Wir müssen morgen hier rasten.« Egwene regte sich vorsichtig auf ihrem Faltstuhl. Er hatte die Tendenz, manchmal von selbst zusammenzuklappen. »Lord Bryne sagt das Heer habe nicht mehr genug Nahrungsmittel. Und in unserem Lager fehlt alles.«
Zwei Talgkerzenstumpen brannten auf dem Holztisch vor ihr. Auch der Tisch war ein leicht einzupackendes Faltmöbel, aber er war stabiler als der Stuhl. Die Kerzen im Zelt, die ihr zum Lernen gedient hatten, wurden durch eine von der Zeltdecke herabhängende Öllampe ergänzt Das trübe gelbe Licht flackerte und ließ auf den Segeltuchwänden des Zelts, das nicht annähernd so großartig war wie das Studierzimmer der Amyrlin in der Weißen Burg, schwache Schatten tanzen. Tatsächlich besaß auch sie selbst nicht annähernd die Größe, die normalerweise mit dem Amyrlin-Sitz in Verbindung gebracht wurde. Sie wußte sehr wohl, daß die Stola mit den sieben Streifen um ihre Schultern der einzige Grund war, warum ein Fremder glauben würde, daß sie die Amyrlin war. Wenn er es nicht für einen äußerst törichten Scherz hielt. In der Geschichte der Weißen Burg waren seltsame Dinge geschehen -Siuan hatte ihr geheime Einzelheiten von einigen dieser Geschehnisse erzählt -, aber sicherlich nichts so Seltsames wie ihr Fall. »Vier oder fünf Tage Rast wären besser«, sann Sheriam, die den Stapel Papiere auf ihrem Schoß betrachtete. Ein wenig rundlich, mit hohen Wangenknochen und schrägstehenden grünen Augen, wirkte sie in ihrem dunkelgrünen Reitgewand vornehm und gebieterisch, obwohl sie nur auf der Kante eines der beiden wackeligen Stühle vor dem Tisch kauerte. Wenn man ihre schmale blaue Stola einer Behüterin der Chronik gegen die der Amyrlin ausgetauscht hätte, so hätte jedermann geglaubt sie trüge diese zu Recht. Manchmal schien sie gewiß zu glauben, die gestreifte Stola läge um ihre Schultern. »Oder vielleicht auch länger. Es könnte nicht schaden, unsere Vorräte erneut zu ergänzen.«
Siuan, die auf dem anderen wackeligen Stuhl saß, schüttelte leicht den Kopf, aber Egwene brauchte diesen Hinweis nicht. »Ein Tag.« Sie war zwar erst achtzehn Jahre alt und weit von der Größe einer wahren Amyrlin entfernt, aber sie war keine Närrin. Zu viele der Schwestern griffen nach jeder Ausrede für eine Rast - und auch zu viele der Sitzenden -, aber wenn sie zu lange rasteten, würden sie vielleicht nicht mehr zu einem erneuten Aufbruch zu bewegen sein. Sheriam öffnete den Mund.
»Ein Tag, Tochter«, sagte Egwene fest. Was auch immer Sheriam dachte, Tatsache war, daß Sheriam Bayanar die Behüterin der Chronik war und Egwene al'Vere die Amyrlin. Wenn Sheriam nur dazu gebracht werden könnte, das zu erkennen. Und auch der Saal der Burg, der noch schlimmer war. Auch wenn Egwene nach einem Ausbruch zumute war, hatte sie nach fast eineinhalb Monaten doch bereits eine lebenslange Übung darin, ihr Gesicht und ihre Stimme auch bei weitaus schwerwiegenderen Herausforderungen als dieser unbewegt zu halten. »Wenn wir länger rasten, werden wir dem Land Schaden zufügen. Ich will die Menschen nicht verhungern lassen. Außerdem ist es so, daß sie uns, wenn wir ihnen - auch gegen Bezahlung - zuviel nehmen, im Gegenzug hundert Hindernisse in den Weg stellen werden.«
»Überfälle auf die Herden und Diebe bei den Vorratswagen«, murmelte Siuan. Sie betrachtete ihre grauen Röcke, sah niemanden an und schien nur laut zu denken. »Männer, die bei Nacht auf unsere Wachen schießen und vielleicht Feuer legen, wo immer sie hingelangen. Eine böse Sache. Hungrige Menschen verzweifeln schnell.« Es waren die gleichen Gründe, die Lord Bryne vor kurzem Egwene mit fast denselben Worten genannt hatte.
Die rothaarige Frau warf Siuan einen verärgerten Blick zu. Viele Schwestern hatten Probleme mit Siuan. Ihr Gesicht war wahrscheinlich das bekannteste im Lager, jung genug, um zu einer Aufgenommenen oder auch einer Novizin zu gehören. Dies war eine Nebenwirkung des Gedämpftwerdens, obwohl nicht viele es bisher erlebt hatten. Siuan konnte kaum einen Schritt tun, ohne daß Schwestern sie anstarrten - den einstigen Amyrlin-Sitz, abgesetzt und von Saidar abgeschnitten, dann Geheilt und wieder mit zumindest einigen Fähigkeiten ausgestattet, obwohl jedermann wußte, daß das eigentlich unmöglich war. Viele hießen sie als Schwester wieder herzlich willkommen, um ihrer selbst willen und wegen des Wunders, das die Hoffnung gegen etwas aufrechterhielt, was jede Aes Sedai mehr als den Tod fürchtete. Aber ebenso viele oder noch mehr duldeten sie nur widerwillig oder behandelten sie herablassend oder beides, weil sie Siuan für ihre gegenwärtige Situation verantwortlich machten.
Sheriam gehörte zu denen, die der Ansicht waren, Siuan sollte die neue Amyrlin im Protokoll und Ähnlichem unterweisen - wovon jedermann glaubte, daß sie es haßte - und ihren Mund halten, bis sie zum Sprechen aufgefordert würde. Sie war weniger, als sie einst gewesen war, keine Amyrlin mehr und nicht mehr so mächtig. Es war keine Grausamkeit, wie Aes Sedai sie verstanden. Die Vergangenheit war vergangen. Was jetzt war, bestand und mußte akzeptiert werden. Alles andere brachte nur größere Qualen mit sich. Im großen und ganzen sahen die Aes Sedai die Veränderung allmählich ein, und danach war es für die meisten, als ob alles schon immer so gewesen wäre.
»Ein Tag, Mutter, wie Ihr meint«, sagte Sheriam schließlich seufzend und beugte leicht den Kopf. Weniger aus Ergebenheit wie Egwene mit Sicherheit wußte, sondern um ihren eigensinnigen Gesichtsausdruck zu verbergen. Im Moment mußte sie es tun.
Siuan beugte ebenfalls den Kopf. Um ein Lächeln zu verbergen. Jede Schwester konnte auf jeden Posten verwiesen werden, aber die gesellschaftliche Hackordnung war recht starr, und Siuan stand erheblich niedriger als früher. Das war ein Grund.
Auf Siuans Schoß lagen die gleichen Papiere wie auf Sheriams Schoß und auf dem Tisch vor Egwene. Berichte über alles - angefangen von der Anzahl der im Lager verbliebenen Kerzen und Bohnensäcke bis zum Zustand der Pferde, und das gleiche für Lord Brynes Heer. Das Heerlager umgab das der Aes Sedai in einem Kreis, der vielleicht zwanzig Schritt Zwischenraum ließ, aber sie hätten in vielerlei Beziehung genausogut eine Meile entfernt sein können. Lord Bryne hatte überraschenderweise genauso fest darauf bestanden wie die Schwestern. Die Aes Sedai wollten keine Soldaten zwischen ihren Zelten umherwandern sehen - ein Haufen ungewaschene, ungebildete Grobiane, oft mit flinken Fingern -, und anscheinend wollten die Soldaten auch keine Aes Sedai zwischen ihren Zelten umherlaufen sehen, obwohl sie ihre Gründe dafür, was vielleicht klug war, für sich behielten. Sie marschierten nach Tar Valon, um einen unrechtmäßigen Machthaber vom Amyrlin-Sitz zu stürzen und Egwene an deren Stelle zu setzen, aber nur wenige Männer fühlten sich in der Nähe von Aes Sedai wirklich wohl. Und auch nur wenige Frauen.
Sheriam wäre als Behüterin der Chronik nur zu glücklich gewesen, Egwene diese weniger wichtigen Angelegenheiten abzunehmen. Sie hatte das auch gesagt und erklärt, wie unwichtig sie seien und daß der Amyrlin-Sitz nicht mit alltäglichen Kleinigkeiten belastet werden sollte. Siuan sagte andererseits, eine gute Amyrlin würde sich gerade darum kümmern und nicht versuchen, die Arbeit Dutzender von Schwestern und Bediensteten noch zu vermehren, aber doch jeden Tag etwas anderes überprüfen. Auf diese Weise wußte Egwene recht genau, was vor sich ging und was getan werden mußte, bevor jemand mit einem bereits eskalierenden Problem zu ihr kam. Siuan nannte es das Gefühl dafür, woher der Wind wehte. Es hatte Wochen gedauert sicherzustellen, daß diese Berichte sie erreichten, und Egwene hegte keinen Zweifel, daß sie niemals wieder - wenn überhaupt - etwas erfahren würde, bevor es längst erledigt wäre, wenn sie dies erst Sheriams Kontrolle überließ.
Schweigen breitete sich aus, während alle das nächste Blatt auf ihrem Papierstapel lasen.
Sie waren nicht allein. Chesa, die auf einer Seite des Zelts auf Kissen saß, sagte: »Zu wenig Licht ist schlecht für die Augen.« Sie hatte es eigentlich nur vor sich hin gemurmelt, während sie einen von Egwenes Seidenstrümpfen hochhielt, die sie gerade stopfte. »Ihr würdet es niemals erleben, daß ich mir die Augen bei diesem schlechten Licht über Worten verderbe.« Recht kräftig, mit einem Zwinkern in den Augen und einem fröhlichen Lächeln, versuchte Egwenes Bedienstete der Amyrlin stets Rat zukommen zu lassen, indem sie vorgab, mit sich selbst zu sprechen. Sie hätte durchaus zwanzig Jahre anstatt erst weniger als zwei Monate in Egwenes Dienst und dreimal anstatt nur doppelt so alt wie sie sein können. Egwene vermutete, daß sie heute abend sprach, um die Stille zu erfüllen. Seit Logain entkommen war, herrschte Anspannung im Lager. Ein Mann, der die Macht lenken konnte, der abgeschirmt war und unter strenger Bewachung stand, war wie Nebel entschwunden. Jedermann fragte sich verzweifelt, wie dies hatte geschehen können, wo er sich aufhielt und was er jetzt vorhatte. Egwene wünschte sich mehr als die meisten anderen, in Erfahrung zu bringen, wo Logain Ablar war.
Sheriam ordnete ihre Papiere energisch und sah Chesa stirnrunzelnd an. Sie verstand nicht, warum Egwene es zuließ, daß ihre Bedienstete bei diesen Treffen anwesend war, und noch weniger, daß sie Chesa frei sprechen ließ. Es fiel ihr wahrscheinlich niemals auf, daß Chesas Gegenwart und ihr unerwartetes Geplapper sie gerade ausreichend ablenkte, daß Egwene derweil einen Rat umgehen konnte, den sie nicht annehmen wollte, und Entscheidungen aufschieben konnte, die sie nicht treffen wollte, zumindest nicht auf die Art, wie Sheriam sie getroffen sehen wollte. Obwohl Chesa diese Absicht gewiß niemals verfolgt hatte. Sie lächelte entschuldigend und wandte sich wieder ihrer Flickarbeit zu, wobei sie beiläufig etwas murmelte.
»Wenn wir fortfahren, Mutter«, sagte Sheriam kühl, »werden wir vielleicht vor der Dämmerung fertig.«
Egwene betrachtete die nächste Seite und rieb sich die Schläfen. Vielleicht hatte Chesa wegen des Lichts recht. Sie bekam wieder Kopfschmerzen. Aber vielleicht lag das auch an der vor ihr liegenden Aufstellung dessen, was noch an Geld übriggeblieben war. In den Geschichten, die sie gelesen hatte, wurde niemals erwähnt, wieviel Geld nötig war, um ein Heer zu unterhalten. An das Blatt waren Notizen von zwei der Sitzenden - Romanda und Lelaine - angeheftet, die vorschlugen, daß die Soldaten weniger häufig und insgesamt geringer bezahlt werden sollten. Es war in der Tat mehr als nur ein Vorschlag, genau wie Romanda und Lelaine im Saal mehr als nur Sitzende waren. Andere Sitzende folgten ihrer Führung, wenn auch nicht um jeden Preis, während die einzige Sitzende, auf die Egwene sich verlassen konnte, Delana war, und selbst auf sie konnte sie sich nicht allzu weit verlassen. Lelaine und Romanda stimmten selten bei etwas überein, und sie hätten kaum ein schlechteres Thema wählen können. Einige der Soldaten hatten Schwüre geleistet, aber die meisten waren wegen der Bezahlung und vielleicht auch wegen der Aussicht auf Beute zum Heer gekommen.
»Die Soldaten sollen weiterhin wie bisher bezahlt werden«, murrte Egwene und zerknüllte die beiden Notizen. Sie würde ihr Heer genauso wenig dahinschwinden lassen, wie sie Plünderungen zulassen würde.
»Wie Ihr befehlt, Mutter.« Sheriams Augen sprühten vor Vergnügen Funken. Die Probleme mußten ihr klar sein - jedermann, der sie für wenig intelligent hielt, geriet in große Schwierigkeiten -, aber in einer Beziehung war sie blind. Wenn Romanda oder Lelaine sagten, die Sonne gehe auf, behauptete Sheriam höchstwahrscheinlich, sie gehe unter. Sie hatte früher fast genauso viel - vielleicht sogar mehr - Einfluß auf den Saal gehabt wie sie heute, bis sie dem untereinander ein Ende setzten. Aber das Gegenteil entsprach ebenso der Wahrheit. Die beiden gingen gegen alles an, was Sheriam wollte, bevor sie nachdachten. Was alles in allem recht nützlich war.
Egwene tippte mit den Fingern auf die Tischplatte, hielt aber dann inne. Das Geld mußte aufgetrieben werden - irgendwo, irgendwie -, aber sie durfte Sheriam ihre Sorge nicht merken lassen.
»Diese neue Frau wird es schaffen«, murmelte Chesa über ihrer Stopfarbeit. »Tairener tragen ihre Nasen natürlich immer hoch erhoben, aber Selame weiß, was sich für die Bedienstete einer Lady gehört. Meri und ich werden sie nur zu bald eingewöhnen.« Sheriam rollte verärgert die Augen.
Egwene lächelte in sich hinein. Egwene al'Vere mit drei Bediensteten, die sich um sie kümmerten - das war genauso unglaublich wie die Stola selbst. Aber das Lächeln verweilte nur einen Herzschlag lang. Auch Bedienstete mußten bezahlt werden. Eine geringe Summe, wenn man sie gegen dreißigtausend Soldaten aufwog, und die Amyrlin konnte wohl kaum ihre Wäsche selbst waschen oder ihre Gewänder flicken, aber sie wäre ausgezeichnet mit Chesa allein zurechtgekommen. Das hätte sie auch getan, wenn sie die Wahl gehabt hätte. Aber vor knapp einer Woche hatte Romanda beschlossen, daß die Amyrlin eine weitere Bedienstete brauchte, und hatte Meri unter den Flüchtlingen gefunden, die sich in jedem Dorf zusammendrängten, bis sie davongejagt wurden. Damit nicht genug, präsentierte Lelaine Selame aus derselben Quelle. Die beiden Frauen drängten sich in Chesas kleinem Zelt zusammen, noch bevor Egwene überhaupt von ihrer Existenz wußte.
Die Sache war grundsätzlich falsch: drei Bedienstete, wenn nicht einmal genug Geld vorhanden war, das Heer auch nur auf halbem Weg bis Tar Valon zu bezahlen, Diener, die ohne ihre Zustimmung für sie erwählt wurden. Außerdem hatte sie schon eine Bedienstete, wenn sie auch nicht eine einzige Kupfermünze erhielt. Es wurde ohnehin allgemein angenommen, Marigan sei die Dienerin der Amyrlin.
Egwene tastete unter dem Tisch nach ihrer Gürteltasche und spürte das darin befindliche Armband. Sie sollte es häufiger tragen. Es war eine Pflicht. Sie hielt die Hände gesenkt, nahm das Armband heraus und ließ es um ihr Handgelenk gleiten, ein Silberband, das so gestaltet war, daß der Verschluß nicht mehr zu sehen war, wenn es erst geschlossen war. Mit der Einen Macht gestaltet, schnappte das Armband unter dem Tisch zu, und sie hätte es beinahe wieder fortgerissen.
Empfindungen überfluteten jeden Winkel ihres Geistes, Empfindungen und Bewußtheit, im verborgenen, so als bilde sie es sich nur ein. Aber es war keine Einbildung. Es war nur allzu real. Als Hälfte eines A'dam schuf das Armband eine Verbindung zwischen ihr und der Frau, die die andere Hälfte trug, eine silberne Halskette, welche die Trägerin nicht selbst abnehmen konnte.
Sie bildeten einen aus zwei Mitgliedern bestehenden Kreis, ohne Saidar zu umarmen, in dem Egwene durch den Besitz des Armbands stets führte. ›Marigan‹ schlief jetzt, ihre Füße vom vielen Laufen während der letzten Tage wund, aber selbst im Schlaf war ihre Angst sehr stark spürbar. Nur Haß kam der Angst in dem durch das A'dam fließenden Strom nahe. Egwenes Widerwillen wurde durch das beständige Entsetzen der anderen Frau wachgerufen und weil sie einst selbst die aus der Halskette bestehende Hälfte eines A'dam getragen hatte und die Frau am anderen Ende kannte. Sie haßte es, auch nur irgend etwas mit ihr zu teilen.
Nur drei Frauen im Lager wußten, daß Moghedien eine Gefangene war, inmitten der Aes Sedai verborgen. Wenn es herauskäme, würde Moghedien kurz nacheinander geprüft, gedämpft und hingerichtet. Wenn es herauskäme, könnte Egwene ihr vielleicht bald folgen, und Siuan und Leane ebenso. Sie waren die anderen beiden, die davon wußten. Aber andererseits würde Egwene vielleicht auch nur die Stola wieder abgenommen.
Weil ich eine der Verlorenen vor der Gerichtsbarkeit verberge, dachte sie grimmig, kann ich froh sein, wenn sie mich nur wieder zu den Aufgenommenen stecken. Sie berührte unbewußt den goldenen großen Schlangenring an ihrer rechten Hand.
Andererseits war eine solche Strafe unwahrscheinlich. Sie hatte gelernt, daß die Weiseste der Schwestern zum Amyrlin-Sitz gewählt würde, war jedoch eines Besseren belehrt worden. Die Wahl zur Amyrlin war genauso heftig - oder vielleicht noch heftiger - umstritten wie die Wahl des Bürgermeisters in den Zwei Flüssen. Niemand machte sich in Emondsfeld die Mühe, gegen ihren Vater anzutreten, aber sie hatte über Wahlen in Nachbarorten gehört. Siuan war nur zur Amyrlin ernannt worden, weil die drei Amyrlins vor ihr jede nach nur wenigen Jahren auf dem Amyrlin-Sitz gestorben waren. Der Saal hatte eine junge Amyrlin gewollt. Einer Schwester gegenüber von Alter zu sprechen, war mindestens genauso unhöflich, wie ihr ins Gesicht zu schlagen, und doch bekam Egwene allmählich eine Vorstellung davon, wie lange Aes Sedai lebten. Nur selten wurde eine Aes Sedai zur Sitzenden erhoben, bevor sie die Stola mindestens siebzig oder achtzig Jahre lang getragen hatte, und zur Amyrlin für gewöhnlich noch später. Häufig viel später. Als sich der Saal also vor weniger als fünfzig Jahren nicht zwischen vier zu Aes Sedai erhobenen Schwestern entscheiden konnte und Seaine Herimon der Weißen Ajah eine Frau vorschlug, welche die Stola erst zehn Jahre getragen hatte, war das vielleicht genauso geschickt wie Siuans verwalterische Fähigkeiten, die die Sitzenden dazu brachten, für sie einzutreten.
Und was war mit Egwene al'Vere, die nach Meinung vieler noch eine Novizin hätte sein sollen? Sie wurde als leicht lenkbare Galionsfigur angesehen, ein Kind, das im gleichen Dorf wie Rand al'Thor aufgewachsen war. Letzteres hatte entscheidend zu ihrer Wahl beigetragen. Sie würden ihr die Stola nicht wieder abnehmen, aber sie würde zu spüren bekommen, daß das geringe Maß an Autorität, das sie sich erkämpft hatte, wieder verloren wäre.
»Das sieht einem Armband sehr ähnlich, das ich Elayne einmal tragen sah.« Die Papiere auf Sheriams Schoß raschelten, als sie sich vorbeugte, um besser sehen zu können. »Und Nynaeve. Sie haben es geteilt, soweit ich mich erinnere.«
Egwene zuckte zusammen. Sie war unvorsichtig gewesen. »Es ist dasselbe. Ein Abschiedsgeschenk von ihnen, als sie fortgingen.« Sie drehte das Silberarmband um ihr Handgelenk und empfand Schuld, die bei ihr allein lag. Das Armband schien unterteilt, aber so geschickt, daß man die Art und Weise nicht genau erkennen konnte. Sie hatte kaum an Nynaeve und Elayne gedacht seit sie nach Ebou Dar gereist waren. Vielleicht sollte sie die beiden zurückrufen. Ihre Suche machte anscheinend kaum Fortschritte, obwohl sie es leugneten. Aber dennoch - wenn sie fanden, was sie suchten...
Sheriam runzelte die Stirn. Egwene konnte nicht sagen, ob wegen des Armbands. Sie durfte jedoch nicht zulassen, daß Sheriam zuviel darüber nachdachte. Wenn sie jemals merkte, daß ›Marigans‹ Halskette dazu paßte, würden vielleicht schmerzlich unangenehme Fragen gestellt.
Egwene erhob sich und glättete ihre Röcke, während sie um den Tisch herum trat. Siuan hatte heute mehrere Informationen erhalten. Jetzt konnte sie eine davon nutzen. Sie war nicht die einzige, die Geheimnisse hatte. Sheriam schien überrascht, als Egwene zu dicht vor ihr stehenblieb, als daß sie noch hätte aufstehen können.
»Tochter, ich habe erfahren, daß wenige Tage, nachdem Siuan und Leane in Salidar ankamen, zehn Schwestern abgereist sind, zwei von jeder Ajah außer der Blauen. Wohin sind sie gegangen, und warum?«
Sheriam verengte kaum merklich die Augen, aber sie legte ihre Gelassenheit genauso wenig ab wie ihre Kleidung »Mutter, ich kann mich kaum an jede...«
»Keine Ausflüchte, Sheriam.« Egwene trat noch ein wenig näher, bis sich ihre Knie fast berührten. »Keine Lügen. Die Wahrheit.«
Sheriam runzelte die Stirn. »Mutter, selbst wenn ich es wüßte, dürft Ihr Euch nicht mit jeder Kleinigkeit belasten... «
»Die Wahrheit, Sheriam. Die ganze Wahrheit. Muß ich vor dem ganzen Saal fragen, warum mir meine Behüterin der Chronik nicht die Wahrheit sagt? Ich werde sie erfahren, Tochter, auf die eine oder andere Art. Ich werde sie erfahren.«
Sheriam drehte den Kopf, als suche sie nach einem Fluchtweg. Ihr Blick fiel auf Chesa, die über ihre Stopfarbeit gebeugt saß, und sie hätte fast vor Erleichterung geseufzt. »Mutter, morgen, wenn wir allein sind, kann ich sicherlich alles zu Eurer Zufriedenheit erklären. Ich muß mich zuerst noch mit einigen Schwestern beraten.«
Auf diese Weise hätten sie Gelegenheit zu besprechen, was sie ihr morgen erzählen sollte. »Chesa«, sagte Egwene, »wartet bitte draußen.« Obwohl sie auf ihre Arbeit konzentriert und nichts um sie herum zu bemerken schien, sprang Chesa sofort auf und lief fast aus dem Zelt. Wenn sich Aes Sedai stritten, flüchtete jeder, der bei Verstand war. »Jetzt, Tochter«, sagte Egwene. »Die Wahrheit. Alles, was Ihr wißt. Ich werde es so vertraulich behandeln, wie Ihr Euch äußern werdet«, fügte sie hinzu, als Sheriam zu Siuan schaute.
Sheriam richtete einen Moment ihre Röcke, zupfte tatsächlich daran und mied Egwenes Blick, wobei sie zweifellos noch immer nach einer Ausflucht suchte. Aber die Drei Eide hielten sie gefangen. Sie durfte kein unwahres Wort äußern, und wie auch immer sie über Egwenes Position dachte - ihr auszuweichen hieß noch lange nicht, ihr die Autorität offen abzusprechen. Selbst Romanda verhielt sich zumeist höflich.
Sheriam atmete tief ein, faltete ihre Hände im Schoß und sprach sachlich an Egwenes Brust gewandt. »Als wir erfuhren, daß die Rote Ajah dafür verantwortlich war, daß Logain als falscher Drache in Erscheinung trat, hatten wir das Gefühl, etwas tun zu müssen.« Wir bedeutete sicherlich der kleine, erlesene Kreis von Schwestern, die sie um sich versammelt hatte. Carlinya und Beonin und die anderen hatten genauso viel Einfluß wie die meisten Sitzenden, wenn auch nicht im Saal selbst. »Elaida wollte Aufforderungen an alle Schwestern senden, zur Burg zurückzukehren, weshalb wir zehn Schwestern auswählten, die diese Aufgabe schnellstmöglich erledigen sollten. Sie sollten inzwischen längst alle angekommen sein - und insgeheim dafür Sorge zu tragen, daß jede Schwester in der Burg begreift, was die Roten mit Logain getan haben. Nicht... « Sie zögerte zunächst, beendete ihren Satz aber dann eilig.
»Nicht einmal der Saal weiß von ihnen.«
Egwene trat fort und rieb sich erneut die Schläfen. Insgeheim dafür Sorge zu tragen. In der Hoffnung, daß Elaida abgesetzt würde. An sich kein schlechter Plan. Er könnte letztendlich sogar funktionieren. Aber es könnte auch Jahre dauern. Andererseits galt für die meisten Schwestern: Je länger sie damit durchkamen, nichts wirklich tun zu müssen, desto besser. Mit der Zeit könnten sie die Welt davon überzeugen, daß die Weiße Burg niemals wirklich gespalten war. Sie war schon zuvor gespalten gewesen, und nur eine Handvoll Menschen hatte davon gewußt. Mit der Zeit könnten sie vielleicht eine Möglichkeit finden, alles so einzurichten, als wäre sie wirklich nicht gespalten gewesen. »Warum haltet Ihr es vor dem Saal geheim, Sheriam? Ihr glaubt doch sicher nicht, daß sie Elaida Euren Plan verraten würden.« Die Schwestern sahen einander aus Angst vor Elaidas Anhängern stets fragend an - zumindest teilweise aus Angst davor.
»Mutter, eine Schwester, die beschlösse, daß unser Handeln falsch wäre, würde sich wohl kaum zur Sitzenden wählen lassen. Eine solche Schwester wäre schon lange fortgegangen.« Sheriam hatte sich noch nicht entspannt, aber ihre Stimme nahm jetzt einen geduldigen, belehrenden Tonfall an, den sie bei Egwene offenbar als am wirkungsvollsten erachtete. Normalerweise war sie jedoch geschickter darin, das Thema zu wechseln. »Dieses Mißtrauen ist im Moment unsere größte Sorge. Niemand traut einem anderen wirklich. Wenn wir nur erkennen könnten, wie...«
»Die Schwarze Ajah«, unterbrach Siuan sie ruhig. »Sie läßt Euer Blut gefrieren. Wer weiß sicher, wer eine Schwarze ist, und wer weiß, wozu eine Schwarze Schwester imstande wäre?«
Sheriam warf Siuan einen weiteren bösen Blick zu, aber kurz darauf wich die Heftigkeit von ihr. Oder besser gesagt: Eine Art Anspannung ersetzte die andere. Sie schaute zu Egwene und nickte dann widerwillig. Dem verärgerten Zug um ihren Mund nach zu urteilen, hätte sie eine weitere Ausflucht gewählt, wenn nicht offensichtlich gewesen wäre, daß Egwene es nicht zulassen würde. Die meisten Schwestern im Lager glaubten es inzwischen, aber nach mehr als dreitausend Jahren des Leugnens der Existenz der Schwarzen Ajah war es ein düsterer Glaube. Fast niemand würde dieses Thema ansprechen, ungeachtet dessen, was sie glaubten.
»Die Frage ist, Mutter«, fuhr Siuan fort, »was geschieht, wenn der Saal es herausfindet.« Sie schien erneut laut zu denken. »Ich glaube nicht, daß irgendeine Sitzende die Entschuldigung akzeptieren würde, sie sollte es nicht wissen, weil sie vielleicht auf Elaidas Seite stünde. Und was die Möglichkeit betrifft, daß sie vielleicht eine Schwarze Ajah sein konnte... Ja, ich denke, sie werden ziemlich aufgebracht sein.«
Sheriams Gesicht wurde ein wenig blasser. Es war ein Wunder, daß sie nicht totenbleich wurde. ›Aufgebracht‹ war nicht annähernd der richtige Ausdruck. Ja, Sheriam würde weitaus mehr als aufgebrachten Sitzenden gegenüberstehen, wenn dies herauskäme.
Jetzt mußte sie ihren Vorteil nutzen, aber Egwene kam noch eine Frage in den Sinn. Wenn Sheriam und ihre Freunde... Was waren sie? Spione? Keine Spione. Vielleicht Spitzel, die Ratten innerhalb der Mauern nachgeschickt wurden... Wenn Sheriam Spitzel in die Weiße Burg geschickt hatte, konnte...?
Ein plötzlicher Schmerz durchschoß diese von Empfindungen bedrängte, verborgene Stelle in ihrem Hinterkopf und ließ sie alles andere vergessen. Wenn sie diesen Schmerz unmittelbar verspürt hätte, wäre sie betäubt gewesen. So traten vor Entsetzen nur ihre Augen hervor. Ein Mann, der die Macht lenken konnte, berührte gerade die Kette um Moghediens Hals. Dies war eine Verbindung, in die kein Mann hineingebracht werden konnte. Schmerz, und etwas Unhörbares von Moghedien. Dann Hoffnung. Und dann war alles fort, die Bewußtheit, die Empfindungen. Die Halskette war abgenommen worden.
»Ich ... brauche ein wenig frische Luft«, gelang es ihr zu sagen. Sheriam wollte sich erheben und Siuan ebenfalls, aber sie bedeutete ihnen sitzenzubleiben. »Nein, ich möchte allein sein«, sagte sie hastig. »Siuan, findet alles heraus, was Sheriam über die Spitzel weiß. Licht, ich meine die zehn Schwestern.« Beide starrten sie an, aber keine, dem Licht sei Dank, folgte ihr, als sie die Laterne von einem Haken riß und hinauseilte.
Niemand durfte die Amyrlin laufen sehen, und doch kam ihre Gangart dem nahe, während sie ihre Röcke raffte, so gut es mit einer Hand ging. Mondlicht schien hell von einem wolkenlosen Himmel, so daß nur die Zelte und Wagen schattengesprenkelt waren. Die meisten Menschen im Lager schliefen, aber hier und da brannten noch niedrige Feuer. Eine Handvoll Behüter und einige Diener hielten sich noch im Freien auf. Zu viele Augen, die gesehen hätten, wenn sie gerannt wäre. Das letzte, was sie wollte, war, daß ihr jemand Hilfe anböte. Sie merkte, daß sie keuchte, aber vor Angst, nicht vor Anstrengung.
Sie streckte die Laterne und ihren Kopf in ›Marigans‹ kleines Zelt und fand es leer vor. Die Decken, die auf dem Boden ihr Bett gebildet hatten, lagen verstreut, als wären sie eilig beiseite geworfen worden.
Und was wäre gewesen, wenn Moghedien noch immer hiergewesen wäre? fragte sie sich. Mit abgenommener Halskette und demjenigen, der sie befreit hatte? Sie erschauderte und zog sich langsam zurück. Moghedien hatte guten Grund, sie nicht zu mögen, einen sehr persönlichen Grund, und die einzige Schwester, die einer Verlorenen allein gegenübertreten konnte, wenn sie überhaupt die Macht lenken konnte, befand sich in Ebou Dar. Moghedien hätte Egwene töten können, ohne daß jemand etwas bemerkt hätte. Selbst wenn eine Schwester gespürt hätte, daß sie die Macht lenkte, hätte sie das nicht als beunruhigend empfunden. Schlimmer noch - Moghedien hätte sie vielleicht nicht getötet. Und niemand hätte etwas bemerkt, bis man festgestellt hätte, daß sie beide fort waren.
»Mutter«, ereiferte sich Chesa hinter ihr, »Ihr solltet nicht draußen in der Nachtluft sein. Nachtluft ist schlechte Luft. Wenn Ihr Marigan sprechen wolltet, hätte ich sie holen können.«
Egwene wäre beinahe zusammengezuckt. Sie hatte nicht bemerkt, daß Chesa ihr gefolgt war. Sie betrachtete die Menschen an den nächstgelegenen Feuern. Sie hatten sich zur Unterhaltung dort versammelt, nicht wegen der Wärme, und sie waren dem Zelt nicht sehr nahe, aber vielleicht hatte jemand gesehen, wer ›Marigans‹ Zelt betreten hatte. Sie hatte sicherlich nur wenige Besucher, Und es waren keine Männer darunter. Ein Mann hätte sehr wohl bemerkt werden können. »Ich glaube, sie ist davongelaufen, Chesa.«
»Ach, diese schlechte Frau!« rief Chesa aus. ››Ich habe immer schon gesagt, daß sie hinterhältig ist. Davonzuschleichen wie eine Diebin, nachdem Ihr sie aufgenommen habt. Sie wäre auf der Straße verhungert, wenn Ihr nicht gewesen wärt. Es gibt keine Dankbarkeit mehr!«
Sie folgte Egwene den ganzen Weg zurück zu ihrem Zelt und schimpfte währenddessen über Schlechtigkeit im allgemeinen, ›Marigans‹ Undank im besonderen und darüber, wie man mit solchen Menschen umgehen sollte, wobei die vorgeschlagenen Maßnahmen beim Auspeitschen begannen und bei der Verbannung endeten. Außerdem riet sie Egwene, vorsichtshalber ihren Schmuck zu überprüfen, um sich zu überzeugen, daß noch alles da sei.
Egwene hörte ihr kaum zu. Ihre Gedanken rasten. Es konnte nicht Logain gewesen sein, oder? Hatte er von Moghedien gewußt und war zurückgekommen, um sie zu retten? Wohl kaum. Aber was war mit jenen Männern, die Rand versammelte, jene Asha'man? In jedem Dorf kursierten hinter vorgehaltener Hand Gerüchte über Asha'man und die Schwarze Burg. Die meisten Schwestern gaben vor, daß sie die sich versammelnden Männer, die die Macht lenken konnten, nicht beunruhigten - die schlimmsten Geschichten mußten übertrieben sein, und Gerüchte übertrieben ohnehin stets -, aber Eiseskälte umfing sie, wann immer sie an sie dachte. Ein Asha'man hätte... Aber warum? Wie hätte er wissen können ... mehr als Logain?
Sie versuchte, den einzigen vernünftigen Schluß zu vermeiden: daß jemand weitaus Schlimmeres als Logain oder sogar ein Asha'man gekommen war. Einer der Verlorenen hatte Moghedien befreit. Rahvin war, laut Nynaeve, durch Rands Hand umgekommen, und er hatte auch Ishamael getötet - zumindest dem Anschein nach. Und Aginor und Balthamel. Und Moiraine hatte Be'lal getötet. So blieben unter den Männern nur noch Asmodean, Demandred und Sammael. Sammael befand sich in Illian. Niemand wußte, wo sich die anderen beiden oder eine der überlebenden Frauen aufhielten. Moraine hatte auch Lanfear getötet oder sie hatten einander getötet, aber alle anderen Frauen lebten noch, soweit jedermann wußte, Vergiß die Frauen. Es mußte ein Mann gewesen sein. Wer? Es waren schon vor langer Zeit Pläne für den Fall geschmiedet worden, daß einer der Verlorenen das Lager angriffe. Keine der hiesigen Schwestern konnte allein einem der Verlorenen trotzen, aber es war eine andere Sache, wenn sie sich zu Kreisen zusammenschlossen. Jeder Verlorene, der ihr Lager betrat, würde rings um sich herum Kreise entstehen sehen. Oder sie. Wenn sie erkannten, wer derjenige war. Die Verlorenen zeigten aus irgendeinem Grund keinerlei Anzeichen von Alterung. Vielleicht hing es mit der Verbindung mit dem Dunklen König zusammen...
Es war verwirrend. Sie mußte anfangen, klar zu denken. »Chesa?«
»...ausseht, als sollte Euer Kopf massiert werden, damit die Schmerzen vergehen, ist was ... ist was... Ja, Mutter?«
»Sucht Siuan und Leane. Sagt ihnen, sie sollen zu mir kommen. Aber niemand darf es erfahren.«
Chesa vollführte grinsend einen Hofknicks und hastete hinaus. Sie konnte es kaum vermeiden, die Strömungen um Egwene zu bemerken, aber sie empfand all diese Verschwörungen und Pläne als Spaß. Nicht daß sie eingeweiht gewesen wäre. Egwene zweifelte nicht an ihrer Treue, aber Chesas Ansicht über das, was aufregend war, könnte sich vielleicht ändern, wenn sie die Tiefen jener wirbelnden Strömungen kennenlernen würde.
Egwene entzündete mit Hilfe der Macht die Öllampen im Zelt, blies die Laterne aus und stellte sie vorsichtig in eine Ecke. Vielleicht mußte sie klar denken, aber sie fühlte sich, als stolpere sie in Dunkelheit umher.