Epilog

Die Nacht war eben angebrochen, als Abigail ihren umgebauten Land Cruiser im Industriebezirk der Stadt am Straßenrand abstellte. Laute Musik dröhnte durch die verrauchte Nachtluft, während sie über den Fußweg zu einer Bar namens ZUM GESCHLACHTETEN LAMM ging, einem Punkclub, der in eine freie Ecke im Schlachthofviertel gequetscht worden war.

Draußen wartete ein bulliger Türsteher, der sich die Ausweise der potentiellen Gäste ansah. Der Mann hieß Lucius, und bislang war es bereits ein sehr sonderbarer Abend gewesen. Hillbilly-Trashmetal dröhnte durch die geschlossene Holztür und zwar so laut, dass die Öllachen auf der Straße in Bewegung gerieten.

Abigail ging geradewegs auf den Türsteher zu. King tauchte grinsend an ihrer Seite auf. Beide waren sie schwer bewaffnet, und sie trugen verstärktes schwarzes Leder. Sie machten keinen Hehl daraus, dass sie es ernst meinten, und es war ihnen auch egal, wer davon Notiz nahm. Einige Kunden, die vor dem Club warteten, blickten beunruhigt in ihre Richtung, und im Nu hatte sich die Schlange aufgelöst und war in der Nacht untergetaucht. Abigail sah, dass der Türsteher sie erkannte und erschrak, was sie mit Genugtuung zur Kenntnis nahm. Sie sah zu, wie King sich lächelnd vor den Türsteher stellte und ihn freundlich ansprach. „Guten Abend, Lucius.“

Lucius schluckte, die Augen waren vor Schreck aufgerissen, als er die vierläufige Schrotflinte in der Armbeuge seines Gegenübers sah. „King. Was zum Teufel treibst du denn hier?“

King blickte zu Abigail, die sich von ihm löste und scheinbar völlig ohne Hintergedanken in die schmale Gasse gleich neben dem Club spazierte. King hielt die Eingangstür im Auge. „Ich bin nur ein bisschen auf der Jagd…“

Zehn Sekunden später waren sie beide im Club, einem muffigen Lokal, in dem Musik so laut aus den anderthalb Meter hohen Boxen schallte, dass sie einen fortzureißen drohte wie ein ausgewachsener Tsunami. Die Säufer an der Bar klimperten passend zur Musik mit ihren Flaschen und Gläsern und lieferten ihre eigene akustische Version des Songs. Auf der Bühne stand eine rau aussehende Band, die eine Coverversion von „Little Red Riding Hood“ von Sam and the Shams in die Mikrofone brüllte.

Lucius wurde von King mitgeschleift, als er sich seinen Weg durch die Menge bahnte. Der Türsteher schwitzte, im düsteren Licht blitzte das Weiß seiner Augen auf, da er immer wieder nervöse Blick in Richtung Barkeeper warf. „Es gibt keine Vampire mehr, King. Wen willst du jagen?“

King blieb an der Theke stehen und überlegte. „Eine interessante Frage, mein Freund. Ich habe für dich auch eine Frage.“

Er bedeutete Lucius, vor ihm her in Richtung der Toiletten zu gehen. Sie waren nicht allzu weit gekommen, als aus dem düsteren Durchgang ein fürchterliches Grollen ertönte, das selbst die dröhnende Musik nicht übertönen konnte.

King hob seine Schrotflinte und warf Lucius einen vorwurfsvollen Blick zu.

Ehe der etwas erwidern konnte, flog die Tür zur Herrentoilette auf und prallte vom Türstopper zurück. Abigail flog kopfüber aus dem Nebenraum und landete auf dem Boden, kam sofort wieder auf die Beine und stieß einen Kamikaze-Schrei aus, während sie unter ihrem Mantel ein langes Messer hervorzog.

King zielte mit der Schrotflinte auf die leere Türöffnung. Auf einmal stürmte eine abscheuliche pelzige Kreatur aus einer der Kabinen. Sie hatte in etwa humanoide Form, war deutlich über zwei Meter groß und von einem dicken, zotteligen Fell überzogen. An ihr hingen die zerfetzten, blutigen Überreste eines Anzugs im Stil der Stray Cats. Das Ding sah nicht so aus, als sei es besonders gut drauf. King legte sein Gewehr an und stieß Lucius an, um dann mit einem Kopfnicken auf das Wesen zu deuten. „Was bekommt man, wenn man einen Vampir mit einem Werwolf kreuzt?“

Als das werwolfähnliche Wesen King reden hörte, zuckte sein wuchtiger Kopf herum und starrte ihn finster an. Im Halbdunkel funkelten seine schwarzen Glubschaugen. Es schnupperte kurz, dann öffnete es das Maul und heulte King mit stinkendem Atem an, während blutiger Sabber von den Zähnen tropfte. King grinste finster: „Einen Pelzmantel, der sich im Hals verbeißt.“

Lucius ergriff die Flucht quer durch den Club, während King Abigail ein Zeichen gab, ihm Rückendeckung zu geben, damit er sich der Bestie widmen konnte. Er legte eine Silberkugel ein und sah das Monster an, während er einen Finger auf den Abzug legte. „Weißt du eigentlich nicht, dass für einen Pelzmantel Tiere ermordet werden?“

Er feuerte die Kugel genau ins Gesicht der mutierten Kreatur, deren Schnauze sich öffnete und den Blick auf teuflisch geschwungene Reißzähne freigab.

Die Vampire der Welt waren zwar tot, aber für die Nightstalker hatte der Spaß gerade erst begonnen…

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