Kapitel 17

Zwischenspiel: Herbst

Kvothe hieß den Chronisten mit einer Handbewegung innehalten und wandte sich mit gerunzelter Stirn an seinen Schüler. »Hör auf, mich so anzusehen, Bast.«

Bast war den Tränen nah. »Oh, Reshi«, sagte er mit tief bewegter Stimme. »Ich hatte ja keine Ahnung …«

Kvothe durchschnitt mit der Handkante die Luft. »Es gibt keinen Grund, warum du davon wissen solltest, und es gibt auch keinen Grund, jetzt viel darüber zu reden.«

»Aber Reshi …«

Kvothe warf seinem Schüler einen strengen Blick zu. »Was, Bast? Soll ich jetzt heulen und mir die Haare raufen? Tehlu und seine Engel verfluchen? Mich vor die Brust schlagen? Nein. Das wäre theatralisches Getue.« Seine Miene wurde ein wenig weicher. »Ich weiß zu schätzen, dass es dir so nahe geht, aber es ist nur ein Teil der Geschichte, und noch nicht einmal der schlimmste, und ich erzähle das nicht, um Mitleid zu heischen.«

Kvothe erhob sich von seinem Stuhl. »Und außerdem geschah das alles vor langer Zeit.« Er machte eine abweisende Handbewegung. »Und die Zeit heilt alle Wunden.«

Er rieb sich die Hände. »Jetzt werde ich mal Holz für einen langen Abend hereinholen. Wenn ich mich nicht täusche, wird es heute kühl. Du könntest ein paar Brote backfertig machen, während ich draußen bin. Und reiß dich bitte zusammen. Ich erzähle nicht weiter, wenn du mich die ganze Zeit mit Tränen in den Augen anstarrst.«

Mit diesen Worten ging Kvothe hinter den Tresen und dann durch die Küche zum Hinterausgang des Wirtshauses.

Bast rieb sich die Augen und sah seinem Meister nach. »Solange er etwas zu tun hat, geht es ihm gut«, sagte er leise.

»Wie bitte?«, fragte der Chronist. Er rutschte beklommen auf seinem Sitz hin und her, so als ob er eigentlich aufstehen wollte, ihm aber kein höflich erscheinender Vorwand dafür einfiele.

Bast warf ihm ein herzliches Lächeln zu. Seine Augen waren nun wieder menschlich blau. »Ich war so aufgeregt, als ich erfuhr, wer Ihr seid, und dass er seine Geschichte erzählen würde. Er war in letzter Zeit in so finsterer Stimmung, und es ist unmöglich, ihn aufzuheitern, wenn er immer nur dasitzt und vor sich hin brütet. Jetzt wird er sich bestimmt auch an die schönen Zeiten erinnern …« Bast verzog das Gesicht. »Ich rede wirres Zeug. Das von vorhin tut mir Leid. Ich war nicht ganz bei Sinnen.«

»N-n-nein«, stotterte der Chronist. »Ich bin es, der – es war meine Schuld, es tut mir Leid.«

Bast schüttelte den Kopf. »Ihr wart nur überrascht, und Ihr habt nur versucht, mich zu binden«, sagte er mit leicht gequälter Miene. »Nicht dass es angenehm gewesen wäre – das nun beileibe nicht. Es fühlt sich an wie ein Tritt in die Eier – bloß am ganzen Körper. Es wird einem schlecht, und man fühlt sich schwach, aber das ist nur der Schmerz. Es ist ja nicht so, dass Ihr mich tatsächlich verwundet hättet.« Bast blickte verlegen. »Ich aber hätte Euch mehr als nur wehgetan. Ich hätte Euch auf der Stelle umgebracht.«

Bevor sich ein peinliches Schweigen einstellen konnte, erwiderte der Chronist: »Einigen wir uns auf das, was er gesagt hat, dass wir nämlich beide mit Blödheit geschlagen waren.« Der Chronist rang sich ein mattes Lächeln ab, das trotz der Umstände von Herzen kam. »Friede?« Er streckte die Hand aus.

»Friede.« Sie schüttelten einander die Hand, mit weit größerer Herzlichkeit als zuvor. Als Bast über den Tisch griff, rutschte sein Ärmel zurück und entblößte einen Bluterguss an seinem Handgelenk.

Verlegen zupfte er den Ärmel wieder zurecht. »Als er mich gepackt hat«, sagte er schnell. »Man sieht ihm gar nicht an, wie stark er ist. Aber sagt ihm nichts davon. Er würde sich nur Vorwürfe machen.«

Kvothe schloss die Haustür hinter sich. Er sah sich um und schien erstaunt, dass es ein Herbstnachmittag war, und nicht der Frühlingsabend seiner Geschichte. Er nahm eine Schubkarre und schob sie in den Wald hinter dem Wirtshaus, und seine Schuhe schlurften durchs Laub.

Ganz in der Nähe befand sich der Holzvorrat für den Winter. Klafter um Klafter Eichen- und Eschenholz waren zwischen Baumstämmen zu windschiefen Mauern aufgeschichtet. Kvothe warf zwei Scheite in die Karre, und es klang wie gedämpfter Trommelschlag. Weitere Scheite folgten. Seine Bewegungen waren präzise, seine Miene ausdruckslos, sein Blick in weite Ferne gerichtet.

Doch während er weiter die Karre belud, wurde er immer langsamer, wie eine Maschine, die an Schwung verliert. Schließlich hielt er inne und stand eine Minute lang wie versteinert da. Erst dann verlor er die Beherrschung. Und obwohl ihn dort niemand sehen konnte, verbarg er das Gesicht in den Händen und weinte leise, sein ganzer Körper von stummem Schluchzen geschüttelt.

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