Einunddreißig

Dean war sich nicht sicher, wo der Punkt gewesen war, an dem sie begonnen hatten, die Schlacht zu verlieren, oder ob sie sie jemals hätten gewinnen können. Aber ab dem Zeitpunkt, als er mit ansah, wie die erste Welle der uniformierten Dämonen auf den Parkplatz brandete und sowohl Cops als auch Rollenspieler mit tödlicher Genauigkeit traf, stand der Ausgang für ihn nicht mehr in Zweifel.

McClane lag immer noch vor ihm auf dem Pflaster und lachte.

„Gefällt dir das?“, fragte Sheriff Daniels und blickte ihm direkt in sein zerschundenes Gesicht. „Vielleicht möchtest du noch einen Nachschlag, du seelenloses Schwein?“

McClane konnte nicht antworten. Er lag nur kichernd da, während ein hysterisches Grinsen seine blutverschmierten Mundwinkel verzerrte. Er hatte fast gar keine Zähne mehr im Mund, und die übrig gebliebenen standen wie Grabsteine in einer Tornadozone kreuz und quer durcheinander. Seine schwarzen Augen zuckten hin und her und schienen gleichzeitig in alle Richtungen zu blicken … überallhin, außer auf Sheriff Daniels, die sich über ihn beugte und die Innenseite ihres Handgelenks vor sein Gesicht hielt.

Dean betrachtete das Santeria-Tattoo, insbesondere den inneren Kreis mit den Zahlen. Man kann nicht sagen, dass das Zeichen glühte, aber von ihm ging ein gewisses Leuchten aus, als ob die Linien sich von innen aufheizten. Dean erinnerte es an diese alten Radium-Armbanduhren, die Sorte, über die gemunkelt wurde, dass sie Krebs auslöste.

„Hey, Sheriff, was …?“, begann Dean.

„Ruhe!“, schnauzte Sheriff Daniels ihn an und ließ ihre Aufmerksamkeit keine Sekunde von McClane abgleiten. „Ich werde dich jetzt noch einmal fragen: Wo ist die Schlinge?

McClane grinste noch breiter, wobei er die Überreste seiner Zähne zusammenpresste. Die Sehnen an seinem Kiefer traten hervor.

„Ich habe sie aufgeschnitten. In Stücke geschnitten. Und in alle Winde zerstreut.“

„Du lügst.“ Sie beugte sich noch tiefer herunter und zog McClanes Augenlid zurück, sodass die gesamte Lederhaut entblößt war.

„Halten Sie ihn fest!“, sagte sie zu Dean. „Drücken Sie ihn auf den Boden!“

„Was?“, fragte Dean. „Sind wir auf einmal dicke Freunde?“

„Wenn Ihre Definition von Freund jemand ist, der Ihnen den Arsch rettet“, sagte Daniels, „dann sind wir das. Ich verstehe immer noch nicht, wer zur Hölle Sie eigentlich sind. Aber im Augenblick bin ich Ihre letzte Hoffnung.“

„Was Sie nicht sagen!“, konterte Dean. „Sorry, Sheriff, ich suche mein Glück lieber anderswo.“

„Sie müssen mir nicht vertrauen. Machen Sie nur, was ich sage! Ich erkläre es später. In Ordnung?“

„Tun, was Sie sagen? Das ist Ihre Masche?“ Dean starrte sie ungläubig an. „Scheiß auf Sie, Lady!“

Er kroch weg, langsam, aber er bewegte sich.

Der Boden war mit zerbrochenem Glas, Zweigen und Trümmern bedeckt. Er stieß gegen etwas, und bevor er wusste, was passierte, griff ihn jemand beim Arm und zog ihn mit sanfter Gewalt zurück auf die Beine. Er fühlte sich ein bisschen wackelig, aber als er sah, wer ihm geholfen hatte, ging es ihm gleich besser.

„Cass“, sagte Dean. „Schön, dass du jetzt ins Spiel einsteigst.“

Castiel nickte.

„Ich habe das hier für dich mitgebracht“, sagte er und zeigte Dean das Dämonenmesser. Er blickte sich nach Sheriff Daniels um, die immer noch versuchte, McClane festzuhalten, und spürte die Hand des Engels auf seiner Schulter.

„Sie hat recht, Dean.“

„Was?“

„Sheriff Daniels. Sie und ihre Familie hüten ein heiliges Geheimnis – sie sind seit Generationen die Wächter der Schlinge.“

„Sieh mal, Cass, du bist anscheinend noch ziemlich geknickt, weil Sam deinen Zeugen ausgeknipst hat, aber …“

„Das tut jetzt nichts zur Sache.“ Castiel verstärkte den Druck auf Deans Schulter erheblich, es war beinahe schmerzhaft. „Meine Prioritäten haben sich geändert.“

Dann löste sich der Engel in Luft auf.

Seufzend steckte Dean das Messer zurück in seinen Gürtel und ging wieder zu McClane und dem Sheriff zurück. Sie blickte ihn überrascht an.

„Meinung geändert?“

„Ich will nicht darüber reden.“ Er ging neben McClane in die Hocke und benutzte seinen unverletzten Arm, um Oberkörper und Schultern des Dämons flach auf den Asphalt zu drücken. Sheriff Daniels beugte sich über McClanes weit geöffnetes Auge. Sie war Dean so nahe, dass er ihr Shampoo riechen konnte. Dann winkelte sie ihre Hand an und presste ihr Tattoo direkt gegen McClanes Augapfel. Dean hörte ein schwaches Zischen, wie von einem Brandeisen, das sich in die Haut eines Pferdes brennt. McClane schrie und schlug mit den Armen.

„ Wo ist sie?“, brüllte Daniels den Dämon durch seine Schreie hindurch an. „Wo ist die siebte Windung?“

Sie drückte ihre Hand noch eine weitere Sekunde auf sein Auge und zog sie dann weg. Unter ihr keuchte und wütete McClane. Als der Dämon ihn ansah, konnte Dean den schwachen Abdruck der Tätowierung sehen, die sich in die glasige Oberfläche seines schwarzen Augapfels gebrannt hatte. Es sah aus wie eine winzige, komplizierte Blaupause. McClane rannen rötlich schwarze Tränen aus den Augenwinkeln.

„… verloren …“, stieß er mühsam hervor. „… hab sie irgendwo fallen lassen …“ Er brachte ein weiteres Grinsen zustande, dem ein mühsames, wässriges Lachen folgte. „Aber egal … du hast verloren … blöde Kuh!“

Er saugte seine Wangen nach innen, und irgendwo aus den Tiefen seines Halses kam ein rasselndes Geräusch.

„Passen Sie auf!“, sagte Dean. „Ich glaube, er will …“

Der Dämon spuckte einen dicken Pfropfen schleimiges Blut – direkt ins Gesicht des Sheriffs. Daniels zuckte nicht einmal zusammen und wischte sich einfach nur die Spucke von der Wange. Dabei änderte sich ihr Gesichtsausdruck kein bisschen. Als sie wieder sprach, klang ihre Stimme kalt wie Eis.

„Das war’s“, sagte sie. „Jetzt brenne ich dir die Augen aus dem Schädel.“

Sie hörten ein lautes Wiehern in der Nähe, Hufe, die auf Metall schlugen, und Dean blickte auf. Zwei schwarzäugige konföderierte Dämonen trieben ihre Pferde über die Dächer der Streifenwagen. Einer trug eine brennende Rebellenfahne in der Hand. Als er Dean und den Sheriff sah, winkelte er den Arm mit der Fahnenstange an, und schleuderte sie wie einen Speer in Richtung von Sheriff Daniels. Dean sprang auf, schnappte Daniels und warf sie rücklings auf den Boden – Augenblicke, bevor die Fahnenstange genau dort in den Asphalt einschlug, wo der Sheriff eben noch gehockt hatte.

Daniels blickte Dean überrascht und völlig geschockt an. An der Seite ihrer Nase klebte immer noch verschmiertes Dämonenblut.

„Idiot!“

„Gern geschehen“, antwortete Dean.

Der Sheriff zeigte auf die Blutlache, die an der Stelle war, wo McClane gelegen hatte.

„Er ist abgehauen.“

„Sie schulden mir immer noch eine mordsmäßige Erklärung.“

Daniels war kurz vor dem Überkochen.

„Sie auch. Gehen Sie endlich runter von mir!“

Weiteres Hufgeklapper erfüllte die Luft, und beide blickten sich um. Die nächste Welle Dämonen brandete über den Parkplatz.

„Wir haben keine Zeit“, sagte Dean und quälte sich auf die Beine. Er schaute sich den nächstbesten Streifenwagen an. Sein Dach war teilweise verbeult, Scheinwerfer und Windschutzscheibe demoliert, aber die Lautsprecher auf beiden Seiten sahen unbeschädigt aus.

Er ging auf das Auto zu, öffnete die Tür und setzte sich auf den Beifahrersitz.

„Warten Sie!“, rief Daniels. „Was machen Sie denn da?“

„Ich habe eine Idee.“

„Sie können nicht abhauen.“

„Ich will nirgendwohin“, sagte Dean. „Aber mein linker Arm ist verwundet. Sie werden mir beim Steuern helfen müssen.“

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