23 Neuprogrammierung

Denn wir sind nicht klugen Fabeln gefolgt… sondern wir haben seine Herrlichkeit selber gesehen.

2. Petrus 1,16

Sieh und erinnere dich. Sieh diesen Himmel hier, Und tiefer noch, die helle, klare Weite, Die grenzenlose, zu der unsre Bitten steigen. Jetzt sprich, sprich in den Dom aus Licht. Dann höre. — Gibt er Antwort dir? Doch nein, nur Schweigen; Heimat ist dort nicht.

Karl Jay Shapiro

Travelogue for Exiles

Die Telefonleitungen waren repariert worden, die Straßen waren geräumt, und sorgfältig ausgewählten Vertretern der Weltpresse wurde ein kurzer Blick auf die Anlage gestattet. Einige Reporter und Photographen wurden durch die drei zueinander passenden Öffnungen der Benzel und die Luftschleuse in das Dodekaeder geführt. Fernsehkommentare wurden aufgezeichnet, bei denen die Reporter auf den Plätzen, die die Besatzung eingenommen hatte, saßen und der Welt vom Fehlschlag dieses ersten mutigen Versuchs berichteten,

die Maschine zu starten. Ellie und ihre Kollegen wurden aus der Entfernung photographiert, um zu zeigen, daß sie lebten und wohlauf waren, aber im Moment sollten noch keine Interviews gegeben werden. Das bisher Erreichte sollte überdacht und Zukunftsperspektiven sollten erwogen werden. Der Tunnel von Honshu nach Hokkaido war wieder geöffnet, aber die Durchfahrt von der Erde zur Wega war gesperrt. Letzteres war allerdings nie überprüft worden.

Ellie fragte sich, ob man versuchen würde, die Benzel wieder in Drehung zu versetzen, sobald die Besatzung das Gelände verlassen hatte — aber sie glaubte, was man ihr gesagt hatte: Die Maschine würde nicht noch einmal funktionieren. Die Wesen von der Erde würden keinen Zutritt mehr zu den Tunneln haben. Die Menschen konnten so viele kleine Kerben in das Raum-Zeit-Gefüge schneiden, wie sie wollten. Es würde ihnen nichts nützen, solange sich von der anderen Seite her niemand anschloß. Man hatte ihnen einen Blick gegönnt, dachte Ellie, und es dann ihnen selbst überlassen, sich zu retten. Wenn sie konnten.

Schließlich wurde den fünfen erlaubt, miteinander zu sprechen. Ellie verabschiedete sich von jedem ihrer Gefährten persönlich. Niemand gab ihr die Schuld an den leeren Kassetten.

„Videobilder werden auf magnetischen Feldern auf Band aufgezeichnet“, erinnerte Waygay sie. „Auf den Benzein hatte sich ein starkes elektrisches Feld aufgebaut, und sie haben sich natürlich bewegt. Ein elektrisches Feld, das sich in der Zeit verändert, bildet ein magnetisches Feld. Maxwellsche Gleichungen. Das scheint mir der Grund dafür, daß deine Bänder gelöscht worden sind. Es war nicht deine Schuld.“

Waygay war über seine Befragung verblüfft gewesen. Man hatte es ihm zwar nicht ausdrücklich vorgeworfen, aber doch angedeutet, daß er Teil einer antisowjetischen Verschwörung westlicher Wissenschaftler sei.

„Ich sage dir, Ellie, die einzige noch offene Frage ist die nach dem Vorhandensein intelligenten Lebens im Politbüro.“

„Und im Weißen Haus. Ich kann es nicht glauben, daß die Präsidentin Kitz das durchgehen läßt. Sie hat sich doch selbst für das Projekt eingesetzt.“

„Unser Planet wird von Verrückten gelenkt. Überleg dir nur einmal, was Politiker dafür tun müssen, daß sie dorthin kommen, wo sie sind. Ihr Blick ist so eingeschränkt, sie sind so. kurzsichtig. Ihr Blick reicht nur ein paar Jahre in die Zukunft. Bei den besten ein paar Jahrzehnte. Sie sind nur an der Zeit interessiert, während der sie an der Macht sind.“

Ellie dachte an Cygnus A.

„Aber sie sind nicht sicher, ob unsere Geschichte eine Lüge ist. Sie können es nicht beweisen. Deshalb müssen wir sie überzeugen. Tief im Herzen fragen sie sich: ‚Könnte es wahr sein?’ Einige wünschen sich sogar, daß es wahr sein möge. Aber es ist eine unsichere Wahrheit. Sie brauchen etwas, das an Sicherheit grenzt. Und vielleicht können wir ihnen das geben. Wir können die Gravitationstheorie verfeinern. Wir können neue astronomische Beobachtungen machen, die bestätigen, was man uns gesagt hat — vor allem, was das galaktische Zentrum und Cygnus A angeht. Die Politiker, werden die astronomische Forschung nicht aufhalten. Wir können auch das Dodekaeder untersuchen, wenn sie uns dranlassen. Ellie, wir werden sie überzeugen.“ Schwer zu machen, wenn sie alle verrückt sind, dachte Ellie, aber das sagte sie nicht.

„Ich verstehe nicht, wie die Regierungen den Leuten klarmachen wollen, daß alles eine Fälschung sein soll“, sagte sie laut.

„Wirklich nicht? Überlege doch nur, was sie den Leuten schon alles weisgemacht haben. Sie haben uns eingeredet, wir wären sicher, wenn wir unseren ganzen Reichtum dafür ausgeben, daß alle Menschen auf Erden innerhalb einer Sekunde getötet werden können — wenn die Regierungen entscheiden, daß die Zeit dafür reif ist. Ich würde meinen, es ist schwierig, Leute etwas so Dummes glauben zu machen. Nein, Ellie, im Überzeugen sind sie gut. Sie brauchen nur zu sagen, daß die Maschine nicht funktioniert und daß wir verrückt geworden sind.“

„Ich glaube nicht, daß wir so verrückt erscheinen würden, wenn wir alle gemeinsam von unseren Erlebnissen berichten würden. Aber vielleicht hast du recht. Vielleicht sollten wir zuerst versuchen, Beweise zu finden. Waygay, wirst du in Sicherheit sein, wenn du. zurückgekehrt bist?“

„Was können sie mir denn schon tun? Mich nach Gorki verbannen? Das würde ich überleben, ich habe meinen Tag am Strand gehabt. Nein, mir wird nichts passieren. Du und ich, wir haben einen Rückversicherungsvertrag. Solange du lebst, brauchen sie mich. Und natürlich umgekehrt. Wenn die Geschichte wahr ist, werden sie froh sein, einen sowjetischen Zeugen zu haben. Am Ende werden sie es überall ausposaunen. Und wie deine Leute werden sie nach militärischen und wirtschaftlichen Nutzanwendungen dessen fragen, was wir gesehen haben.

Es ist gleichgültig, was sie uns befehlen. Es zählt nur, daß wir am Leben bleiben. Dann werden wir unsere Geschichte weitergeben — wir alle fünf. Natürlich vorsichtig. Zuerst nur den Menschen, denen wir vertrauen. Aber diese Leute werden es anderen erzählen. Die Geschichte wird sich herumsprechen. Es wird keine Möglichkeit geben, das zu unterbinden. Früher oder später werden die Regierungen bestätigen, was uns in dem Dodekaeder zugestoßen ist. Und bis dahin sind wir gegenseitig unsere Versicherungspolicen. Ellie, ich bin sehr glücklich über all das. Es ist das Großartigste, was mir je passiert ist.“

„Gib Nina einen Kuß von mir“, sagte sie noch, bevor er mit der Abendmaschine nach Moskau flog.

Beim Frühstück fragte sie Xi, ob er enttäuscht sei. „Enttäuscht? Ich bin dorthin geflogen“ — er hob die Augen zum Himmel — „und habe sie gesehen und da soll ich enttäuscht sein? Ich bin ein Waise des Langen Marsches. Ich habe die Kulturrevolution überlebt. Ich habe sechs Jahre lang versucht, im Schatten der Chinesischen Mauer Kartoffeln und Zuckerrüben anzubauen. Mein ganzes Leben ist Umwälzung gewesen. Ich kenne die Enttäuschung. Du bist bei einem Bankett dabeigewesen, und wenn du in dein hungerndes Dorf zurückkehrst, sollst du enttäuscht sein, daß man deine Rückkehr nicht feiert? Nein. Das ist keine Enttäuschung. Wir haben ein unwichtiges Scharmützel verloren. Was zählt, ist der strategische Einsatz der. zur Verfügung stehenden Kräfte.“

Er sollte in Kürze nach China zurückkehren. Er hatte sich bereit erklärt, dort keine öffentlichen Erklärungen über das abzugeben, was in der Maschine geschehen war. Aber er würde wieder die Leitung der Ausgrabungen bei Xian übernehmen. Auf ihn wartete das Grab Qins. Er wollte wissen, wie stark der Kaiser dem Trugbild auf der anderen Seite des Tunnels ähnelte.

„Entschuldige, ich weiß, daß es unverschämt ist“, sagte Ellie nach einer Weile, „aber die Tatsache, daß du als einziger von uns allen jemanden getroffen hast, der. Gab es in deinem ganzen Leben niemanden, den du geliebt hast?“ Sie wünschte, sie hätte die Frage besser formuliert. „Alle, die ich je geliebt habe, wurden mir genommen. Ausradiert. Ich sah die Kaiser des zwanzigsten Jahrhunderts kommen und gehen“, antwortete er. „Ich habe mich nach jemandem gesehnt, der nicht umgekehrt oder rehabilitiert werden konnte. Es gibt in der Geschichte nur wenige Menschen, die nicht ausgelöscht werden können.“

Er schaute auf die Tischplatte und fingerte an seinem Teelöffel herum. „Ich habe mein Leben der Revolution gewidmet, und ich bedauere das nicht. Aber ich weiß fast nichts von meiner Mutter und meinem Vater. Ich habe keine Erinnerung an sie. Deine Mutter lebt noch. Du erinnerst dich an deinen Vater, du hast ihn wiedergefunden. Vergiß nicht, wie glücklich du bist.“

An Devi spürte Ellie eine Trauer, die sie noch nie zuvor bemerkt hatte. Sie nahm an, daß es eine Reaktion auf die Skepsis war, mit der das Direktorium des Projekts und die Regierungen ihren Bericht aufgenommen hatten. Aber Devi schüttelte den Kopf.

„Ob sie uns glauben, ist für mich nicht besonders wichtig. Die Erfahrung selbst ist zentral. Umwälzend. Ellie, das ist uns wirklich zugestoßen. Es war wirklich. Wußtest du, daß ich in der ersten Nacht nach unserer Rückkehr nach Hokkaido geträumt habe, unser Erlebnis wäre ein Traum gewesen? Aber es war kein Traum. Es war kein Traum. Traurig bin ich schon. Meine Traurigkeit ist. Du weißt, mir ist ein Lebenswunsch in Erfüllung gegangen, als ich Surindar nach all den Jahren wiedergesehen habe. Er war genau so, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Aber als ich ihn sah, als ich das perfekte Trugbild sah, wußte ich: Diese Liebe war so wertvoll, weil sie mir entrissen wurde, weil ich so viel aufgegeben hatte, um ihn zu heiraten. Wegen nichts sonst. Der Mann war ein Dummkopf. Zehn Jahre mit ihm und wir wären geschieden gewesen. Vielleicht schon nach fünf. Ich war so jung und dumm.“

„Das tut mir wirklich leid“, sagte Ellie. „Ein bißchen kann ich mir vorstellen, wie es ist, wenn man um eine verlorene Liebe trauert.“

„Du hast mich noch nicht verstanden, Ellie. Zum ersten Mal in meinem erwachsenen Leben trauere ich nicht um Surindar. Worum ich trauere, ist meine Familie, die ich seinetwegen aufgegeben habe.“

Devi Sukhavati wollte in ein paar Tagen nach Bombay zurückkehren und von dort aus das Dorf ihrer Ahnen in Tamil Nadu besuchen.

„Am Ende“, sagte sie, „wird es uns leichtfallen zu glauben, daß alles nur Einbildung war. Jeden Morgen beim Aufwachen wird unser Erlebnis weiter entfernt sein, noch mehr einem Traum ähneln. Es wäre besser für uns alle gewesen zusammenzubleiben, uns gegenseitig das Gedächtnis aufzufrischen. Sie haben diese Gefahr erkannt. Deshalb haben sie uns zu dem Strand gebracht, wo es wie auf unserem eigenen Planeten aussah, zu einer Realität, die wir verstehen konnten. Ich werde niemandem erlauben, mich wegen dieser Erfahrung auszulachen. Denke daran. Es ist wirklich passiert. Es war kein Traum, Ellie. Vergiß das nie.“

Eda wirkte in Anbetracht der Umstände sehr entspannt. Ellie verstand bald, warum. Während sie und Waygay ausgedehnten Verhören unterzogen worden waren, hatte er gerechnet.

„Ich glaube, es handelt sich bei den Tunneln um EinsteinRosen-Brücken“, sagte er. „Die Allgemeine Relativitätstheorie läßt eine Klasse von Lösungen zu, die Wurmlöcher genannt werden. Sie sind den Schwarzen Löchern ähnlich, haben aber keine vergleichbare Entstehungsgeschichte. Sie entstehen nicht wie Schwarze Löcher durch den Gravitationskollaps eines Sterns. Aber ein gewöhnliches Wurmloch, sofern es erst einmal entstanden ist, expandiert und kontrahiert so schnell, daß nichts hindurchkommt. Es übt verheerende Gezeitenkräfte aus, und es dauert ebenfalls — zumindest in den Augen eines außenstehenden Zuschauers — unendlich lange, hindurchzugelangen.“ Ellie verstand nicht, wo der besondere Wert dieser Erkenntnis liegen sollte, und bat ihn um eine Erklärung. Das Hauptproblem bestand darin, das Wurmloch offenzuhalten. Eda hatte für seine Feldgleichungen eine Klasse von Lösungen gefunden, die auf ein neues makroskopisches Feld hindeuteten, auf eine Art Spannung, die benutzt werden konnte, um zu verhindern, daß sich ein Wurmloch vollständig zusammenzog. Ein solches Wurmloch würde keines der anderen Probleme von Schwarzen Löchern haben. Es hätte sehr viel geringere Gezeitenkräfte, wäre von zwei Seiten zugänglich, von außen gemessen wären die Durchgangszeiten kurz, und es gäbe kein zerstörerisches inneres Strahlungsfeld. „Ich weiß nicht, ob der Tunnel kleinen Störungen gegenüber stabil ist“, sagte Eda. „Wenn nicht, müßte man ein ausgefeiltes Feedback-System einrichten, um die Schwankungen zu überwachen und zu korrigieren. Ich bin mir bis jetzt mit all dem noch nicht sicher. Aber wenn die Tunnel möglicherweise Einstein-Rosen-Brücken sind, können wir ihrer Behauptung, wir hätten Halluzinationen gehabt, wenigstens etwas entgegensetzen.“

Eda freute sich darauf, nach Lagos zurückzukehren. Ellie sah das grüne Ticket der Nigerian Airlines aus seiner Jackentasche herausschauen. Er war nicht sicher, ob er die neuen physikalischen Perspektiven, auf die ihn die Reise aufmerksam gemacht hatte, vollständig würde durcharbeiten können und ob er der Aufgabe gewachsen sein würde. Hauptsächlich dachte er dabei an sein, wie er es nannte, für die theoretische Physik fortgeschrittenes Alter. Er war achtunddreißig. Vor allem, erzählte er Ellie, sehnte er sich schrecklich danach, wieder bei seiner Frau und den Kindern zu sein. Sie umarmte Eda und sagte, sie sei stolz auf die Zeit, die sie mit ihm verbracht habe. „Warum die Vergangenheit?“ fragte er. „Wir werden uns sicher wiedersehen. Und, Ellie“, setzte er fast wie einen nachträglichen Einfall hinzu, „würdest du mir einen Gefallen tun? Erinnere dich an alles, was passiert ist, an jede Einzelheit. Schreib es auf. Und schicke es mir. Unsere Erfahrungen stellen experimentelle Daten dar. Einer von uns hat vielleicht etwas gesehen, das den anderen entgangen ist, etwas, das für ein tiefgreifendes Verständnis des Vorgefallenen wesentlich ist. Schicke mir, was du aufschreibst. Ich habe die anderen gebeten, dasselbe zu tun.“

Er winkte, nahm seinen abgestoßenen Aktenkoffer und wurde von einem Beamten zu dem wartenden Auto geleitet. Alle reisten sie in ihr Heimatland zurück, und Ellie schien es, als ob es ihre eigene Familie war, die getrennt und in alle Winde zerstreut wurde. Auch sie hatte die Erfahrung als umwälzend empfunden. Wie hätte es auch anders sein können? Ein Dämon war ihr ausgetrieben worden. Mehrere sogar. Und jetzt, da sie sich stärker zur Liebe fähig fühlte denn je zuvor, war sie allein.

Mit einem Hubschrauber brachte man sie aus der Anlage. Während des langen Fluges in der Regierungsmaschine nach Washington schlief sie so fest, daß man sie wachrütteln mußte, als die Leute vom Weißen Haus an Bord kamen — unmittelbar nach einer Zwischenlandung auf einer abgeschotteten Landebahn in Hickam Field auf Hawaii. Sie hatten einen Kompromiß geschlossen. Sie durfte nach Argus zurückkehren — allerdings nicht mehr als Direktorin — und dort an selbstgewählten astrophysikalischen Problemen arbeiten. Sie hatte, wenn sie wollte, einen Vertrag auf Lebenszeit.

„Wir lassen mit uns reden“, hatte Kitz schließlich gesagt, als er dem Kompromiß zugestimmt hatte. „Wenn Sie mit einem handfesten Beweis zu uns kommen, mit etwas wirklich Überzeugendem, helfen wir Ihnen bei der Veröffentlichung. Wir sagen dann, daß wir Sie gebeten hatten, die Geschichte für sich zu behalten, bis wir absolut sicher sein konnten. Im vernünftigen Rahmen fördern wir jedes Forschungsvorhaben, das Sie wollen. Aber wenn wir die Geschichte jetzt verkünden, wird es zuerst eine Welle der Begeisterung geben, und dann werden die Skeptiker zu kritteln beginnen. Das wäre für Sie und für uns peinlich. Besser ist es, zuerst das Beweismaterial zu sammeln, wenn Sie das können.“ Vielleicht hatte die Präsidentin diesen Sinneswandel in ihm bewirkt. Es war unwahrscheinlich, daß Kitz sich über diesen Kompromiß freute.

Aber als Gegenleistung durfte sie nichts darüber sagen, was an Bord der Maschine geschehen war. Die fünf hätten sich in das Dodekaeder gesetzt, miteinander geredet und wären dann wieder herausgekommen. Wenn sie auch nur ein einziges anderes Wort ausplauderte, würde das gefälschte psychiatrische Persönlichkeitsprofil seinen Weg in die Medien finden, und man würde sie mit Bedauern entlassen müssen. Ellie überlegte, ob man auch versucht hatte, sich Peter Valerians, Waygays und Eda Abonnebas Schweigen zu erkaufen. Sie verstand nicht, wie man hoffen konnte, dieses Stillschweigen für immer zu bewahren — wenn man nicht die Wissenschaftler von fünf Nationen und vom Weltkonsortium erschießen wollte, die die Einsatzbesprechung durchgeführt hatten. Es war nur eine Frage der Zeit. Offensichtlich wollte man sich Zeit kaufen.

Es überraschte sie, wie mild die Strafen waren, mit denen man ihr drohte. Aber Verletzungen der Übereinkunft würden, wenn überhaupt, nicht mehr während Kitz’ Dienstzeit vorkommen. Kitz würde in Kürze zurücktreten. In einem Jahr sollte die Lasker-Administration nach der verfassungsgemäßen Höchstzeit von zwei Legislaturperioden aus dem Amt scheiden. Kitz hatte sich entschieden, Teilhaber einer Anwaltskanzlei in Washington zu werden, die für ihre Klienten aus der Rüstungsindustrie bekannt war. Aber Ellie vermutete, daß Kitz noch nicht mit der ganzen Sache fertig war. Über ihre Berichte von dem, was im Zentrum der Galaxis geschehen war, schien er sich zwar nicht weiter Gedanken zu machen. Sie war aber sicher, daß die Möglichkeit ihm Kopfzerbrechen bereitete, der Tunnel könne immer noch zur Erde hin, wenn schon nicht von ihr weg, offenstehen. Ellie glaubte, daß man die Anlage in Hokkaido bald abbauen würde. Die Ingenieure würden wieder in ihre Betriebe und Universitäten zurückkehren. Was würden sie dort erzählen? Vielleicht würde das Dodekaeder in der Wissenschaftsstadt von Tsukuba ausgestellt werden. Nach einiger Zeit, wenn sich die Aufmerksamkeit der Welt wieder anderen Dingen zugewandt hatte, würde es vielleicht auf dem Maschinengelände zu einer Explosion kommen — zu einer nuklearen Explosion, falls Kitz eine plausible Erklärung für so etwas einfiel. Wenn es sich um eine nukleare Explosion handelte, war die Verseuchung durch Strahlen ein ausgezeichneter Grund, das gesamte Gebiet zum Sperrgebiet zu erklären. Die Strahlung würde das Gelände zumindest vor unerwünschten Beobachtern abschirmen und vielleicht sogar die Mündung des Tunnels abschütteln. Aber wahrscheinlich würde die Empfindlichkeit der Japaner gegenüber Kernwaffen, auch wenn sie unterirdisch zur Explosion gebracht wurden, Kitz dazu zwingen, sich mit einer gewöhnlichen Explosion zufriedenzugeben. Vielleicht würde man sie als eines der vielen Grubenunglücke von Hokkaido tarnen. Aber Ellie bezweifelte, daß eine Explosion, ob nuklear oder konventionell, die Erde vom Tunnel lösen konnte. Aber vielleicht hatte Kitz nichts von alledem im Sinn. Vielleicht dachte sie schlechter von ihm, als er war. Schließlich mußte auch er von Machindo beeinflußt worden sein. Sicher hatte er eine Familie, Freunde, jemanden, den er liebte. Irgendwann einmal mußte auch er Gefühle gehabt haben.

Am nächsten Tag verlieh die Präsidentin ihr in einer öffentlichen Feierstunde im Weißen Haus den Freiheitsorden. In dem in eine weiße Marmorwand eingebauten Kamin brannten die Scheite. Die Präsidentin hatte viel politisches und finanzielles Kapital in das Maschinenprojekt gesteckt und war entschlossen, vor der Nation und der Welt das Gesicht zu wahren, so gut es ging. Die Investitionen, die die Vereinigten Staaten und andere Nationen für die Maschine geleistet hatten, so wurde immer wieder beteuert, hätten sich in vollem Umfang ausgezahlt. Neue Technologien und Industrien blühten, und das Volk würde davon mindestens ebenso viele Vorteile haben wie von den Erfindungen Thomas Edisons. Die Menschheit habe entdeckt, daß sie nicht allein sei, daß weit fortgeschrittenere Intelligenzen dort draußen im Weltraum existierten. Das, so die Worte der Präsidentin, hätte für alle Zeiten die Vorstellung des Menschen von sich selbst verändert. Von sich persönlich könne sie sagen — und sie glaube, daß sie damit für die meisten Amerikaner spreche —, daß die Entdeckung ihren Glauben an Gott gefestigt habe, von dem nun offenbar geworden sei, daß er auf vielen Welten Leben und Intelligenz erschaffen habe. Die Präsidentin war sicher, daß diese Schlußfolgerung sich harmonisch zu allen Religionen fügen würde. Der größte Erfolg des Projekts aber sei der Geist, den die Maschine auf die Erde gebracht habe — das zunehmende Verständnis der Menschen untereinander, das Gefühl, daß wir alle gemeinsam auf einer gefährlichen Reise durch Raum und Zeit seien, und das Ziel einer globalen Einheit der Zwecke, die auf dem ganzen Planeten als Machindo bekannt sei. Die Präsidentin stellte Ellie vor die Kameras der Leute von Presse und Fernsehen und sprach von ihrer Beharrlichkeit während zwölf langer Jahre, von dem Genie, mit dem sie die BOTSCHAFT entdeckt und entschlüsselt habe, und von ihrem Mut, an Bord der Maschine zu gehen. Niemand habe gewußt, was die Maschine tun werde. Frau Dr. Arroway habe bereitwillig ihr Leben aufs Spiel gesetzt. Es sei nicht Frau Dr. Arroways Schuld, daß nichts passierte, als die Maschine gestartet wurde. Sie habe das Menschenmögliche getan. Sie verdiene den Dank aller Amerikaner und der ganzen Menschheit. Ellie sei sehr bescheiden. Trotz ihrer natürlichen Zurückhaltung habe sie, als dazu die Notwendigkeit bestand, die Last auf ihre Schultern genommen, der Öffentlichkeit den Inhalt der BOTSCHAFT und die Konstruktion der Maschine zu erklären. Sie habe sogar eine Geduld im Umgang mit der Presse gezeigt, die sie, die Präsidentin, besonders bewundere. Man solle Frau Dr. Arroway jetzt wirklich ein wenig Ruhe gönnen, damit sie ihre wissenschaftliche Arbeit weiterverfolgen könne. Es habe Pressemitteilungen, Einsatzbesprechungen und Interviews mit Verteidigungsminister Kitz und dem wissenschaftlichen Berater des Weißen Hauses, Der Heer, gegeben. Die Präsidentin hoffte, daß die Presse Frau Dr. Arroways Wunsch respektieren werde, keine Pressekonferenz zu geben. Es gebe jedoch Gelegenheit zum Photographieren. Als Ellie Washington verließ, war sie sich immer noch nicht im klaren, wieviel die Präsidentin eigentlich wußte.

In einer kleinen, schnittigen Düsenmaschine des Joint Military Airlift Command wurde Ellie zurückgeflogen. Mit einer Zwischenlandung in Janesville war man einverstanden gewesen. Ihre Mutter trug den alten gesteppten Morgenrock. Jemand hatte ihr etwas Rouge auf die Wangen gelegt. Ellie drückte das Gesicht neben ihre Mutter ins Kopfkissen. Die alte Frau konnte wieder sprechen, auch wenn es ihr Mühe bereitete, und außerdem ihren rechten Arm soweit gebrauchen, daß sie Ellie ein paarmal sanft über die Schulter streichen konnte.

„Mama, ich muß dir etwas erzählen. Du wirst staunen. Aber versuche, ruhig zu bleiben. Ich möchte dich nicht aufregen. Mama. ich habe Papa gesehen. Ich habe ihn gesehen. Er läßt dir viele Grüße sagen.“

„Ja.“ Die alte Frau nickte langsam. „War gestern hier.“ Ellie wußte, daß John Staughton das Pflegeheim am Tag zuvor besucht hatte. Er hatte sich entschuldigt, daß er Ellie heute nicht begleiten könne. Er hatte es mit einem Übermaß an Arbeit begründet, aber vielleicht wollte er auch einfach in diesem Augenblick nicht stören. Dennoch hörte sie sich mit einiger Gereiztheit sagen: „Aber nein. Ich rede von Papa.“

„Sag ihm.“, war die schleppende Stimme der alten Frau zu hören, „sag ihm, Chiffonkleid. Reinigung bringen. Heimweg vom Geschäft.“

Im Universum ihrer Mutter hatte ihr Vater offensichtlich immer noch das Haushaltswarengeschäft. In Ellies auch.

Der lange Bogen des Zauns schnitt von Horizont zu Horizont durch die Steppenwüste. Gebraucht wurde er nicht mehr. Ellie war froh, wieder zurück zu sein. Sie freute sich darauf, ein neues Forschungsprogramm entwickeln zu können, wenn auch in viel kleinerem Rahmen. Jack Hibbert war zum geschäftsführenden Direktor der Argus-Station ernannt worden, und sie fühlte sich von den Verwaltungsaufgaben entlastet. Weil sehr viel Teleskopzeit freigeworden war, seit das Signal von der Wega nicht mehr empfangen wurde, gab es einen ungestümen Fortschritt in einem Dutzend Unterdisziplinen der Radioastronomie, die lange Zeit dahingesiecht waren. Keiner ihrer Mitarbeiter glaubte wie Kitz, daß die BOTSCHAFT gefälscht war. Sie überlegte, was wohl Der Heer und Valerian ihren Freunden und Kollegen über die BOTSCHAFT und die Maschine erzählt hatten.

Ellie bezweifelte, daß Kitz außerhalb seines Verstecks im Labyrinth des Pentagon, das er bald räumen mußte, auch nur ein Wort davon verraten hatte. Sie war einmal dort gewesen. Ein Marinesoldat mit einer Waffe im ledernen Halfter und hinter dem Rücken gefalteten Händen bewachte steif das Portal für den Fall, daß ein Passant in dem Gewirr konzentrischer Gänge Geduld und Verstand verlieren sollte. Willie hatte selbst den Thunderbird von Wyoming geholt, er würde also für sie bereitstehen. Verabredungsgemäß durfte sie ihn nur auf dem Gelände fahren, das aber groß genug für Vergnügungsfahrten war. Die Landschaften des westlichen Texas konnte sie so freilich nicht mehr sehen. Sie hatte keine Hasen mehr als Ehrenwache und konnte keine Fahrten in die Berge unternehmen, um einen südlichen Stern zu beobachten. Das war das einzige, was sie an der Abgeschiedenheit bedauerte.

In der folgenden Zeit belagerte eine größere Truppe Presseleute die Gegend in der Hoffnung, ihr eine Frage zurufen oder sie mit einem Teleobjektiv photographieren zu können. Aber Ellie ließ sich nicht blicken. Die neu eingestellten Mitarbeiter der Presseabteilung waren sehr erfolgreich und sogar ein wenig rücksichtslos, wenn es galt, Anfragen abzuwimmeln. Schließlich hatte die Präsidentin um Ruhe für Frau Dr. Arroway gebeten. Während der folgenden Wochen und Monate schrumpfte das Bataillon von Reportern auf eine Kompanie und schließlich auf die Größe eines Zugs zusammen. Jetzt war nur noch eine Gruppe der beharrlichsten übrig, von denen die meisten zum World Hologram und anderen Sensationsblättern und chiliastischen Zeitschriften gehörten, sowie der einsame Vertreter einer Publikation, die sich Wissenschaft und Gott nannte. Niemand wußte, zu welcher Sekte das Blatt gehörte, und der Reporter verriet es auch nicht.

Als die Artikel geschrieben waren, berichteten sie von zwölf Jahren engagierter Arbeit, die ihren Höhepunkt in der folgenschweren Entschlüsselung der BOTSCHAFT und dem Bau der Maschine gefunden hatte. Auf dem Gipfel der Erwartungen der ganzen Welt hatte sie leider versagt. Die Maschine war nirgendwohin geflogen. Natürlich war Frau Dr. Arroway enttäuscht, sie litt, so die Spekulation der Blätter, möglicherweise sogar an Depressionen. In vielen Leitartikeln wurde die Zwangspause positiv beurteilt. Die atemberaubende Geschwindigkeit, mit der die neuen Entdeckungen gemacht worden waren, und die offensichtliche Notwendigkeit einer religiösen und philosophischen Neuorientierung mache eine Zeit der Besinnung und des überlegten Neubeginns notwendig. Vielleicht sei die Erde noch nicht bereit für den Kontakt mit fremden Zivilisationen. Die Soziologen und einige Pädagogen behaupteten, es werde mehrere Generationen lang dauern, bis man das bloße Vorhandensein außerirdischer Intelligenzen, die weiter fortgeschritten waren als die Menschen, richtig verarbeitet habe. Das sei ein schwerer Schlag für die menschliche Selbstachtung, sagten sie. Es sei fürs erste genug. Ein paar Jahrzehnte später werde man die Prinzipien, die der Maschine zugrunde lagen, viel besser verstehen. Man werde sehen, welche Fehler man gemacht habe. Dann werde man darüber lachen, wie klein das Versehen gewesen sei, das damals 1999 den ersten Start der Maschine verhindert hatte. Religiöse Kommentatoren machten geltend, daß das Versagen der Maschine die Strafe für die Sünde des Stolzes, die Anmaßung des Menschen sei. Billy Joe Rankin behauptete in einer im ganzen Land ausgestrahlten Fernsehansprache, daß die BOTSCHAFT tatsächlich direkt aus einer Hölle namens Wega gekommen sei, was seinen früheren Standpunkt in der Angelegenheit maßgeblich bestätige. Die BOTSCHAFT und die Maschine seien ein moderner Turm zu Babel. Die Menschen hätten auf dumme und tragische Weise danach getrachtet, den Thron Gottes zu erreichen. Vor Tausenden von Jahren sei eine Stadt der Unzucht und Gotteslästerung mit Namen Babylon erbaut worden, die Gott zerstört habe. In der heutigen Zeit gebe es wieder eine solche Stadt mit dem gleichen Namen. Diejenigen, die sich dem Wort Gottes verschrieben hatten, hätten seinen Willen auch dort erfüllt. Die BOTSCHAFT und die Maschine stellten einen neuen Angriff des Bösen auf die Gerechten und Gottesfürchtigen dar. Aber wieder sei das Wirken des Dämons im Ansatz vereitelt worden — in Wyoming durch einen gottgegebenen Unfall, im gottlosen Rußland durch die Verwirrung kommunistischer Wissenschaftler durch göttliche Gnade. Aber trotz dieser klaren Hinweise auf den Willen Gottes, fuhr Rankin fort, hätten die Menschen ein drittes Mal versucht, die Maschine zu bauen. Gott habe sie gewähren lassen. Dann habe er still und leise die Maschine versagen lassen, die Absicht des Dämons vereitelt und damit einmal mehr Fürsorge und Interesse für seine irregeleiteten und sündigen und, um die Wahrheit zu sagen, unwürdigen Kinder bewiesen. Es sei an der Zeit, daß die Menschen aus ihrer Sündhaftigkeit und den von ihnen begangenen Greueln die Lehre zogen. Noch vor der Jahrtausendwende, vor dem wirklichen Beginn des neuen Jahrtausends am 1. Januar 2001 sollten die Menschen sich und ihren Planeten wieder Gott weihen.

Die Maschine sollte vernichtet werden mit all ihren Teilen. Der Vorstellung, die Menschen könnten eher durch den Bau einer Maschine als dadurch, daß sie ihre Herzen reinigten, ins Reich Gottes gelangen, müsse mit Stumpf und Stiel ausgemerzt werden, bevor es zu spät sei. In ihrer kleinen Wohnung ließ Ellie Rankin zu Ende reden. Dann schaltete sie den Fernseher ab und fuhr fort, ihren Computer zu programmieren.

Telefonanrufe nach außen waren ihr nur in das Pflegeheim in Janesville, Wisconsin, gestattet. Alle ankommenden Gespräche mit Ausnahme derer aus Janesville wurden abgefangen. Man entschuldigte sich dafür höflich bei ihr. Die Briefe von Der Heer, Valerian und ihrer alten Schulfreundin Becky Ellenbogen legte sie ungeöffnet ab. Als Eilpost und dann mit Kurier kamen Briefe von Palmer Joss aus South Carolina. Sie war versucht, sie zu lesen, aber dann tat sie es doch nicht. Sie schickte ihm eine Notiz, in der nur stand: „Lieber Palmer, jetzt nicht. Ellie“, und gab sie ohne Absender zur Post. Sie wußte nicht, ob sie ankommen würde. In einer Fernsehsendung über ihr Leben, die ohne ihr Einverständnis gedreht worden war, hieß es, daß sie ein noch weltabgeschiedeneres Leben führe als Neil Armstrong oder sogar Greta Garbo. Ellie nahm alles mit fröhlichem Gleichmut hin. Sie war anderweitig beschäftigt. Sie arbeitete Tag und Nacht.

Das Kommunikationsverbot mit der Außenwelt erstreckte sich nicht auf rein wissenschaftliche Zusammenarbeit, und über asynchrone Telekommunikation organisierte sie mit Waygay zusammen ein langfristiges Forschungsprojekt. Zu den Untersuchungsgegenständen gehörten die unmittelbare Umgebung von Sagittarius A im Zentrum der Galaxis und die großartige außergalaktische Radioquelle Cygnus A. Die Teleskope von Argus wurden als Teil einer zeitlich aufeinander abgestimmten Anordnung in Verbindung mit den sowjetischen Teleskopen in Samarkand eingesetzt. Der Gesamteffekt der amerikanisch-sowjetischen Anordnung war der eines einzigen Radioteleskops von der Größe der Erde. Sie arbeiteten mit einer Wellenlänge von einigen Zentimetern und konnten Radioquellen, die so klein waren wie das innere Sonnensystem, noch in einer Entfernung, die der zum Zentrum der Galaxis entsprach, bestimmen. Ellie fürchtete, daß das nicht genug sein könnte und daß die beiden kreisenden Schwarzen Löcher noch wesentlich kleiner waren. Trotzdem konnte ein ständiges Überwachungsprogramm etwas ergeben. Was sie wirklich brauchten, war ein Radioteleskop, das mit einem Raumfahrzeug auf die andere Seite der Sonne gebracht wurde und mit den Radioteleskopen auf der Erde in einer Reihe arbeitete. So konnten Menschen ein Teleskop schaffen, das effektiv die Größe der Erdumlaufbahn hatte. Damit, so rechnete sie, konnte man einen Körper von der Größe der Erde im Zentrum der Galaxis ausmachen. Oder vielleicht von der Größe der Grand Central Station.

Die meiste Zeit schrieb sie an neuen Programmen für den Cray 21 und an einem Bericht über die wichtigsten Vorkommnisse, die sich in den zwanzig Minuten Erdzeit nach Aktivierung der Maschine ereignet hatten. Der Bericht sollte so genau wie möglich werden. Etwa nach der Hälfte wurde sie sich bewußt, daß sie ihren Bericht ja nie würde veröffentlichen dürfen. Sie schrieb sozusagen im Samisdat, im Selbstverlag, und ihre Technologien waren Schreibmaschine und Kohlepapier. Sie schloß das Original und zwei Kopien zu einem vergilbenden Exemplar der Hadden Decision in ihren Safe, versteckte den dritten Durchschlag hinter einem losen Brett in der Elektronikzelle des Teleskops 49 und verbrannte das Kohlepapier. Es verursachte einen schwarzen, beißenden Rauch. Sechs Wochen darauf war die Neufassung der Programme fertig, und als Ellie gerade wieder an Palmer Joss dachte, tauchte er persönlich am Tor von Argus auf. Der Weg war ihm durch einige Telephonanrufe eines Sonderbeauftragten der Präsidentin freigemacht worden, die Joss ja schon seit Jahren kannte. Sogar hier im Südwesten mit seinen lockeren Kleidungsvorschriften trug er, wie immer, Jackett, weißes Hemd und Krawatte. Ellie gab ihm den Palmwedel zurück, dankte ihm für den Anhänger und erzählte ihm trotz Kitz’ Ermahnungen, ihre Halluzinationen für sich zu behalten, sofort alles.

Sie übernahmen die Gepflogenheit von Ellies sowjetischen Kollegen, die jedesmal, wenn etwas politisch Unorthodoxes gesagt werden mußte, das dringende Bedürfnis für einen Spaziergang an der frischen Luft verspürten. Ein entfernter Beobachter hätte sehen können, wie Joss gelegentlich anhielt und mit lebhaften Gebärden auf Ellie einsprach. Jedesmal nahm sie dann seinen Arm, und sie gingen weiter.

Er hörte mitfühlend und verständnisvoll zu und war ausnehmend tolerant — vor allem für jemanden, dessen Grundsätze von ihrem Bericht in den Grundfesten erschüttert werden mußten. wenn Joss ihm überhaupt Glauben schenkte. Nachdem er damals, als die BOTSCHAFT zum erstenmal empfangen worden war, nicht hatte kommen wollen, zeigte sie ihm jetzt endlich Argus. Er war umgänglich, und sie stellte fest, daß sie sich freute, ihn zu sehen. Sie wünschte, sie wäre nicht so beschäftigt gewesen, als sie ihn das letzte Mal in Washington getroffen hatte.

Scheinbar ziellos kletterten sie die schmale metallene Außentreppe hinauf, die auf dem Sockel des Teleskops 49 aufsaß. Der Anblick von 130 Radioteleskopen, die auf eigenen Eisenbahnschienen bewegt werden konnten, war einzigartig auf der Welt. In der Elektronikzelle schob sie das Brett zurück und zog einen dicken Umschlag mit Joss’ Namen heraus. Er steckte ihn in die Innentasche seiner Jacke, wo er deutlich als Ausbuchtung zu sehen war Ellie erzählte ihm von den Beobachtungsprotokollen über Sagittarius A und Cygnus A und von ihrem Computerprogramm.

„Es ist sehr zeitraubend, Pi etwa bis zur zehn hoch zwanzigsten Stelle auszurechnen. Auch der Cray braucht dazu seine Zeit. Und wir wissen nicht, ob das, wonach wir suchen, in Pi zu finden ist. Die Außerirdischen haben eher angedeutet,

daß es dort nicht ist. Es könnte genausogut in e sein oder einer anderen Zahl aus der Familie der transzendenten Zahlen, von der sie Waygay erzählt haben. Es könnte eine völlig andere Zahl sein. Zu versuchen, ein Ergebnis zu erzwingen, indem man einfach bis in alle Ewigkeit transzendente Zahlen berechnet, wäre Zeitverschwendung. Aber hier in Argus gibt es sehr anspruchsvolle Entschlüsselungsalgorithmen. Sie wurden dafür entwickelt, Muster in einem Signal festzustellen, und sie zeigen alles an, was nicht nach Zufall aussieht. Also habe ich die Programme umgeschrieben.“ Als sie seinen Gesichtsausdruck sah, fürchtete sie, sich nicht klar ausgedrückt zu haben, und schloß deshalb eine weitere Erklärung an.

„… aber nicht, um die Kommastellen einer Zahl wie Pi zu berechnen, sie auszudrucken und zur Begutachtung vorzulegen. Dazu ist nicht genug Zeit. Statt dessen rast das Programm über die Ziffern von Pi weg und auch zum Nachdenken hält es nur an, wenn eine anormale Folge von Nullen und Einsen auftritt. Verstehen Sie, worauf ich hinauswill? Auf etwas nicht Zufälliges. Natürlich gibt es rein zufällig ein paar Nullen und Einsen. Zehn Prozent der Ziffern werden Nullen sein und weitere zehn Prozent Einsen. Im Durchschnitt. Je mehr Ziffern wir durchgehen, desto längere Folgen aus Nullen und Einsen werden wir durch Zufall bekommen. Das Programm weiß, wie viele statistisch zu erwarten sind, und berücksichtigt nur unerwartet lange Folgen. Und es sucht nicht nur im Dezimalsystem.“

„Das verstehe ich nicht. Wenn man nur lange genug zufällige Zahlenfolgen untersucht, stößt man dann nicht schon durch Zufall auf jedes gewünschte Muster?“

„Sicher. Aber man kann errechnen, wie wahrscheinlich das ist. Wenn man zu einem sehr frühen Zeitpunkt eine sehr komplexe Botschaft erhält, weiß man, daß es kein Zufall sein kann. Der Computer arbeitet also jeden Tag in den frühen Morgenstunden an diesem Problem. Es werden keine Daten von außen eingegeben. Und bis jetzt sind auch noch keine Daten herausgekommen. Das Programm durchläuft nur die optimale Reihenentwicklung für Pi und beobachtet, wie die Ziffern vorbeifliegen. Nichts sonst. Bis es etwas findet, spricht es nur, wenn es gefragt wird. Es hält eine Art Nabelschau.“

„Ich bin weiß Gott kein Mathematiker. Können Sie mir ein Beispiel geben?“

„Sicher.“ Sie suchte in den Taschen ihres Overalls nach einem Stück Papier, fand aber keines. Sie überlegte, ob sie den Umschlag aus seiner Brusttasche holen sollte, den sie ihm gerade gegeben hatte, um darauf zu schreiben. Sie entschied aber, daß das hier im Freien zu riskant war. Als er merkte, was sie suchte, zog er einen kleinen Spiralblock heraus. „Danke. Pi beginnt mit 3,1415926. Sie sehen, die Ziffern wechseln ganz zufällig. Gut, unter den ersten vier Ziffern taucht zweimal die Eins auf, aber wenn man eine Weile weitermacht, gleicht sich das wieder aus. Jede Zahl von eins bis zehn erscheint fast genau an zehn Prozent der Stellen, wenn man genügend Ziffern zusammenkommen läßt. Gelegentlich bekommt man einige aufeinanderfolgende gleiche Ziffern, wie zum Beispiel 4444, aber nicht häufiger, als statistisch zu erwarten ist. Nehmen Sie jetzt einmal an, Sie gingen fröhlich diese Ziffern durch und fänden plötzlich nur noch Vieren. Hunderte von Vieren in einer Reihe. Das braucht zwar noch keine Information zu enthalten, aber ist auch kein statistischer Zufall mehr. Man könnte die Ziffern von Pi Äonen lang berechnen, aber wenn sie wirklich zufällig aufeinanderfolgen, würde man nie dahin kommen, daß man hundert aufeinanderfolgende Vieren findet.“

„Es ist wie bei Ihrer Suche nach der BOTSCHAFT. Mit diesen Radioteleskopen.“

„Ja. In beiden Fällen haben wir nach einem Signal gesucht, das nicht nur ein statistischer Zufall ist.“

„Es würde also um mehr gehen als nur hundert Vieren, ist das richtig? Es könnte auch zu uns sprechen?“

„Ja. Stellen Sie sich vor, wir bekämen nach einiger Zeit eine lange Folge von Nullen und Einsen. Dann könnten wir genauso wie bei der BOTSCHAFT ein Bild herausziehen, falls eines darin ist. Sie verstehen, es könnte alles mögliche dabei herauskommen.“

„Sie meinen, Sie könnten ein Bild entschlüsseln, das in Pi versteckt ist, und es könnte ein Text in hebräischen Buchstaben sein?“

„Sicher. Große schwarze Buchstaben. In Stein gemeißelt.“ Er musterte sie forschend.

„Verzeihen Sie, Eleanor, aber meinen Sie nicht, daß Sie vielleicht eine Spur zu. indirekt sind? Sie gehören keinem buddhistischen Schweigeorden an. Warum gehen Sie nicht einfach mit Ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit?“

„Palmer, wenn ich sichere Beweise hätte, würde ich reden. Solange ich aber keine habe, werden Leute wie Kitz sagen, daß ich lüge. Oder Halluzinationen hätte. Deshalb dieses Manuskript in Ihrer Innentasche. Sie werden es versiegeln, datieren, notariell beglaubigen lassen und in einen Banksafe bringen. Wenn mir etwas zustößt, können Sie es der Welt zugänglich machen. Ich gebe Ihnen die Vollmacht, damit zu tun, was Sie wollen.“

„Und wenn Ihnen nichts zustößt?“

„Wenn mir nichts zustößt? Wenn wir finden, wonach wir suchen, wird dieses Manuskript unsere Geschichte bestätigen. Wenn wir einen Beweis für ein doppeltes Schwarzes Loch im galaktischen Zentrum finden oder eine riesige künstliche Konstruktion in Cygnus A, oder eine in Pi versteckte Botschaft, dann wird das da“ — sie tippte ihm leicht auf die Brust — „mein Beweis sein. Dann werde ich reden. Bis dahin, verlieren Sie es nicht.“

„Ich verstehe immer noch nicht alles“, bekannte er. „Wir wissen, daß das Universum mathematisch geordnet ist. Das Gesetz der Schwerkraft und so weiter. Inwiefern soll das hier etwas Neues sein? Vielleicht gibt es eine Ordnung in den Ziffern von Pi. Na und?“

„Aber verstehen Sie nicht? Das wäre etwas anderes als der Versuch, die dem Universum zugrundeliegenden mathematischen Gesetze zu finden, die dann wieder Physik und Chemie festlegen. Es wäre eine Botschaft. Wer auch immer das Universum gemacht hat, er hat Botschaften in transzendenten Zahlen versteckt, damit sie fünf Milliarden Jahre später gelesen werden können, wenn sich schließlich intelligentes Leben entwickelt hat. Als wir uns das erste Mal trafen, habe ich Sie und Rankin dafür kritisiert, daß Sie das nicht verstehen wollen. ‚Wenn Gott will, daß wir von seiner Existenz wissen, warum schickt er uns dann nicht eine eindeutige Botschaft?’ habe ich gefragt. Erinnern Sie sich?“

„Ich erinnere mich sehr gut. Sie glauben, Gott ist ein Mathematiker.“

„So etwas Ähnliches. Wenn es stimmt, was man uns dort oben erzählt hat. Wenn unser Unternehmen irgendeinen Sinn hat. Wenn sich eine Botschaft in Pi verbirgt und nicht in der Unendlichkeit der anderen transzendenten Zahlen. Das sind eine Menge Wenns.“

„Sie suchen die Offenbarung in der Arithmetik. Ich kenne einen besseren Weg.“

„Palmer, es ist der einzige Weg. Es ist das einzige, was einen Skeptiker überzeugen könnte. Stellen Sie sich vor, wir finden etwas. Es muß gar nicht so fürchterlich kompliziert sein. Nur irgendein Muster, das zu regelmäßig ist, als daß es sich zufällig aus den vielen Ziffern von Pi ergeben könnte. Das ist alles, was wir brauchen. Dann können Mathematiker auf der ganzen Welt genau das gleiche Muster oder die gleiche Botschaft oder was immer es ist herausbekommen. Dann kann es keine sektiererischen Gruppen geben. Alle fangen dann an, dieselbe Schrift zu lesen. Niemand könnte dann mehr behaupten, daß das den Religionen zugrundeliegende Wunder ein Taschenspielertrick sei oder daß spätere Historiker die Aufzeichnungen gefälscht hätten oder daß das alles nur Einbildung oder Täuschung oder ein Ersatz für unsere Eltern sei, wenn wir erwachsen sind. Jeder könnte dann glauben.“

„Sie sind nicht sicher, ob Sie überhaupt etwas finden. Sie können sich hier verstecken und ewig weiterrechnen. Oder aber Sie gehen an die Öffentlichkeit und berichten der Welt von dem, was Sie erlebt haben. Früher oder später werden Sie wählen müssen.“

„Ich hoffe, ich werde nicht wählen müssen, Palmer. Zuerst materielle Beweise, dann die öffentliche Bekanntmachung. Andersherum. Sehen Sie nicht, wie angreifbar wir dann wären? Ich meine nicht mich selbst, sondern.“ Er schüttelte kaum wahrnehmbar den Kopf. Ein Lächeln spielte um seine Mundwinkel. Er hatte die Ironie ihrer Lage entdeckt.

„Warum sind Sie so heftig daran interessiert, daß ich meine Geschichte veröffentliche?“ fragte sie. Vielleicht verstand er es als rhetorische Frage. Jedenfalls antwortete er nicht, und sie fuhr fort. „Finden Sie nicht, daß eine merkwürdige. Umkehrung unserer Positionen stattgefunden hat? Ich stehe hier als jemand, der ein tief religiöses Erlebnis hatte, das ich nicht beweisen kann — wirklich Palmer, ich kann es kaum selber verstehen. Und Sie stehen da als verhärteter Skeptiker, der — erfolgreicher als ich es je getan habe — versucht, freundlich zu den Gläubigen zu sein.“

„O, nein, Eleanor“, sagte er, „ich bin kein Skeptiker. Ich glaube Ihnen.“

„Tatsächlich? Die Geschichte, die ich zu erzählen habe, handelt aber nicht von Strafe und Belohnung. Es geht nicht um Wiederkunft und Himmelfahrt. Es kommt kein Wort von Jesus darin vor. Ein Teil meiner Botschaft ist, daß wir nicht der zentrale Zweck des Kosmos sind; Was mir zugestoßen ist, macht uns alle sehr klein.“

„Das stimmt. Aber zugleich macht es Gott sehr groß.“ Sie schaute ihn einen Moment lang an und fuhr dann rasch fort.

„Wissen Sie, obwohl die Erde um die Sonne rast, haben die Mächte dieser Welt — die religiösen Machthaber und die weltlichen Machthaber — einst verkündet, die Erde bewege sich überhaupt nicht. Denn sie wollten mächtig sein. Oder zumindest so tun, als ob sie mächtig wären. Und angesichts der Wahrheit kamen sie sich allzu klein vor. Die Wahrheit ängstigte sie, sie untergrub ihre Macht. Also haben sie sie unterdrückt. Sie fanden die Wahrheit gefährlich. Sind Sie sicher, daß Sie wissen, was es heißt, mir zu glauben?“

„Ich habe gesucht, Eleanor. Glauben Sie mir, nach all den Jahren erkenne ich, wenn etwas wahr ist. Jeder Glauben, der die Wahrheit liebt und danach strebt, Gott zu kennen, muß mutig versuchen, die Erscheinungen des Universums damit in Einklang zu bringen. Ich meine, des wirklichen Universums. All die vielen Lichtjahre. All die Welten. Wenn ich an das Ausmaß Ihres Universums denke, an die Möglichkeiten, die es dem Schöpfer bietet, stockt mir der Atem. Das ist viel besser, als ihn in unsere kleine Welt einzusperren. Mir hat die Vorstellung von der Erde als Gottes grünem Schemel nie gefallen. Sie war so besänftigend wie eine Kindergeschichte. ein Beruhigungsmittel. Aber Ihr Universum hat Raum und Zeit genug für den Gott, an den ich glaube. Ich sage, Sie brauchen keinen Beweis mehr. Es gibt schon genug Beweise. Cygnus A und all das ist doch nur für die Wissenschaftler. Sie glauben, es wird schwer sein, gewöhnliche Leute davon zu überzeugen,

daß Sie die Wahrheit sagen. Ich meine, es wird kinderleicht sein. Sie glauben, daß Ihre Geschichte zu sonderbar sei, zu exotisch. Aber ich habe schon einmal so eine Geschichte gehört. Ich kenne sie auswendig. Und ich wette, Sie kennen sie auch.“ Er schloß die Augen und sagte dann auswendig her:

Und ihm träumte; und siehe, eine Leiter stand auf der Erde, die rührte mit der Spitze an den Himmel, und siehe, die Engel Gottes stiegen daran auf und nieder. Gewiß ist der Herr an diesem Ort, und ich wußte es nicht. Hier ist nichts anderes denn Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels.

Er hatte sich mitreißen lassen, als predigte er von der Kanzel einer großen Kathedrale zur Menge, und als er die Augen wieder öffnete, tat er es mit einem kleinen Lächeln über sich selbst. Sie gingen eine breite Allee entlang, die rechts und links von weißen, in den Himmel wachsenden Radioteleskopen gesäumt wurde. Nach einer kurzen Pause sagte er im Plauderton:

„Ihre Geschichte wurde vorhergesagt. Sie ist schon einmal geschehen. Irgendwo tief in Ihnen müssen Sie das gewußt haben. Keines Ihrer Details steht im Buch Genesis. Natürlich nicht. Wie wäre das möglich? Der Bericht der Genesis war für die Zeit Jakobs richtig. Genauso, wie Ihr Zeugnis für diese Zeit richtig ist, für unsere Zeit.

Die Leute werden Ihnen glauben, Eleanor. Millionen. Auf der ganzen Welt. Ich weiß es ganz sicher.“ Sie schüttelte den Kopf, und beide gingen einen Moment schweigend weiter, bevor er fortfuhr: „Also gut. Ich verstehe. Sie lassen sich so viel Zeit, wie Sie brauchen. Aber wenn es irgendeine Möglichkeit gibt, das zu beschleunigen, tun Sie es — um meinetwillen. Uns bleibt nicht einmal mehr ein ganzes Jahr bis zur Jahrtausendwende.“

„Ich verstehe Sie auch. Haben Sie noch ein paar Monate Geduld mit mir. Wenn wir bis dahin in Pi nichts gefunden haben, überlege ich mir, ob ich mit dem, was dort oben passiert ist, an die Öffentlichkeit gehe. Vor dem 1. Januar. Vielleicht werden auch Eda und die anderen bereit sein zu sprechen. Einverstanden?“

Schweigend gingen sie zum Verwaltungsgebäude von Argus zurück. Rasensprenger bewässerten das dürre Gras, sie mußten einer Pfütze ausweichen, die auf der sonst ausgetrockneten Erde irgendwie unpassend wirkte. „Waren Sie je verheiratet?“ fragte er. „Nein, nie. Ich glaube, ich hatte immer zu viel zu tun.“

„Waren Sie jemals verliebt?“ Es war eine direkte, sachliche Frage.

„Halbwegs, ein halbes Dutzend Mal. Aber.“ Sie schaute das nächststehende Teleskop an. „Es war immer zu viel Lärm darum herum. Das Signal war schwer zu finden. Und Sie?“

„Nie“, antwortete er entschieden. Es entstand eine Pause, und dann fügte er mit einem schwachen Lächeln hinzu: „Aber ich habe den Glauben.“

Ellie entschied, über diese Zweideutigkeit jetzt nicht weiter nachzudenken. Sie stiegen eine kurze Treppe hinauf, um sich den Hauptcomputer von Argus anzuschauen.

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