sollten auch das Auge des Sargeras holen. Weißt du noch, dass ich vorhin verwirrt war? Das war, weil ich beide Artefakte gespürt habe! Es dauerte einen Moment, um zu erkennen, was vor sich ging. Aber ich weiß genau, wo sich das Auge des Sargeras jetzt befindet. Diesen Gang dort hinunter. Das ist das Artefakt, nach dem Gul’dan gesucht hat. Und jetzt ist es zum Greifen nah!“

Ragnoks glühende Augen verengten sich vor Wut. „Ihr jämmerlichen Kreaturen“, zischte er. „Ich könnte euch mit einem einzigen Gedanken töten! Ihr werdet mit mir das Auge holen, oder...“

„Oder was?“, brüllte Fenris. „Mach weiter. Töte uns sofort. Und dann hol dir das Auge allein. So oder so sind wir dann tot.“ Er war sich sicher, dass der Todesritter nur bluffte, doch er stand zu seiner Entscheidung. Ragnok mochte sie in einem Wutanfall töten. Aber was auch immer das Auge bewachte, würde sie auf jeden Fall umbringen.

Ragnok erhob die Hände, und einen Moment lang setzte Fenris’ Herzschlag aus. Dann gab der Todesritter nach. Er hatte tatsächlich nur geblufft.

„Ihr seid Narren“, knurrte Ragnok, doch seine Stimme gestand die Niederlage ein.

„Vielleicht“, stimmte Fenris zu. „Aber wir sind Narren, die den nächsten Tag noch erleben.“ Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab. Sein Klan folgte ihm, so auch Tagar und seine Orcs. Nur mäßig zufrieden sah er einen Augenblick später, dass sich Ragnok ihnen anschloss.


„Hast du es?“

Fenris stieg vom Rücken des Drachen und setzte beide Füße auf den zerklüfteten Boden. Er blickte zu Blutschatten, der auf ihn zukam. Die Drachen hatten auf die Orcs gewartet, als ihre Boote wieder Land erreichten, und sie schnell in die Verwüsteten Lande zurückgebracht. Dort trafen sie sich mit Blutschatten und den anderen.

„Ja, ich habe es“, bestätigte Fenris und hielt das stoffumwickelte Zepter hoch. Er übergab es an Blutschatten, froh, es los zu sein. „Was nun?“

„Jetzt werden wir durch das Portal zurückkehren“, antwortete Blutschatten. Fenris unterdrückte einen Schauder, als sich Blutschattens Hände schützend über das Bündel legten. „Unsere Aufgaben hier sind erledigt. Azeroth ist nicht länger wichtig für uns. Wir überlassen diese Welt den Menschen und ihren Alliierten. Gut, dass wir sie los sind.“

Fenris wollte mehr Details erfahren, aber ein lautes Rumpeln stoppte ihn. Über die Schulter blickend, sah er mehrere große Wagen, die ins Tal rollten. Sie wurden von Orcs gelenkt. Ihm fiel wieder das Gespräch im Schwarzfelsgebirge ein. Das musste die Fracht sein, die Todesschwinge durch das Portal befördert haben wollte. Er fragte sich, was für den schwarzen Drachen so wichtig war, dass es auf eine andere Welt geschafft werden sollte. Doch er wusste, dass er das wohl nie erfahren würde.

Ein anderer Orc aber war noch neugieriger als Fenris. Er versuchte, sich einem der Wagen zu nähern. Bevor Fenris auch nur Atem holen konnte, um ihm eine Warnung zuzurufen, stürzte sich ein schwarzer Schatten vom Himmel. Der Orc schrie und warf sich zu Boden, die Hände vors Gesicht geschlagen. Blut lief durch seine Finger.

„Zurück!“, schrie Fenris. „Bleibt von den Wagen weg!“

Die Drachen, die die Orcs hierher getragen hatten, erhoben sich nun in die Lüfte, um die Ladung zu verteidigen. Einige warteten nicht einmal ab, dass ihre Reiter abstiegen.

„Blutschatten!“, dröhnte eine Stimme, die Fenris erkannte. Der Schrei kam von niemand anders als dem Häuptling des Kriegshymnenklans. Grom Höllschrei war bei den Truppen gewesen, die die Allianz bei Nethergarde angegriffen hatten, und kam gerade von dort zurück. Er war noch nicht ganz durch das Tal, sie konnten ihn jedoch gut verstehen. „Hast du diese Kreaturen mitgebracht?“

„Das habe ich“, antwortete Blutschatten, der seine Stimme nicht erhob. Aber seine Worte wurden trotzdem überall verstanden. „Die schwarzen Drachen sind unsere neuen Verbündeten!“

Grom duckte sich, als die Klaue eines schwarzen Drachen gefährlich nah an seinem Kopf vorbeiwischte, und schaute finster. „Mach etwas wegen deiner geflügelten Freunde, bevor noch eine Panik ausbricht... oder sie uns alle töten!“

Der Todesritter schaute zu den Drachen auf und beobachtete sie einen Moment lang. Dann nickte er. „Todesschwinge“, rief er. „Ich schwöre dir, dass ich diese Wagen und ihre Ladung verteidigen werde! Bitte schicke deine Drachen an den Rand des Tals!“

Fenris konnte den Drachenältesten nicht unter den umherfliegenden Gestalten ausmachen. Aber einen Augenblick später drehten sie ab und landeten auf den Klippen entlang des Talrands.

„Schon besser“, knurrte Grom. Er nickte Fenris zu, der zurückgrüßte. Die beiden kannten sich. Fenris hielt Grom für einen der besten Häuptlinge der Horde und einen erstklassigen Krieger.

„Habt ihr bekommen, was du brauchtest?“, fragte Grom sie beide.

„Haben wir“, antwortete Blutschatten. Er sagte sonst nichts. Grom schaute zu den Wagen.

„Fracht“, antwortete Blutschatten knapp. Jeder Wagen war aus soliden Holzbalken gebaut, hatte hohe Seitenwände und war komplett von einer dicken Plane bedeckt. Die Art, wie die Plane sich bewegte, verriet Fenris, dass die Wagen vollgepackt waren. Aber mehr war nicht zu erkennen.

„Ich dachte, wir sollten nur diese Artefakte holen“, sagte Grom.

„Es gab eine Planänderung“, antwortete der Todesritter. „Du musst dir keine Sorgen machen.“ Er erhob seine Stimme und musste etwas Magie hineingelegt haben, weil sie plötzlich über das ganze Tal zu hören war. „Diese Wagen stehen unter meinem persönlichen Schutz. Jeder, der das missachtet oder hineinsehen will, muss sich vor mir verantworten.“ Mehrere Orcs sahen erschreckt auf, und die beiden, die sich dem hinteren Wagen näherten, hasteten davon.

Fenris zuckte die Achseln. Seine Aufgabe war erledigt, und wenn Blutschatten noch eine andere Sache durchziehen wollte, war das etwas zwischen ihm und Ner’zhul. „Wann können wir durchgehen?“, fragte er stattdessen.

„Ich will, dass ein paar Mann eures Klans zurückbleiben und das Portal für eine kurze Zeit sichern. Du und der Rest, ihr könnt jetzt durchgehen, wenn du willst“, antwortete Blutschatten. „Tagar, ich brauche ein paar von euch Knochenmalmern.“

Fenris furchte die Stirn, nickte aber. Er hatte gehofft, sein ganzer Klan würde zurückkehren dürfen. Aber er verstand Blutschattens Gründe.

„Was ist mit uns?“, fragte Grom Blutschatten, doch Fenris wandte sich ab. Die Befehle für den Kriegshymnenklan waren jetzt nicht seine Sorge. Stattdessen winkte er seinen Stellvertreter Malgrim Sturmhand herbei, und gemeinsam wählten sie zwölf Krieger aus, die unter Malgrims Kommando zurückblieben. Die Orcs protestierten nicht. Sie waren Donnerfürsten, sie dienten der Horde, wann immer man es verlangte.

„Zum Portal!“ Der Rest des Donnerfürstenklans marschierte durch das Tal und erreichte das über ihnen aufragende neue Tor. Direkt vor ihnen befanden sich die bedeckten Wagen, und Fenris bemerkte mehrere Todesritter, die sich aus der Streitmacht lösten und neben den rätselhaften Wagen Position bezogen. Blutschatten war auch dort, ganz vorne.

Fenris hörte, wie Targas seine Knochenmalmer anschrie und sie aufzuteilen versuchte. Dazu kam das Gebrüll von Ogern, denen man Kämpfe versprochen hatte. „Ich zuschlagen!“, rief einer von ihnen fröhlich.

Auch der gesamte Kriegshymnenklan würde bleiben, schenkte man ihren Kommentaren Glauben. Das Portal würde gut beschützt werden. Ein Teil von ihm wollte auch bleiben, aber ein anderer Teil war sehr müde; ihn zog es nach Hause. Später würde er – vielleicht – mit frischen Orcs diejenigen ablösen, die jetzt zurückblieben.

Fenris lief die Rampe hinauf und stand vor dem Dunklen Portal. Das Tor mit seiner merkwürdig wabernden Energie machte ihn immer noch nervös. Es störte ihn, dass etwas so Kleines, das nicht mal so breit wie die dicken Steinsäulen war, eine Brücke zwischen zwei Welten schlagen konnte.

Er erwartete beinahe, dass das Portal versagen würde. Dass es kollabierte und jeder darin auseinandergerissen wurde.

Dieser Gedanke ließ ihn schneller gehen, und schließlich rannte er hindurch und spürte erneut das merkwürdige Gefühl, das ihm aufgefallen war, als er Draenor verlassen hatte. Als würde sein Körper über eine große Distanz befördert. Ein kaltes Prickeln lief über seine Haut, und ein Blitz ließ ihn die Augen schließen.

Dann schaute er in den vertrauten roten Himmel von Draenor. Fenris seufzte erleichtert und entfernte sich weiter vom Portal. Schließlich blieb er stehen, damit der restliche Klan aufschließen konnte.

Er beobachtete, wie die anderen Klans ebenfalls herüberkamen. Und Blutschatten war mit den Wagen bereits verschwunden.

Fenris hatte getan, was man ihm befohlen hatte. Und jetzt würde er darauf warten, dass Ner’zhul neue Befehle für ihn hatte. Bis dahin würden die Donnerfürsten-Krieger heimkehren.

Er hatte für lange Zeit erst einmal genug von Intrigen, Betrug und Ränkeschmieden.

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