John Norman Die Söldner von Gor

1

»Ich kann nicht für andere Frauen sprechen«, sagte sie. »Aber ich will einem Mann ganz gehören.«

»Achte auf deine Worte«, warnte ich sie.

»Ich bin eine freie Frau! Ich kann sagen, was ich will.«

Da konnte ich ihr nicht widersprechen. Sie war frei. Also konnte sie sagen, was immer sie wollte, ohne um Erlaubnis bitten zu müssen. Sie stand vor mir. Sie hatte es gewagt, die Kapuze zurückzuschlagen und den schimmernden Schleier zu lösen. Eine kurze Handbewegung und ein Kopfschütteln, und das lange schwarze Haar ergoß sich über ihren Rücken. Ihre Augen waren dunkel, das rundlich geformte Gesicht war zart und wunderschön.

»Du hast den Schleier gelöst«, bemerkte ich.

»Ja«, erwiderte sie.

»Du bist schamlos.«

»Ja.«

Diese Antwort erforderte einiges Nachdenken. Anmaßung einer Frau ist eine ganz besondere Sachlage.

»Warum hast du deinen Schleier vor mir abgenommen?«

»Vielleicht gefällt dir ja, was du siehst«, erhielt ich zur Antwort.

»Du bist eine mutige Frau.«

Sie warf ungeduldig den Kopf in den Nacken.

»Hast du überhaupt eine Vorstellung davon, was es heißt, einem Mann ganz zu gehören?«

»Findest du mich schön?«

»Beantworte die Frage.«

»Ja«, sagte sie.

Entsprach das tatsächlich der Wahrheit? Vermutlich schon. Sie war eine Goreanerin.

»Und jetzt beantworte meine Frage!« verlangte sie.

»Du solltest dich nicht um eine Änderung deines Status bemühen, wenn du nicht bereit bist, sie anzunehmen. Und zwar mit allen Konsequenzen.«

Sie erschauderte, senkte den Blick. »Angeblich ist das, was ich voller Angst und zugleich voller Sehnsucht tief in meinen Innern empfinde, in jeder Frau zu finden.«

»Ich frage mich, ob das wohl stimmt.«

»Diese Frage kann ich nicht beantworten«, sagte sie, »aber ich weiß, daß es in mir ist, leidenschaftlich, mächtig, unüberwindlich.«

»Du bist mutig.«

»Eine freie Frau kann mutig sein.«

»Das stimmt allerdings«, gestand ich ihr zu.

»Ich brauche es meiner Erfüllung wegen, um mit mir eins zu werden.«

»Sprich es deutlich aus«, sagte ich. Sie war frei. Ich sah nicht ein, warum ich es ihr leichtmachen sollte.

»Ich will eine richtige Frau werden, im Einklang mit der natürlichen Ordnung.«

Ich zuckte mit den Schultern.

»In meinem Herzen brodelt das Verlangen, anerkannt zu werden; ich will gekauft, besessen und dazu gezwungen werden, selbst- und willenlos zu dienen und zu lieben!«

Ich antwortete nicht.

»Ich will mir treu sein, ich will ein erfülltes Leben!«

»Wenn du dich einmal entschieden hast, kannst du es nie wieder rückgängig machen«, sagte ich.

»Das ist mir sehr wohl bewußt.«

»Es gibt viele Arten von Herren, und du müßtest ihnen allen dienen, ohne Ausnahme.«

»Ich weiß«, flüsterte sie.

Ich schwieg.

»Du hast meine Frage noch immer nicht beantwortet. Findest du mich schön?«

»Das ist schwer zu sagen«, meinte ich. »So verhüllt und eingepackt, wie du bist.«

Sie sah mich voller Angst an.

»Zieh dich aus«, sagte ich. Es galt, sie einzuschätzen.

Sie griff nach dem Schleier, der um ihren Hals lag, löste ihn ganz und ließ ihn auf den grasigen Boden fallen. Sie stand keine hundert Meter vom Tesius-Tor der Stadt Samnium entfernt, die etwa zweihundert Pasang östlich und ein Stück südlich von Brundisium lag. Beide Städte waren Festlandverbündete von Cos, dem Inselubarat. Sie schlüpfte lautlos aus den Schuhen. Dadurch kam sie in Berührung mit den Grashalmen, was für sie ungewohnt sein mußte, denn sie blickte zu mir hoch. Ihre Hände tasteten nach dem steifen, mit Brokatstickereien verzierten Kragen ihres Gewandes, des Gewandes der Verhüllung, und dann weiter zu den zahllosen Haken und Ösen, die ihn beschützend und eng um ihren Hals hielten.

»Trödle nicht herum!« befahl ich ihr.

Wenige Augenblicke später hatte sie das Gewand geöffnet und schob zuerst das Straßengewand aus dem steifen, reich verzierten Stoff von den schmalen, zarten Schultern; das Hausgewand folgte, das kaum weniger steif und häßlich war. Sie sah mich an, nur noch in das seidene Unterkleid gehüllt.

»Zieh alles aus.«

Und so stand sie dann vor mir, noch nackter als eines der Mädchen, die darauf warteten, auf den Auktionsblock gestoßen zu werden, denn sie trug weder Sklavenkragen noch Ketten. Ein Kaufmann auf dem Weg zum Tesius-Tor blieb stehen, um sie anzusehen. Zwei Soldaten, Wächter aus Samnium, schlossen sich ihm an. Sie stand aufrecht da und war sich der Musterung bewußt. Keiner der Männer rümpfte die Nase oder spuckte auf den Boden.

»Wie ist dein Name?« fragte ich.

»Charlotte, eine Lady aus Samnium.«

»Dreh dich langsam um, Lady Charlotte«, befahl ich. »Jetzt verschränk die Hände im Nacken und drück das Kreuz durch. Gut. Du darfst dich hinknien. Kennst du die Haltung einer Vergnügungssklavin? Gut.«

Sie gehorchte.

»Was ist das für ein Gefühl, vor einem Mann zu knien?«

»Ich habe es noch nie zuvor getan.«

»Was ist es für ein Gefühl?«

»Ich weiß es nicht«, antwortete sie. »Ich bin so verwirrt. Es ist so überwältigend. Ich bin unsicher. Ich weiß nicht, wie ich mich fühle. Es ist fast so, als sei mir schwindelig.«

»Heb das Kinn.«

Sie gehorchte sofort, ohne zu zögern.

»Spreiz die Beine etwas weiter.« Wieder gehorchte sie, sofort, ohne zu zögern.

Ich musterte Lady Charlotte. Sie war brauchbar. Hübsch und außerordentlich weiblich. Einer der Soldaten leckte sich die Lippen.

»Es herrschen schwere und finstere Zeiten«, sagte ich. »Ich sage dir damit nichts, was du nicht schon weißt. Aber du sollst auch wissen, daß der Ort, an den ich gehe, sehr gefährlich sein wird.«

Sie sah zu mir hoch.

»Bleib in der Stadt. Du bist dort in Sicherheit, dort wird dir nichts zustoßen.«

»Nein.«

»Nein?«

»Nein!« wiederholte sie energisch. »Ich gehöre dir nicht. Ich muß dir nicht gehorchen.«

»Nimm eine Stellung auf Händen und Knien ein«, befahl ich. Dann zog ich die Sklavenpeitsche aus meinem Gepäck.

»Ich bin eine freie Frau.«

Ich schlug einmal zu. Sie schluchzte vor Vergnügen und Erleichterung. Ich holte einen Sklavenkragen aus dem Gepäck, legte ihn ihr kurzerhand um und verschloß ihn.

»Gut«, sagte der Kaufmann und ging weiter. »Gut«, sagten auch die beiden Soldaten und wandten sich ab.

Ich sah sie an.

Sie trug jetzt den Kragen. Nun war sie eine Sklavin. Und damit mein Eigentum.

Sie sah ängstlich zu mir hoch. »Ich bin dein«, flüsterte sie.

»Ja.«

»Bitte schlag mich noch einmal.«

Ich schwieg.

»Bitte.«

»Also gut.«

Sie war wirklich nicht häßlich. Eigentlich hatte ich nicht vorgehabt, aus Samnium eine Sklavin mitzunehmen, andererseits war es nicht schlecht. Sie konnte für mich kochen, mir dienen und meine Schlaffelle wärmen. Es war Ende Se’Kara. Sie würde eine nützliche Annehmlichkeit darstellen, und eine hübsche obendrein. Jeder Mann braucht derartige Annehmlichkeiten. Später konnte ich sie dann weggeben oder auf einem Markt verkaufen.

»Bist du der Meinung, du seist hart geschlagen worden?«

»Ich weiß es nicht, Herr.«

»Du wurdest nicht hart geschlagen«, belehrte ich sie.

»Ja, Herr«, gab sie flüsternd zurück, da sie erahnte, was hätte geschehen können. Ich hatte allerdings härter zugeschlagen als beim ersten Mal, denn nun war sie eine Sklavin, und Sklavinnen schlägt man anders als freie Frauen.

»Können Männer noch härter zuschlagen?« wollte sie wissen.

»Red keinen Unsinn«, sagte ich. »Ich habe dich kaum berührt.«

»Ich verstehe, Herr«, sagte sie erschaudernd.

»Wer warst du?« fragte ich.

»Lady Charlotte aus Samnium.«

»Wer bist du?«

»Eine Sklavin, nur eine Sklavin, deine Sklavin.«

»Wie ist dein Name?«

»Ich habe keinen Namen. Ich habe noch keinen Namen erhalten. Mein Herr hat mir noch keinen Namen gegeben.«

»Deine Antworten sind zufriedenstellend.«

Sie schluchzte vor Erleichterung.

»Willst du einen Namen haben?«

»Das obliegt einzig dem Willen meines Herrn«, sagte sie. »Ich will nur das, was mein Herr wünscht. Mein einziger Wunsch ist, ihm Freude zu machen.«

»Es ist bequem für mich, wenn du einen Namen hast«, sagte ich.

»Ja, Herr.«

»Du bist Feiqa«, sagte ich und verlieh ihr damit einen Namen.

»Vielen Dank, Herr«, jauchzte sie erfreut. Feiqa ist ein hübscher Name. Unter den Tänzerinnen der Tahari ist er weit verbreitet. Andere Namen sind beispielsweise ›Aytul‹, ›Benek‹, ›Emine‹, ›Faize‹, ›Mine‹, ›Yasemine‹ oder ›Yasine‹. Das ›qa‹ im Namen Feiqa wird ›kah‹ ausgesprochen.

Ich hob den Schild und die Waffen auf, die neben meinem Gepäck lagen. Den Helm befestigte ich hinter der linken Schulter. Ich richtete den Blick nach Südosten, fort von den hohen grauen Mauern Samniums.

»Nimm mein Gepäck, Feiqa«, befahl ich.

»Ja, Herr«, sagte sie. Sie würde mir als Trägerin dienen.

Ich sah zu, wie sie sich mit dem Gepäck abmühte. Dann hatte sie es sich auf den Rücken geladen, wobei sie gebeugt dastand. »Es ist schwer, Herr«, sagte sie, doch ich reagierte nicht darauf. Sie senkte den Kopf und trug das Gepäck. Der Wind fuhr durch das niedergetretene Gras. Sie fröstelte. Wie bereits erwähnt war es Ende Se’Kara. Auf dem Thassa würde ein kühler Wind pfeifen, kalte Wellen würden gegen die Reling anstürmen und die Decks überspülen. Ich sah das Mädchen an. In wärmeren Jahreszeiten kann man sich mit der Entscheidung ruhig Zeit lassen, ob man den Mädchen Kleidung erlaubt oder nicht. Es gibt Sklavenherrn, die ihre Sklavinnen ein ganzes Jahr oder länger nackt gehen lassen. Dann ist das Mädchen dankbar, wenn man ihm Kleidung erlaubt, und sei es auch nur irgendein Fetzen. Auf diesem Breitengrad und zu dieser Jahreszeit würde ich mich darum kümmern müssen, daß meine Sklavin etwas zum Anziehen bekam. Ich betrachtete die Kleidung, die sie ausgezogen hatte. Davon konnte sie natürlich nichts nehmen. Das wäre nicht richtig gewesen. Es handelte sich um die Kleidung einer freien Frau. Solche Dinge lagen nun hinter ihr. Ich würde ihr erlauben, sich etwas aus einer Wolldecke zu schneidern, vielleicht würde ich auch einen Umhang besorgen.

»Weißt du, wie man folgt, Feiqa?«

»Ja, Herr«, sagte sie. Sie war eine goreanische Frau, also zumindest oberflächlich mit den Pflichten einer Sklavin vertraut. Da sie vor kurzem noch eine freie Frau gewesen war, würde sie über einige der Dinge, die man von ihr als Selbstverständlichkeit erwartete, erstaunt, wenn nicht gar entsetzt sein. Ich konnte es natürlich nicht mit Bestimmtheit sagen. Es hat den Anschein, als wüßten freie Frauen nichts von gewissen Dinge, die unter Sklaven nicht nur allgemein bekannt sind, sondern einen normalen, alltäglichen Teil ihres Lebens darstellen. Dabei handelt es sich um die Dinge, über die sich freie Frauen entsetzt und schaudernd unterhalten, manchmal in angstvollem, zugleich aber entzücktem Flüstern, so als würden sie es eigentlich nicht glauben.

Ich warf noch einen Blick auf die Mauern Samniums. Der Stadt waren die Grausamkeiten des Krieges erspart geblieben, zweifellos wegen der Beziehungen zu Cos. Ich brach in südöstliche Richtung auf. Feiqa folgte mir.

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