»Hier stinkt es ja schrecklich«, beschwerte sich Boabissia.
»Übergib dich nicht«, sagte ich. »Du wirst dich schon daran gewöhnen.«
»Ich sage ihnen immer wieder, sie sollen den Deckel drauf legen«, murrte der Vermieter und hielt die kleine Lampe ein Stück höher. »Aber er ist natürlich schwer, und so bleibt er oft ein Stück geöffnet.« Mit einem knirschenden Geräusch schob er den schweren Terrakottadeckel auf dem großen Bottich zurecht. Er stand am Fuß der Treppe, wo man die Nachtgeschirre in den Bottich entleeren konnte. Diese Bottiche werden ein- oder zweimal pro Woche ausgetauscht; man lädt sie auf Wagen und bringt sie aus der Stadt, wo sie in eine der Carnarii, der Abfallgruben, geleert werden. Man spült sie aus, und der Kunde erhält sie wieder zurück, wenn es soweit ist. Es gibt mehrere Gesellschaften, die auf diesem Gebiet tätig sind. Die Arbeit selbst wird von Sklaven verrichtet, die dabei von freien Männern überwacht werden.
»Folgt mir«, sagte der Vermieter und stieg die Treppe hinauf. Sein Name war Achiates.
Ich machte den Anfang, dann kamen meine Gefährten. Feiqa bildete den Abschluß. Die Treppe war so schmal, daß zwei Leute kaum nebeneinander gehen konnten. Dadurch war sie leicht zu verteidigen. Außerdem war sie steil. Das war gut. Sie hatte keine offenen Seiten, sondern verlief zwischen zwei Wänden. Das sparte Platz und sorgte für zusätzliche Zimmer. In einem engen Insula ist Platz etwas Kostbares. Die Treppenstufen waren schmal. Das war nicht so gut, es sei denn, man hielt sich auf einem Treppenabsatz auf. Dort würde man sich dann zur Verteidigung aufstellen. Die Stufen waren alt, einige schon lose. Ein kurzes Stück gingen wir im Licht der engen Vorhalle, das durch die Jalousien des Eingangstors drang, aber dann waren wir auf die Lampe des Vermieters angewiesen. In ihrem Schein entstanden seltsame Schatten.
»Ich kann diesen Gestank nicht ertragen«, klagte Boabissia.
»Das Zimmer kostet ein Tarskstück die Nacht«, erklärte Achiates. »Nehmt es oder laßt es bleiben. Ihr habt Glück, daß überhaupt noch eins frei ist. Es herrschen geschäftige Tage in Ar.«
»Wir hätten eine bessere Unterkunft haben können, wenn es da nicht gewisse Schwierigkeiten gegeben hätte«, murmelte Boabissia gereizt.
Das war durchaus möglich, obwohl ich mich da nicht festlegen wollte. Einige der Insula, die wir uns angesehen hatten, erlaubten keine Sklaven auf dem Zimmer. Andere wiederum hatten ihre Gehege im Keller oder auf dem Hof. Ich wollte Feiqa jedoch bei uns haben. Sie war hübsch. Ich wollte nicht, daß man sie mir stahl.
»Das Insula von Achiates ist das beste Insula in ganz Ar!« prahlte der Vermieter.
»Es ist dunkel«, sagte Boabissia.
»Wie weit ist es noch?« fragte ich.
»Nicht weit.«
Wir stiegen weiter hinauf und kamen an einigen Treppenabsätzen vorbei. In den meisten Insula sind die Decken sehr niedrig; in den wenigsten Zimmern kann ein Mann aufrecht stehen. So hat man Platz für zusätzliche Etagen. Ich streckte die Hand aus und berührte die Mauern, die die Treppe einschlossen. Sie waren zerklüftet; an einigen Stellen gab es lange waagrechte Risse, immer dort, wo der statische Druck den Putz zum Platzen gebracht hatte. Das Insula des Achiates war möglicherweise das beste Insula in Ar, aber ich fand, daß sein Zustand dennoch nicht der allerbeste war. Ein paar kleine Reparaturen hätten nichts geschadet. Die Wände wirkten oftmals verrottet; es gab Wasser- und andere Flecken.
»Dieses Haus stinkt«, verkündete Boabissia. »Es stinkt.«
»Es sind diese verdammten Bälger«, sagte Achiates. »Sie sind zu faul, um nach unten zu gehen.«
»Hier wohnen Familien?« fragte Boabissia ungläubig.
»Natürlich. Die meisten meiner Mieter wohnen ständig hier.«
Wir stiegen weiter hinauf. Wir waren an mindestens sieben oder acht Etagen vorbeigekommen.
»Es ist stickig hier«, klagte Boabissia. »Ich kann kaum atmen.«
Solche Mietskasernen waren nicht für gute Lüftung bekannt, genausowenig für Eleganz oder Geräumigkeit. Dafür sind sie leicht zu beheizen.
»Es ist so heiß hier«, sagte Boabissia.
»Du hast aber viele Beschwerden«, bemerkte Achiates.
»Es ist so dunkel hier«, sagte Boabissia. »Wie soll man sich hier nur zurechtfinden?«
»Das wird schon besser mit der Zeit.«
»Du hättest im Treppenhaus Lampen anbringen sollen«, maulte Boabissia. »Ich nehme an, Tharlarionöl ist wohl zu teuer.«
»Ja«, sagte Achiates. »Aber es ist auch gegen das Gesetz.«
»Warum?« fragte ich.
»Die Feuergefahr.«
»Oh!« stieß Boabissia ernüchtert hervor.
Mietskasernen dieser Art sind berüchtigt wegen der Brandgefahr. Es kommt vor, daß ganze Stadtviertel durch ein einziges Feuer ausgelöscht werden.
»Dürfen wir im Zimmer eine Lampe haben?« fragte ich.
»Natürlich«, sagte der Vermieter. »Solange ihr ordentlich damit umgeht. Aber es könnte sein, daß ihr sie kaum anzündet. Sie verpestet die Luft.«
»Ist dein Haus versichert?«
»Nein.«
Das hörte ich gern. Er käme nicht in Versuchung, das Insula anzuzünden, um Geld von der Versicherung zu kassieren. Andererseits war es nicht ungewöhnlich, daß er das Gebäude nicht versichert hatte. Das lag nicht allein an der Zuversicht des Besitzers, sondern auch an der Schwierigkeit, eine Versicherung zu finden, deren Prämien bezahlbar waren. Die meisten Unternehmen dieser Art akzeptierten das mit einer Feuerversicherung verbundene Risiko nicht.
Wir kamen zum nächsten Absatz.
Ein Geräusch ertönte, und Achiates hob die Lampe. Ein Sklavenmädchen kam in Sicht. Sie war barfuß. Ihre außerordentlich kurze Tunika klaffte bis zum Nabel auf. Ihr Haar war zerzaust. Ihr Kragen funkelte im Lampenlicht. Als sie uns sah, warf sie sich gehorsam auf den Bauch.
»Sie gehört Clitus, dem Schneider. Er wohnt eine Etage höher«, erklärte der Vermieter.
Das Mädchen zitterte.
Offenbar duldete Achiates nur hinreichend erzogene und ausgebildete Sklaven in seinem Haus. Wir gingen weiter. Das Mädchen hatte hellbraunes Haar. Als wir an ihr vorbei waren, stand sie auf. Das Klatschen nackter Füße auf Holz ertönte. Zweifellos hatte sie Besorgungen zu erledigen.
»Widerwärtig!« rief Boabissia auf dem nächsten Treppenabsatz. »Ein Urt!«
»Das ist kein Urt«, entgegnete Achiates. »Die kommen eigentlich erst nach Einbruch der Dunkelheit heraus. Am Tag ist es ihnen zu laut, da herrscht zuviel Unruhe.« Das kleine Tier zog sich zurück, Krallen schabten über den Holzboden. Seine Augen funkelten im Lampenlicht. »Außerdem kommen sie nie so weit nach oben«, fuhr der Vermieter fort. »Das da ist ein Frevet.« Das Frevet ist ein flinker kleiner Insektenfresser. »Wir haben mehrere von ihnen im Haus. Sie fressen Ungeziefer; Käfer, Läuse und dergleichen.«
Boabissia schwieg.
»Nicht jedes Insula sorgt für Frevets«, betonte Achiates. »Es sind süße und nützliche Geschöpfe. Vermutlich werdet ihr sie ins Herz schließen. Sicher werdet ihr nachts die Tür offenstehen lassen, damit es kühler ist, und ihnen Einlaß gewähren. Wie ihr vielleicht wißt, können sie sich nicht wie Urts durch die Wände fressen.«
»Ist es noch weit?« fragte ich.
»Nein«, antwortete Achiates. »Wir haben es fast geschafft. Das Zimmer liegt unmittelbar unter dem Dach.«
»Es hat den Anschein, als hätten wir ein ganz schönes Stück Wegs hinter uns.«
»Das täuscht«, entgegnete er. »So hoch oben sind wir gar nicht. Die Treppen sind kurz.«
Wir kamen zum nächsten Absatz.
Boabissia zuckte zurück.
»Ihr werdet die Frevets sogar ganz bestimmt ins Herz schließen«, versprach Achiates. Wir sahen zu, wie ein großes, längliches, mit einem flachen Körper und langen Fühlern ausgestattetes Wesen, das eine Länge von etwa einem halben Hort aufwies, auf einen Spalt am Fuß der Wand zueilte. »Das ist eine Schabe«, sagte er. »Die sind harmlos, im Gegensatz zu den Gitches. Deren Bisse sind ganz schön schmerzhaft. Ein paar von ihnen sind auch recht nett groß. Aber davon gibt’s nicht viele. Dafür sorgen schon die Frevets. Ich rühme mich dafür, ein sauberes Haus zu führen.«
Plötzlich schrie Feiqa überrascht auf.
»Knie nieder, Sklavenmädchen!« befahl eine herrschsüchtige junge Stimme.
Feiqa gehorchte umgehend.
Sie kniete vor einem ungefähr elf- oder zwölfjährigen Jungen. Sein Gesicht war schmutzig, er ging barfuß und trug Lumpen. Vermutlich wohnte er in einem der Zimmer. Feiqa war zwar eine erwachsene schöne Frau, aber eine Sklavin, und so senkte sie demütig den Kopf. Er war ein freier Mann.
»Verschwinde, du widerwärtiges Balg!« sagte Boabissia.
»Sei still, Frau!« erwiderte der Junge.
»Ich hätte gute Lust, dich zu schlagen«, sagte Boabissia.
»Heb den Kopf, Sklavin!« befahl der Junge.
Feiqa gehorchte.
Er musterte sie. »Du bist hübsch«, meinte er. »Und was sagst du?«
»Danke, Herr.«
Dann trat er auf sie zu und fuhr ihr mit den Händen durch das Haar. Er packte den Kragen mit den kleinen Fingern, riß sie nach vorn, zwang ihren Kopf zur Seite und nach oben. »Ein guter Kragen«, sagte er.
»Ich freue mich, daß der Herr zufrieden ist«, flüsterte Feiqa verängstigt.
»Er steht dir gut, nicht wahr?«
»Ja, Herr.«
»Verschwinde«, sagte Boabissia.
Der Junge griff grob unter Feiqas Tunika und liebkoste sie. Tränen traten in Feiqas Augen.
Der Junge drehte sich zu uns um. »Es ist schön, Sklavinnen zu beherrschen«, sagte er. »Wenn ich älter bin und viel Geld habe, werde ich mir vielleicht eine kaufen.«
Er wandte sich ab und ging.
»Er wohnt hier«, sagte Achiates. »Er und ein paar der anderen Jungs schließen sich hin und wieder zu Banden zusammen und spielen ›Fang die Sklavin‹.«
»Ich verstehe«, sagte ich und mußte lächeln. Jetzt wußte ich auch, was der Sklavin mit der offenen Tunika widerfahren war, die uns vorhin entgegengekommen war. Sie war ›gefangengenommen‹ worden.
»Ein schönes Spiel«, sagte Achiates. »Es hilft ihnen, daß sie zum Mann werden.«
»Welch widerwärtiges Kind«, schimpfte Boabissia. Sie warf Feiqa einen Blick zu. »Und du bist auch widerwärtig.«
»Ja, Herrin«, flüsterte Feiqa.
»Wärst du eine Sklavin, verhieltest du dich auch nicht anders, Boabissia«, sagte ich. »Du wärst von der Gnade freier Menschen abhängig. Du müßtest gleichfalls jedermann gehorchen.«
»Hier entlang«, sagte der Vermieter. »Die Leiter hoch.«
»Es ist so stickig hier«, sagte Boabissia.
»Die Leiter hinauf!« befahl ich.
Sie erstieg vorsichtig die Leiter. Dabei hielt sie mit einer Hand den Rock fest, damit er nicht nach oben rutschte. Wie es sich für eine freie Frau gehörte. Ich folgte ihr in die dunkle Öffnung. Dann drehte ich mich auf Händen und Knien um und blickte in die Tiefe. Feiqa sah verängstigt aus. Ich hatte nicht den Eindruck, daß sie sich in die Dunkelheit wagen wollte. Zugegebenermaßen schien es auch keine angenehme Aussicht zu sein. »Reich das Gepäck nach oben!« bat ich Hurtha. Ich hatte meine Zweifel, daß Feiqa mit der Leiter zurechtkam. Hurtha nahm ihr die Sachen ab, stellte sich auf die unterste Sprosse und streckte mir alles entgegen. Ich sah zu Feiqa hin. Sie war ein paar Schritte zurückgewichen. Sie hatte offensichtlich Angst vor der Leiter und dem Ort, zu dem sie führte. Es war auch keine besonders vertrauenerweckende Leiter. Ziemlich schmal bog sie sich unter der Belastung. Die unterschiedlich langen Sprossen waren mit Seilen in unregelmäßiger Höhe angebracht. Davon abgesehen wäre es auf dem Dachboden dunkel und heiß. Feiqa hatte Angst davor, was sie dort möglicherweise erwartete. Sie trat einen weiteren Schritt zurück. Ihre Hand fuhr zum Mund. Ich befürchtete, sie könnte in ihrer Panik fliehen.
»Sklavin!« sagte ich streng.
»Ja, Herr«, flüsterte sie und eilte zur Leiter.
»Leg beide Hände auf die Querstangen.«
»Ja, Herr.«
Hurtha grinste.
»Ekelhaft!« fauchte Boabissia.
Ich streckte die Hand aus und half Feiqa auf den Dachboden.
»Hier ist die Lampe«, sagte der Vermieter und reichte sie Hurtha. Der Alar stieg mit ihr in der Hand zu uns herauf.
»Seid vorsichtig mit der Lampe!« empfahl Achiates.
Ich nahm Hurtha die Lampe ab und hielt sie in die Höhe. Vor mir erstreckte sich ein schmaler Korridor, von dem zu beiden Seiten Zimmer abgingen.
»Es ist das letzte Zimmer rechts!« rief Achiates.
»Warte«, erwiderte ich. Dann zog ich den Kopf ein, ging zur Tür und stieß sie auf. Sie war klein und niedrig, machte aber einen stabilen Eindruck. Zweifellos konnte man sie von innen verriegeln, womit sie ein ausgezeichnetes Hindernis abgab. Die Mieter eines Insula legen viel Wert auf gute Türen. Für einen armen Mann stellen sie und ein Dolch die beste Versicherung gegen Diebstahl dar.
»Das ist ja beängstigend hier«, sagte Boabissia.
»Wie du siehst, ist das Zimmer möbliert!« rief der Vermieter von unten.
»Es ist zu klein, es ist zu schmutzig«, klagte Boabissia. »Ich kriege hier kaum Luft.«
»Es ist mein letzter freier Raum!« rief Achiates.
»Hier kann ich nicht bleiben!« protestierte Boabissia.
»Geht rein und wartet auf mich«, wies ich meine Gefährten an. Sie bückten sich und betraten das Zimmer.
»Gibt es hier denn kein Licht?« fragte Boabissia.
»Dort links ist ein verriegelter kleiner Fensterladen«, sagte ich und hielt die Lampe in die Höhe. »Tagsüber kommt da ein bißchen Licht durch.«
»Hier ist es schmutzig und heiß. Hier bleibe ich nicht!«
»Es kostet einen Kupfertarsk pro Nacht!« rief der Vermieter. »Nehmt es oder laßt es bleiben. Wie gesagt, es ist mein letztes Zimmer.«
»Hier bleibe ich nicht!« verkündete Boabissia entschlossen. Auch Feiqa sah sich entsetzt um. »Mir ist schwindlig! Hier ist nicht genug Luft. Außerdem ist es zu heiß hier.«
»Wir sind hier unter dem Dach. Die heiße Luft steigt in die Höhe und sammelt sich.«
»Ich glaube, mir wird schlecht.«
»Dann öffne den Fensterladen.«
»Das ist ein schreckliches Haus.«
»Es ist ein Insula. Hier wohnen Tausende.«
»Hier bleibe ich nicht!«
»Und deine Meinung?« fragte ich Hurtha.
»Es ist großartig«, antwortete er. »Zugegeben, mit erträglicherer Temperatur und Luft zum Atmen wäre der Raum noch schöner.«
»Ich bin nach Ar gekommen, um mein Erbe anzutreten«, sagte Boabissia, »und nicht, um auf einem Dachboden zu ersticken oder geröstet zu werden.«
»Keine Angst. Wenn draußen die Temperatur sinkt, wird es in diesen Häusern eiskalt, habe ich mir sagen lassen.«
»Da, siehst du?« sagte Hurtha.
»Hier bleibe ich nicht!« wiederholte Boabissia.
Ich ging bis zu der Luke zum obersten Stockwerk zurück. Achiates wartete unten.
»Wir nehmen das Zimmer!« rief ich und warf ihm einen Kupfertarsk zu. Er drehte sich um und stieg die Treppe hinunter, während ich mit der Lampe in das Zimmer zurückkehrte.
Man hatte den Fensterladen geöffnet. Durch einen schmalen schrägen Schaft drang ein kläglicher Lichtstrahl ins Innere. Staubflocken tanzten darin. Es war ein hübscher Anblick.
Ich blies die Lampe aus.
»Du hast doch wohl keinen Kupfertarsk für dieses Loch bezahlt«, sagte Boabissia.
»Ar ist mit Flüchtlingen überlaufen«, sagte ich. »Viele werden nicht so gut untergekommen sein.«
»Es ist ein schrecklicher Ort«, beharrte sie.
»Es ist möbliert«, sagte ich. An der einen Wand stand eine Truhe, in einer Zimmerecke lag Stroh. Man konnte es ausstreuen und darauf schlafen. Es gab auch ein paar zusammengefaltete Decken. Ein mit einem Schöpflöffel ausgestatteter Eimer enthielt Wasser, das vermutlich schon längere Zeit nicht mehr ausgewechselt worden war. Dann war da noch ein Nachtgeschirr für die menschlichen Bedürfnisse, das man in den Bottich im Erdgeschoß entleeren konnte. Es war ein langer Weg bis nach unten. Kein Wunder, daß die Töpfe gelegentlich aus dem Fenster entleert wurden, gewöhnlich mit einer lauten Warnung für die Passanten auf der Straße.
Ich sah mich genauer um.
In der einen Wand befand sich ein langer Riß. An einigen Stellen quietschte der Boden, wenn man darauftrat. Vermutlich lag das am Alter und an der mangelnden Pflege der Bohlen. Solche Mietskasernen wurden nur selten gut instandgehalten. Ihre Errichtung kostet nicht viel und ist leicht zu bewerkstelligen. Sie werden hauptsächlich aus Holz und Ziegeln erbaut. Behördliche Auflagen bestimmen ihre Höhe. Obwohl wir einige Etagen heraufgestiegen waren, befanden wir uns vermutlich nicht höher als zwanzig Meter über dem Straßenniveau. Ohne Stahlträger oder Eisenholz, wie es die Goreaner nennen und in Schmiedewerken herstellen – man benutzt es hauptsächlich beim Bau von Türmen –, fordert die Physik ihr unerbittliches Recht, was Höhen angeht. Daran ändert auch die geringere goreanische Schwerkraft nichts. Die Mietskasernen sind sehr empfindlich, was die Belastung des Baukörpers angeht; schon die geringsten Erdbewegungen reichen aus, um sie zu schwächen. Manchmal stürzen die Wände ein, oder ganze Etagen brechen zusammen.
Ich stellte die Lampe auf der Truhe ab.
»Das ist ein schreckliches Zimmer«, jammerte Boabissia. Sie kniete nieder und setzte sich dann mit geschlossenen Oberschenkeln auf die Seite. Sie saß nicht länger mit überkreuzten Beinen da oder nahm die Pose eines Alar-Kriegers ein. Ich glaube, sie hatte bis zu einem gewissen Grad begriffen – ohne es vielleicht in seinem ganzen Ausmaß zu verstehen –, daß sie eine Frau war.
Das Zimmer war staubig und schäbig.
Hurtha saß mit überkreuzten Beinen auf dem Boden und überprüfte die Axt.
Das Zimmer war heiß. Es war klein. An der einen Seite hing ein Sklavenring mit Ketten und einem Eisenkragen in Frauengröße. Hand- und Fußschellen waren ebenfalls vorhanden. An einem Haken neben der Tür hingen verschiedene Schlüssel, außerhalb der Reichweite des Rings. Daneben baumelte eine Sklavenpeitsche.
Wie gesagt: das Zimmer war möbliert.