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Der Krieg hatte kurz und endgültig sein sollen. Takhisis, Drachenkönigin und Königin der Finsternis, hatte all ihre Kinder ins Feld geworfen, ihre Sklaven und Krieger, ihre Zauberer und Mystiker, in einer gewaltigen, vereinten Streitmacht. Zentrum ihres Angriffs waren die Ritter von Solamnia, denn in ihnen sah sie die gefährlichste Macht, die einst die Elfen verkörpert hatten. Heute waren die Elfen nur noch ein Schatten ihrer einst so gewaltigen Macht. Takhisis würde ihnen ihre Aufmerksamkeit erst zuwenden, wenn die Ritterschaft vernichtet war.

Doch die Ritter hatten ihre eigenen Verbündeten und vor allem Disziplin und Organisation, woran es den Gefolgsleuten der Königin mangelte. Außerdem hatten die Ritter ihr Leben dem ewigen Widersacher von Takhisis, Paladin, verschrieben.

Es hieß, Paladin hatte den Ritterorden höchstpersönlich ins Leben gerufen. Es stimmte zwar, daß Vinas Solamnus, der ergodianische Befehlshaber, der sich gegen die Tyrannei seines Kaisers aufgelehnt hatte, Kodex und Maßstab eingeführt hatte, denen seine Soldaten gehorchten, doch er hatte immer behauptet, auf der fernen Insel Sankrist – einem Ort jenseits der Westküste von Ansalon – in einen Hain geraten zu sein, wo Paladin selbst ihn erwartet hatte. Mit seinen Zwillingssöhnen, den Göttern Kiri-Jolit und Habbakuk, hatte der Gott Vinas Solamnus gezeigt, wie er eine schlagkräftige Streitmacht für das Gute aufstellen konnte.

Von Habbakuk stammte der Orden der Krone, für den Loyalität als höchstes Gut galt. Alle neuen Ritter wurden Mitglied dieses Ordens, um zu lernen, wie man gemeinsam handelte, seinen Gefährten beistand und in Treue den Maßstab befolgte.

Von Kiri-Jolit, dem Gott des gerechten Kampfes, stammte der Orden des Schwerts. Wer es wünschte, konnte freiwillig in diesen Orden eintreten, wenn er sich als Mitglied der Krone bewährt hatte. Ehre war das Allerwichtigste für die Ritter des Schwerts. Keine Hand sollte sich im ungerechten Zorn erheben, kein Schwert wegen persönlicher Eifersüchteleien gezogen werden.

Von Paladin selbst stammte der Orden der Rose. Das sollte die Elite sein, die Ritter, die sich dem Gott so mit ganzem Herzen verschrieben hatten, daß nichts anderes mehr für sie zahlte. Weisheit und Gerechtigkeit beherrschten ihr Leben. Aus ihren Reihen wurde normalerweise der Großmeister gewählt, der dann die gesamte Ritterschaft anführte.

Obwohl es zu Vinas Solamnus’ Lebzeiten zunächst nicht so gewesen war, wurde der Orden der Rose zum königlichen Orden. Zwar floß in allen Richtungen blaues Blut, doch der Orden der Rose stand nur denen von »reinstem« Blute offen. Niemand stellte diese Regel je in Frage, obwohl sie allen Lehren von Paladin zuwider lief.

Der Krieg hatte sich in einem furchtbaren Kräftegleichgewicht eingependelt. Menschen, Drachen, Oger, Goblins – die Verluste häuften sich, die Aasfresser kamen, die Seuchen begannen.»Ich hätte nicht gedacht…« Die Stimme des Silberdrachen brach ab. Huma war nicht klar gewesen, wie rasch sich die Verwüstung über eine neue, bisher unberührte Region ausbreiten würde. Unter ihnen lag – erschreckend nah – der Beweis.

Ganze Gruppen stolzer, alter Bäume waren entweder von Drachen oder von Magiern ausgerissen worden. Von den Feldern waren nicht viel mehr als große Flächen nackter Erde geblieben, in die viele Füße ihre Spuren gedrückt hatten. Unzählige Tote, Ritter wie Oger, lagen dort verstreut herum. Vielleicht ein paar mehr von den letzteren – oder war das bloß die Hoffnung des solamnischen Ritters?

Humas Gesicht wurde blaß. Er betrachtete die Leichen und bedeckte dann die Augen, während er um seine Fassung rang.

»Das ist eine nutzlose Schlacht«, rief Kaz ihm ins Ohr. Das Interesse für die Schlacht hatte seine Flugangst verdrängt. »Krynus stochert herum, und die Kommandanten der Ritterschaft beißen dann ein bißchen zurück. Davon hat keine Seite etwas.«

Bei seinen Worten versteifte sich Huma. Kaz konnte nicht aus seiner Haut. Ein Kampf bestand für ihn aus Kampfkunst und Position. Selbst bei persönlicher Teilnahme würde er Strategie und Taktik beurteilen. Auch dann, wenn seine eigene Axt durch die Luft schnitt.

Der Silberdrache wandte ihnen den Kopf zu. »Hier können wir eindeutig nicht landen. Kyre ist auf jeden Fall verloren, und zwar für beide Seiten. Diese Weizenfelder werden niemanden mehr ernähren.«

Huma blinzelte. »Dann gibt es Hoffnung. Die Nachschublage der Oger muß angespannt sein. Die Ritter sind da besser dran.«

»Aber sie sind nicht so stark wie die Oger«, warf der Minotaurus ein.

Sie waren so auf das Gemetzel unter ihnen konzentriert, daß keiner von ihnen die großen, dunklen Formen bemerkt hatte, die in ihre Richtung segelten. Es war Kaz, dem sie auffielen. Plötzlich packte er Huma an der Schulter. Huma schaute sich um und folgte dem Blick des Minotaurus.

»Drachen!« schrie er dem silbernen Riesen zu, der sie trug. »Mindestens sechs.«

Als sie näher kamen, konnte Huma ihre Formen und Farben allmählich genauer erkennen. Rote – von einem schwarzen Drachen angeführt? Ächzend erkannte Huma, daß es stimmte. Ein riesiger schwarzer Drache mit Reiter. Und das gleiche bei den anderen!

»Ich kann nicht gegen alle kämpfen«, sagte der silberne Drache. »Springt ab, wenn der Boden nah ist. Ich werde versuchen, sie abzulenken.«

Auf der Suche nach einem geeigneten Platz zum Landen, bevor seine tödlichen Gegenspieler ihn erreicht hatten, strich der silberne Drache über die Baumkronen.

»Ihr müßt springen, wenn ich es sage! Seid ihr soweit?«

»Es ärgert mich, vor einem Kampf auszuweichen, selbst mitten in den Wolken. Können wir denn überhaupt nicht helfen, Huma?«

Huma hielt sein Gesicht vom Minotaurus abgewandt. »Nein, wir springen lieber ab.«

»Wie du willst.«

Sie überflogen etwas, das einmal ein Gehöft gewesen war; jetzt war es weiter nichts als ein paar niedrige, bröckelnde Steinmauern, die ein grobes Rechteck bildeten. Dahinter war freies Feld.

»Ich werde langsamer! Macht euch fertig!«

Sie waren sprungbereit.

»Jetzt!«

Kaz sprang als erster. Er stürzte zu Boden, als hätte ihn ein Pfeil in die Brust getroffen. Die Krallen des Silberdrachen berührten leicht die Erde, als sie in eine weitere Runde glitt.

Huma lehnte sich zum Sprung vor – und zögerte.

»Was machst du denn?« brüllte der Silberdrache Huma an, während die sechs Drachen sich näherten.

»Du kannst nicht allein gegen sie kämpfen!«

»Sei kein Narr!«

»Zu spät!« schrie er schnell.

Jeder der Drachen trug eine große, finstere Gestalt in einer schmucklosen ebenholzschwarzen Rüstung. Ihre Gesichter waren von den Visieren ihrer Helme verdeckt. Ob es Menschen oder Oger oder andere Wesen waren, war für Huma nicht zu erkennen.

Der Reiter des gigantischen, schwarzen Drachen, eine riesige Gestalt, gegen die Huma ein Zwerg war, winkte den anderen. Die Roten blieben zurück, um den Ausgang des Kampfes abzuwarten. Der schwarze Drache kreischte schrill, als der Reiter ihn antrieb.

Die beiden Drachen näherten sich einander mit viel Gebrüll. Klauen schlugen zu, und eine Kralle grub sich in das eine Vorderbein des Silberdrachen. Der wiederum attackierte die dargebotene Brust des Schwarzen und hinterließ dort tiefe Wunden.

Der Reiter schwang eine gefährliche Zweihänderaxt, und Huma parierte den Angriff automatisch. Als die beiden Drachen aufeinander losgingen, gelang es Huma, sich weit genug hinüberzulehnen, um ihm Kontra zu geben.

Die anderen Reiter hielten sich mühsam zurück, während ihre Drachen wütend brüllten, weil sie nicht teilnehmen durften.

Dann erwischte der Silberdrache den Schwarzen am Flügel, und der andere kreischte vor Schmerz auf. Der schwarze Reiter wurde zur Seite geworfen und bot Huma ein gutes Ziel. Ohne nachzudenken, stieß der Ritter in die Öffnung unter der Schulter seines Gegners. Die Schwertspitze durchtrennte das dünne Kettenhemd widerstandslos, und der Schwung trieb sie tiefer hinein. Der Reiter fiel stöhnend zurück.

Das einhellige Geschrei der Reiter und Drachen machte den schwarzen Drachen auf die Verwundung seines Herrn aufmerksam. Verzweifelt riß er sich von dem silbernen Drachen los.

Huma machte sich für den Massenansturm bereit, der zweifellos folgen würde, doch seltsamerweise nutzte der Feind seinen Vorteil nicht aus. Die übrigen Drachen bildeten einen schützenden Kreis um den schwarzen Drachen und seinen schwerverwundeten Reiter. Anschließend drehten die sechs Ungeheuer ab, in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Unter den verdatterten Blicken von Ritter und Silberdrache flog der Feind davon.

Huma stellte fest, daß er wieder ruhig atmete.

Der Silberdrache unter ihm hatte sich gleichfalls wieder gefaßt. Seine Wunden bluteten noch, und Huma fragte sich, wie schwer die Verletzungen wohl waren.

Wie zur Antwort drehte sich die Drachendame zu ihm um. Aus jeder Bewegung sprach offenkundige Sorge.

»Bist du verletzt?«

»Nein. Was ist mit dir? Brauchst du Hilfe?« Wie behandelt man einen Drachen? »Ich weiß nicht, ob ich dir helfen kann, aber ich kann es versuchen.«

Der Drache schüttelte seinen glitzernden Kopf. »Ich kann mich selber heilen. Ich brauche nur etwas Ruhe. Das war mehr als eine einfache Patrouille. Ich verstehe es noch nicht ganz, aber ich glaube, es war ein Vorzeichen.«

Huma nickte. »Wir müssen Kaz aufsammeln und schnell zu Fürst Oswal fliegen. Er wird von alldem erfahren wollen.«

Der Silberdrache beugte sich hinunter, sah etwas am Boden und lächelte zynisch. Sie sagte: »Anscheinend haben wir noch mehr Besucher. Welche, die kaum darüber erfreut sein werden, einen Minotaurus auf ihrem Gebiet zu finden.«

Als er dem Blick folgte, sah Huma sie. Ritter von Solamnia. Eine Patrouille seiner eigenen Farben. Der Silberdrache hatte recht. Die Ritter würden Kaz wahrscheinlich umbringen, wenn auch zweifelsohne um den Preis einiger Menschenleben.

Kaz hatte sich in den Überresten eines Bauernkarrens versteckt und die Reiter nicht bemerkt, die von hinten kamen. Jetzt stand er auf, um Huma und den silbernen Drachen zuzuwinken. Selbst wenn die Ritter den Minotaurus übersehen hätten, konnte ihnen die Landung des Drachen nicht entgehen. Ein Ritter entdeckte das Wesen mit dem Stierkopf und rief den anderen eine Warnung zu. Sofort fiel die Patrouille in wilden Galopp. Beim Donnern der Hufe fuhr der Minotaurus herum und stand einen Augenblick wie angewurzelt da. Dann war die Kriegsaxt, die Huma Kaz vorerst gelassen hatte, plötzlich hervorgeholt und wurde erwartungsvoll geschwungen. Schwerter reckten sich, Lanzen zielten.

Huma fiel nur eins ein. Er schrie dem Silberdrachen seinen Plan zu. Die anrückenden Krieger sahen erstaunt hoch, und ihre Reitordnung wurde zum Kuddelmuddel, als sie beim Anblick des hinreißenden Bewohners der Lüfte alles vergaßen. Der Silberdrache kam hinter Kaz herunter, und es gelang ihm, den Minotaurus an den Schultern zu packen. Kaz stieß einen überraschten Schrei aus und ließ seine Axt fallen, als die großen Klauen ihn an der Schulter hochhoben und vom Boden wegtrugen. Die Ritter rissen hart an ihren Zügeln im verzweifelten Versuch, ihre Rösser zu halten, während sie über das vermeintliche Ende eines räuberischen Minotaurus jubelten.

Kaz stieß einen unablässigen Strom von Flüchen aus, bei denen auch der finsterste Bandit erbleicht wäre, doch in den Klauen des silbernen Drachen war er machtlos. Als sie etwas weiter weg waren, setzte der Drache den Minotaurus sanft auf die Erde und landete daneben.

Huma sprang ab und knüpfte sich Kaz auf der Stelle vor. Ohne den Schwur des Minotaurus, ihm zu dienen, hätte dieser den Ritter jetzt wohl umgebracht. In den tiefliegenden Augen des Minotaurus glühte Feuer. Er schnaubte pausenlos vor Wut.

»Kein Kampf!« befahl Huma.

»Sie bringen mich um! Laß mich wenigstens kämpfend sterben und nicht dastehen wie ein feiger Gossenzwerg!«

Sehr ruhig und mit einem kalten Zorn, der ihn selbst überraschte, wiederholte Huma: »Ich habe gesagt, kein Kampf.«

Der Minotaurus atmete heftig aus und schien in sich zusammenzusinken. Er starrte Huma an. »Wie du willst. Ich werde dir vertrauen, weil du mir schon zweimal das Leben gerettet hast.«

Das schon wieder! Huma gab einen entnervten Seufzer von sich und drehte sich um, da die wieder geordnete Patrouille zögernd auf das seltsame Trio zuritt. Ihr Anführer, der einzige, der vom Anblick des großen Drachen offenbar unbeeindruckt blieb, ließ sie anhalten und lehnte sich dann vor, um den jungen Ritter zu betrachten.

»Offenbar ist Bennett dich also doch noch nicht los, Huma.«

Etwa verspätet dämmerte es Huma. »Rennard!«

Rennard hob sein Visier. Ein paar der anderen Ritter rutschten unruhig hin und her. Rennards Gesicht war totenblaß, und wenn er sprach, bewegten sich seine Züge kaum. Er hätte ein schöner Mann sein können, doch sein Aussehen war in seiner Jugend der Pest zum Opfer gefallen, die ihn fast dahingerafft hätte. Sein Gesicht war hager und zerfurcht, und manche seiner Gegner machten sich einen Spaß daraus zu behaupten, Rennard sei in Wirklichkeit an der Krankheit gestorben und hätte es bloß nie gemerkt. So phantasievolle Kommentare wurden allerdings nie in seiner Gegenwart geäußert.

Huma freute sich, Rennard zu sehen. Der ältere Ritter hatte Huma von Anfang an unter seine Fittiche genommen, als er damals mit seinem Gesuch um Aufnahme in die Ritterschaft nach Vingaard gekommen war. Rennard hatte ihn unterstützt, als die anderen ihn zurückweisen wollten – einen Jungen, der nur behaupten konnte, daß sein Vater ein Ritter gewesen war, und dessen Mutter keinen Beweis dafür erbracht hatte.

Inzwischen hatten die Ritter ihre Ehrfurcht vor dem Drachen überwunden und starrten jetzt auf Kaz. Es gab viel Gemurmel, vor allem darüber, was ein so seltsames Geschöpf wie der Minotaurus hier zu suchen hatte. Rennard winkte einem der Reiter. »Fessel den Minotaurus. Ich bin sicher, Fürst Oswal wird großes Interesse an ihm und dem Grund für seine Anwesenheit so weit ab von der Schlacht haben.«

Kaz wich mit erhobenen Fäusten zurück. »Versucht es doch! Der erste, der mich anfaßt, wird das nie wieder tun!«

Einer der Ritter zog sein Schwert. »Unverschämtes Vieh! Du wirst nicht lange genug leben!«

»Nein!« Huma trat zu Rennard hin. »Er ist kein Feind. Er hat mit den Ogern gebrochen. Ich habe ihn als Gefangenen von Goblins gefunden und gerettet. Er hat einen Oger getötet, um Menschenleben zu retten!«

Mehrere Männer machten abfällige Bemerkungen über die Leichtgläubigkeit des jungen Ritters, und Huma wußte, daß sein Gesicht knallrot anlief.

Kaz schnaubte. Der Fleck auf Humas Ehre war ebenso ein Fleck auf der seinen, da er diesem Menschen sein Leben verdankte. »Ist das die Ehre der Ritter von Solamnia? Behandeln sie so einen der Ihren? Vielleicht war es ein Fehler, daß ich die Ritter für genauso ehrenhaft gehalten habe wie meine eigene Rasse!«

Der Ritter, der sein Schwert gezogen hatte, begann sein Pferd anzuspornen. »Das kostet dich den Kopf, Minotaurus!«

»Nichts dergleichen, Ritter Konrad.« Der aufgebrachte Ritter versuchte, Rennards Blick zu bezwingen, doch – wie schon unzählige Male zuvor – es war der blasse Ritter, der siegreich hervorging. Niemand konnte die eisblauen Augen niederringen.

»In Wahrheit gibt es nichts, was irgend einer von euch gegen Humas Urteilsvermögen vorbringen könnte«, fuhr Rennard fort. »Und das wißt ihr. Benehmt euch wie Ritter, nicht wie armselige Ergodianer oder übermächtige Elfen.«

Die anderen Ritter sagten nichts mehr, obwohl es ihnen sichtlich mißfiel, wie Kinder gescholten zu werden. Rennard kümmerte das nicht, wie Huma wußte. Rennard kümmerte nur Rennard.

Zu Huma sagte er: »Du bürgst für den Minotaurus. Ich weiß mehr über dieses Volk als die anderen. Wenn er gelobt, in Frieden mit uns zu ziehen, ist das alle Sicherheit, die ich brauche.«

Huma sah Kaz an, welcher erst die gesamte Patrouille an sich, dann den hageren Ritter anstarrte. Nach reiflicher Überlegung stimmte der Minotaurus zu. »Ich gelobe, daß ich in Frieden mit euch gehen werde und daß ich Humas Urteil in allen Fragen hinnehme.«

Letzteres war eine Kritik am mangelnden Vertrauen der Ritter zu einem von ihnen. Die Ritter rutschten wieder unbehaglich herum. Die Vorstellung, daß ein so starker Gefangener frei mit ihnen reiten sollte, gefiel ihnen nicht. Der Silberdrache sah mit leicht belustigter Miene zu. Rennards Gesicht zeigte keine Regung, doch Huma glaubte, daß der unverlangte Zusatz ihn amüsierte.

Der Anführer der Patrouille wies mit dem Daumen nach hinten. »Wir haben ein paar Pferde übrig, die wir eine Meile von hier aufgelesen haben. Eins davon ist stark genug für den Minotaurus, denke ich. Wenn ihr einverstanden seid, will ich euch beide an der Spitze haben. Wir haben viel zu besprechen, und du, Ritter Huma, wirst sicher interessante Dinge berichten können.«

Die anderen Ritter machten Platz, als Huma und Kaz zwischen sie traten. Es gab fünf überzählige Pferde – vier Kriegspferde und ein Zugpferd, das augenscheinlich von seinem Besitzer zurückgelassen worden war. Das Zugpferd und zwei von den anderen erwiesen sich als ungeeignet zum Reiten und kamen nur mit, weil sie etwas Fleisch auf den Knochen hatten. Das größte Pferd und damit das einzige, das die massige Gestalt des Minotaurus tragen konnte, war ein nervöses Tier, doch Kaz konnte es durchaus beherrschen. Huma bekam ein silbergraues Pferd, das er sofort mochte. Als sie oben saßen, schlossen sie sich wieder Rennard an.

Huma überblickte die Verwüstung. »Was ist hier passiert?«

Rennards Gefühlslosigkeit machte seine Worte noch erschreckender. »Was passiert normalerweise, Huma? Zauberer tragen ihre Privatfehden aus und reißen das Land auf, hinterlassen den Erdbewohnern nichts als Steine und Krater. Drachen verbrennen oder gefrieren das grüne Land oder verwüsten die noch verbliebenen fruchtbaren Regionen. Wenn dann die Armeen aufeinanderprallen, gibt es kaum noch etwas, wofür es sich zu kämpfen lohnt.«

Zauberer waren Rennards wunder Punkt. Niemand wußte, weshalb. Huma hatte ihm gegenüber nie Magus erwähnt, weil er ihn nicht verärgern und damit einen seiner wenigen Gönner vergraulen wollte.

»Haben wir verloren?«

»Patt. Der Krieg hat sich einfach nach Norden verlagert, obwohl wir ausgeschickt wurden, um uns davon zu überzeugen, daß der Rückzug nach Norden keine Finte war. Wir wollten gerade umkehren, als wir euch sahen.«

Der Silberdrache, der die ganze Zeit über geduldig geschwiegen hatte, mischte sich nun doch noch ein. »Dann habt ihr die Drachenreiter also nicht gesehen?«

Rennards Kopf fuhr hoch. Die anderen Reiter merkten auf. »Drachenreiter, sagtest du?«

»Sechs an der Zahl. Alle in Schwarz und alle auf roten Drachen. Nur der Anführer ritt einen riesigen, schwarzen Drachen. Sie schienen etwas zu suchen, bis sie uns bemerkten. Ich habe versucht, Zeit zu schinden, doch dein Ritterkumpan hat sich geweigert, mich zu verlassen. Er bestand darauf, am Kampf teilzunehmen.«

Da die meisten Gesichter hinter Visieren verborgen waren, konnte Huma die Reaktion seiner Kameraden nicht abschätzen. Einige schienen beifällig zu nicken, während einer etwas über törichte Tollkühnheit murmelte. Rennard jedoch wirkte besorgt.

»Ein riesiger Schwarzer, sagtest du?«

»Der Größte. Trotzdem jung. Der Reiter wollte uns eins zu eins bekämpfen. Wir stellten uns, und dann geschah etwas Seltsames. Huma hat ihn schwer verwundet, so daß der Schwarze gezwungen war, vom Kampf abzulassen. Anstatt Rache zu suchen, haben sich die anderen dem Schwarzen angeschlossen, um ihrem verwundeten Anführer beizustehen. Sie hätten uns erledigt, wenn sie alle auf einmal gekommen wären. Ich verstehe es immer noch nicht.«

Rennards Gesicht blieb wie üblich regungslos. Wie sehr ihn das aufwühlte, war einfach nicht zu sagen. Als er wieder sprach, war es, als wäre ihm die Geschichte von dem Angriff schon entfallen. »Ich kann dir nur danken, daß du einem der Unsrigen diesen Dienst erwiesen hast. Schließt du dich uns an? Ich kenne mich mit Drachenwunden nicht aus, aber wenn die Kräfte eines Klerikers der Mishakal helfen, dann findest du ein paar bei der Hauptarmee.«

Die Riesin breitete ihre Flügel aus – was mehr als einen Ritter und viele der Pferde irritierte – und lehnte das Angebot ab. »Meine eigenen Kräfte werden genügen. Ich brauche nur Ruhe. Ich werde mich meinen Vettern anschließen. Vielleicht sehen wir uns später noch.« Der letzte Satz war mehr an Huma als an Rennard gerichtet.

»Es war faszinierend, dich selbst für so kurze Zeit kennenzulernen, Ritter Huma«, fuhr der Drache fort. »Alles Gute. Möge Paladin über dich wachen.«

Ohne weiteren Kommentar schwang der Silberdrache sich hoch in die Luft. Huma und die anderen mußten zur Seite sehen, weil so viel Staub aufgewirbelt wurde. Als er sich schließlich gelegt hatte, war das wundersame Geschöpf bereits weit fort. Die Gruppe sah ehrfürchtig zu, wie es in den Wolken verschwand. Rennard drehte sich um und ließ seine Mannschaft antreten, einschließlich Huma und Kaz. Dann wendete er sein Pferd. Er gab kein Kommando, denn es war keins vonnöten. Die anderen folgten einfach, wobei die beiden Neuankömmlinge gleich hinter dem Anführer der Patrouille ritten.

Erst als sie bereits eine Weile geritten waren, winkte Rennard die beiden neben sich. Während er sprach, beobachtete er wieder den vor ihm liegenden Pfad. »Diese Reiter. Hast du sie je zuvor gesehen oder von ihnen gehört, Huma?«

»Sollte ich das?«

»Vielleicht. Minotaurus – «

»Mein Name ist Kaz.«

»Also gut, Kaz. Du kennst sie doch bestimmt?«

»Das ist die Schwarze Garde. Ein Name von vielen. Sie dienen dem abtrünnigen Zauberer Galan Drakos und dem Kriegsherrn der Königin, Krynus.«

»Was ist mit dem Kriegsherrn selbst?«

Kaz zuckte mit den Schultern. »Er ist ein Riese. Ob Oger oder Mensch oder sonst was, weiß anscheinend kaum jemand. Er ist ein meisterhafter Stratege, risikofreudig, auch was ihn persönlich angeht. Am liebsten reitet er – reitet er…« Der Minotaurus brach mitten im Satz ab. Seine Augen wurden größer.

Ein dünnes, tödliches Lächeln breitete sich über Rennards Gesicht aus, ein furchterregender Anblick in dieser totengleichen Miene. Rennard wandte sich Huma zu. »Was er meiner Meinung nach erzählen wollte, war, daß Krynus’ Lieblingsreittier ein gewaltiger, schwarzer Drache namens Charr ist. Beide, Mann und Tier, sind ganz wild auf riskante Abenteuer, und ein Zweikampf ist etwas, was sie so richtig genießen.«

»Und… und ich habe gegen ihn gekämpft.« Die Erkenntnis erschütterte Huma. Er hatte Krynus selbst gegenübergestanden und lebte.

Aber der Kriegsherr ebenfalls, wie ihm plötzlich aufging. Er war zwar schwer verwundet gewesen, doch Huma war sich sicher, daß er lebte – und irgendwie wußte Huma, daß der Kriegsherr nach ihm suchen lassen würde. Um sein Gesicht zu wahren. Um seine Ehre zu retten. Um die Waagschale auf seiner Seite zu senken.

Um ihn zu töten.

»Soweit ich weiß, nimmt der Kriegsherr seine Kämpfe sehr persönlich«, fügte Rennard wie beiläufig hinzu. Er trieb sein Pferd auf einmal zu einer schnelleren Gangart an, und die anderen folgten so dicht wie möglich. Selbst so ging es Huma noch nicht schnell genug. Er suchte inzwischen nervös den Himmel ab.

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