27.

Obwohl Mogens fast schon gewaltsam darauf bestanden hatte, ihm zu helfen, hatte Tom sich nicht davon abbringen lassen, auch die beiden anderen Kisten allein in die Höhle hinunterzuschaffen. Letztendlich hätte er es ihm einfach befehlen können, aber Mogens wusste auch, dass er damit mehr Schaden als Nutzen anrichten würde; das Einzige, worauf er bestand war, dass Tom zu Miss Preussler ging, um sein verletztes Knie versorgen zu lassen.

Sheriff Wilson kam zwei Stunden später. Mogens war in seine Unterkunft zurückgekehrt, um seine Gedanken zu ordnen und zu einem Entschluss zu gelangen, aber natürlich gelang ihm weder das eine noch das andere. Als er das Geräusch des Automobils hörte und aus dem Fenster sah und Wilsons Wagen erkannte, war er regelrecht erleichtert. Er verließ das Haus und eilte in Schlangenlinien über den aufgeweichten Platz, um den zahllosen Pfützen auszuweichen, die seit dem vergangenen Abend deutlich schlammiger geworden waren, aber kaum kleiner.

Wilson hatte vor Graves' Hütte angehalten und war halb aus dem Wagen gestiegen, aber seine rechte Hand lag noch immer auf dem Lenkrad, und als Mogens bei ihm anlangte, drückte er gerade zum dritten Mal auf die Hupe. Das misstönende Quaken zeitigte jedoch keinerlei Erfolg. Die Tür zum Blockhaus blieb verschlossen. Das einzige Ergebnis seiner Bemühungen war, dass die Tür einer anderen Hütte aufflog und Miss Preussler unter der Öffnung erschien, um ihm einen tadelnden Blick zuzuwerfen.

»Ich an Ihrer Stelle würde mit dem Lärm aufhören«, sagte Mogens.

Wilson fuhr fast erschrocken herum und sah eine Sekunde lang regelrecht hilflos aus, aber seine Hand blieb weiter auf dem Lenkrad liegen. »Professor VanAndt!«

»Wirklich, ich an Ihrer Stelle würde es mir zweimal überlegen, Miss Preusslers Unmut zu erregen«, fuhr Mogens fort. »Das ist schon so manchem - groß oder klein - schlecht bekommen.« Er trat ganz um das Automobil herum und fügte mit einem Lächeln hinzu: »Ich schließe mich da durchaus mit ein.«

»Miss Preussler?« Wilson sah fragend über den Platz. Miss Preussler war unter der Tür stehen geblieben und hatte die Hände in die gut gepolsterten Hüften gestemmt. Sie war zu weit entfernt, um ihr Gesicht zu erkennen, aber Mogens konnte ihre strafenden Blicke regelrecht spüren, und auch Wilson schien es ganz ähnlich zu ergehen, denn er nahm nicht nur die Hand von der Hupe, sondern trat auch einen Schritt zurück und warf Miss Preussler ein grüßendes Nicken zu, indem er mit Zeige- und Mittelfinger an seine Hutkrempe tippte. Miss Preussler schenkte ihm noch einen abschließenden eisigen Blick und trat dann ins Haus zurück.

»Meine Haushälterin«, erklärte Mogens. Miss Preussler würde ihm diese kleine Lüge sicher verzeihen, sollte sie überhaupt je davon erfahren.

»Sie haben Ihre Haushälterin mit hierher gebracht?«

»Sagen wir es so«, antwortete Mogens ausweichend. »Ich konnte sie nicht davon abbringen, mir zu folgen.«

Die Andeutung eines flüchtigen Lächelns erschien auf Wilsons Lippen. »Ja, ich glaube, ich verstehe, was Sie meinen, Professor.« Er wurde sofort wieder ernst. »Ich bin eigentlich gekommen, um mit Doktor Graves zu reden. Sie wissen nicht zufällig, wo er sich aufhält?«

»Ich nehme an, er ist bei seiner Arbeit«, antwortete Mogens.

Wilson sah ihn fragend an, aber Mogens vertiefte das Thema nicht weiter; sein Zorn auf Graves war nicht so groß, dass er ihm in den Rücken gefallen wäre. »Wenn Sie gekommen sind, um die Uniform abzuholen, die Sie mir freundlicherweise geliehen haben, muss ich Sie noch um ein wenig Geduld bitten«, sagte er stattdessen. »Miss Preussler hat sich nicht davon abbringen lassen, sie zu waschen.«

Wilsons Stirn umwölkte sich. Das war nicht das gewesen, was er hatte hören wollen. »Das hat Zeit«, sagte er in leicht unwilligem Ton. »Ich würde jetzt wirklich gern mit Doktor Graves sprechen.«

Mogens wollte es nicht, aber er sah ganz unwillkürlich zu dem großen Zelt in der Mitte des schlammigen Platzes hin.

Wilsons Blick folgte dem seinen, und zwischen seinen hellgrauen Augenbrauen entstand eine tiefe, nachdenkliche Falte.

»Ich werde Tom schicken, um Doktor Graves zu holen«, sagte Mogens rasch.

»Tun Sie das«, antwortete Wilson, hob aber absurderweise auch gleichzeitig die Hand, um ihn mit einer Geste zurückzuhalten. »Aber vielleicht können Sie mir ja auch einige Fragen beantworten.«

Mogens hob wortlos die Schultern. Er bedauerte es bereits, überhaupt herausgekommen zu sein. Vermutlich wäre er besser beraten gewesen, einfach abzuwarten, bis Wilson unverrichteter Dinge wieder gefahren war. »So weit es mir möglich ist«, antwortete er ausweichend.

»Oh, daran zweifle ich eigentlich nicht«, sagte Wilson. Er nahm seinen Stetson ab und begann ihn in den Händen zu drehen, aber er war ein erbärmlicher Schauspieler. Die Unsicherheit, die er Mogens auf diese Weise vorgaukeln wollte, war das genaue Gegenteil. »Ich hatte heute Morgen Besuch, Professor. Doktor Steffen - erinnern Sie sich?«

»Der Geologe.« Mogens konnte sich gerade noch beherrschen, nicht das Wort zu benutzen, das Graves favorisierte: Maulwurf.

Wilson nickte. »Sie hätten ihn beinahe noch angetroffen, wären Sie nur ein paar Minuten länger geblieben. Aber vielleicht ist es auch ganz gut so. Doktor Graves und er sind nicht unbedingt das, was man gute Kollegen nennt, fürchte ich.«

Es war keine Feststellung, sondern eine Frage, aber Mogens weigerte sich, auch nur mit einem Nicken oder einem Schulterzucken darauf zu antworten.

»Doktor Steffen war ziemlich erregt«, fuhr Wilson fort, nachdem er schließlich eingesehen hatte, dass er keine Antwort bekommen würde. »Er sagt, es hätte in der vergangenen Nacht weitere Erdstöße gegeben.« Sein Blick wurde eindeutig lauernd, aber Mogens reagierte auch diesmal nur mit einem Achselzucken.

»Ich habe nichts gespürt.«

»Niemand hat das«, bekannte Wilson. »Aber Doktor Steffen beharrt darauf. Er hat mir ein Blatt Papier gezeigt, das von einem seiner Messgeräte stammt. Nicht dass ich es wirklich verstanden hätte.« Er hob in einer Geste nicht wirklich überzeugend gespielter Verlegenheit die Schultern. »Ehrlich gesagt sind es für mich nicht mehr als bunte Linien und Striche auf Papier. Aber Doktor Steffen besteht darauf, dass diese Aufzeichnungen den Beweis für einen weiteren Erdstoß darstellen. Er war ziemlich besorgt. Und er behauptet nach wie vor, dass das - wie heißt es? Epizentrum?« Er sah Mogens stirnrunzelnd an und sprach erst weiter, als dieser zustimmend genickt hatte. »Ja, das Epizentrum also genau hier unter Ihrem Lager gewesen ist.«

»Ich habe nichts bemerkt«, sagte Mogens noch einmal, »Und Doktor Graves auch nicht. Er hätte es mir sicher gesagt.«

»Ja, sicher«, sagte Wilson. Er machte keinen Hehl aus seiner Enttäuschung, aber er gab auch nicht auf. Er änderte nur seine Taktik. »Was tun Sie hier eigentlich, Professor VanAndt?«, fragte er.

»Sie wissen, dass ich Ihnen das nicht sagen kann, Sheriff«, antwortete Mogens. »Aber ich kann Ihnen versichern, dass wir hier rein archäologische Forschungen betreiben.«

»Das heißt, Sie graben etwas aus.«

Mogens schmunzelte. »Sie sind hartnäckig, Sheriff, das muss man Ihnen lassen. Aber ich muss Sie enttäuschen. Wir graben nichts aus. Wir sehen uns lediglich ein paar Dinge an. Sehr alte Dinge - aber nichts von dem, was wir tun, ist in irgendeiner Weise dazu geeignet, ein Erdbeben zu verursachen, nicht einmal ein ganz kleines.«

Wilson ignorierte sein Lächeln ebenso wie seinen scherzhaften Ton. »Doktor Steffen scheint anderer Meinung zu sein«, sagte er ernst. »Sie sollten das nicht auf die leichte Schulter nehmen, Professor. Steffen ist ein renommierter Wissenschaftler, und er kennt eine Menge einflussreicher Leute. Er kann Ihnen eine Menge Schwierigkeiten machen.«

»Soll das eine Drohung sein, Sheriff?«, fragte Mogens. Er bedauerte seine eigenen Worte sofort, als er sie ausgesprochen hatte. Er wusste selbst nicht genau, warum er so reagiert hatte. So ziemlich das Letzte, was er im Moment wollte, war sich offen auf Graves' Seite zu schlagen und Wilson damit noch mehr zu verprellen.

Wilson schien ihm seine kleine Entgleisung jedoch nicht übel zu nehmen. »Keineswegs, Professor«, antwortete er ungerührt. »Aber Doktor Steffen wird die Sache kaum auf sich beruhen lassen. Soviel ich weiß, ist er genau in diesem Moment auf dem Weg nach San Francisco, um geeignete Schritte einzuleiten, die ihm Zutritt zu Ihrer Ausgrabungsstelle verschaffen.« Er schüttelte den Kopf. »Es tut mir Leid, wenn Sie mich falsch verstanden haben, Professor. Ich wollte Ihnen nicht drohen, sondern Sie ganz im Gegenteil warnen. Sehen Sie - ich bin dafür verantwortlich, dass in meiner Stadt Ruhe und Ordnung herrschen. Dieser Streit dauert jetzt schon ein Jahr an. Er muss ein Ende haben. Leider ist weder mit Doktor Graves noch mit Doktor Steffen ein vernünftiges Gespräch möglich. Ich hatte die vage Hoffnung, dass Sie vielleicht vernünftiger sein könnten.«

»Das kommt ganz darauf an, was Sie unter dem Wort vernünftig verstehen«, antwortete Mogens.

»Ich kann Doktor Steffen schwerlich besänftigen, wenn ich nicht weiß, was hier vorgeht«, sagte Wilson.

Mogens seufzte. »Sie wissen, dass ich daran nichts ändern kann. Doktor Graves' Anweisungen sind in diesem Punkt eindeutig. Ich würde meine Anstellung riskieren.«

»Es liegt mir natürlich fern, Ihnen Schwierigkeiten zu bereiten, Professor«, versicherte Wilson hastig. Er war vielleicht kein guter Schauspieler, dachte Mogens, aber er gab sich immerhin Mühe, überzeugend zu lügen. »Aber es wäre dennoch von Vorteil, wenn ich wenigstens eine Ahnung hätte.«

»Verstehen Sie etwas von der Megalithkultur, Sheriff?«, fragte Mogens.

Wilson blinzelte.

»Aber Sie leiden nicht zufällig an Klaustrophobie?«, fuhr Mogens fort.

Wilson blinzelte erneut.

»Platzangst«, erklärte Mogens.

»Nein«, antwortete Wilson. »Jedenfalls nicht, dass ich wüsste.«

Mogens überlegte nur noch einen Augenblick, dann trat er demonstrativ zurück und drehte sich zur Mitte des Platzes hin, um auf das Zelt zu deuten. »Dann wollen wir hoffen, dass Sie sich nicht irren«, sagte er. »Sonst stehen Ihnen ein paar unangenehme Minuten bevor.«

Wilson zog überrascht die Brauen hoch. »Sie...?«

»Ich hoffe, Sie haben noch Verwendung für einen Deputy-Sheriff, der Waffen hasst und seine Haushälterin mitbringt«, sagte Mogens. »Wenn Doktor Graves uns überrascht, könnte es gut sein, dass ich eine neue Anstellung brauche.«

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