40.

Die Stille war allumfassend. Was Mogens vorhin über die Dunkelheit gedacht hatte, das galt hier unten ebenso für jegliche Art von Geräusch. So wie Dunkelheit der Urzustand der Dinge war, bevor sie waren, hatte es Stille gegeben, lange bevor das erste Geräusch durch das Universum hallte, und ebenso wie die Dunkelheit würde sie wieder herrschen, wenn alles vorüber und das kurze Zwischenspiel längst vergessen war, das die Menschen Ewigkeit nannten.

Dabei war die Stille fast noch schlimmer als die Dunkelheit. Das Dunkel konnten sie mit den Strahlen ihrer Lampen vertreiben, die lautlos wie die tastende Hand eines Blinden vor ihnen hereilte, die Stille jedoch schien sich beharrlich zu weigern, den Lauten zu weichen, die sie selbst verursachten.

Vielleicht, dachte Mogens schaudernd, weil es eben nicht nur Stille war, sondern etwas von ganz anderer, bedrohlicher Qualität. Die Dunkelheit war immer hier unten gewesen, bevor diese Räume und Gänge entstanden waren; und auch die allermeiste Zeit danach. Die Stille aber war neu, und sie bedeutete mehr, als Mogens zuzugeben bereit war. Selbst so tief unter der Erde war es niemals ganz still. Man hätte das Knacken des Felsens hören müssen, das Rascheln winziger Lebewesen, die es selbst hier unten gab, das Geräusch der Luft, die durch das Labyrinth aus Gängen und natürlich entstandenen Hohlräumen strich, ja, selbst die bewusst kaum wahrnehmbaren und dennoch stets präsenten Atemzüge der Erde selbst, deren Lebenszyklus sich vielleicht gar nicht einmal so sehr von dem des Menschen unterschied, nur dass er unendlich viel langsamer war.

Nichts von alledem war zu spüren. Es war nicht einfach nur still, weil hier unten nichts mehr war, was ein Geräusch verursacht hätte. Das Gegenteil war der Fall. Irgendetwas war hier. Das Schweigen hatte Substanz gewonnen und war zu etwas geworden, das einfach nichts anderes in seiner Nähe mehr zuließ.

Der Weg kam ihm weiter vor als jemals zuvor. Er hatte sich niemals die Mühe gemacht, die Schritte vom Eingang hierher in die erste, größte Kammer zu zählen, und doch war er fast sicher, dass sie nun mindestens die doppelte Anzahl zurückgelegt hatten wie jemals zuvor. Miss Preussler war so dicht neben ihn getreten, dass der grobe Stoff ihres Kleides manchmal seine Schulter streifte, ein ganz normaler menschlicher Reflex in dieser lebensfeindlichen und stillen Umgebung, und dennoch fragte sich Mogens instinktiv, ob sie wohl auch nur ahnte, wie viel Kraft sie ihm allein durch ihre bloße Nähe gab - und ob es umgekehrt wohl auch so war.

Graves und Tom waren bisher etliche Schritte vorausgeeilt, nun aber blieben sie stehen, sodass der Abstand zwischen ihnen wieder zusammenschmolz. Graves ließ den Lichtstrahl seiner Laterne langsam über die Felswände gleiten, zögernd und fast unsicher, als suche er nach etwas, von dem er zwar genau wusste, dass es da war, während er zugleich aber auch befürchtete, es zu übersehen. Tom tat im Großen und Ganzen dasselbe, nur dass er das Repetiergewehr erhoben und auch bereits durchgeladen hatte - Mogens erinnerte sich im Nachhinein an das scharfe metallische Klicken, mit dem die Patrone in die Kammer geglitten war, und er war ziemlich sicher, dass es nicht das mindeste Echo verursacht hatte - und mit seinem Lauf dem zitternden Lichtkreis auf der Wand folgte.

»Was suchst du?«, fragte er, nachdem Miss Preussler und er neben den beiden angekommen waren.

Graves machte eine unwillige Geste, still zu sein, und ließ seinen Lichtstrahl weiter und mit enervierender Langsamkeit über die Wände gleiten, wo sie ein bizarres Panoptikum aus natürlich gewachsenen Felsformen und gemeißelten Göttergesichtern und -gestalten aus der Schwärze riss und fast ebenso rasch wieder in ewige Dunkelheit zurückstieß. Das huschende Licht erschuf die Illusion von Leben, wo keines war, schien die Stille aber nur noch zu verstärken. Mogens versuchte vergeblich, sich des beklemmenden Gefühls zu erwehren, das mit diesem Schweigen einherging. Sein Herz schlug langsam, aber schwer und sehr hart.

»Irgendetwas ist hier«, murmelte er.

Graves machte erneut eine Geste, still zu sein, was ihn aber nicht daran hinderte, zu antworten. »Das will ich doch hoffen.«

Tom senkte sein Gewehr - nicht weit, aber dennoch genug, dass auch Mogens' Anspannung ein wenig sank -, nickte fast unmerklich und ging dann zusammen mit Graves los; allerdings nicht in Richtung des Hieroglyphenganges, wie Mogens erwartet hatte, sondern in die entgegengesetzte. Mogens tauschte einen überrascht-fragenden Blick mit Miss Preussler - welche Antwort er erwartete, wusste er allerdings selbst nicht - und beeilte sich dann, Tom und Graves zu folgen. Auch Miss Preussler und er waren mit jeweils einer der kleinen, aber ungemein starken Grubenlampe ausgerüstet, doch sie waren übereingekommen, solange es nichts Außergewöhnliches zu sehen gab, immer nur die Hälfte ihrer Lampen zu benutzen, um Brennstoff zu sparen.

Sie gingen, langsam und immer wieder innehaltend, wenn Graves stehen blieb, das Licht seines Scheinwerfers über die Wände, den Boden und ein- oder zweimal auch über die Decke gleiten ließ, weiter in den riesigen unterirdischen Saal hinein. Die Wandmalereien nahmen ab, je weiter sie sich vom Eingang entfernten, und bald sahen sie nur noch scharfkantigen Fels, den keines Menschen Hand je berührt hatte. Dann fiel mehr Lichtschein durch einen niedrigen, unregelmäßig geformten Durchgang, hinter dem er sich in vollkommener Schwärze verlor.

»Was ist das hier, Professor?«, flüsterte Miss Preussler.

Mogens war schon einmal hier gewesen und wusste auch, was auf der anderen Seite des niedrigen Durchgangs lag, aber er verstand nicht, warum Graves sie hierher führte, und so deutete er nur ein Schulterzucken an und folgte ihm und Tom.

Obwohl er vorgewarnt war, stieß er sich zweimal den Kopf an der niedrigen Decke, bevor er sich wieder aufrichten konnte, und so wie es sich anhörte, erging es Miss Preussler hinter ihm nicht viel besser; auch wenn er argwöhnte, dass sie wohl eher Mühe hatte, nicht in dem schmalen Gang stecken zu bleiben.

In der kleinen Höhle angekommen, die sich dahinter erstreckte, trat er gerade weit genug zur Seite, um ihr Platz zu machen, und blieb dann stehen. Er fühlte sich mit jedem Moment unwohler. Er sollte nicht hier sein. Er wollte nicht hier sein.

Auch Graves war stehen geblieben und ließ den Strahl seiner Grubenlampe langsam über die gegenüberliegende Wand mit den Felszeichnungen der Dogon streichen. Nach allem, was Mogens in den zurückliegenden Tagen hier unten gesehen hatte, kamen ihm die einfachen Strichzeichnungen primitiv und ungelenk vor - aber zugleich schienen sie auch etwas zu beinhalten, was all den Hieroglyphen, Basreliefs und Skulpturen im anderen Teil der Anlage abging. Mogens konnte nicht sagen, was, aber es war da.

Graves ließ seinen Lichtstrahl noch einmal langsam über den Stein tasten, richtete ihn für einen kurzen Moment auf eine bestimmte Stelle - und schaltete die Lampe dann ab. Neben Mogens fuhr Miss Preussler spürbar zusammen.

»Tom«, sagte Graves, »lösch das Licht.«

Tom gehorchte, und es wurde schlagartig und absolut dunkel. Miss Preussler sog scharf die Luft zwischen den Zähnen ein, und auch Mogens' ungutes Gefühl nahm schlagartig noch weiter zu. »Doktor Graves, halten Sie es für eine gute Idee, dass...«

»Still«, unterbrach ihn Graves. Mogens konnte hören, wie er neben ihm in der Dunkelheit eine unwillige Bewegung machte. »Sehen Sie!«

Im ersten Moment sah Mogens auch weiter gar nichts. Die Dunkelheit erschien ihm absolut. Aber dann erkannte er, dass das nicht stimmte.

Vor ihnen glomm ein ganz sachter, blaugrüner Schein, so unstet wie der Glanz eines leuchtenden Insekts und auch kaum weniger schwach. Selbst in der vollkommenen Dunkelheit, die ringsum herrschte, dauerte es etliche Sekunden, bis sich seine Augen weit genug umgestellt hatten und er das System in dem scheinbar willkürlichen Tanz winziger leuchtender Staubkörner erkannte.

»Ist es das, Doktor Graves?«, fragte Tom. Seine Stimme bebte vor Aufregung »Ist es das?«

»Ja, Tom«, antwortete Graves. »Das ist es.« Seine Stimme klang nicht aufgeregt, sondern ganz eindeutig voller Ehrfurcht.

»Das ist was, Jonathan?«, fragte Mogens. Er machte einen einzelnen Schritt, um an Graves vorbeizugehen, aber der griff rasch nach seinem Arm und hielt ihn zurück. »Nicht!«, sagte er. »Rühr es nicht an. Sieh nur hin. Erkennst du es denn nicht?«

Mogens konzentrierte sich, aber im allerersten Moment ohne Erfolg: Die leuchtenden Pünktchen blieben, was sie waren: ein gutes Dutzend unterschiedlich großer und unterschiedlich heller Funken, die einander umtanzten wie Staubkörner, mit denen der Wind spielt. Und dennoch kam ihm etwas daran bekannt vor, auf eine fast schon unheimliche Weise.

Dann wusste er es. Er hatte dieses Muster schon einmal gesehen, nur nicht frei im Raums schwebend und als Tanz winziger leuchtender Punkte, die einander umkreisten und sich zu necken schienen, sondern dunkel und zweidimensional, als ungelenke und dennoch sehr präzise Felszeichnung, die in den uralten Stein der Höhle geritzt war.

Aber nicht nur dort. »O mein Gott«, hauchte er. »Das... das ist... Sirius!«

»Wie er vor fünftausend Jahren am Himmel gestanden hat, ja«, bestätigte Graves. Seine Stimme bebte vor Stolz. »Die alte Heimat der Dogon.«

Mogens hatte mit einem Male das Gefühl, dass sich die Dunkelheit der Höhle ebenso schnell um ihn zu drehen begänne, wie die winzigen Abbilder längst vergangener Sternenkonstellationen einander umkreisten. Er war kein Astronom, aber Sirius war ein sehr prägnanter Stern, den man auch ohne allzu große wissenschaftliche Vorbildung am Himmel erkannte. Es gab keinen Zweifel. Jetzt, einmal darauf aufmerksam geworden, hätte Mogens die Konstellation auch ohne Graves' Hilfe ganz eindeutig identifiziert. Was da vor ihm schwerelos und dreidimensional in der Luft tanzte, war ein präzises Abbild des Sirius und seiner Begleiter.

»Aber das ist doch... vollkommen unmöglich«, hauchte er. »Wie kann das...?«

»Das ist das Werk des Teufels!«, sagte Miss Preussler neben ihm. Mogens konnte sie nicht einmal als Schatten in der fast vollkommenen Schwärze erkennen, aber er spürte, wie sie sich bekreuzigte.

»Das ist wunderschön«, flüsterte Graves. »Sehen Sie sich nur die Präzision der Bewegungen an! Ihre Eleganz und Genauigkeit! Ich bin ganz sicher, hätten wir die Möglichkeit, es zu vergleichen, wir würden herausfinden, dass die Bahnen der Sterne um keinen Millimeter abweichen!«

»Und ich bleibe dabei, es ist Teufelswerk!«, sagte Miss Preussler. Ihre Stimme zitterte, war nun aber dennoch hart, fast befehlend geworden. Mogens lauschte jedoch vergebens auf einem Unterton von Panik oder Hysterie darin. »Wir werden diesen unheiligen Ort auf der Stelle verlassen! Kommen Sie, Professor!«

Sie ergriff Mogens am Arm und zwang ihn mit einer fast gewaltsamen Bewegung herum. Mogens versuchte sich ganz instinktiv zu widersetzen, doch in diesem Moment bekam Miss Preussler von gänzlich unerwarteter Seite Schützenhilfe.

»Sie haben Recht, meine Liebe«, sagte Graves. »Es wird Zeit, dass wir gehen. Aber gedulden Sie sich noch einen kurzen Moment. Nicht, dass sich am Ende noch jemand verletzt.«

Vor ihnen in der Dunkelheit klapperte etwas, dann hörten sie das Geräusch, wie ein Schwefelholz angerissen wurde. Mogens verspürte ein Gefühl flüchtiger, aber sehr tiefer Enttäuschung, als eine winzige Flamme den Tanz der Sterne auslöschte, dann leuchtete Graves' Scheinwerfer auf. Mogens hob geblendet die Hand über das Gesicht, und auch Miss Preussler kniff die Augen zusammen und drehte sich mit einer erschrockenen, hastigen Bewegung herum. Fast schon fluchtartig verließ sie die Höhle, und Mogens folgte ihr kaum weniger schnell - drehte jedoch noch einmal den Kopf und versuchte über die Schulter zurück einen Blick auf die Felszeichnungen zu werfen. Graves' Scheinwerfer blendete ihn jedoch so sehr, dass er nichts sah außer bunten Lichtblitzen und Sternen gänzlich anderer Herkunft, die über seine Netzhäute tanzten und ihm die Tränen in die Augen trieben.

Draußen in der großen Höhle angekommen, ging Graves noch ein Dutzend Schritte weiter, bevor er anhielt und auf Tom wartete, der gewisse Schwierigkeiten damit hatte, sich mitsamt seinem gewaltigen Rucksack durch die schmale Öffnung im Fels zu quetschen, dabei die beiden Gewehre zu tragen und gleichzeitig auch noch seine Lampe zu entzünden. Irgendwie brachte er es schließlich doch fertig, kam dabei jedoch aus dem Takt und wäre um ein Haar gestürzt, was ihm einen weiteren zornigen Blick von Graves eintrug.

»Ich hatte Recht!«, wandte sich Graves in triumphierendem Ton an Mogens. »Großer Gott, Mogens - ich hatte von Anfang an Recht!«

Mogens suchte vergeblich nach einer Antwort, die auch nur entfernt dazu geeignet schien, das Durcheinander von Gefühlen, Gedanken und Empfindungen zu beschreiben, das hinter seiner Stirn tobte, doch Miss Preussler kam ihm auch diesmal zuvor.

»Wagen Sie es nicht, den Namen des HERRN in den Mund zu nehmen, an einem solchen Ort!«, sagte sie empört.

»Aber Miss Preussler, ich bitte Sie!«, antwortete Graves. Er drehte sich so zu ihr herum, dass der grelle Lichtstrahl aus seiner Lampe direkt in ihr Gesicht fiel und sie geblendet die Augen schloss. Bevor er weitersprach, senkte er die Lampe hastig um ein kleines Stück. »Miss Preussler, bitte glauben Sie mir, das hier hat rein gar nichts mit Gott oder dem Teufel zu tun. Und schon gar nicht mit Gotteslästerung.«

»Wagen Sie es nicht...!«, begann Miss Preussler erneut, doch diesmal wurde sie von Mogens unterbrochen.

»Ich fürchte, ich muss Doktor Graves Recht geben«, sagte er.

Miss Preussler drehte sich ganz langsam zu ihm herum, und ein Ausdruck ungläubigen Staunens erschien in ihren Augen. Mogens fuhr jedoch in unverändertem Ton und mit einem bekräftigenden Kopfschütteln in Richtung der Höhle fort, aus der sie gerade gekommen waren: »Ich kann verstehen, wie sehr Sie das erschreckt haben muss, was wir gerade gesehen haben. Bitte, glauben Sie mir, mir erging es nicht anders. Und doch fürchte ich, befinden Sie sich diesmal im Irrtum. Das dort hatte nichts mit Zauberei oder dem Werk des Teufels zu tun.« Aber stimmte das wirklich? Mogens war beinahe erstaunt über die Ruhe und sichere Überzeugungskraft, die aus seiner Stimme sprach. Und doch: Was er sagte, das war nicht wirklich das, was er empfand. Natürlich war es der Wissenschaftler in ihm, der diese Worte sprach. Er war nicht nur von ihrer Wahrhaftigkeit überzeugt, er wusste, dass es so war. Und doch war da zugleich auch noch eine andere, leise und doch viel eindringlichere Stimme, die nicht den logischen Teil seines Verstandes ansprach, sondern etwas viel Älteres und Mächtigeres.

»Professor!«, hauchte Miss Preussler ungläubig. »Was reden Sie da?«

Mogens schüttelte noch einmal den Kopf. »Nicht alles, was wir nicht verstehen und was uns erschreckt, ist deshalb gleich unbedingt das Werk Satans«, sagte er.

»Das ist wahr, Miss Preussler«, fügte Graves hinzu. »Auch, wenn Sie der Gedanke immer noch erschrecken mag, doch wessen Zeuge wir gerade geworden sind, das ist der unumstößliche Beweis dafür, dass es dort draußen zwischen den Sternen noch andere Wesen gibt. Ihr Wirken mag uns unheimlich und erschreckend vorkommen, aber bitte glauben Sie mir: Es ist nicht der Gehörnte, der hier seine Hand im Spiel hat.«

»Hören Sie auf!«, antwortete Miss Preussler. Ihre Stimme bebte.

»Ich kann Sie ja verstehen«, sagte Graves lächelnd. »Auch wenn Sie es nicht glauben, aber ich kann sehr gut nachempfinden, was Sie jetzt fühlen, meine Liebe. Auch mir erging es nicht anders, damals, als ich auf die ersten Hinweise gestoßen bin. Und es hat lange gedauert, bis ich bereit war, die Augen zu öffnen und zu sehen. Ihre Auffassungen von Religion und Glauben und die meine mögen voneinander abweichen, und doch glaube auch ich an einen allmächtigen Schöpfer, der das Universum erschaffen hat und über uns wacht.«

Miss Preussler sah ihn nun vollends verstört an. »Das glaube ich Ihnen nicht«, antwortete sie, ohne dass in ihrer Stimme wirkliche Überzeugung gewesen wäre. »Kein wirklicher Christenmensch würde solch ketzerische Thesen aufstellen.«

»Aber macht es denn Gottes Schöpfung nicht nur umso wunderbarer, wenn man daran glaubt, dass er noch mehr Welten wie die unsere erschaffen hat?«, fragte Graves beinahe sanft. »Vielleicht Tausende. Vielleicht Millionen, mit Millionen Völkern, die an ihn glauben?«

Miss Preussler wirkte nun endgültig verstört. Sie setzte - ganz automatisch, wie es Mogens erschien - zu einer weiteren, geharnischten Antwort an, schüttelte dann aber nur hilflos den Kopf. Statt noch etwas zu sagen, bedachte sie Graves mit einem zornig-verstörten und Mogens mit einem eindeutig vorwurfsvollen Blick, dann drehte sie sich mit einem Ruck herum und ging zu Tom hin, der in einigen Schritten Abstand stehen geblieben war.

Graves sah ihr kopfschüttelnd nach, mit einem Male aber gar nicht mehr zornig oder arrogant, wie es Mogens schien, sondern fast sanft, dann hob er seine Lampe und drehte sich gleichzeitig herum.

»Komm, Mogens«, sagte er. »Gehen wir ein Stück voraus. Ich glaube, Miss Preussler möchte im Moment allein sein. Keine Sorge - sie ist bei Tom in guten Händen.«

Mogens zögerte zwar, sah aber dann ein, dass Graves vermutlich Recht hatte. Er hatte Miss Preussler niemals zuvor so erschüttert gesehen; nicht einmal am Morgen, nachdem der Sheriff sie zurückgebracht hatte.

Schweigend schloss er sich Graves an, und sie gingen in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren. Erst nach einer geraumen Weile - und auch erst, nachdem er einen raschen Blick über die Schulter zurückgeworfen und sich überzeugt hatte, dass Tom und Miss Preussler weit genug hinter ihnen zurückgefallen waren, um seine Worte nicht hören zu können - knüpfte er wieder an das unterbrochene Gespräch an. »Das war genial, Jonathan«, sagte er. »Ich hätte niemals geglaubt, dass es jemandem möglich wäre, Miss Preussler auf diese Weise zu überrumpeln.«

Täuschte er sich, oder blitzte es in Graves' Augen kurz und amüsiert auf, als er seine Worte hörte? »Wer sagt, dass ich sie überrumpelt habe?«

»Du hast wieder einmal die Regeln geändert, nicht wahr?«, vermutete Mogens.

Graves schüttelte heftig den Kopf. »Keineswegs«, sagte er. »Was ich gesagt habe, war meine ehrliche Überzeugung.«

Nun war es Mogens, der ihn verwirrt ansah. »Du willst behaupten, dass du plötzlich an Gott glaubst?«, fragte er.

»Ich habe gesagt, dass all diese Welten dort draußen von einem Gott erschaffen worden sind«, bestätigte Graves. »Aber habe ich gesagt«, fügte er hinzu, und plötzlich klang seine Stimme ein ganz kleines bisschen besorgt, »von welchem?«

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