6.

Während der nächsten vier Tage ritten sie weiter nach Süden, in einem flachen, sanft geschwungenen Bogen der Krümmung des Gebirges folgend, das von Zeit zu Zeit noch immer als mächtiger grauer Schatten im Westen sichtbar war. Skar schätzte die Strecke, die sie zurücklegten, auf etwas mehr als hundert Meilen - wenig, bedachte man die Zeit, die sie unterwegs waren, aber viel, setzte man ihren eigenen und den erschöpften Zustand der Pferde in Rechnung. Drei der Tiere starben; eines mußte getötet werden, als der trügerische Glasboden unter seinem Gewicht einbrach und es sich an den messerscharfen Kanten die Fesseln aufriß, die beiden anderen brachen einfach vor Entkräftung unter ihren Reitern zusammen, so daß ihnen nur noch ein Ersatzpferd blieb. Die beiden Sumpfmänner stiegen jetzt von Zeit zu Zeit ab und liefen neben den Tieren her, aber selbst ihre Kräfte ließen nun auch sichtlich nach.

Skar sprach kaum noch mit den anderen, weder mit Gowenna noch mit einem der Sumpfmänner. Irgendwann während des zweiten Tages verfiel er in einen Dämmerzustand zwischen Wachsein und Trance, in dem das Verstreichen der Zeit bedeutungslos wurde und selbst seine Gedanken nach und nach zu erlöschen schienen. Seine gebrochenen Rippen schmerzten kaum noch, und schon am zweiten Abend konnte er den Verband abnehmen und das erste Mal seit Tagen wieder frei durchatmen, ohne das Gefühl zu haben, einen Dolch in die Seite gerammt zu bekommen, und auch das Fieber ging von Nacht zu Nacht zurück. Als verlange das Schicksal einen Preis für das allmähliche Zurückkehren seiner körperlichen Kraft, verwirrten sich aber seine Gedanken mehr und mehr. Es fiel ihm schwer, an irgend etwas anderes als den Augenblick zu denken, und als er am fünften Abend, seit sie von Combat fortgeritten waren, aus dem Sattel stieg, waren seine Bewegungen so fahrig und unkoordiniert, daß er das Gleichgewicht verlor und stürzte, wobei er sich auf dem stahlharten Boden Tuans um ein Haar das Handgelenk gebrochen hätte.

El-tra kommentierte sein Mißgeschick mit einem stummen Kopfschütteln, aber danach blieb einer der Sumpfmänner stets in seiner unmittelbaren Nähe, so, wie der zweite nicht von Gowennas Seite wich.

Die Landschaft, durch die sie ritten, veränderte sich langsam, aber stetig. Als bewegten sie sich nicht nur räumlich, sondern auch in der Zeit zurück, war die Zerstörung, die sich ihren Blicken bot, weiter im Süden nicht mehr ganz so total. Sie ritten noch immer über Glas, das bei jedem Schritt die empfindlichen Fesseln der Pferde wie ein Hammerschlag treffen mußte, aber die Ruinen, zuerst nur einzeln und weit verstreut, nahmen nach und nach an Zahl und Größe zu, und hier und da gewahrten sie flache, geborstene Krater, auf deren Grund Sand und zusammengebackenes Erdreich, manchmal auch geschwärzte, verbogene Trümmer aus Stahl oder Bronze, lagen. Die Gewalt des Höllenfeuers, mit dem die Götter Combat geschlagen hatten, war hier nicht ganz so groß gewesen; der Ring der Vernichtung wurde dünner, je weiter sie nach Süden kamen.

Aber Skar war sich nicht sicher, ob er sich darüber freuen sollte. Sie lagerten weiter im Schutz der Ruinen, aber die niedergebrannten, geschmolzenen Räume waren jetzt nicht mehr leer - nicht immer zumindest -, sondern manchmal voll von schwarzen, geschmolzenen Dingen, deren ursprüngliche Form und Funktion sie nicht erraten konnten.

Combats Feuer schrumpfte jetzt mehr und mehr hinter ihnen zusammen, und manchmal, wenn der Schneesturm besonders heftig tobte, erlosch es ganz. Oder jedenfalls fast ganz.

Da war dieser Lichtpunkt. Ein winziger, flackernder Funke, wie ein Stern, der vom Himmel heruntergekommen war und sich auf ihre Spur gesetzt hatte. Weder El-tra noch sein Bruder oder Gowenna schienen ihn zu bemerken, und Skar erwähnte seine Beobachtung auch kaum. Aber er war trotzdem sicher, sich nicht zu täuschen. Er hatte es am ersten Tag, seit sie aus der brennenden Stadt geflohen waren, bemerkt, und er sah - spürte - es jetzt wieder. Irgend etwas folgte ihnen. Combat würde den Diebstahl seines Schatzes nicht ungesühnt lassen. Der Wächter hatte sich auf ihre Fährte gesetzt, und so wie Velas Staubdrachen eine Spur nie wieder losließ, bis er sein Opfer geschlagen hatte, würde auch er nicht von ihrer Fährte weichen, bis der Stein entweder wieder dort war, wo er seit Äonen geruht hatte oder die Diebe ihre Strafe erfahren hatten.

Gegen Abend des sechsten Tages tauchte ein Schatten vor ihnen am Horizont auf, ein dünner, flackernder grauer Strich, gezogen mit mathematischer Präzision und, obwohl noch unendlich weit entfernt und nicht deutlicher als ein Haar, das von Zeit zu Zeit hinter den wogenden Schneewirbeln auftauchte, gewaltig, groß. Sie wußten alle, was sie vor sich hatten, aber niemand sprach das Wort laut aus; es war die zweite Legende, auf die sie stießen und die sich als wahr herausstellte, und in jedem - auch in den Sumpfmänner - mochte die Angst sitzen, daß sich auch diesmal die Wirklichkeit als schlimmer und bedrohlicher als der Mythos herausstellte. Die Legende hatte gesagt, daß Combat existierte und von den Göttern verdammt worden war - und Combat hatte existiert und war überdies voller tödlicher Gefahren gewesen, beladen mit einem Fluch, der vier Männern das Leben gekostet hatte und auch noch auf ihnen lastete, sie vielleicht noch treffen würde. Die Legende sagte, daß es die Hellgor gab, eine Schlucht, die bis ins Herz der Erde hinabführte, einen Schacht zur Hölle, unüberwindlich und böse. Was, dachte Skar, wenn auch hier die Realität die Legende übertraf, wenn die Hellgor nicht einfach ein Riß in der Erde, sondern ein Hort der Dämonen, vielleicht der Kräfte, die Tuan dies alles angetan hatten, war?

Er versuchte den Gedanken zu verscheuchen, aber es ging nicht. Der Gedanke war einmal erwacht und hatte sich wie eine schleichende Krankheit in seinem Inneren eingenistet, und selbst wenn es ihm gelang, ihn irgendwo tief in sich zu vergraben, so würde er doch bei der ersten sich bietenden Gelegenheit wieder hervorbrechen. Die Seele Tuans war Angst. Und sie hatten gerade erst einen sanften Hauch davon verspürt. Den ganzen Abend und noch bis weit nach Sonnenuntergang ritten sie weiter nach Süden, plötzlich erfüllt von Furcht, aber auch von einem Fieber, das sie weitertrieb, selbst als der schwache Schimmer von Tageslicht, der durch die Sturmwolken Tuans brach, längst erloschen war und ihnen nur noch das schwache Glimmen Combats den Weg erhellte. So trotzten sie dem Tag noch ein paar Stunden ab, um so rasch wie möglich an jener Kluft zu sein, an der sich ihr Schicksal entscheiden würde.

Erst kurz vor Mitternacht hielten sie an, um - vielleicht zum letzten Mal - im Schutz einer hufeisenförmigen, nach Osten offenen Mauer zu rasten und bis Sonnenaufgang zu schlafen. Aber Skar fand keine Ruhe, trotz der bleiernen Müdigkeit, die von ihm Besitz ergriffen hatte. Er schlief ein, wachte jedoch schon nach kurzem wieder auf und warf sich fast eine Stunde unruhig hin und her, ehe er resignierend aufstand, um El-tra bei seiner Nachtwache Gesellschaft zu leisten.

Er war nicht einmal sonderlich überrascht, als er nicht nur beide Sumpfmänner, sondern auch Gowenna vorfand. Auch die anderen mußten es spüren: diese seltsame, knisternde Unruhe, die nicht nur in ihnen, sondern wie ein übler Hauch über dem gesamten Land zu liegen schien; ein schwer zu definierendes Gefühl der Erwartung, als hielte die Schöpfung selbst den Atem an und ducke sich unter der Vorahnung kommenden Unheils.

Unsinn, dachte er wütend. Hier ist nichts. Nur wir.

»Bist du sicher?« fragte Gowenna.

Skar schrak zusammen. Er hatte den letzten Gedanken laut ausgesprochen, ohne es selbst zu merken - ein deutliches Anzeichen dafür, wie erschöpft er war.

»Natürlich«, antwortete er verlegen. »Warum?«

Gowenna hob kaum merklich die Schultern, drehte sich weg und sah lange nach Süden. Der Schatten der Hellgor war mit der Nacht verschmolzen, aber sie mußten sie nicht sehen, um zu wissen, daß sie da war.

»Spürst du es nicht?« flüsterte sie nach einer Weile.

»Was?«

Sie sah ihn an; lächelte. Die Nacht breitete einen Schleier aus barmherzigen Schatten über ihr zerfressenes Gesicht.

»Nichts«, murmelte sie nach einer Weile. »Es ist... nichts. Ich frage mich nur«, fuhr sie nach einer spürbaren Pause mit veränderter Stimme fort, »warum wir nicht weiter reiten. So wie es aussieht, können wir sowieso nicht schlafen.«

»Die Pferde brauchen Ruhe«, wandte El-tra ein. »Wir sollten uns überlegen, ob wir nicht einen oder zwei Tage hierbleiben. Wir werden nicht mehr viel Zeit zum Schlafen und Ruhen haben, wenn wir erst einmal auf der anderen Seite sind.«

Gowenna machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wenn wir auf der anderen Seite das finden, was ich vermute«, sagte sie, »können wir frische Pferde stehlen. Wenn nicht, spielt es keine Rolle mehr, ob wir einen Tag früher oder später zu Fuß gehen müssen. Außerdem haben wir kein Wasser mehr.«

Skar sah instinktiv zu den Packpferden hinüber. Gowenna hatte natürlich recht - sie hatten noch immer genug Fleisch, um eine weitere Woche durchhalten zu können, ohne hungern zu müssen, aber das Wasser würde zu einem Problem werden. Sie hatten keine Quellen gefunden, nur ein paar Brunnen, die aber nichts als gläserne, vielleicht schon vor Jahrtausenden ausgetrocknete Schächte darstellten, auf deren Grund nur Staub und zermahlener Stein lag. El-tra hatte versucht, Schnee zu sammeln und zu schmelzen. Es war nicht gegangen. Sie hatten es vorher nicht gemerkt, durchgefroren und gebeutelt vom Wind, wie sie waren, aber der Boden Tuans war warm. Nicht so warm, daß sie es durch ihre Stiefelsohlen oder die Decken, auf denen sie schliefen, gemerkt hätten, aber warm genug, um den pulverfeinen Schnee zu schmelzen, ehe er eine Decke bilden konnte. Nur hier und da hatten sich in Winkeln kleine Schneeverwehungen gebildet, wo der Sturm die weißen Kristalle rascher herantrug, als sie zu Wasser zerfallen konnten, aber das daraus gewonnene Schmelzwasser hatte sich als ungenießbar erwiesen. Es schmeckte bitter und hinterließ ein pelziges Gefühl auf der Zunge. Nicht einmal die Pferde hatten es getrunken.

»Wir können laufen und die Pferde neben uns hergehen lassen«, schlug Skar vor. »Gowenna hat recht - wir können sowieso nicht schlafen. Und wenn die Müdigkeit zu groß wird, suchen wir uns einen anderen Platz.«

Sein Vorschlag schien El-tra nicht zu begeistern, aber der Sumpfmann wandte sich trotzdem gehorsam um, um ihre Decken und Sättel zu holen, während sein Bruder wortlos zu den Pferden hinüberging.

Gowenna wartete, bis die beiden Schattenmänner außer Hörweite waren.

»Danke«, sagte sie.

Skar sah verwundert auf. »Wofür?«

»Daß du mir zugestimmt hast«, sagte Gowenna mit einem leisen, verzeihenden Lächeln.

»Ich verstehe nicht -«

»Es ist nicht so ganz einfach, auch noch das letzte zu verlieren, dessen man sich sicher glaubte«, fuhr Gowenna fort, ohne auf seinen Einwurf einzugehen. »El-tra und seine Brüder gehören mir seit zehn Jahren. Aber ich sollte vielleicht besser sagen, sie gehörten mir.«

»Gehörten?« wiederholte Skar ungläubig. »Wie meinst du das?«

»So, wie ich es gesagt habe, Skar. Du hast sie für meine Wächter oder Freunde oder sonst etwas gehalten, aber das ist nicht die Wahrheit, obwohl ich dich in dem Glauben ließ. Sie sind mein Eigentum. Das Volk von Cosh hat sie mir geschenkt.« Sie stockte, lächelte und gab ein kleines, schwer zu deutendes Geräusch von sich. »Aber so, wie es aussieht, bist du jetzt ihr Herr.«

»Unsinn«, widersprach Skar. »Ich habe niemals -«

»Du bist ein Teil von ihnen, ob es dir gefällt oder nicht«, fiel ihm Gowenna ins Wort. »Natürlich würden sie dich immer noch in Stücke reißen, wenn ich es ihnen befehlen würde, aber das besagt nichts. Sie gehören dir. Und du hast damit auch die Verantwortung über ihr Leben. Wenn ich ... diesen Ritt nicht überleben sollte, dann gib auf sie acht, ja?« Damit wandte sie sich um und ging zu den Pferden hinüber, ohne ihm Gelegenheit zu weiteren Fragen zu geben.

Zehn Minuten später brachen sie auf. Die Sumpfleute hatten ihr Gepäck - das im Laufe der letzten Tage ohnehin auf das Allernotwendigste zusammengeschrumpft war - gleichmäßig auf die fünf verbleibenden Pferde verteilt, so daß die einzelnen Tiere kaum etwas von dem zusätzlichen Gewicht spürten. Trotzdem waren ihre Schritte schleppend und mühsam, und ihr Atem ging so laut, daß Skar sich einbildete, das Geräusch müsse meilenweit zu hören sein, obwohl der Sturm noch immer mit unverminderter Wucht tobte.

Erneut verlor er das Gefühl für Raum und Zeit. Der Sturm wob sie in einen Mantel von Lärm und Kälte ein, und irgendwo über ihnen, jenseits der kochenden Decke aus grauweißem Chaos, zogen die Sterne unbeeindruckt ihre Bahn, aber Skar selbst schien auf magische Weise aus diesem Verstreichen der Zeit ausgeklammert zu sein, ein Automat, der nicht mehr dachte, nicht mehr fühlte, sondern nur stur und unfähig, von der einzigen Aufgabe, für die er geschaffen war, abzuweichen, einen Fuß vor den anderen setzte. Nach einiger Zeit begann er selbst die Kälte nicht mehr so deutlich zu fühlen; die Schmerzen in seinen Fingern und Zehen sanken zu einem dumpfen, auf ihre Weise beinahe wohltuenden Druck herab, und die Atemzüge waren nicht mehr wie Glas, das seine Kehle zerschnitt. Die Nacht war voller Geräusche, und nicht alle hatten ihre Ursache im Sturm. Er glaubte ein Lachen zu hören, oder wenigstens etwas wie ein Lachen, ein hohes, spöttisches Keckern wie die Laute der Feuerkinder Combats, dann wieder ein dumpfes Poltern, das den Boden unter seinen Füßen unmerklich vibrieren ließ, und von Zeit zu Zeit huschten winzige blaue Elmsfeuer über den Horizont im Süden, blaustrahlende Brüder der Wächter Combats. Vielleicht war es aber auch nur Illusion, die Rache seiner überanstrengten Nerven. Aber er wehrte sich nicht dagegen, gab sich einfach der Müdigkeit und Trance hin und gönnte seinem Geist die Ruhe, die sein Körper nicht annehmen wollte.

Nach einer Ewigkeit, vielleicht aber auch nur nach Augenblicken, riß die Wolkendecke über ihren Köpfen auf, und das erste Grau der Dämmerung schickte schattige Finger über die Ebene. El-tra blieb stehen, hob in einer Bewegung, die nun nicht nur müde wirkte, sondern es auch war, die Hand und deutete nach vorn. Skar trat neben ihn, löste die verkrampften Finger vom Zügel seines Pferdes und blickte in die Richtung, in die der Sumpfmann deutete.

Vor ihnen lag die Hellgor. Und es war keine Schlucht, es war eine Klippe.

Die Lücke in der Wolkendecke schloß sich wieder, aber die Sonne war aufgegangen, und das Licht reichte auch so dazu aus, daß man die gewaltige Kluft vor ihnen erkennen konnte. Sie waren näher, als Skar vermutet hatte; der dünne, graue Strich, den sie am Abend zuvor erblickt hatten, war nicht die Schlucht selber gewesen, sondern ihr gegenüberliegender Rand - er und ein Teil des Felsens, der senkrecht und so glatt, als wäre er mit einem gewaltigen Messer geschnitten und hinterher sorgsam poliert worden, in die Tiefe stürzte. Der jenseitige Rand der Kluft lag allerhöchstens noch anderthalb Meilen entfernt.

»Bei allen Göttern!« keuchte Gowenna. Ihre Stimme bebte. Skar konnte sehen, daß sie vergeblich versuchte, den Anblick zu verarbeiten und sich gegen die Gewaltigkeit der Erscheinung zu wappnen. Ein grauer, halb durchsichtiger Nebel hing wie eine Decke über der Schlucht, seltsamerweise war es unberührt vom Toben des Sturmes, und die Luft auf der anderen Seite schien zu flimmern, als koche sie vor Hitze. Was dahinter lag, war nicht zu erkennen.

»Das ist... gewaltig«, sagte Gowenna stockend. Sie hatte ihre Fassung wiedergefunden, aber der Ausdruck in ihrer Stimme sagte Skar, daß es in ihrem Inneren immer noch kochte.

Müde schüttelte er den Kopf. »Ich kann das Wort gewaltig nicht mehr hören«, murrte er. »Seit wir dieses Land betreten haben, beginne ich mir allmählich wie ein Zwerg vorzukommen. Hast du eine Idee, wie wir dort hinüberkommen sollen?«

»Es muß einen Weg geben«, sagte Gowenna schnell. Zu schnell, fand Skar. »Vela und ihre Männer sind hier entlanggeritten. Es muß eine Brücke geben, einen Steg, oder ...« Sie verstummte, als sie Skars Blick begegnete. Der Anblick der Schlucht ließ jeden Gedanken an eine Brücke schlichtweg lächerlich klingen.

»Vielleicht sind sie auch geflogen«, knurrte Skar. »Wenn sie überhaupt jemals hier waren.«

»Sie waren hier«, mischte sich El-tra ein.

Skar fuhr mit einem Ruck herum. »So?« sagte er aufgebracht. »Und woher willst du das wissen?« Er deutete mit einem abfälligen Grinsen auf den Boden und stampfte zur Demonstration mit dem Fuß auf. »Erzähl mir nicht, daß du auf diesem Grund Spuren erkennen kannst. Hier kann eine Armee vorbeiziehen, ohne auch nur einen Kratzer zu hinterlassen.«

»Das stimmt«, sagte El-tra ungerührt. »Aber es gibt andere Spuren als die, die du mit dem Auge siehst, Bruder. Sie waren hier - der Drache und acht Reiter, vielleicht auch zehn. Und es ist noch nicht sehr lange her. Nicht länger als drei Tage.«

»So!« sagte Skar noch einmal. »Und wohin sind sie?«

El-tra deutete auf die Schlucht und folgte der Linie des Felsabbruches mit der Hand. »Dorthin. Sie sind geritten, sehr schnell. Schneller als jemand, der noch eine weite Strecke vor sich hat und sein Pferd schonen muß. Es kann nicht mehr weit sein.«

»Nicht mehr weit...« Skars Blick folgte dem Monstrum von Canyon, bis er sich irgendwo im Südosten im Grau der Dämmerung verlor. Selbst auf diese große Entfernung glaubte er den Sog der Tiefe zu spüren, den dumpfen, verlockenden Ruf, der aus der Höllenkluft emporwehte. Vielleicht, dachte er, wäre es das Beste: einen Schritt zu machen, sich fallen zu lassen und auf den Aufprall zu warten.

Er verscheuchte den Gedanken mit einem wütenden Knurren, ging zu seinem Pferd zurück und schwang sich in den Sattel. Das Tier scheute, und einen Moment lang mußte er all seine Kraft und Geschicklichkeit aufwenden, um nicht wieder zu Boden zu stürzen.

»Wenn es nicht mehr weit ist, dann laßt uns reiten.«

El-tra zögerte sichtlich. »Wir sollten bis zum Abend ausruhen«, sagte er. »Wenn es eine Brücke gibt, wird sie bewacht sein. Wir werden kämpfen müssen.«

Skar starrte ihn finster an. »Und?« fragte er. »Dazu habt ihr mich doch mitgenommen, oder?«

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