20


John Malvan schwebte in die Messe der Admiral Farragut und schwang sich zur Essensausgabe, wo er Kaffee, Toast und Orangensaft wählte. Das Gerät spuckte ein verschweißtes Frühstückspäckchen aus, das er sich unter seinen rechten Armstumpf klemmte. Als er sich umdrehte, entdeckte er, dass ihn Hilary Dorcester von der anderen Seite des Raumes aus beobachtete.

»Du bist der erste Mensch, den ich lächeln sehe, seit wir die schlimmen Neuigkeiten erfahren habe«, sagte er. »Was ist denn so lustig?«

»Nichts ist lustig«, erwiderte sie. »Ich habe nur beobachtet, wie du mit der Schwerelosigkeit zurechtkommst. Ich bin immer noch so unbeholfen wie ein neugeborenes Baby.«

»Gestern Abend warst du nicht unbeholfen«, sagte er.

»Wie galant von Ihnen, das zu erwähnen, Sir! Aber ich frage mich doch, ob ich jemals so gut zurechtkommen werde wie du.«

Er zuckte mit den Achseln. »Das ist alles nur eine Frage der Technik. Du kapierst es schon noch.«

»Glaubst du wirklich?«

»Jeder kapiert es irgendwann«, sagte er, befestigte sein Frühstückspaket am Tisch und löste den Kaffeebeutel aus seinem Fach. Er nahm einen langen, langsamen Schluck von der schwarzen Flüssigkeit und seufzte. »Das ist genau das, was ich am Morgen brauche! Ohne meinen Kaffee kann ich mich nicht einmal dem Enthaaren stellen, geschweige denn dem Ende der Welt.«

»Irgendwas Neues von der Erde? Hat man wenigstens unsere Warnung bestätigt?«

»Noch nicht. Im Vertrauen, ich glaube, man hat die Daten decodiert, sich gesagt, dass wir hier oben alle sturzbesoffen sind, und alles wieder vergessen.«

»Glaubst du das wirklich?«

Malvan war über die Intensität ihrer Frage überrascht. Er grinste. »Nein, selbstverständlich nicht! Lass ihnen Zeit! Es muss schwierig sein, alles zu organisieren, ohne eine öffentliche Panik auszulösen.«

»Diese Heimlichtuerei ist grundfalsch!«, zischte Hilary. »Wir sollten die Neuigkeiten in die ganze Welt hinausschreien.«

Malvan schüttelte den Kopf. »Sorry, aber das ist genau das, was wir nicht tun sollten.«

»Wenn der Komet wirklich die Erde treffen sollte, haben die Menschen dort ein Recht darauf, Bescheid zu wissen. Sie sollten an den bevorstehenden Entscheidungen beteiligt sein.«

»Weshalb?«

»Weil ihr Leben auf dem Spiel steht!«

Malvan seufzte. »Hast du jemals einen Ansturm auf eine Bank erlebt, Hilary?«

»Wie denn? Es ist fünfzig Jahre her, dass die letzte Bank zusammengebrochen ist.«

»Auf der Erde vielleicht. Auf dem Mond passiert das noch immer mit deprimierender Regelmäßigkeit. Das Institut, an das ich dabei denke, war eine regionale Sparkasse. Irgendwie entstand das Gerücht, der Direktor habe stark in ein Tunnelprojekt investiert, bei dem es zu einer Explosion und starkem Luftverlust gekommen war. Das Gerücht stimmte nicht. Die Bank hatte nur eine geringe Beteiligung an dem Tunnel. Es machte keinen Unterschied. Innerhalb einer halben Stunde mussten sie ihren Computer abstellen, weil verängstigte Anleger ihre Rücklagen auf null gebracht hatten. Niemand hat ihnen je wieder vertraut. Die Bank ging ein, und der Direktor brachte sich um.«

»Was hat das damit zu tun, dass der Komet mit der Erde zusammenstößt?«

»In der Panik verhalten sich die Menschen unvernünftig. Wenn sie schon bei der Aussicht, ihr Geld zu verlieren, außer sich geraten, was glaubst du, wird passieren, wenn man das Ende der Welt ankündigt?«

»Du willst damit doch wohl nicht sagen, dass sie es nie erfahren sollen?«

»Sie werden es erfahren. Aber die Stimmung der Öffentlichkeit muss behutsam darauf vorbereitet werden. Sie muss sich in der richtigen Geistesverfassung befinden, wenn eine Panik vermieden werden soll. Das erfordert Zeit und vorsichtige Vorbereitung. Das Mindeste ist, dass die Bereitschaftspolizei vorher mobilisiert wird und nicht nachher.«

Hilary öffnete den Mund, um zu antworten, dann schloss sie ihn wieder, als der Lautsprecher an der Decke zum Leben erwachte.

»Achtung, an alle! In fünfzehn Minuten im Sturmbunker versammeln. Ich wiederhole, in fünfzehn Minuten im Sturmbunker!«

»Nun«, sagte Malvan mit einem Grinsen, »ich würde sagen, die Erde hat sich nun doch gemeldet.«


Amber Hastings fand bei ihrem Eintreten den Schutzraum bereits voller Menschen vor. Sie bahnte sich vorsichtig einen Weg zu ihrem gewohnten Platz auf ihrem Schlaftank und ging ihre Notizen durch, während die anderen allmählich zur Ruhe kamen. Die Luke zum Kontrollraum ging auf, und Kapitän Olafson schwebte herein, dicht gefolgt von Thorpe.

»Alle versammelt?«, fragte Karin Olafson, während sie sich an einer Verstrebung abbremste. Es entstand eine kleine Pause, während der sie die Köpfe zählte. »In Ordnung, fangen wir an. Vor einer Stunde wurde uns vom hefkoordinator des Systemrates ein langes Kommuniqué übermittelt. Sie bilden eine Arbeitsgruppe zur Koordination sämtlicher Aktivitäten bezüglich des Kometen. Von jetzt an arbeiten wir mit unserem Interplanetarischen Raumfrachter für sie. Unsere neuen Anweisungen waren dem Kommuniqué beigefügt. Hören Sie zu!«

Sie holte eine Kopie der Nachricht aus ihrer Tasche und begann vorzulesen:


DATUM:

20. Januar 2086

AN:

Kapitän Karin Olafson, IRF Admiral Farragut; Thomas Thorpe, Expeditionsleiter

VON:

Constance Forbin, Chefkoordinator, System rat


BETRIFFT: Revidierte Einsatzbefehle


1.0

In Übereinstimmung mit der Notfallverordnung für den Weltraum aus dem Jahre 2056, im Jahre 2073 ergänzt durch den Vertrag von Mexico City, wird der IRF Admiral Farragut hiermit der Autorität des Systemrates unterstellt. Sie sind verpflichtet, alle ge-setzlichen, von diesem Büro und der Arbeitsgruppe des Rates Nr. 7490 an Sie ergehenden Anweisungen auszuführen.

2.0

Alle früheren Verträge, Vereinbarungen oder Ab sprachen zwischen der Admiral Farragut, ihren Be sitzern, den Passagieren und der Besatzung, der Si erra Corporation und der Republik Luna sind null und nichtig.

3.0

Sie werden aufgefordert, sich schnellstmöglich zum Kern des Kometen Hastings zu begeben. Sie werden en Kern vom Raum aus untersuchen und Ihre Be obachtungen weitermelden. Sie werden die Landung nur auf Anweisung hin durchführen und nur, wenn Sie dies für gefahrlos halten.

4.0

Sie werden Position und Geschwindigkeit des Kerns während der Annäherung überwachen. Sie werden Daten sammeln, mit denen die Orbitalparameter des Kometen weiter verfeinert werden können.

5.0

Sie werden unmittelbare Untersuchungen des Gelän des und der inneren Zusammensetzung durchfüh ren und alle diesbezüglichen Daten an AGR-7490 übermitteln.

6.0

Sie werden alle Anstrengungen unterstützen, die zur Orbitalmodifizierung als notwendig erachtet werden, um die Sicherheit der Erde zu gewährleis ten.

7.0

Klassifizieren Sie alle Informationen bezüglich des Kometen Hastings als STRENG GEHEIM und über mitteln Sie solche Informationen nur, wenn die Sicherheit gewährleistet ist. Jede Weitergabe von Informationen hinsichtlich Ihrer Arbeit an die Öf

fentlichkeit ist untersagt. Die Koordination erfolgt ausschließlich durch diese Abteilung.

8.0

Viel Glück, Admiral Farragut. Wir verlassen uns auf Sie!

Constance Forbin

Chefkoordinator

Systemrat


Kapitän Olafson blickte auf, als sie mit dem Vorlesen fertig war. »Wir haben den Kometenkern langsam angesteuert, damit wir Treibstoff sparen. Das wird sich jetzt ändern. In genau einer halben Stunde wird das Schiff zwanzig Minuten lang mit einem halben g beschleunigen. Wir werden den Kern in fünf Tagen erreicht haben und mit den Oberflähenbeobachtungen beginnen, sobald wir uns in Beobachtungsweite befinden. Gibt es irgendwelche Fragen oder Einwände zu den Anweisungen, die ich Ihnen soeben vorgelesen habe?«

»Was soll denn der Quatsch, dass alle Verträge zwischen uns und der Sierra Corporation null und nichtig sind?«, fragte Bradford Goff, der Spezialist der Expedition für Schwergerät. »Die wollen uns doch wohl nicht erzählen, dass unsere Arbeitsverträge aufgehoben sind!«

Tom Thorpe schüttelte den Kopf. Er hatte sich neben dem Kapitän verankert und die Reaktionen der anderen beobachtet, während Olafson die Anweisungen vorgelesen hatte. »Den Befehlen war eine Nachricht von Mr. Smith beigefügt. Er bekräftigt, dass die Leitung der Expedition an den Systemrat übergegangen ist. Er hat jedoch ebenfalls betont, dass Ihre jeweiligen Verträge voll erfüllt werden.«

»Was ist mit dieser ›Orbitalmodifizierung‹, bei der wir behilflich sein sollen?«, fragte jemand. »Was meinen die überhaupt damit?«

Kapitän Olafson wandte sich an Professor Barnard. »Ist die astronomische Abteilung darauf vorbereitet, diese Frage zu beantworten?«

Barnard deutete in die Richtung, wo seine Assistentin auf dem Schlaftank thronte. »Amber hat sich mit diesen Möglichkeiten befasst. Bitte lassen Sie es sich erklären.«

Amber blickte von ihren Notizen auf und fand alle Augen auf sich gerichtet. Sie hatte genügend Zeit gehabt, ein paar einfache Berechnungen durchzuführen, und war mit den Ergebnissen wenig glücklich. Doch die Stimmung an Bord war düster gewesen, seitdem der mögliche Zusammenstoß des Kometen mit der Erde bekanntgeworden war. Amber entschlos sich, die Lage im bestmöglichen Licht erscheinen zu lassen. Sie räusperte sich und begann mit so viel Zuversicht zu sprechen, wie sie eben aufbringen konnte.

»Ich nehme an, die Erde erscheint den meisten, die auf ihr leben, als ein ziemlich großer Ort«, begann sie. »Ich weiß, ich fand ihren Anblick von Nearside aus immer beeindruckend. Doch nach den Maßstäben des Sonnensystems ist sie in Wirklichkeit ziemlich klein. Die Erde hat einen Äquatorialdurchmesser von lediglich 12.756 Kilometern. Das ist knapp ein Elftel des Jupiterdurchmessers und ein Hundertstel des Durchmessers der Sonne. Die Erde umkreist die Sonne mit einer Geschwindigkeit von 29,8 Kilometern pro Sekunde. Dividiert man den Planetendurchmesser durch seine Geschwindigkeit, dann ergibt sich, dass die Erde alle sieben Minuten ihren Durchmesser zurücklegt. Anders ausgedrückt, sie ist ein kleines, sich schnell bewegendes Ziel.

Wie jedermann, der im Raum gereist ist, weiß, vermeidet man eine Kollision dadurch, dass man die Flugbahn eines der beiden kollidierenden Körper ändert. Die Modifizierung einer Flugbahn erfordert Energie proportional zur erforderlichen Impulsänderung. Der Impuls hängt selbstverständlich von der Masse des Objekts und seiner Geschwindigkeit ab. Unglücklicherweise besitzt der Kometenkern eine sehr große Masse. Es wäre kein Problem für uns, die Umlaufbahn des Kometen zu verändern, wenn wir ein paar Jahrzehnte daran arbeiten könnten. Da der Kern auf seiner Umlaufbahn alle sieben Jahre in die Nähe Jupiters kommt, brauchten wir wahrscheinlich überhaupt nichts zu tun. Der gravitationsrelevante Einfluss Jupiters würde die Bahn des Kometen bald vom Erdorbit ablenken. Nein, unser Problem sind die kommenden achtzehn Monate. Selbst wenn wir unsere größten und leistungsfähigsten Antriebsmaschinen einsetzen würden, könnten wir ihn nicht rechtzeitig in eine sichere Umlaufbahn bringen.«

»Dann ist die Erde verloren!«, sagte Hilary Dorchester von ihrem Platz an John Malvans Seite aus.

»Nicht zwangsläufig«, erwiderte Amber. »Wissen Sie, es ist nicht unbedingt notwendig, die Flugbahn des Kometen zu verändern. Wir können auch einfach nur seinen Zeitplan ändern! Das lässt sich viel einfacher bewerkstelligen.«

»Natürlich«, sagte Professor Chen. »Wenn wir den Kometen dazu bringen können, früher am Kollisionspunkt einzutreffen, dann wird es keine Kollision geben!«

»Genau.«

»Wie viel früher?«

»Ausgehend von den vorliegenden Daten«, antwortete Amber, »gehe ich davon aus, dass wir während der nächsten achtzehn Monate drei Minuten gewinnen müssen. Darin ist die perspektivische Verkürzung durch den spitzen Annäherungswinkel des Kerns berücksichtigt.«

»Das klingt gar nicht schlecht«, sagte Chen. »Was bedeutet das in Geschwindigkeit ausgedrückt? Hat jemand einen Rechner dabei?«

»Es läuft auf eine 0,0005%ige Erhöhung der Geschwindigkeit des Kerns hinaus. Wenn wir seine gegenwärtige Geschwindigkeit auch nur um fünf Zentimeter pro Sekunde erhöhen können, wird er die Erde um tausend Kilometer verfehlen.«

Einen Moment lang war es ruhig, dann brach ein Gebrüll los, als ein Dutzend kompetente Stimmen ihre Vorschläge zur Beschleunigung des Kometen machten. Als sie einsah, dass die Aufregung ansteckend war, gab Amber es auf, erklären zu wollen, dass der Zahl, auch wenn sie winzig war, sechzig Billiarden Tonnen eine herkulische Dimension verliehen.


»Amber, warte auf mich!«

Amber hielt an und drehte sich in der Luft mit der ein wenig unbeholfen wirkenden Wende unter Schwerelosigkeit. Tom Thorpe schwebte zu ihr heran.

»Hallo«, sagte sie, als er sie eingeholt hatte.

»Ebenfalls hallo. Wo hast du denn gesteckt? Ich bekomme dich kaum noch zu sehen.«

»Professor Barnard und ich hatten zu tun. Wir überprüfen noch einmal genau unsere ganzen Daten.«

»Immer noch auf der Suche nach einem vergessenen Komma?«

Sie nickte.

»Ihr werdet keins finden, das weißt du doch.«

»Ich weiß. Ich komme einfach nicht über das Gefühl hinweg, dass alles meine Schuld ist.«

»Deine Schuld? Weshalb?«

»Der Komet trägt meinen Namen«, sagte sie mit einer Spur Bitterkeit in der Stimme. »Stell dir die Millionen Menschen vor, die meinen Namen verfluchen werden, wenn sie erst einmal Bescheid wissen. Verdammt, ich habe ihnen doch gesagt, dass ich ihn nicht nach mir benannt haben wollte!«

»Ach komm«, versuchte er sie zu beruhigen. »Niemand wird dir die Schuld daran geben. Wenn das kein Akt Gottes ist, dann hat es nie einen gegeben.«

»Schon mal davon gehört, dass die Überbringer von schlechten Nachrichten hingerichtet wurden?«

Er blickte ihr lange in die Augen. »Das macht dir wirklich zu schaffen, stimmt’s?«

Sie seufzte. »Ein bisschen schon, glaube ich. Ich schlafe nicht mehr gut in letzter Zeit.«

»Hast du mit Dr. Barnard darüber gesprochen?« Amber schüttelte den Kopf. »Sie würde mir doch nur ein Schlafmittel verschreiben. Das brauche ich nicht.«

»Ich hab in meiner Kabine eine Flasche Brandy. Was hältst du davon, wenn wir uns einen Drink genehmigen?«

Zum ersten Mal seit Wochen lachte Amber. »Genau daran dachte ich.«

Sie legten bis zu Thorpes Kabine ein Viertel des Wegs rund um das Habitatmodul der Admiral Farragut zurück. Trotz seiner Stellung als xpeditionsleiter war sein Quartier mit denen aller anderen identisch. Optimiert für die Schwerelosigkeit, gab es darin einen Schreibtisch, zwei Stühle, ein Schlafnetz, eine MediaKonsole und eine Vielzahl von Wandschränken für die persönlichen Habseligkeiten. Eine Luke gegenüber der luftdichten Tür führte zu einem zweiten Raum mit Schwerelosigkeitstoilette, Waschbecken und Schwelo-Dusche.

Amber drückte sich an Thorpe vorbei und hüllte ihn dabei in eine Wolke ihres Parfüms. Sie begab sich zu dem weiter entfernten Stuhl und schnallte sich an. Thorpe schloss die Tür, dann schwebte er zu einem der Schränke an der Decke. Er kehrte mit einer Flasche, zwei Trinkblasen und einer Spritze zurück. Die Flasche stammte offensichtlich von der Erde und besaß nicht die besonderen Vorrichtungen, die für den Umgang mit Flüssigkeiten unter ikrogravitation entwickelt worden waren. Thorpe reichte Amber die Blasen, bevor er die Spritze geschickt durch den Korken einführte und sie mit Flüssigkeit füllte. Dann injizierte er die Flüssigkeit in eine der beiden Blasen und wiederholte den Vorgang mit der anderen. Er verstaute die Flasche und die Spritze, ehe er eine der beiden Blasen annahm.

»Skol!«

Amber lächelte, dann nippte sie vorsichtig an der Blase. Sie genoss das milde Brennen der Flüssigkeit, als sie über ihre Zunge und durch ihre Kehle rann. Ein paar Minuten später fühlte sie sich durch und durch warm. »Der ist hervorragend.«

»Muss er wohl auch sein«, erwiderte er. »Stammt aus Halver Smiths Privatvorräten.«

»Ah, reich müsste man sein!«

»Du bist reich, zumindest aber wohlhabend. Erinnere dich, bei dir sammeln sich allmählich die Vorauszahlungen aus deinen Entdeckerrechten an.«

»Schade, dass ich das Geld nie werde ausgeben können.«

Thorpe runzelte die Stirn, dann befestigte er seine Trinkblase umständlich am nahegelegenen stählernen Schott. Der magnetische Boden der Blase hielt sie an ihrem Platz. »Vielleicht sollten wir darüber reden.«

»Worüber?«

»Was dir Kummer macht. Ich vermute, du hast ausgerechnet, wie viel Energie erforderlich ist, um einen Fünfhundert-Kilometer-Ball aus Eis mit fünf Zentimetern pro Sekunde zu beschleunigen.«

»Woher weißt du das?«

»Asteroiden zu bewegen ist mein Job, erinnerst du dich? Wie schlecht steht es?«

»Schlecht«, antwortete sie. »Keiner scheint daran zu denken, dass die Masse des Kerns sechzig Billiarden Tonnen beträgt. Das ist ein Zwanzigstel der Masse des Wassers in allen Meeren der Erde

»Eine ganze Menge«, stimmte er zu. »Also wie schwer wird es sein, dieses Klümpchen zu beschleunigen?«

»Ich schätze, dass dafür etwa 125 Milliarden Tonnen Brennstoff und eine Vierteltonne Antimaterie nötig sind.«

»Und darüber hast du dir Sorgen gemacht?«

Sie nippte an ihrer Blase, dann nickte sie. »Du weißt doch, dass es ein gutes Jahr braucht, bis die Menschheit auch nur fünfundzwanzig Kilo Antimaterie hergestellt hat. Wie sollen wir da zweihundertfünfzig in den nächsten Monaten zusammenbekommen?«

»Mach dir deswegen keine Sorgen. Das ist nicht unser Problem.«

»Nicht unser Problem!«

»Genau das meine ich. Unsere Aufgabe ist es, den Kern zu untersuchen und unsere Erkenntnisse an die Erde weiterzumelden. Wie man die Kollision vermeidet, müssen andere herausfinden. Wenn wir versuchen, ihren Job zusätzlich zu unserem zu übernehmen, dann werden wir keinen von beiden gut erledigen. Das ist eine Situation, wo man sich auf das Nächstliegende konzentrieren und hoffen muss, dass die anderen das Gleiche tun.«

»Dann schlägst du also vor, ich soll vergessen, was ich weiß?«

»Vergiss es nicht. Aber lass dich auch nicht davon auffressen. Du bist für die Erde gerade jetzt von vitaler Bedeutung. Wir alle sind das. Wenn du mir nicht glaubst, dann denk nur mal daran, wie hilflos du dich jetzt im Farside-Observatorium fühlen würdest. Wir sind die Augen und Ohren der Menschheit. Wir melden weiter, was wir zu sehen bekommen, wenn wir den Kern erreicht haben. Alles andere ist im Moment nebensächlich.«

»Aber was ist, wenn sie den Kern nicht schneller machen können?«

Er zuckte mit den Achseln und löste die Blase umständlich vom Schott. »In diesem Fall essen wir, trinken wir und freuen uns des Lebens. Solange es geht.«


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