17

Drake hockte vor Zoe und betrachtete das menschliche Mädchen, das vor ihm saß. Zoe erwiderte den Blick, ihre Augen wirkten in ihrem blassen Gesicht riesig.

Die Handschellen hatten ihr nicht gepasst, also hatte Drake sie mit einem Stück Kette an der Wand festgemacht. Die Kettenglieder rasselten jedes Mal, wenn sich die Kleine bewegte, um auf den kalten Bodenfliesen eine bequemere Sitzposition zu finden.

Drake legte den Kopf schräg und schnupperte, um ihren Geruch zu inhalieren, aber mehr aus Neugier als vor Hunger. Noch nie war er einem Kind so nah gewesen, ohne dass er es gegessen hätte. Das Mädchen war so zierlich, mit zarten Gesichtszügen und goldenen Locken, die zu einem Engel gepasst hätten und die ihr in einer vollen Welle auf die Schultern fielen. Arme und Beine wirkten so bemitleidenswert dünn, dass er keine Muskeln erkennen konnte, und ihr Hals war so schlank wie der eines Vogels. An ihr war praktisch nichts.

Drake konnte sich nicht vorstellen, wie so ein winziges Leben ohne fremde Hilfe überleben konnte. Und doch hatte diese kleine Kreatur sich heftiger zur Wehr gesetzt als die drei Erwachsenen, bis es ihm endlich gelungen war, sie zu schnappen. Gedankenverloren kratzte Drake an seinen Fingerknöcheln, obwohl die langen roten Striemen, die Zoe in seine Haut gerissen hatten, kaum verheilt waren.

Sie war ein freches kleines Ding. Das gefiel ihm.

Einen Moment lang sah er das Mädchen einfach nur an.

Sie hielt seinem Blick stand, das kleine Kinn hatte sie trotzig vorgeschoben, auch wenn ihre Unterlippe unübersehbar zitterte.

Es half nichts, Drake musste es herausfinden. „Weißt du, wer ich bin?“, fragte er.

„Du bist der König der Gnome“, antwortete sie prompt.

„Der König der Gnome?“ Drake lächelte. „Das gefällt mir.“

Er dachte einen Moment lang nach, dann beugte er sich neugierig vor. „Sag, mein Kind. Möchtest du sterben?“

Zoe hatte Angst, zeigte sich aber so mutig, wie es ihre Mutter ihr beigebracht hatte. „Ich habe keine Angst. Ich komme in den Himmel.“

Drake begann zu lachen, jedoch klang Verbitterung darin mit.

„Es gibt keinen Himmel“, erklärte er Zoe. „Kein Gott, keine Engel. Kein Happy End für brave kleine Mädchen.“ Er kam wieder ein Stück näher. „Das Einzige, worauf du dich freuen kannst, ist das Nichts.“

Während Drake sprach, weiteten sich seine Pupillen so sehr, dass sie sogar das Weiße in seinen Augen verschwinden ließen. Zoe starrte ihn an, unfähig, den Blick von ihm abzuwenden. Die Augen des Mannes schienen immer größer zu werden, und sie bekam das Gefühl, gegen ihren Willen immer stärker von ihm angezogen zu werden. Es war so, als würde ihr Gehirn in den flüssigen Strömen seines Banns schwimmen. Sie bohrte ihre Fingernägel in die Handflächen, um gegen das Gefühl anzukämpfen. Was es war, wusste sie nicht, doch ihr war klar, dass es ihr überhaupt nicht gefiel.

Dann redete Drake mit sanfter und sonorer Stimme weiter. „Aber was wäre, wenn du das ändern könntest?“, fragte er. „Was wäre, wenn du immer Kind bleiben könntest?“ Er strich mit einem seiner langen Fingernägel über die zarte Wange von Zoe. „Stell dir vor, du könntest immer dieses kleine Puppengesicht behalten, bis die Sonne längst zu einem Felsbrocken erkaltet ist.“ Er sah ihr tief in die Augen. „Würde dir das nicht gefallen? Würdest du dieses Geschenk haben wollen?“

Zoe blinzelte, dann streckte sie eine Hand aus und berührte ihrerseits Drakes Wange. „Meine Freunde kommen, um dich zu töten.“

Drei Zimmer weiter sackte King rückwärts gegen die Säule, Blut lief ihm aus der Nase und dem Mund. Er blinzelte, um sich von den Tropfen der klebrigen roten Flüssigkeit zu befreien, die ihm ins Auge gespritzt waren. Benommen sah er auf, während Grimwood nach hinten ins Licht trat, seine gewaltigen Muskeln spielen ließ und auf der Stelle tänzelte, als sei er ein Boxer im Ring.

Für King war zunehmend klar, dass das Leben eine beschissene Angelegenheit war. Vor allem, wenn man von einem Typen durchgeprügelt wurde, der nicht wusste, wo sein Hintern war, es sei denn, er bezahlte jemanden, damit der einen Spiegel hochhielt und es ihm zeigte.

Das Ganze war nicht mal in irgendeiner Weise ehrenvoll. Die Vampire hatten ihn geschnappt, und nun würden sie ihn umbringen. So simpel war das.

Die umstehenden Vampire besaßen nicht mal genug Phantasie, um irgend etwas anderes zu tun, als herumzustehen und wie ein Haufen großer Feiglinge lediglich zuzusehen.

Das kam einer Beleidigung gleich.

Trotzdem war es immer noch besser als das, was Danica ihm angedroht hatte.

King spuckte Blut auf den edlen Teppich und warf einen finsteren Blick auf Asher und Danica, die sich vor ihm aufgebaut hatten. Er sah alles doppelt, deshalb war er nicht sicher, welche der beiden weiblichen Gestalten die echte Danica war. Irgendwie hübsch waren sie beide, auch wenn sie böse und natürlich extrem schlampig waren. Er zermarterte sich das Hirn, aber ihm wollte kein passender Witz über weibliche Vampire einfallen.

Er musste sich in einer schlechteren Verfassung befinden, als er es selbst für möglich gehalten hatte.

Stattdessen sah er wütend Grimwood an. Er war zwar durchgeprügelt worden, aber sie würden nicht erleben, wie er aufgab. Er fletschte die Zähne und hoffte inständig, seine Stimme würde durchhalten. „Das wird dir noch Leid tun.“

„Niemand kommt, um dich zu retten, King“, mischte sich Asher mit kühler, spöttischer Stimme ein. King starrte ihn finster an. Dieser Hurensohn hatte seinen Spaß daran, es einem Sterblichen heimzuzahlen, der seine Schwester flachgelegt und es aller Welt erzählt hatte.

Tja, er hatte eine kleine Überraschung für ihn.

Eigentlich hatte er für sie alle eine kleine Überraschung.

King drehte den Kopf und versuchte, das seltsame Krachen zu ignorieren, das sein Hals von sich gab, sobald er ihn bewegte. Bei seinem dritten Versuch konzentrierte er sich auf Asher: „Na, und ob. Ich habe ihnen eine kleine Spur aus digitalen Brotkrumen hinterlassen.“

Danica lachte spöttisch. „Sonst geht es dir noch gut?“

King warf ihr einen finsteren Blick zu. Dieses Miststück von Vampirin. Er hätte sie umbringen sollen, als er die Gelegenheit dazu gehabt hatte. Er wischte sich das Blut aus dem Mundwinkel und setzte sich auf, wobei er Danica gezielt ignorierte. „Es gibt da etwas, das ihr über uns Nightstalker wissen müsst. Wenn ihr Mitglied in unserem Club werdet, kriegt ihr eine Wundertüte mit richtig coolen Geschenken. Unter anderem auch ein toller kleiner Sender, der in den Körper eingepflanzt wird.“

„Blödsinn.“ Grimwood grinste ihn höhnisch an, doch seine Stimme verriet, dass er verunsichert war. King spürte das. War es nur Einbildung, oder hatte dieser 120 Kilo schwere Vampir tatsächlich gerade eben wie ein ängstliches kleines Mädchen zur Tür gesehen?

King bewegte hinter dem Rücken seine Handgelenke und testete abermals seine Fesseln. „Pfadfinderehrenwort. Wenn einer von uns abhanden kommt, dann wählen die anderen einfach einen Satelliten an, und schon kann die Kavallerie losreiten.“

Grimwood blickte zu Danica und wirkte nicht mehr ganz so mutig. Sollte dieser jämmerliche Trottel etwa die Wahrheit sagen?

Asher war unbeeindruckt. „Er blufft.“

Danica lächelte King zu und ging auf sein Spiel ein. Sie glaubte ihm kein Wort, aber sie wollte herausfinden, wie lange er an dieser Lüge festhalten würde. Wenn sie ihn so gut kannte, wie sie glaubte, dann konnte das sehr vergnüglich werden. „Okay, King. Wo steckt denn dieser tolle Sender?“

King täuschte einen Hustenanfall vor, dann räusperte er sich und bedeutete Danica näher zu kommen. Erwartungsvoll sah sie ihn an, während sie den stechenden Geruch von Angst und Hass wahrnahm, der von seiner Haut ausging. King hustete wieder, dann flüsterte er: „In meiner linken Arschbacke.“

Mit einer Wucht, als würde ein Hurrikan einen Ast peitschen, schlug Danica ihm ins Gesicht. Kings Schädel wurde herumgerissen, Sterne tanzten vor seinen Augen. Dann aber schüttelte er den Kopf wie ein Hund, seine Stimme gewann an Kraft. Langsam machte ihm die Sache Spaß. „Okay, ich geb’s zu. Er ist in meiner rechten Arschbacke.“

Danica traf King erneut und schlug seinen Kopf diesmal in die andere Richtung. Er durfte in diesem Ton nicht mit ihr reden, jedenfalls nicht vor den anderen.

King blinzelte und versuchte, seinen Blick auf sie oder auf etwas anderes zu konzentrieren. „Nein, ehrlich…“ Mit ernster Miene überlegte er einen Moment, was er als Nächstes tun sollte. Dann spuckte er wieder Blut und zielte auf Danicas teure, hochhackige Schuhe. Er grinste sie breit an. „Er ist wirklich in meinen Hintern eingepflanzt, gleich unter dem ,Hello Kitty’-Tattoo.“

Diesmal griff Grimwood ein und landete einen kraftvollen Treffer gegen seinen Oberkörper. Ein lautes Krachen war zu hören, King wurde bleich und sackte keuchend vornüber.

Einen Moment später hob er den Kopf wieder, unter den Blutspritzern war sein Gesicht schneeweiß. Er holte unter Schmerzen Luft, aber er wollte sehen, wie weit er Danica treiben konnte. „Zieh doch meinen Slip runter“, flüsterte er. „Dann kannst du dich persönlich davon überzeugen.“

Ihre Unterlippe bebte, ihre Augen begannen zu brennen. Obwohl er halbtot und an einer Säule angekettet war, gelang es King, sie vor den anderen zum Narren zu machen.

„Das reicht!“, brüllte sie. „Das ist nicht mehr witzig.“

King, der mehr an der Säule hing, als dass er stand, wandte ihr sein geschwollenes Gesicht zu und sah Danica durch blutige Schleier hindurch an. Sie trat unwillkürlich einen Schritt nach hinten, als sie den Hass in seinen Augen erkannte. „Nein, das ist es wirklich nicht, du Miststück.“ Er zuckte zusammen, als ihn eine gebrochene Rippe ins Fleisch stach. „Aber in ein paar Sekunden wird es das sein.“

Danica hustete und versuchte, die Fassung wiederzuerlangen. „Und was passiert in ein paar Sekunden, mein Schatz?“ fragte sie mit eisiger Stimme.

„Showtime.“

Die Vampire starrten King verständnislos an.

Auf Kings Gesicht zeichnete sich ein wissendes Lächeln ab. „Spürst du das Kratzen in deiner Kehle?“

Danica hustete erneut, sie zwinkerte ein paar Mal in rascher Folge, dann rieb sie sich die Augen. Sie stachen, als wären ihr Sandkörner unter die Lider geraten. Sie wischte mit ihrem seidenen Ärmel darüber, ehe sie ein wenig unsicher zu den anderen sah. Asher schüttelte nur knapp den Kopf und rümpfte missbilligend die Nase, während seine Augen zu tränen begannen.

Gleichzeitig starrten sie zu Grimwood hinüber.

Eine Gesichtshälfte rauchte.

King redete im Plauderton weiter. „Ihr atmet in diesem Moment atomisiertes kolloidales Silber ein. Es wird in die Klimaanlage des Gebäudes gepumpt.“

Danica starrte ihn verständnislos an. Dann bemerkte sie das leise Zischen, das aus der Klimaanlage an der Wand drang. Fassungslos starrte sie darauf, während das Geräusch beständig lauter wurde.

Gleichzeitig begannen die Vampire zu niesen und nach Luft zu schnappen, als ihre Körper versuchten, die Silberstaubpartikel zu verarbeiten, die sich in ihren Lungen ablagerten. Asher kippte hyperventilierend gegen die Wand, während Grimwood mit seinen Klauen nach seinem Gesicht schlug.

Nur mit Mühe konnte sich King aufrichten, da seine Beine vor Anstrengung zitterten. Er sah mit unendlicher Befriedigung zu, wie Grimwood zu kreischen begann und im Kreis rannte, während er bläuliche Flammen hustete.

King lehnte den Kopf gegen die Säule und sah nach oben. „Das dürfte bedeuten, dass der große Auftritt stattfindet… und zwar…“

Das schwarz gestrichene Oberlicht wurde eingeschlagen.

„…jetzt.“

Blade platzte durch das Oberlicht in den Raum, sein Ledermantel schwang wie ein Umhang um ihn herum. Er machte einen Satz aus fast fünf Metern Höhe und landete lässig neben King, wobei er sein Gesicht abschirmte, um sich vor den Scherben zu schützen. Dann stemmte er sich mit den Händen auf dem Teppich ab und schlug ein Rad, um seinen Stiefel in Grimwoods schmorendes Gesicht zu rammen. Der große Vampir wurde von dem wuchtigen Aufprall zu Boden gerissen, da er sich in seiner Panik nicht wehren, sondern nur mit den Armen fuchteln konnte.

King stieß einen Freudenschrei aus. Er hatte den Daywalker noch nie in Aktion erlebt, und jetzt hatte er gleich einen Platz in der ersten Reihe. Fast wünschte er sich, er hätte eine Zigarre und einen Beutel mit Popcorn, um das Schauspiel stilvoll zu genießen.

Fast im gleichen Augenblick war Grimwood wieder auf den Beinen, auch wenn das mehr ein Reflex als eine bewusste Reaktion war. Er schüttelte den Kopf, dann holte er nach Blade aus und jaulte wie ein verwundeter Bär. Die anderen Vampire sprinteten aus dem Weg, als Blade einen Satz durch die Luft machte und Grimwood im Flug erwischte. Die beiden wurden nach hinten gerissen, die Wucht des Aufpralls schleuderte sie gemeinsam über das niedrige Geländer in die tiefer gelegene Hälfte von Danicas Penthouse.

Danica nutzte den Augenblick der Verwirrung, packte Asher und zerrte ihn hinter sich her aus dem tödlichen Silberrauch, während sie versuchte, den Atem anzuhalten. Sie mussten von hier verschwinden, ehe der Daywalker ihnen nachstellte. Sie hoffte, Blade würde lange dafür brauchen, Grimwood zu töten, damit sie genug Zeit für ihre Flucht hatten.

Die beiden Vampire stürmten hinaus in den abgedunkelten äußeren Flur und hasteten in Richtung Treppenhaus. Noch während sie davonliefen, öffneten sich mehrere Türen entlang des Korridors und Dutzende von Vampirwachen taumelten aus den Zimmern, röchelten und hielten sich den Hals. Alarmglocken schrillten in jedem Raum, als der gebäudeweite Eindringlingsalarm ausgelöst wurde, was das Chaos nur noch verschlimmerte.

In seinem Raum gleich nebenan wandte Drake den Kopf, als er den Alarm hörte. Er war gerade beim Anziehen. Eine Hand steckte in einem polierten Panzerhandschuh, der der Rüstung gehörte, in der er beerdigt worden war. Der Rest der Rüstung war neben ihm aufgestellt worden und warf einen unheimlichen, menschenähnlichen Schatten an die Wand gegenüber.

Drake streckte sich genüsslich und machte den zweiten metallenen Handschuh fest. Er kannte nur eine Person, die in der Lage war, Danicas Alarmanlage zu überwinden. Erwartungsvolle Vorfreude regte sich in ihm. Oh ja, vor dem Mittagessen konnte er ein wenig körperliche Betätigung gut gebrauchen. Er griff nach seinem Schwert und ging an der schweigsamen Zoe vorbei aus dem Raum, die ihm nachsah und auf ihren Knebel biss.

Auf der unteren Ebene im Penthouse bekämpften sich Blade und Grimwood wie zwei Titanen, demolierten Möbel, zerbrachen Fenster und droschen mit bloßen Fäusten in einem Wirbelwind aus Attacken und Gegenattacken aufeinander ein. Für seine Größe war Grimwood bemerkenswert leichtfüßig und schlug immer wieder nach Blade, während der Daywalker ihn zurücktrieb und nach einer Lücke in seiner Deckung suchte. Grimwoods Gesichtshaut war bereits zur Hälfte weggebrannt, weshalb Blade auch bemüht war, auf Abstand zu bleiben, da der Gestank nach verbranntem Fleisch überwältigend wurde.

Während sie kämpften, war auf einmal hinter ihnen lautes Gebrüll zu hören. Blade wirbelte zwischen zwei Hieben herum und sah Dutzende von Vampiren, die als Verstärkung durch mehrere Zugänge in das Apartment gestürmt kamen. Bewaffnet waren sie mit einer bizarren Ansammlung von Gegenständen, die sie spontan gepackt hatten: Knüppel, Baseballschläger und Feuerlöscher.

Blade fluchte leise. Er war so dumm gewesen, zu glauben, dass das Apartment unbewacht sein würde, doch jetzt begann er daran zu zweifeln, dass es ein kluger Plan war. In der Theorie war es alles ganz einfach. Sie mussten nur nahe genug an Drake herankommen, damit Abigail die Ampulle auf ihn abfeuern konnte, dann würde alles vorüber sein.

Die Chancen dafür standen aber äußerst schlecht, wenn er erst noch diese Truppe aus dem Weg schaffen musste.

Blade wandte sich wieder Grimwood zu, entschlossen, diesen Verrückten auszuschalten, ehe die anderen ihn erreicht hatten. Er konnte nur hoffen, dass Abigail zu King vordrang, ehe die Blutsauger sich entschieden, auch über ihn herzufallen. Ein weiterer toter Nightstalker war das Letzte, was Abigail jetzt brauchte, und wenn sie nicht kämpfen konnte, dann war sie für ihn nutzlos.

Der erste Vampir hatte ihn erreicht, und sofort schaltete Blades Verstand um in den Einzelkämpfer-Modus. Er suchte die Menge ab, um zu erkennen, welche unter ihnen die schwächsten Ziele darstellten. Einen Augenblick später war sein Körper in Bewegung und entfernte sich mit einem gewaltigen Sprung von Grimwood. Mit einem kräftigen Rundumtritt zerschmetterte er bei drei Vampiren, die ihm am nächsten waren, zahlreiche Knochen. Ein hagerer Laborvampir tauchte hinter ihm auf und versuchte, ihm auf den Rücken zu springen, wobei er mit einem verchromten Dolch fuchtelte. Blade hatte aber damit bereits gerechnet und griff hinter den Vampir, um dessen Hemd zu packen.

Der Dolch strich harmlos über Blades Brustpanzer, während er die glücklose Kreatur über dem Kopf umherwirbelte und dann vor sich auf den Boden warf, wobei er einen anderen Vampir mit sich riss. Die Kreatur hatte kaum genug Zeit, um die Augen vor Entsetzen aufzureißen, da bohrte sich bereits ein Silberpflock in ihr Herz und ließ sie in einer Explosion aus schwarzer Asche vergehen, die den Vampir darunter in Brand setzte.

Die Hitze der beiden Tode erfasste Blade, der sich rasch abwandte und sich eine junge Vampirin vornahm, die nach ihrer Pistole griff. Er schaltete sie so schnell aus wie die beiden anderen, indem er einen Silberpflock aus seinem Armgurt zog und ihn in ihre Brust rammte. Ihr Brustbein wurde durch den Aufprall zertrümmert, und noch während sie zu kreischen begann, umfasste er ihren Hals und trennte den Kopf so mühelos vom Rumpf, als würde er eine reife Frucht vom Baum pflücken. Blut spritzte umher. Für einen Sekundenbruchteil verzog die Vampirin entsetzt das Gesicht, als sie ihren eigenen, kopflosen Rumpf zu Boden fallen sah. Dann wurde vor ihren Augen alles weiß, da sich weißglühende Flammen durch ihre Sinne fraßen und ihren Kopf in einen kleinen Feuerball verwandelten.

Drei andere Vampire rückten vor, um ihren Platz einzunehmen. Blade ließ sich nach vorn fallen, stützte sich mit den Händen ab und trat nach oben aus. Mit unglaublicher Wucht traf er zwei der Kreaturen mit den Absätzen auf die Brust. Sie rutschten auf dem Blut der enthaupteten Vampirin aus, überschlugen sich in der Luft und landeten in einer höchst unnatürlichen Körperhaltung auf dem Boden. Sie bewegten sich nicht länger.

Blade stieß heftig den Atem aus, kam wieder auf die Beine und sah sich um. Volle zehn Sekunden Kampf, aber die Zahl seiner Gegner hatte sich keineswegs verringert. Vielmehr schien es sogar so, als seien es noch mehr geworden.

Ihm wurde klar, dass die anderen deutlich zu zahlreich waren, doch er hatte immer noch einen Vorteil in der Hand, den er gegen diese Trottel einsetzen konnte, die vorstürmten, weil sie ihn niederringen wollten.

Zwei Vorteile, wenn er es genau nahm…

Unter seinem Ledermantel holte er seine beiden Mach-Pistolen hervor und schoss zwei komplette Magazine tödlichen Silbers in die Menge. Der Raum füllte sich mit Rauch und Asche, je mehr seiner Gegner von Blades Kugeln getroffen wurden. Über ein Dutzend Vampire fiel ihm zum Opfer, der Putz wurde aus den Wänden gerissen, so dass tiefe Krater entstanden. Die Vampire begriffen schnell und suchten hinter Möbelstücken Schutz oder rannten in Panik schreiend aus dem Raum.

Auf dem Dach spähte Abigail unterdessen vorsichtig über die Kante des Oberlichts. Sie erblickte King, der gleich unter ihr an einer Säule festgebunden war und atmete erleichtert auf. Nachdem sie sich rasch umgesehen hatte, warf sie das eine Ende eines Seil durch den zerbrochenen Kunststoffrahmen, dann ließ sie sich hinab und eilte zu King. Unwillkürlich zuckte sie zusammen, als sie sah, in welcher Verfassung er sich befand. Das halbe Gesicht war eine einzige, massive Schwellung, der Boden um ihn herum war blutgetränkt.

Sie biss sich auf die Lippe. „Geht es dir gut?“

King sah auf und zuckte die Achseln. Blut tropfte ihm vom Gesicht. „Nichts, was sich nicht mit einer Wanne voll Desinfektionsmitteln beheben lassen würde.“

Abigail seufzte erleichtert. King war wohlauf.

Sie drückte auf die Handschellen, die sich mit einem lauten Klacken öffneten. King erhob sich, und Abigail gab ihm eine Pistole und ein Magazin mit Sundog-Kugeln. Dann legte sie eine Hand auf seine Schulter. Ihre Miene war ernst, als sie sich auf das Schlimmste gefasst machte. „Zoe?“

King schüttelte den Kopf und rieb sich seine geschundenen Handgelenke. „Drake hat sie.“

Abigail atmete heftig aus, obwohl ihr gar nicht bewusst gewesen war, dass sie den Atem angehalten hatte. Sie nickte King dankend zu und verließ das Apartment durch die Tür, die am nächsten gelegen war.

Sie musste Zoe finden und konnte nur beten, dass sie nicht zu spät gekommen waren.

Hinter ihr streckte King die Arme, um wieder Gefühl in seine Hände zu bekommen. Er schob die Pistole in sein Halfter und lief Abigail nach, wobei er sich Mühe gab, nicht zu humpeln.

Abigail betrat den dunklen Korridor, der vom – Penthouse wegführte. Sie sah sich um, dann steckte sie die kleinen Lautsprecher in die Ohren und drehte die Lautstärke ihres MP3-Players hoch. Während das Intro des Fluke-Tracks „Absurd“ bis in ihr Hirn dröhnte, nahm sie den UV-Bogen vom Gürtel und fuhr die Teleskoparme mit einem knappen Ruck des Handgelenks aus. Ihre Sinne waren in höchster Alarmbereitschaft, als sie durch den Korridor lief und jede Tür und jeden Schatten nach einer möglichen Bedrohung absuchte.

Nachdem sie ein Stück gelaufen war, stürmte auf einmal ein Vampir um die Ecke und stieß beinahe mit ihr zusammen. Er hatte die Hände um die Augen gekrampft und Rauch quoll aus seinem Mund. Abigail enthauptete ihn mit dem UV-Bogen und lief bereits weiter, noch bevor sein Körper zu Boden gefallen war.

Augenblicke später strömten weitere Vampire in den Korridor auf Abigail zu. Bei ihrem Anblick konzentrierte sich ihr Blickfeld auf einen einzelnen, todbringenden Tunnel, einen schwarzen Nebel mit einem roten Fadenkreuz in seiner Mitte. Der Rhythmus der Musik strömte bis in ihr Rückgrat, spornte ihre Sinne an und hüllte sie in synkopische Wärme, während sie sich mit Schlägen und Tritten einen Weg durch die Menge bahnte.

Eine erschreckend aussehende Vampirin, die ihr zu nahe kam, wurde von Abigail mit einem wuchtigen Schlag auf den Solarplexus betäubt, ehe die den UV-Bogen zog und ihr den Kopf abtrennte. Abigail beobachtete zufrieden, wie der Kopf von einer Wand abprallte und dann explodierte, wodurch er ein großes Loch ins Mauerwerk riss. Der Rest der Kreatur schmolz dahin und erlaubte für einen Moment einen beängstigenden Blick auf das leuchtend weiße Skelett, das Sekunden später ebenfalls zu Asche zerfiel.

Abigail bewegte den Bogen nach unten und beschrieb eine komplette Drehung, wobei sie drei weitere schreiende Vampire in zwei Teile zerschnitt. Schließlich feuerte sie mit hoher Geschwindigkeit eine große Salve Pflöcke in die Masse Vampire, die vor ihr den Korridor blockierten. Ihre Augen funkelten, als sie in eine maschinengleiche, mörderische Trance verfiel und sich in ihrer Aufgabe verlor, ihre Gegner niederzumetzeln.

Als der Regen aus Pflöcken stoppte, drückte sie auf einen Knopf an der Seite ihrer Waffe, der das Magazin auswarf. Im nächsten Moment hatte sie bereits ein neues Magazin aus dem Gürtel gezogen und eingelegt, dann bewegte sie sich feuernd weiter.

Im Penthouse war Blade noch immer in seinen Kampf verstrickt, obwohl ihn bereits ein allmählicher wachsender Wall aus brennenden und blutenden Leibern umgab. Seine Munition war ihm längst ausgegangen, und die Vampire rückten jetzt einer nach dem anderen vor. Blade ließ sich gerade noch rechtzeitig fallen, als ihn ein Vampir in der Uniform eines Wachmanns mit einem Kamikaze-Schrei ansprang, aber über sein Ziel hinwegschoss. Blade nutzte seine Position, um mit den Füßen dicht über dem Boden auszuholen. Zwei Vampire wurden außer Gefecht gesetzt, indem er ihre Schienbeine zerbrach, als handele es sich um Streichhölzer. Drei andere nahmen sofort ihren Platz ein und holten mit Baseballschlägern aus.

Es war sinnlos. So konnte er nicht weitermachen.

Es wurde Zeit, sich von der unfreundlichen Seite zu zeigen.

Er griff hinter sich und zog sein Schwert mit einem metallischen Zischen aus der Scheide. Fast ein Meter federndes Titan lag locker in seiner Hand und vibrierte leicht, da sich der kräftige Herzschlag des Daywalkers auf die Klinge übertrug.

Das verräterische Klicken, das beim Entsichern einer Waffe ertönte, ließ Blade abrupt herumwirbeln und dank übermenschlicher Schnelligkeit die Kugel mit der Breitseite des Schwerts ablenken. Mit dem Heft stoppte er zwei andere Gegner, die mit Knüppeln auf ihn losstürmten und etwas auf Japanisch schrien. Sein Schwert beschrieb in der Luft eine Acht, dann fielen die beiden zu Boden, ihr Blut ging wie ein warmer Regen auf Blade nieder.

Nahe der Tür schleppte sich Grimwood fort von dem Gemetzel und sah voller Wut mit an, wie Blade die gesamte Nachtschicht in Stücke schnitt. Trotz ihres ausgiebigen Kampftrainings fielen die Vampire Blades Schwert zum Opfer, als seien es junge Bäume, an denen sich ein wahnsinniger Holzfäller mit Kettensäge vergriff.

Sie waren nach wie vor in der Überzahl, doch die Vampire gingen jeder für sich auf ihn los und kümmerten sich kaum darum, ob der Weg überhaupt frei war, ehe sie einen Angriff mit ihren unterlegenen Waffen versuchten. Was sie antrieb, war das Verlangen, vom Blut des Daywalkers zu kosten. Und das bezahlten sie reihenweise mit ihrem Leben.

Grimwood biss die stählernen Zähne zusammen und griff nach einer alten Streitaxt, die zur Dekoration an der Wand befestigt war.

Wenn schon, sollte man seine Arbeit auch gründlich machen…

Mit einem zornigen Knurren riss Grimwood die Axt von der Wand und ließ einen Regen aus Verputz auf den Boden niedergehen. Er hob die Axt hoch über sich und stürzte sich wieder in das Getümmel. Langsam kämpfte er sich bis dicht an Blade heran, duckte sich hinter den anderen Vampiren und wartete einen Moment.

Vor ihm fiel ein Vampir, schmutziggelbe Funken flogen aus seiner Brust. Damit war der Weg zu Blade frei, zumal dieser Freak ihm auch noch den Rücken zuwandte!

Grimwood sah seine Chance gekommen, schoss nach vorn und zielte mit einem Triumphschrei nach Blades Kopf. Blade jedoch stand gar nicht mehr vor ihm. Grimwood kniff verständnislos die Augen zusammen und sah verärgert mit an, wie einer seiner eigenen Leute vor ihm in zwei Hälften auseinander fiel, da seine Axt ihn sauber durchtrennt hatte.

Blade kam so schnell wieder hoch, wie er sich geduckt hatte, und sprang auf Grimwood los, während er um sich schlug, um Platz zu bekommen. Der letzte Vampir sank keine zehn Sekunden später zu Boden und gesellte sich zu seinen toten Artgenossen. Blut lief über Blades Klinge und über seine Handschuhe, doch sein Griff um das Heft war unverändert sicher.

Dann standen sie sich wieder gegenüber.

Mit wildem Kriegsgebrüll ließ Grimwood die Axt auf Blade herabsausen, doch der hob sein Schwert und stoppte die Axt in einem weißen Funkenregen. Dann verlagerte Blade seinen Griff und hakte sein Schwert unter dem Kopf der Axt ein und riss die Waffe aus Grimwoods Händen.

Er machte einen Satz und holte mit seinem Schwert in einem übermenschlich schnellen Schwung aus. Einen Sekundenbruchteil später traf die diamantgeschärfte Klinge Grimwood in den Bauch. Ein dumpfes, schmatzendes Geräusch war zu hören, und noch bevor der Vampir überhaupt begriff, was sich zugetragen hatte, spannte Blade seinen Bizeps an, um die Klinge auf der anderen Seite wieder aus der Kreatur zu ziehen.

Grimwood fiel in zwei Hälften zu Boden.

Blade betrachtete seine blutigen Überreste und wartete darauf, dass sie in Flammen aufgingen.

Nichts geschah.

Dann begann die obere Körperhälfte zu zucken. Grimwood riss die Augen auf und war wieder zum Leben erwacht. Er streckte seine Arme aus, presste die Finger auf den Marmorboden und drückte sich vom Boden hoch, als wolle er Liegestützen machen. Ein trotziges Knurren kam über seine Lippen, während er sich wie eine riesige Spinne vorwärtsbewegte, seine funkelnden schwarzen Augen stur auf Blade gerichtet. Er lehnte sich nach hinten, drückte die muskulösen Arme durch und sprang mit weit aufgerissenem Mund den Daywalker an.

Zutiefst angewidert, fing Blade den halben Vampir ab und packte ihn an der Kehle. Während er Grimwood so weit von seinem Gesicht weghielt, wie es nur ging, durchbohrte er mit einer schnellen Bewegung dessen Herz.

Grimwood stieß einen wütenden Schrei aus, als er spürte, das seine Brust in Flammen aufging. Mit bereits in der Auflösung begriffenen Händen wollte er den Daywalker zu fassen bekommen, doch im nächsten Moment hatten die Flammen seinen gesamten restlichen Körper erfasst und hüllten ihn in flüssiges Feuer ein.

Blade ließ den brennenden Rumpf fallen, der zuckend und zappelnd auf dem Boden landete. Der Aufprall ließ das bereits verkohlte Fleisch von Grimwoods Knochen abplatzen, bis nur noch ein rußgeschwärztes Skelett übriggeblieben war, das langsam nach vorn kippte und auf dem blutgetränkten Boden zerfiel.

Erst dann hörte Grimwoods Ringen auf.

Ein trauriges kleines Scheppern war zu hören, als die zwei Stahlkronen aus der Staubwolke fielen, die über seinen Zähnen gesessen hatten. Sie landeten vor Blades Füßen und rollten wie Murmeln in seine Richtung. Nachdenklich betrachtete er die Kronen, dann lief ihm ein Schauer über den Rücken. Seine Nackenhaare richteten sich auf.

Blade wusste, was das zu bedeuten hatte: Jemand beobachtete ihn.

Langsam drehte er sich um und sah nach oben, wo Drake als dunkle Gestalt stand und auf ihn wartete.

Abigail stürmte eben in das dreißigste Zimmer in Folge und suchte voller Hoffnung die Dunkelheit ab. Sie war in jedem Raum auf dieser Etage gewesen, aber alle waren sie verlassen. Das Blut wollte ihr in den Adern gefrieren, als sie darüber nachdachte, was womöglich mit Zoe geschehen war.

Als sie den nächsten Raum betreten wollte, drehten sich zwei Vampirwachen mit einem Schrei nach ihr um. Sie gab sich kaum Mühe, exakt zu zielen, als sie ihnen zwei Silberpflöcke entgegenschleuderte. Die Wachen sanken zu Boden und vergingen zu kleinen Wirbeln aus glühender Asche.

Während sich der Staub noch legte, sah sie bereits Zoe zusammengekauert in einer Ecke sitzen. Ihre kleiner Körper war in dicke Ketten gelegt worden, aber sie lebte.

Erleichterung überkam Abigail, die zu ihr eilte und schnell das Vorhängeschloss fand, mit dem die Kette zusammengehalten wurde. Sie zog ihre E-Pistole, bedeutete dem Mädchen, sich die Ohren zuzuhalten, dann sprengte sie das Schloss weg. Zoe stieß einen Schrei aus, sprang auf und umarmte Abigail so fest, dass ihr ganzer Körper vor Anstrengung zitterte.

Abigail stand auf, nahm Zoe an der Hand und ging mit ihr zur Tür. „Komm, Schatz, wir bringen dich jetzt hier raus.“

King kam aus dem medizinischen Labor gestolpert, während er anzog, was von seinem Hemd noch übriggeblieben war. Verdammt, was war es hier kalt! Hatten Vampire denn noch nie etwas von Zentralheizung gehört? Um Danica würde er sich später kümmern, im Moment musste er erst einmal Abigail finden und dann von hier verschwinden, ehe er an Unterkühlung starb. Er humpelte durch den grauen Korridor und wurde allmählich etwas schneller, als langsam das Gefühl in seine verkrampften Gliedmaßen zurückkehrte und sich mit Tausenden von schmerzhaften Nadelstichen bemerkbar machte. Er zuckte zusammen und rieb sich die Handgelenke. Hoffentlich wusste Abigail zu schätzen, welche Opfer er für sie gebracht hatte, dass er so geblutet und geschwitzt hatte. So wie er sie kannte, würde sie ihm wahrscheinlich nur den Kopf tätscheln und ihm dann seinen nächsten Auftrag erteilen. Er fragte sich, wie lange es wohl gedauert hatte, ehe ihr aufgefallen war, dass er nicht mehr im Hauptquartier war.

Als er um die Ecke bog, hörte er hinter sich ein lautes Knurren.

Langsam und sehr behutsam wandte King sich um.

Pac Man kam um die Ecke gelaufen. Seine winzigen schwarzen Pfoten trippelten über die Fliesen. Als er King entdeckte, schloss der Mutantenhund die Augen und fletschte die Zähne.

Fluchend wich King zurück, während er sich umsah, ob irgend etwas in Reichweite war, womit er sich verteidigen konnte. Dieser Köter hatte es wirklich auf ihn abgesehen. Hätte er doch bloß seinen Vorrat an Hundespielzeug eingesteckt…

Vorsichtig bewegte er sich geduckt wie ein Surfer um den Hund herum. Irgendwo hatte er mal gelesen, dass man mit einem knurrenden Hund keinen Blickkontakt herstellen sollte, weil das so wirkte, als wolle man den Hund herausfordern.

Oder galt das für Katzen?

Ach, verdammt, er würde einfach losrennen. Es konnte nicht so schwer sein, einem so kleinen Hund davonzulaufen.

Als sich King zur Flucht bereitmachte, bewegte sich Pacman ein Stück vorwärts. Und dann kamen zwei Rottweiler hinter ihm um die Ecke, die wie böse eineiige Zwillinge aussahen.

King starrte sie entsetzt an. Die beiden Hunde waren so breit wie Panzer und unübersehbar muskulös. Sie knurrten ihn so kehlig an, dass es sich fast so anhörte, als komme das Geräusch, das Kings Brustbein zum Vibrieren brachte, tief aus dem Boden. Ihre überaus wachsamen braunen Augen fixierten Kings Gesicht, als sei es eine Zielscheibe, dann zogen sie die Lefzen hoch und gaben den Blick frei auf mehrere Reihen rasierklingenscharfer Zähne, von denen blutiger Speichel tropfte.

King bekam den Mund kaum noch zu.

„Verdammte Scheiße.“

Wie auf ein lautloses Kommando hin stürzten sich die drei Hunde auf King und bellten wie verrückt, während ihre Schnauzen auseinander klappten, bereit, ihn zu umschließen…

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