26


Tom Thorpe lag im Kontrollraum der Admiral Farragut und blickte zu den drei winzigen violett-weißen Lichtkugeln hoch, die sich auf der Panoramakuppel zeigten. Die Lichter waren die lodernden Triebwerke der drei Schwertransporter. Nach mehreren Monaten, während derer sie bei der Erkundung des Kometen auf sich gestellt gewesen waren, war die Expedition im Begriff, massive Unterstützung zu bekommen.

Die Admiral Farragut hatte für den Flug von der Erde bis zum Jupiter ein halbes Jahr gebraucht. Die drei Transporter hatten eine vergleichbare Strecke in der halben Zeit zurückgelegt. Sie hatten die Erde vor dreiundachtzig Tagen verlassen. Nachdem sie auf das mehr als Zwanzigfache der solaren Fluchtgeschwindigkeit beschleunigt hatten, hatten sie sich im freien Fall weitertreiben lassen. Als sie bis auf fünfundzwanzig Millionen Kilometer herangekommen waren, hatten sie mit dem Bremsmanöver begonnen und waren mehrere Millionen Kilometer vor Donnerschlag zum Stillstand gekommen. Nachdem sie sechshundert Millionen Kilometer zurückgelegt hatten, um den Kometen zu erreichen, flohen sie nun vor ihm.

Das Manöver war nicht so paradox, wie es sich anhörte. Wie Läufer bei einem Staffellauf, die den Stabträger näherkommen sahen, bewegten sich die Transporter in die gleiche Richtung wie der Komet, um sich von ihm einholen zu lassen. Sie hatten ihre Beschleunigung so ausgelegt, dass sie seine Geschwindigkeit genau in dem Moment erreicht haben würden, wenn sie Seite an Seite mit ihm flogen.

»Wie läuft es?«, fragte Amber, als sie in den Kontrollraum geschwebt kam.

Thorpe lächelte ihr zu und reichte ihr eine helfende Hand. Die babyhaft rosige Haut ihrer Handteller und gleichartige Flecken auf ihren Armen erinnerten ihn, wie nahe er darangewesen war, sie zu verlieren.

»Es läuft gut bei ihnen«, antwortete er, indem er sie auf die Andruckliege beförderte. »In ein paar Stunden werden sie hier sein.«

Amber blickte dorthin, wo die Abgasschweife der drei Schiffe nahe dem Zenit der Kuppel schwebten. Abgesehen von ihrer Helligkeit, sahen sie genauso aus wie planetarische Wolken.

»Kampiert Professor Barnard immer noch im Teleskopraum?«, fragte Thorpe.

»Immer noch. Ich habe ihm angeboten, ihn abzulösen, aber er wollte nichts davon wissen.«

»Wie sieht es aus?«

»Gut. Er summt sogar vor sich hin!«

Thorpe schüttelte verwundert den Kopf. »Einmal ein Wissenschaftler, immer ein Wissenschaftler.«

Die Flotte der Materialtransporter war vor zwei Tagen in die Koma eingetaucht. Während sie vor dem Gas und dem Staub zurückwichen, wühlten ihre Abgase die Wolkenmaterie auf. Barnard zeichnete jede Sekunde der Annäherung auf, um so viel wie möglich über die Gaswolke und ihre Zusammensetzung in Erfahrung zu bringen. Diese Untersuchungen hatten für das Problem der Ablenkung des Kometen von der Erde keine Bedeutung. Es war einfach etwas, das ihn interessierte.

Amber lehnte sich an ihn und knabberte an seinem Ohr. »Ich bin vorbeigekommen, um mich zu erkundigen, ob du mit mir zu Mittag essen willst. Es könnte für eine ganze Weile unsere letzte Gelegenheit sein.«

Thorpe deutete auf die drei Lichtpunkte an der Kuppel. »Eine gute Idee. Wenn sie erst einmal hier sind, werden wir schrecklich beschäftigt sein. Wir könnten natürlich auch das Essen auslassen und in die Kabine gehen.«

Amber schüttelte den Kopf. Die rasche Bewegung ließ ihr Haar über ihr Gesicht wirbeln. »Du wirst deine Kräfte brauchen.«

»In Ordnung«, sagte er. »Also Mittagessen. Geh du voran, mein Goldstück!«


Vier Stunden später halfen Thorpe und Amber sich gegenseitig in ihre Raumanzüge. Die Transporter befanden sich in einer Umlaufbahn und bereiteten sich auf das Entladen vor. Sie drängten sich zu zweit in die Luftschleuse Zwei und wechselten ins Vakuum. Hundert Meter entfernt hatte sich auf dem Eis eine kleine Menschenmenge versammelt, um das Schauspiel zu beobachten.

»Also los!«, sagte Thorpe. Sie ignorierten die Schleusenmeister und sprangen hinaus. Während sie über das Eis schlitterten, wurde Thorpe an ihre ersten linkischen Versuche erinnert, sich auf der Oberfläche fortzubewegen. Der Mikroschwerkraft-Gang war ihnen zur zweiten Natur geworden.

»Da ist sie!«, sagte jemand fünf Minuten später.

Thorpe wandte sich nach Westen. Tatsächlich, ein kleines kugelförmiges Gebilde war soeben über dem Horizont aufgetaucht. Es wuchs rasch an. Sein erster Eindruck war der eines Schiffes, das nie fertiggestellt worden war. Die Hülle des Frachters bestand aus einer Unmenge externer Fracht. Als die Kugel näherkam, identifizierte Thorpe zwei Laserbohrer, mehrere große Gaszylinder und einen kastenförmigen transportablen Fusionsreaktor. Er entdeckte au ßerdem ein schweres Oberflächen-Raupenfahrzeug neben Hunderten weniger gut bestimmbarer Geräte, die in Frachtkisten oder unter Verpackungen aus reflektierender Folie verborgen waren.

Die Gargantua und ihre Schwestern hatten niemals vorgehabt zu landen. Aus diesem Grund fehlten ihnen selbst die allereinfachsten Landevorrichtungen. Und obwohl die Schwerkraft von Donnerschlag äußerst gering war, würde die Hülle dennoch wie eine Eierschale zerbrechen, wenn ein solch üerdimensionales Raumfahrzeug jemals versuchen würde zu landen. Die Einsatzplaner hatten das Problem, wie die Fracht der Gargantua gelandet werden sollte, schon lange gelöst. Die Gelegenheit, sich ihre Lösung anzusehen, hatte deshalb viele Zuschauer auf das Eis hinausgelockt.

Die gigantische Kugel schwebte auf das Habitatmodul zu. Ein kurzer Feuerstoß der Steuerdüsen ließ sie in einer Höhe von hundert Metern und einem Kilometer Entfernung innehalten. Als das große Schiff stoppte, flackerten weitere Blitze an seiner Hülle auf. Lange Sekunden geschah nichts. Dann begann die Ladung abzufallen. Zusätzliche Stöße der Steuerdüsen trieben das Schiff seitwärts, während es seine Fracht abwarf. Das Frachtgut fiel trügerisch langsam, und es dauerte fast eine Minute, bis es auf dem Kraterboden aufprallte. Die Eisfontänen, die von den grö ßeren Geräten emporgeschleudert wurden, waren für die Zuschauer deutlich zu sehen.

Als seine äußere Ladung in weitem Umkreis auf dem Eis verstreut war, setzte die Gargantua ihren Vorbeiflug in niedriger Höhe fort. Zahlreiche Luken sprangen auf, und Tausende kleinerer Container wurden in den Raum hinausgeschleudert. Die meisten von ihnen, wusste Thorpe, enthielten Versorgungsgüter – Lufttanks, Proviantpakete und Ersatzteile. Als der Transporter seine Fracht entladen hatte, zündete er seine Bodendüsen und stieg wieder in den schwarzen Himmel empor.

Zehn Minuten später glitt die Godzilla über den Horizont, und das Schauspiel wiederholte sich. Sie platzierte ihren Berg von Vorräten neben dem ihres Schwesterschiffs und verstärkte den Eindruck einer interplanetarischen Müllkippe. Auch der zweite Frachter erhob sich anschlie ßend majestätisch in den Himmel und verschwand. Die Zuschauer wandten sich gerade rechtzeitig wieder nach Westen, um die Goliath über dem Horizont auftauchen zu sehen.

Das Flaggschiff der Flotte lud seine Ladung in einer Linie parallel zu den beiden anderen ab. Wie zuvor wurde die äußere Ladung beim ersten Durchgang abgeworfen und die innere Ladung bei einem zweiten Vorbeiflug parallel dazu. Doch anders als die beiden anderen Schiffe entfloh dieses nicht sogleich wieder in den Raum. Es bewegte sich seitwärts, bis es über einer ebenen Eisfläche zwischen dem Habitatmodul und der Abwurfstelle schwebte. Weitere Luken sprangen auf, und der Himmel war plötzlich voller Menschen in Raumanzügen.

Zweihundert Spezialisten für alle möglichen Arten von Vakuumarbeiten schwebten langsam auf ihren Rucksacktriebwerken zu Boden. Sie waren nur die Vorhut. Als alle gelandet waren, flog auch die Goliath davon. Alle drei Schiffe sollten einen Parkorbit über dem Südpol des Kerns einnehmen, wo sie so lange bleiben würden, bis der Zeitpunkt gekommen war, Menschen und Material vor der Absprengung des Ground-Zero-Kraters zu evakuieren. Während die Goliath verschwand, blickte Thorpe auf sein Helmchronometer. Die ganze Operation hatte weniger als eine Stunde gedauert.

»Mr. Thorpe?«, rief eine Stimme über den allgemeinen Anrufkanal.

»Hier bin ich«, antwortete Thorpe, indem er seine Visierlampe verdunkelte, um seinen Standort anzuzeigen. Sein Blinken wurde von einer Lampe eines der Neuankömmlinge beantwortet. Sie überquerten die zwischen ihnen liegende Eisfläche und umarmten sich auf jene Art, die im Raumanzug das Händeschütteln ersetzte.

»Ich bin Amos Carlton, der Boss dieser Horde von Weltraumaffen.«

»Tom Thorpe, verantwortlich für die Expedition. Willkommen auf Donnerschlag.«

»Hübsche Gegend hier«, sagte Carlton, indem er sich umsah. So ziemlich das Einzige, was Thorpe von seinem Gesicht erkennen konnte, war, dass er jung und blond war. »Ist schon eine Schande, es in die Luft zu jagen.«

»Eine größere Schande, wenn wir es nicht tun. Brauchen Sie und Ihre Leute irgendwelche Unterstützung?«

»Sie wären uns nur im Wege. Mit Ihrer Erlaubnis lassen wir uns dort nieder.« Er deutete zu einer freien Fläche vor dem Nachschubhaufen hinüber.

»Eine Wahl so gut wie jede andere«, erwiderte Thorpe. »Wir leiden nicht gerade an Überbevölkerung.«

»Gut. Wir werden die Nacht durcharbeiten, um unser Camp zu errichten. Ich würde unsere Leute gerne am Morgen zusammenrufen, wenn Ihnen das recht ist, Thorpe.«

»Morgen früh wäre prima!«

»Wie ich höre, gibt es auf diesem Eisball Erdbeben.«

»Nicht besonders viele während der letzten paar Monate, auch nicht allzu heftige. Das Innere hat erst kürzlich einen Zustand von Isostasie erreicht. Aber Sie müssen noch damit rechnen, dass der Boden alle paar Tage bebt.«

»Dann achten wir darauf, alles ordentlich zu verankern. Noch irgendwas, das ich im Moment wissen müsste?«

»Der Untergrund besteht größtenteils aus Wasser und gefrorenem Ammoniak mit den üblichen Verunreinigungen. Seien Sie vorsichtig beim Destillieren. Lassen Sie niemanden mal eben einen Kübel Wasser von draußen holen.«

»Oh? Warum nicht?«

»Das Eis ist ein Clathrat. Eins seiner Bestandteile ist Cyanid. Wenn Sie das in Ihr Habitat bringen, könnten Sie plötzlich Atemprobleme bekommen.«

»Danke. Ich werd’s weitersagen. Wir werden zum Verankern der Bohrer sicherlich etwas anderes brauchen als Eis.«

»Es gibt hier zwei Gebirgszüge, die aus Gesteinsmaterial bestehen. Der eine liegt nur wenige Kilometer von hier entfernt.«

»Ich hab ihn beim Anflug gesehen. Ich werde mein Geologenteam rüberschicken, damit sie einen Blick darauf werfen. Jetzt muss ich mich aber an die Arbeit machen. Ich sehe Sie dann morgen um acht in unserer Befehlsbaracke. Die müsste sich dann ungefähr dort befinden, wo dieser kleine Hügel ist.«


An der ersten Einsatzbesprechung mit der Baubrigade nahmen sechs Mitglieder des Expeditionsteams teil: Tom Thorpe, Chen Ling Tsu, Kyle Stormgaard, Leon Albright und Hilary Dorchester. Thorpe hatte Amber vorgeschlagen, mitzukommen, aber sie war zu einer der periodischen Positionsabstimmungen mit der Erde verdonnert worden. Es bestand kein Zweifel mehr daran, dass Donnerschlag am Morgen des 17. Juli 2087 die Erde treffen würde. Dennoch wurden die Arbeiten zur Verfeinerung der Flugbahnbestimmung des Kometen fortgesetzt. Zumindest würden sie dadurch eine exakte Standlinie erhalten, von der aus sie ihren Fortschritt messen konnten.

Als die sechs das Habitatmodul verließen, wurden sie vom Anblick einer kleinen Stadt begrüßt, wo zwölf Stunden zuvor noch keine gewesen war. Sämtliche Gebäude waren standardisierte Vakuum-Schutzräume – mit Atmosphäre ausgestattete Container, auf die ein feiner Wassernebel gesprüht worden war. Das Besprühen war noch im Gange, obwohl sich bereits eine mehrere Zentimeter dicke Eisschicht gebildet hatte. Das Eis ließ die Gebäude im Licht der geschrumpften Sonne glitzern.

Vor der Hauptschleuse entdeckten sie einen Wegweiser. Er wies nicht nur den Weg zu verschiedenen Vorratsdepots und Gebäuden, sondern es zeigte auch ein Pfeil gerade nach oben. Darauf stand: NEW YORK CITY, 600 MILLIONEN KILOMETER.

Die Expeditionsteilnehmer passierten die überdimensionale uftschleuse als Gruppe und fanden sich anschlie ßend in einem großen offenen Raum wieder, in dem sich Spind an Spind reihte. Sie streiften rasch ihre Anzüge ab und hängten sie auf. In den Spinden fanden sie Schnürpantoffeln mit Velcrosohlen. Die Unterkünfte waren mit Velcroteppichen ausgelegt, die einem die Illusion von Schwerkraft vermittelten. Es war ein seltsames Gefühl, steif über den Boden zu gehen, nachdem man so viele Monate lang von einem Punkt zum anderen geschossen war.

»Entschuldigen Sie«, sagte Thorpe zum ersten Monteur, der ihm über den Weg lief. »Wo befindet sich das Büro von Mr. Carlton?«

»Dritte Baracke rechts, Kumpel. Kurz bevor du da bist, siehst du ein Schild mit der Aufschrift ›Hauptquartier‹.« Der Mann verlangsamte kaum, während er die Auskunft erteilte, und eilte weiter in den Umkleideraum.

Sie fanden die Kommandobaracke ohne Probleme. Im Innern stießen sie auf Amos Carlton, der einem halben Dutzend von Arbeitsgruppen gleichzeitig Anweisungen erteilte. Wie Thorpe tags zuvor vermutet hatte, war Carlton jung und blond. Er schätzte das Alter des Vorarbeiters auf etwa dreißig. Thorpe lächelte, als er Hilary Dorchesters taxierenden Blick und den Antwortblick bemerkte, den Carlton in ihre Richtung schickte.

Thorpe stellte seine Begleiter Carlton vor, der sie in den nebenan gelegenen Konferenzraum geleitete. Dort öffnete sich ein großes Fenster nach draußen. Das Glas wurde elektrisch beheizt, um zu verhindern, dass der Sprühnebel über seinen dicken Scheiben gefror. Die beiden Module der Admiral Farragut waren auf dem Eis in einem halben Kilometer Entfernung zu erkennen. Thorpe dachte unwillkürlich, dass sie dort draußen schrecklich einsam wirkten.

»Tom Thorpe, darf ich Ihnen Walter Wassilowitsch vorstellen, den stellvertretenden Kommandeur …« Carlton ging um den Konferenztisch herum und stellte das halbe Dutzend Leute vor, das dort saß. Dann tat Thorpe das Gleiche für das Expeditionskontingent. Als die Vorstellungen vorüber waren, sagte Carlton: »Bitte nehmen Sie Platz. Es wird gleich Kaffee gebracht …«

»Sie haben Kaffee!«, rief Hilary ungläubig.

»Ja, natürlich. Könnte ohne nicht arbeiten.«

»Mit unseren gefriergetrockneten Vorräten war etwas nicht in Ordnung. Der Kaffee ist uns vor einem Monat ausgegangen.«

»Ich lasse Ihnen etwas hinüberbringen.«

»Würden Sie das tun? Ich wäre Ihnen wirklich sehr dankbar.«

»Lassen Sie uns nun mit der Arbeit anfangen. Mr. Thorpe, ich möchte, dass unsere Bohrer so bald wie möglich zum Einsatz kommen. Uns liegen natürlich die vorläufigen Karten vor. Gibt es etwas, das Sie dazu anmerken möchten?«

»Da ich nicht weiß, was man Ihnen gesagt hat, warum beginnen wir nicht am Anfang? Professor Chen ist unser Experte für die Entstehung der Kometen. Er wird berichten, was wir während unseres Aufenthalts hier herausgefunden haben. Unser Geologe, Leon Albright, wird ihn dabei unterstützen.«

Chen Ling Tsu entrollte die große topografische Übersichtskarte, die während der letzten Monate sein persönliches Anliegen gewesen war. Sie zeigte den Ground-Zero-Krater und seine Umgebung, sowie die zahlreichen Störungssysteme darunter. Auf der Karte waren zweiundzwanzig schwarze Kreuze. Neben jedem befand sich eine rätselhafte Anmerkung.

»Dies ist unsere Hauptkarte von diesem Gebiet. Wir haben sowohl die Oberflächenstrukturen wie auch das Störungssystem bis zu einer Tiefe von zwanzig Kilometern kartografisch erfasst. Die tektonische Aktivität des Kerns hat uns hierbei geholfen. Die andauernden Beben vermitteln uns ein ausgezeichnetes Bild dessen, was unter der Oberfläche verborgen ist.«

Chen deutete mit einer weit ausholenden Geste auf die Karte. »Was Sie hier sehen, ist der Schnappschuss eines Kataklysmus, der sich vor einer Milliarde Jahre zugetragen hat. Durch ihn wäre dieser Himmelskörper beinahe geborsten. Wir beabsichtigen, diesen Prozess zu vollenden. Die schwarzen Umrisse stellen die Oberflächenstrukturen dar, den Krater und das umgebende Spaltensystem. Die mehrfarbigen Linien kennzeichnen unterirdische Strukturen. Jede Höhenlinie repräsentiert einen Niveauunterschied von fünfhundert Metern. Beachten Sie, dass der Krater im Grunde ein großer, konischer Zapfen ist und genau genommen kein Teil der eigentlichen Asteroidenmasse. Wir werden diesen Zapfen in den Weltraum sprengen.«

»Und diese schwarzen Kreuze?«, fragte Carlton.

»Das sind die empfohlenen Bohrstellen«, antwortete Chen. »Die Anmerkungen geben die Tiefe der Bohrung und den Winkel an. Wir haben versucht, die Schwachpunkte des Störungssystems herauszupicken, außerdem die Orte, an denen mehrere Verwerfungen zusammentreffen. Die Bohrtiefen variieren zwischen drei und siebzehn Kilometern.«

Die Monteure vertieften sich in die Karte und stellten Fragen. Während Professor Chen sie beantwortete, kritzelten sie auf ihre elektronischen Notizbücher. Nach einer halben Stunde blickte Amos Carlton auf die Karte hinunter und sagte: »Das sieht alles ausgesprochen einfach aus. Beinahe zu schön, um wahr zu sein. Was haben Sie uns verschwiegen?«

Leon Albright räusperte sich. »Wir haben einige Bedenken, was die Festigkeit der Kruste betrifft. Wie Sie erkennen können, ist sie durch die Wucht des ursprünglichen Aufpralls vollkommen zerbrochen. Um einen ausreichend großen Brocken abzuspalten, ist große Sorgfalt bei der Platzierung unserer Sprengladungen geboten. Jegliche Explosionsenergie, die an die Oberfläche dringt, wird verschwendet sein.«

»Vielleicht sollten wir dann lieber irgendwo anders bohren.«

Professor Chen schüttelte den Kopf. »Das wäre zwecklos. Wir brauchen das Störungssystem, um den Dampf unter den Krater zu leiten. Wir brauchen ein großes Druckpolster, um den Krater in einem Stück herauszuschleudern. Glauben Sie mir, Mr. Carlton, wir analysieren dieses Problem jetzt seit vielen Monaten. Die hier ausgewiesenen Punkte sind die stabilsten, durch die wir noch Zugang zum Störungssystem bekommen.«

Walter Wassilowitsch deutete auf eine Ansammlung von Kreuzen. »Wir werden mit diesen Tiefbohrungen im Westen beginnen. Dafür brauchen wir die meiste Zeit.«

»Einverstanden«, antwortete Carlton.

»Wie lange wird es dauern, um diese zweiundzwanzig Bohrungen durchzuführen?«

Carlton überflog die Karte und bewegte die Lippen, als er die verschiedenen Bohrtiefen addierte. »Zwei Monate bis zum Abschluss der Bohrungen, solange wir nicht auf ungünstige Bodenverhältnisse stoßen, zwei Wochen für den Abbau, und dann noch eine Woche, um die Sprengladungen anzubringen und die Bohrlöcher zu verschließen. Sagen wir, drei Monate bis zum ersten Schuss.«

»Lassen sich Ihre Schiffe so schnell wiederbetanken?«

Carlton zuckte mit den Achseln. »Nicht mein Gebiet, fürchte ich. Da müssen Sie sich schon an die Blauen wenden. Ich kann Ihnen lediglich sagen, dass die Destillationsund Crackeinheiten bereits aufgebaut werden.«

»Wir haben die Admiral Farragut so gut wie fertigbetankt«, sagte Stormgaard. »In einer Woche können wir unsere Wasserstoffcrackanlage einsetzen, um Ihren Ausstoß zu vergrößern.«

»Ausgezeichnet. Regeln Sie das mit Kapitän Palanquin. Er kommandiert die Flotte. Noch weitere Fragen? Wenn nicht, dann machen wir uns an die Arbeit. Wir haben eine Menge vor, und es bleibt uns nur sehr wenig Zeit!«


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